Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.11.2016, Az. 1 StR 329/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 2052

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Gegenstand

Betäubungsmitteldelikte: Abgrenzung der unerlaubten Abgabe von der unerlaubten Verbrauchsüberlassung an Minderjährige; Konkurrenz zwischen mehreren Fällen des unerlaubten Handeltreibens; Strafzumessung bei geringer Überschreitung der Untergrenze zur nicht geringen Menge


Tenor

Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 23. März 2016 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Angeklagte im Fall II.2. der Urteilsgründe statt wegen unerlaubter Abgabe wegen unerlaubter Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren strafbar ist.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 24 Fällen, davon in 14 Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Daneben hat es hinsichtlich eines Geldbetrages in Höhe von 12.000 Euro den Verfall von Wertersatz angeordnet. Mit ihrer Revision beanstandet die Angeklagte allgemein die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Abänderung des Schuldspruchs im Fall II.2. der Urteilsgründe; im Übrigen hat es keinen Erfolg.

I.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s baute sich die Angeklagte spätestens ab April 2014 von ihrer Wohnung in S.         aus ein Geschäft mit dem An- und Verkauf von Methamphetamin auf. Die Betäubungsmittel erwarb sie in erheblicher Menge bei einer Vielzahl von Gelegenheiten entweder von anderen Händlern in [X.] oder sie beschaffte sie sich selbst oder durch von ihr beauftragte Personen in der [X.]. Das so erworbene Methamphetamin veräußerte die Angeklagte gewinnbringend im Großraum [X.]. Sie erlangte hierdurch einen [X.] von mindestens 35.943 Euro.

3

Im Einzelnen hat das [X.] folgende Tathandlungen festgestellt:

4

a) [X.] der Urteilsgründe

5

Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im April 2014 fuhr die Angeklagte mit einer unbekannt gebliebenen Person in die [X.] und erwarb dort auf einem sog. [X.] zur gewinnbringenden Weiterveräußerung mindestens 15 g Methamphetamin mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 60 % [X.] zu einem Preis von 18 Euro je Gramm. Sie verbrachte die Betäubungsmittel anschließend in die Bundesrepublik [X.] und verkaufte sie von ihrer Wohnung aus zu einem Grammpreis von 25 Euro weiter.

6

b) [X.] der Urteilsgründe

7

Am 19. April 2014 übergab die Angeklagte in ihrer Wohnung an den damals fünfzehnjährigen    [X.]     , der schon bei früheren Gelegenheiten Methamphetamin konsumiert hatte, mindestens eine Konsumeinheit von 0,1 Methamphetamin ([X.]). Diese nahm    [X.]      vor den Augen der Angeklagten ein.

8

c) [X.] der Urteilsgründe

9

Im Zeitraum von Juni bis Oktober 2014 erwarb die Angeklagte bei mindestens zehn Gelegenheiten von unbekannt gebliebenen Personen aus dem Großraum [X.]  jeweils mindestens 15 g Methamphetamin mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 60 % [X.] zu einem Grammpreis von 30 Euro zur gewinnbringenden Weiterveräußerung. Von diesen Betäubungsmitteln bewahrte die Angeklagte am 25. September 2014 insgesamt 23,03 g Methamphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 16,89 g [X.] in ihrer Wohnung auf; sie wurden sichergestellt. In zwei Fällen veräußerte die Angeklagte jeweils 2 g Methaphetamin zu einem Preis von 25 Euro je Gramm  – und damit unter ihrem Einkaufspreis – an die anderweitig Verfolgte        [X.]. Die übrigen Betäubungsmittel veräußerte sie zu einem Grammpreis von mindestens 40 Euro gewinnbringend weiter.

