Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.01.2014, Az. 1 StR 589/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 8309

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Gegenstand

Strafzumessung: Bewertung des Leugnens der Tatbeteiligung sowie des Fehlens von Mitgefühl und Schuldeinsicht


Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 3. Mai 2013 im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen schweren Raubes mit gefährlicher [X.]rperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ihr Rechtsmittel führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Das [X.] hat festgestellt, dass die Angeklagte zusammen mit den ebenfalls verurteilten Mitangeklagten [X.]. , [X.]  , [X.]und [X.]den Plan gefasst hatte, den Geschädigten [X.], einen Dealer, bei dem die Angeklagte kurz zuvor vorgeblich 6 Gramm Marihuana erworben hatte, tatsächlich waren es aber nur 4 Gramm, in seiner Wohnung aufzusuchen und ihm die nach Aussage der Angeklagten dort noch befindlichen weiteren 20 Gramm Cannabis - notfalls auch mit Gewalt - abzunehmen. Unter Mitnahme einer ungeladenen Pistole gelangten sie in die Wohnung. Sie bedrohten [X.]mit der Pistole und durchsuchten den Raum, fanden jedoch nur eine geringe Menge von etwa 1 Gramm Marihuana. Als [X.]den einen der Täter ansprang, wurde von anderen auf ihn eingeschlagen. Als seine in der Wohnung anwesende Mutter hinzukam, flohen die Täter, nahmen aber Betäubungsmittel und seine Geldbörse mit 200 € Bargeld sowie seine EC-Karte mit.

3

2. Der Strafausspruch hält materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

4

a) Die [X.] hat der Angeklagten straferschwerend angelastet, dass sie die Einsicht vermissen lässt, den entscheidenden Tipp für den Überfall gegeben zu haben. Dies begegnet durchgreifenden Bedenken.

5

aa) Einer Angeklagten darf es nicht zum Nachteil gereichen, dass sie bestimmte Tatbeteiligungen oder auch [X.] bestreitet und infolgedessen bspw. keine Einsicht darin zeigt, dass möglicherweise nur auf ihre Hinweise hin die Angeklagten sich zur Tat entschlossen. Zum Nachteil eines bestreitenden Angeklagten darf bspw. nicht verwertet werden, dass er kein Mitgefühl und keine Schuldeinsicht gezeigt hat ([X.], Beschluss vom 16. September 1988 - 2 [X.], [X.] 1989, 199) oder nach Rechtskraft eines Schuldspruchs auch noch weiterhin die Tat leugnet ([X.], Beschluss vom 15. Mai 2012 - 3 [X.]). Eine andere Bewertung ist nur zulässig, wenn ein Angeklagter bei seiner Verteidigung ein Verhalten an den Tag legt, das im Hinblick auf die Art der Tat und die Persönlichkeit des [X.] auf besondere Rechtsfeindlichkeit und Gefährlichkeit schließen lässt (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 7. November 1986 - 2 StR 563/86, [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4; vom 4. November 1993 - 1 [X.], [X.] 1994, 125).

6

bb) Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Die Angeklagte war von Rechts wegen nicht gehindert, zu leugnen, dass sie den entscheidenden Tipp für den Überfall gegeben hatte. Jedenfalls war die [X.] bei diesem Prozessverhalten der Angeklagten gehindert, straferschwerend zu berücksichtigen, dass sie insoweit die Einsicht darin vermissen lasse, den entscheidenden Tipp gegeben zu haben.

7

b) Es ist nicht auszuschließen, dass die [X.] unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und ohne die rechtsfehlerhafte Erwägung auf eine niedrigere Sanktion erkannt hätte.

8

2. Die Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Die neu zur Entscheidung berufene [X.] kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.

9

3. Außerdem wird die [X.] Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die Zahlung von 150 € an den Geschädigten in der Hauptverhandlung und die Entschuldigung der Angeklagten dafür, „wie es gelaufen ist", als Ausdruck der Übernahme von Verantwortung im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 [X.], § 46a Nr. 1 StGB anzusehen ist. Ob ein solcher „Täter-Opfer-Ausgleich" vorliegt, ist nicht von der verwendeten Benennung durch den Verteidiger abhängig, sondern vom Tatgericht eigenverantwortlich zu prüfen. Selbst wenn die Qualifizierung  durch  den Verteidiger  insoweit unzutreffend  sein sollte, ist deshalb die Annahme eines standeswidrigen oder gar strafrechtlich relevanten Verhaltens - wie der Vermerk des Berichterstatters der [X.] vom 14. August 2013 nahelegt - abwegig.

Raum                        Graf                               Jäger

Cirener                     [X.]

Meta

1 StR 589/13

29.01.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Augsburg, 3. Mai 2013, Az: 404 Js 138869/12 Jug KLs

§ 46 Abs 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.01.2014, Az. 1 StR 589/13 (REWIS RS 2014, 8309)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8309

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