Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.05.2012, Az. 3 StR 121/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 6441

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Gegenstand

Strafzumessung bei Betrug: Berücksichtigung der Fortführung eines Zivilprozesses nach Rechtskraft eines strafrechtlichen Schuldspruchs


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. Dezember 2011 im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.  

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hatte den Angeklagten wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt sowie angeordnet, dass wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung sechs Monate hiervon als verbüßt gelten. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat das Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des versuchten Betruges schuldig ist, und im Strafausspruch aufgehoben. Das [X.] hat nunmehr erneut eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verhängt, von denen sechs Monate als verbüßt gelten sollen. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat bezüglich des Strafausspruchs Erfolg.

2

Nach den Feststellungen veranlasste der die Tat bestreitende Angeklagte einen [X.], ein in seinem Eigentum stehendes Gebäude in [X.] zu setzen, um die Auszahlung von Versicherungsleistungen zu erreichen. Anschließend machte er bei seiner Feuerversicherung Ersatzansprüche geltend. Nachdem die Versicherung die Schadensregulierung abgelehnt hatte, erhob der Angeklagte gegen sie Klage auf Feststellung der Deckungspflicht. Diese wurde in erster Instanz abgewiesen. Der Angeklagte legte gegen dieses Urteil Berufung ein und hielt das Rechtsmittel auch nach Rechtskraft des Schuldspruchs in dem hiesigen Strafverfahren aufrecht. Im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, bei dem die Stadt W.    den Angeklagten auf Erstattung der Löschkosten in Anspruch nimmt, trug der Angeklagte ebenfalls vor, er habe den [X.] nicht verursacht.

3

1. Der Strafausspruch hält [X.] Nachprüfung nicht stand.

4

a) Das [X.] hat dem Angeklagten straferschwerend angelastet, dass er seine Klage gegen die Versicherung in der Berufungsinstanz weiter verfolge, auch nachdem der Schuldspruch in dem hiesigen Strafverfahren rechtskräftig geworden sei, was auf eine ausgeprägte Rechtsfeindschaft des Angeklagten schließen lasse. Dies begegnet durchgreifenden Bedenken.

5

aa) Einem Angeklagten darf es nicht zum Nachteil gereichen, dass er die Tat bestreitet und infolgedessen keine Schuldeinsicht und Reue zeigt. Dies gilt auch dann, wenn nach einem rechtskräftigen Schuldspruch nur noch über den Strafausspruch verhandelt wird. Zum Nachteil des Angeklagten darf selbst in diesem Verfahrensstadium nicht verwertet werden, dass er sich etwa "mit Rücksicht auf das noch nicht abgeschlossene Zivilverfahren bislang nicht entschuldigt" ([X.], Beschluss vom 4. November 2008 - 3 [X.], [X.], 148), kein Mitgefühl und keine Schuldeinsicht gezeigt ([X.], Beschluss vom 16. September 1988 - 2 [X.], [X.] 1989, 199), sich nicht um die Wiedergutmachung des Schadens bemüht hat ([X.], Beschluss vom 23. September 1992 - 1 [X.], [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 19) oder das Tatopfer noch einmal vernommen werden muss ([X.], Beschluss vom 20. März 2002 - 2 StR 48/02, [X.] 2002, 599). Eine andere Bewertung ist nur zulässig, wenn der Angeklagte bei seiner Verteidigung ein Verhalten an den Tag legt, das im Hinblick auf die Art der Tat und die Persönlichkeit des [X.] auf besondere Rechtsfeindlichkeit und Gefährlichkeit schließen lässt (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 7. November 1986 - 2 StR 563/86, [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 4; vom 4. November 1993 - 1 [X.], [X.] 1994, 125).

6

bb) Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Der Angeklagte war von Rechts wegen auch nach Rechtskraft des strafrechtlichen Schuldspruchs nicht gehindert, die Tat weiterhin zu leugnen und die ihm nach seinem Vorbringen gegen die Feuerversicherung zustehenden Ansprüche zivilrechtlich weiter zu verfolgen. Im [X.] Rechtssystem ist das Zivilverfahren grundsätzlich nicht durch das Ergebnis des Strafverfahrens präjudiziert. Vielmehr findet dort an den Sachvortrag der Parteien anknüpfend gegebenenfalls eine eigenständige Beweisaufnahme statt, die grundsätzlich durchaus zu einem anderen Ergebnis als die im Strafprozess unter Beachtung der [X.] durchgeführte Sachverhaltsermittlung führen kann. Deshalb war der Angeklagte - worauf die Erwägungen des [X.]s im Ergebnis hinausliefen - nicht verpflichtet, seine Berufung gegen das erstinstanzliche zivilrechtliche Urteil nach Rechtskraft des strafrechtlichen Schuldspruchs zurückzunehmen. Allein aus der legitimen Fortführung des Zivilprozesses kann daher nicht auf eine besondere Rechtsfeindschaft des Angeklagten geschlossen werden. Darüber hinausgehende Umstände, die einen solchen Schluss rechtfertigen könnten (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 12. Juni 1986 - 4 StR 245/86, [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 1; Urteil vom 8. Juni 1988 - 3 StR 9/88, [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 14), sind nicht festgestellt.

7

b) Es ist nicht auszuschließen, dass das [X.], welches in die Prüfung, ob von der Regelwirkung des § 263 Abs. 3 StGB abzusehen ist, den Versuch als vertypten [X.] nicht eingestellt, den Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB aber nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert und gleichwohl dieselbe Strafe wie in der ersten tatrichterlichen Entscheidung verhängt hat, ohne die rechtsfehlerhafte Erwägung auf eine niedrigere Sanktion erkannt hätte. Ein Vorgehen nach § 354 Abs. 1a StPO kommt nicht in Betracht.

8

2. Die Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann ergänzende Strafzumessungstatsachen feststellen, die den bisherigen nicht widersprechen.

9

3. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache nach § 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO an ein zu demselben Land gehörendes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen.

Becker                                            Pfister                                          Mayer

                        Schäfer                                           Menges

Meta

3 StR 121/12

15.05.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mönchengladbach, 7. Dezember 2011, Az: 23 KLs 2/11 - 502 Js 262/04

§ 23 Abs 2 StGB, § 46 StGB, § 49 StGB, § 263 Abs 3 S 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.05.2012, Az. 3 StR 121/12 (REWIS RS 2012, 6441)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6441

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Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 589/13

1 StR 589/13

2 C 62/11

2 B 56/12

3 StR 121/12

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