Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.02.2011, Az. VII ZR 71/10

7. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 9564

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Gegenstand

Zulassung der Revision: Grenzen der Beschränkung der Revisionszulassung durch das Berufungsgericht im Falle eines Haftungsprozesses gegen einen Architekten


Tenor

Der Klägerin wird für die Verteidigung gegen die Revision der Beklagten zu 2 und für ihre Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des [X.] vom 30. März 2010 insoweit ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt, als sie gegen die Abweisung der Klage in Höhe eines Betrages von 16.145,31 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Oktober 2006 gerichtet ist. Im Übrigen wird der [X.] zurückgewiesen.

Im Umfang der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird der Klägerin zur Wahrung ihrer Rechte im Revisionsverfahren Rechtsanwalt Prof. Dr. R. beigeordnet.

Gründe

1

Die Klägerin beauftragte die [X.] zu 2 (im Folgenden: [X.]) durch Vertrag vom 14. August 2001 mit Architektenleistungen gemäß Leistungsphasen 1 bis 9 nach § 15 Abs. 2 HOAI a.F. für den Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses. Im Dezember 2001 traten im Bereich des [X.] und im Februar 2002 Schimmelpilzbefall auf. Nach fristloser Kündigung des [X.] nahm die Klägerin die [X.] in einem Vorprozess erfolgreich auf Ersatz der Kosten der Mängelbeseitigung in Anspruch. Durch Urteil vom 30. März 2006 stellte das [X.] darüber hinaus fest, dass die [X.] der Klägerin alle Aufwendungen und Schäden ersetzen muss, die durch die Beseitigung der Feuchtigkeitsmängel an den Holzteilen des [X.] entstehen. Im Oktober 2005 besorgte die [X.] die Nachbesserung des [X.]. Nach Fertigstellung des Innenausbaus bezog die Klägerin im Oktober 2006 das Gebäude.

2

Im vorliegenden Verfahren verlangt die Klägerin von der [X.] Schadensersatz für die ihr durch den Feuchtigkeitsbefall entstandenen Mangelfolgeschäden, die sie auf insgesamt 89.846,83 € beziffert hat. Die [X.] hat sich u.a. auf Verjährung berufen und hilfsweise mit einer Resthonorarforderung von 18.794,39 € aufgerechnet.

3

Das [X.] hat Schadensersatzansprüche in Höhe von insgesamt 34.989,18 € für gerechtfertigt gehalten und der Klägerin nach Abzug eines restlichen Architektenhonorars von 18.794,39 € einen Betrag von 16.194,79 € nebst Zinsen zugesprochen. Gegen dieses Urteil hat die [X.] mit dem Ziel der Klageabweisung Berufung eingelegt. Die Klägerin hat mit ihrer Anschlussberufung auf Verurteilung der [X.] zur Zahlung weiterer [X.] (unter Ansatz von 92,42 € statt 92,94 € für Versicherung) nebst Zinsen angetragen. Im Einzelnen hat sie folgende Forderungen geltend gemacht:

Nutzungsausfall

49.693,33 €

[X.] Eigenheimzulage

20.448,00 €

Zusätzliche Prämien für Bauherrenhaftpflichtversicherung             

92,94 €

Gerüstmehrkosten  

1.279,52 €

Lichtbilder für Beweiszwecke

50,00 €

Setzungsschäden Terrasse 

      430,00 €

Insgesamt

71.993,79 €

4

Das Berufungsgericht hat die Anschlussberufung zurückgewiesen und der Klägerin auf die im Übrigen als unbegründet angesehene Berufung der [X.] anstelle des vom [X.] zuerkannten [X.] von 33.137,24 € einen Anspruch auf Erstattung von zusätzlichen Aufwendungen für eine Ersatzmietwohnung in Höhe von [X.] zuerkannt; die vom [X.] zugesprochenen Aufwendungen für Lichtbilder (50 €) hat es nicht für erstattungspflichtig erachtet. Die danach verbleibende Klageforderung von 13.562,36 € (Mietaufwendungen [X.], Haftpflichtversicherungsprämien 92,94 €, Gerüstmehrkosten 1.279,52 €, [X.] 430 €) hat es durch die Hilfsaufrechung der [X.] mit ihrer Honorarforderung als erloschen angesehen und die Klage deshalb abgewiesen. Im Hinblick auf den Nutzungsausfallschaden und den Verjährungseinwand der [X.] hat das Berufungsgericht die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen.