d) Tatkomplex II.4. der Urteilsgründe

Im Zeitraum von November 2014 bis zum 25. Juni 2015 erwarb die Angeklagte aus der [X.] bei mindestens zehn Gelegenheiten jeweils mindestens 70 g Methamphetamin mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 60 % [X.] zu einem Gesamtpreis von jeweils 1.300 Euro. Zum Erwerb fuhr die Angeklagte entweder selbst oder gemeinsam mit unbekannt gebliebenen Personen in die [X.] oder sie beauftragte andere Personen, für sie dort Methamphetamin zu erwerben und zu ihr in die Bundesrepublik [X.] zu bringen. Soweit andere Personen für sie den Erwerb vornahmen, gab die Angeklagte die Fahrtroute sowie den Einkaufsort vor und übergab ihnen vorab das erforderliche [X.]. Die Angeklagte verkaufte die nach [X.] eingeführten Betäubungsmittel anschließend mit Gewinn weiter. Dabei ließ sie in sechs Fällen jeweils mindestens 7 g Methamphetamin im Wege des [X.] in die Justizvollzugsanstalt [X.]  verbringen und dort zu einem Grammpreis von mindestens 100 Euro weiterverkaufen.

e) [X.] der Urteilsgründe

Bei zwei Fahrten zu einem sog. [X.] in der [X.] im Mai bzw. Juni 2015 erwarben die gesondert Verfolgten       [X.] und    W.      im Auftrag der Angeklagten jeweils mindestens 80 g Methamphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 60 % [X.] und verbrachten sie zur Angeklagten. Diese hatte ihnen zuvor für den Erwerb das [X.] von jeweils mindestens 1.500 Euro übergeben und die Fahrtroute sowie den Einkaufsort für die Betäubungsmittel vorgegeben. Die Angeklagte verkaufte das Methamphetamin anschließend gewinnbringend weiter.

f) [X.] der Urteilsgründe

In einem weiteren gleichartigen Fall erwarben die gesondert Verfolgten       [X.] und     W.      am 25. Juni 2015 im Auftrag und mit [X.] der Angeklagten auf einem „[X.]“ in der [X.] 71,2 g Methamphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 56 g [X.]. Zum Transport nach [X.] hatte ihnen die Angeklagte den in ihrem Eigentum stehenden [X.] mit einem Wert von etwa 5.000 Euro zur Verfügung gestellt. Kurz nach dem Grenzübertritt wurden im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle die Betäubungsmittel sichergestellt. Der ebenfalls sichergestellte Pkw wurde später neben Mobiltelefonen, die bei den Taten Verwendung fanden, mit Zustimmung der Angeklagten form- und entschädigungslos eingezogen.

II.

Die Revision der Angeklagten führt lediglich zu einer Richtigstellung des Schuldspruchs im Fall II.2. der Urteilsgründe. Im Übrigen hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

1. Die vom [X.] getroffenen Feststellungen werden von der Beweiswürdigung getragen.

a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 21. April 2016 – 1 [X.], [X.]R StPO § 261 Beweiswürdigung 43; vom 11. Februar 2016 – 3 [X.] und vom 14. Dezember 2011 – 1 [X.], [X.], 148, jeweils mwN).

b) Derartige Rechtsfehler liegen nicht vor.

aa) Das [X.] hat sich rechtsfehlerfrei auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller für die Beweiswürdigung bedeutsamen Umstände von den Taten und der Täterschaft der Angeklagten überzeugt. Es durfte sich dabei maßgeblich auf das in objektiver und subjektiver Hinsicht umfassende Geständnis der Angeklagten stützen, dessen Glaubhaftigkeit es eingehend überprüft hat ([X.] 13).

bb) Die Beweiswürdigung des [X.]s ist auch nicht lückenhaft. Angesichts des vollumfänglichen Geständnisses der Angeklagten gilt dies auch im Hinblick auf die im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigte Feststellung des [X.]s, dass die Angeklagte „sich als Anlaufstelle für Konsumenten im Großraum [X.]  bereits einen Ruf erarbeitet und die Veräußerungsgeschäfte in ihrer Wohnung als Massengeschäft abgewickelt“ hatte ([X.] 18).

2. Im Fall II.2. der Urteilsgründe ist der Schuldspruch hinsichtlich der angewendeten Tatbestandsvariante des § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG rechtsfehlerhaft und dem Antrag des [X.] entsprechend zu ändern.