5

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt. Die [X.] beruft sich weiterhin auf Verjährung und meint, lediglich für den Setzungsschaden an der Terrasse 430 € zahlen zu müssen. (Nur) Insoweit sei die Klageforderung durch die Hilfsaufrechnung mit ihrem Honoraranspruch erloschen. Die Klägerin möchte mit ihrer Revision ihre zuletzt im Berufungsverfahren gestellten Anträge weiterverfolgen. Einwendungen gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhebt sie, soweit der für Mietaufwendungen zuerkannte Ersatzbetrag ([X.]) hinter dem vom [X.] ausgeurteilten Nutzungsausfallschaden (33.137,24 €) zurückbleibt und ihr kein Ersatzanspruch für den Verlust einer Eigenheimzulage (20.448 €) zugebilligt worden ist. Darüber hinaus rügt sie, das Berufungsgericht habe der Klägerin rechtsfehlerhaft die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Honorarforderung zuerkannt.

6

Die Klägerin beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ihre Revision und die Verteidigung gegen die Revision der [X.].

II.

7

Der Prozesskostenhilfeantrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist er unbegründet.

8

Die Klägerin ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung ganz oder teilweise aufzubringen. Deshalb ist ihr gemäß § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO ohne weiteres Prozesskostenhilfe für die Verteidigung gegen die Revision der [X.] zu bewilligen. Ihre eigene Revision hat hinreichende Aussicht auf Erfolg nur insoweit, als sie gegen die Abweisung der Klage in Höhe eines Betrages von 16.145,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Oktober 2006 gerichtet ist. Im Übrigen ist das Prozesskostenhilfegesuch mangels Erfolgsaussicht zurückzuweisen, § 114 Satz 1 ZPO.

9

1. Die Revision der Klägerin ist gemäß §§ 543 Abs. 1, 552 Abs. 1 Satz 2 ZPO unzulässig, soweit sie das Berufungsgericht nicht zugelassen hat. Das betrifft die Einwendungen der Klägerin gegen die Aberkennung des Anspruchs auf Schadensersatz in Höhe einer entgangenen Eigenheimzulage (20.448 €) sowie gegen die Berücksichtigung des hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Honoraranspruchs der [X.] (18.794,39 €).

a) Das Berufungsgericht hat, wie sich aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ergibt, die Revision zugelassen, weil es der Sache im Hinblick auf den geltend gemachten Nutzungsausfallschaden und die Frage der Verjährung von Gewährleistungsansprüchen vor der Abnahme grundsätzliche Bedeutung beimisst. Darin liegt, wovon auch die Parteien ausgehen, eine Beschränkung der Revisionszulassung.

Eine solche Beschränkung ist zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des [X.] beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte ([X.], Urteil vom 20. April 1990 - [X.], [X.]Z 111, 158, 166; Urteil vom 3. Juni 1987 - [X.], [X.]Z 101, 276, 278; Urteil vom 29. Juni 1967 - [X.], [X.]Z 48, 134, 136). Sie kann auch abtrennbare Teile eines prozessualen Anspruchs betreffen ([X.], Urteil vom 29. Januar 2003 - [X.], [X.]Z 153, 359, 361 f.; Urteil vom 25. März 1980 - [X.], [X.]Z 76, 397, 398 f.). Unzulässig ist es demgegenüber, die Revision nur hinsichtlich einer bestimmten Rechtsfrage zuzulassen ([X.], Urteil vom 3. Juni 1987 - [X.], [X.]Z 101, 276, 278). Sie kann dementsprechend nicht auf die Frage der Verjährung beschränkt werden, weil die Beurteilung der Verjährung wiederum von der materiell-rechtlichen Natur des Anspruchs abhängt ([X.], Urteil vom 21. September 2006 - [X.], NJW-RR 2007, 182; Urteil vom 4. Dezember 2007 - [X.], [X.], 666). Ist die Rechtsfrage, derentwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, allerdings nur für einen Teil der entschiedenen Ansprüche von Bedeutung, so kann die gebotene Auslegung der Zulassungsentscheidung ergeben, dass in der Angabe dieses Zulassungsgrundes die Beschränkung der Zulassung der Revision auf diese Ansprüche zu sehen ist ([X.], Urteil vom 29. Januar 2003 - [X.], [X.]Z 153, 359, 362; Urteil vom 29. Juni 1967 - [X.], [X.]Z 48, 134, 136).

In Ansehung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass das Berufungsgericht die Zulassung der Revision in zulässiger Weise auf Ansprüche der Klägerin wegen der entgangenen Nutzung des Wohn- und Geschäftshauses sowie auf diejenigen Forderungen beschränkt hat, hinsichtlich derer sich die [X.] in entscheidungserheblicher Weise auf Verjährung berufen hat. Die von der [X.] erhobene Einrede der Verjährung ist im Berufungsverfahren hinsichtlich der vom Berufungsgericht (teilweise) zuerkannten Ansprüche für Mietaufwendungen ([X.]), zusätzliche Haftpflichtversicherungsprämien (92,94 €) und Gerüstmehrkosten (1.279,52 €) ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat der von ihm zum Nachteil der [X.] entschiedenen Frage der Verjährung grundsätzliche Bedeutung beigemessen. Es unterliegt keinem vernünftigen Zweifel, dass es durch die damit begründete Zulassung der Revision der [X.] hat Gelegenheit geben wollen, seine Entscheidung in diesem Punkt vom Revisionsgericht überprüfen zu lassen. Dementsprechend kann die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulassung der Revision vernünftigerweise nur dahin verstanden werden, dass die Revisionszulassung abgesehen von Ansprüchen wegen entgangener Nutzung des Gebäudes auf diejenigen Ansprüche beschränkt sein soll, hinsichtlich derer sich die [X.] ohne Erfolg auf Verjährung berufen hat.

b) Den Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz für den Verlust einer Eigenheimzulage hat das Berufungsgericht für nicht gerechtfertigt erachtet, weil der Klägerin insoweit kein Schaden entstanden ist. Auf die von der [X.] erhobene Verjährungseinrede kommt es insoweit nicht an. Eine Revision der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts findet in diesem Punkt mangels Zulassung folglich nicht statt.

Ebenfalls nicht der Revision der Klägerin unterliegt die Entscheidung des Berufungsgerichts hinsichtlich des im Wege der [X.] der [X.]. Insoweit hat das Berufungsgericht die Revision ersichtlich nicht zugelassen.

2. Zulässig ist die Revision der Klägerin hingegen, soweit sie ihren Anspruch auf Schadensersatz für entgangene Nutzung weiterverfolgt. In diesem Punkt hat das Rechtsmittel auch in der Sache hinreichende Aussicht auf Erfolg. Im Revisionsverfahren wird die vom Berufungsgericht als grundsätzlich angesehene Frage zu klären sein, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin Schadensersatzansprüche wegen entgangener Nutzung des Gebäudes zustehen.

3. Nach alledem stehen der Klägerin bei erfolgreicher Durchführung ihrer Revision im für sie günstigsten Fall folgende Ansprüche zu:

Nutzungsausfall

33.137,24 €

Zusätzliche Prämien für Bauherrenhaftpflichtversicherung         

 92,94 €

Gerüstmehrkosten

1.279,52 €

Setzungsschäden Terrasse

    430,00 €

Insgesamt

34.939,70 €

Davon abzuziehen ist die von der [X.] hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Honorarforderung von 18.794,39 €.

Es ist die gesamte Honorarforderung ungeachtet des Umstandes anzusetzen, dass das Berufungsgericht lediglich in Höhe von 13.562,36 € über die Hilfsaufrechnung entschieden hat. Denn die Verteidigung der Klägerin gegen die zur Aufrechnung gestellte Forderung, wie sie auch mit der Revisionsbegründung zum Ausdruck gebracht wird, hat keine Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.

Es verbleibt eine Restforderung von 16.145,31 € nebst anteiligen Zinsen.

[X.]                                          Kuffer                                  Safari Chabestari

                       Halfmeier                                     [X.]

Meta

VII ZR 71/10

10.02.2011

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 30. März 2010, Az: 10 U 87/09, Urteil

§ 114 S 1 ZPO, § 543 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.02.2011, Az. VII ZR 71/10 (REWIS RS 2011, 9564)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9564

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