Eine Abgabe von Betäubungsmitteln im Sinne dieser Vorschrift bedeutet jede Gewahrsamsübertragung an eine andere Person zur freien Verfügung. An einer solchen fehlt es aber, wenn das Betäubungsmittel, wie dies die Angeklagte getan hat, zum sofortigen Gebrauch an Ort und Stelle hingegeben wird; diese Fallgestaltung wird von der weiteren Tatbestandsvariante des § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG, dem Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch erfasst (zur Abgrenzung vgl. [X.], Beschlüsse vom 14. April 2015 – 5 [X.], [X.], 218; vom 5. Februar 2014 – 1 [X.], [X.], 717 und vom 8. Juli 1998 – 3 [X.], [X.], 347; [X.] in Körner/[X.]/[X.], BtMG, 8. Aufl., § 29a Rn. 12 f.). § 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen.

3. Im Übrigen ist der Schuldspruch frei von Rechtsfehlern.

a) Die Urteilsfeststellungen tragen hinsichtlich der in den Tatkomplexen [X.] sowie II.3. bis [X.] der Urteilsgründe begangenen Taten jeweils den Schuldspruch des unerlaubten Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. [X.] ist auch die Verurteilung der Angeklagten in den Tatkomplexen [X.] sowie II.4. bis [X.] der Urteilsgründe wegen jeweils tateinheitlich hierzu verwirklichter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG. Die Urteilsfeststellungen belegen jeweils die eigenhändig oder in Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) vorgenommene Einfuhr der Betäubungsmittel in nicht geringer Menge (vgl. dazu auch [X.] in Körner/[X.]/[X.], BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 5 Rn. 168).

b) Die Annahme von Tatmehrheit zwischen den Taten in den Fällen [X.] und II.2. der Urteilsgründe hält – entgegen der Auffassung des [X.] – ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.

Zwar kann die Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige mit Gewinnerzielungsabsicht Teil eines einheitlichen Handeltreibens mit den Betäubungsmitteln sein (vgl. [X.], Urteil vom 26. Oktober 2015 – 1 StR 317/15 und Beschluss vom 8. Januar 2015 – 2 StR 252/14, [X.]R BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 2). Bei der hier vorliegenden Überlassung zum unmittelbaren Verbrauch an einen Minderjährigen ist aber schon nicht festgestellt, dass sie mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt ist (vgl. dazu [X.] in Körner/[X.]/[X.], BtMG, 8. Aufl., § 29a Rn. 31).

Auch die Voraussetzungen für die Annahme einer Bewertungseinheit mit den festgestellten Einzelverkäufen aus der im Fall [X.] der Urteilsgründe aus der [X.] eingeführten Gesamtmenge an Methamphetamin liegen nicht vor. Denn mehrere Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln bilden nur dann eine einheitliche Tat, wenn sie ein und denselben Güterumsatz betreffen. Dies ist nicht der Fall, wenn offenbleibt, inwieweit die den einzelnen Verkäufen bzw. Abgaben jeweils zugrunde liegenden Betäubungsmittel aus einem einheitlichen, zuvor erworbenen Vorrat herrühren (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Mai 2012 – 5 StR 12/12, [X.], 517).

So verhält es sich auch hier. Denn das [X.] konnte nicht einmal feststellen, dass der Erwerb der Betäubungsmittel im Fall [X.] der [X.] der Konsumeinheit Methamphetamin an den Minderjährigen im Fall II.2. der Urteilsgründe erfolgt ist. Die Konsumeinheit konnte somit aus einer anderen Betäubungsmittelmenge stammen. Auch der [X.] gebietet in solchen Fällen nicht die Annahme einer einheitlichen Tat ([X.]Rspr.; vgl. z.B. [X.], Urteil vom 26. Oktober 2015 – 1 StR 317/15, Rn. 49 und Beschluss vom 23. Mai 2012 – 5 StR 12/12, [X.], 517 f. mwN).

c) Der Umstand, dass im [X.] der Urteilsgründe am 25. September 2014 in der Wohnung der Angeklagten 23,03 g Methamphetamin sichergestellt wurden, führt nicht zur Annahme einer Bewertungseinheit zwischen zwei Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Zwar ist das [X.] zugunsten der Angeklagten davon ausgegangen, dass die [X.] in den einzelnen Fällen dieses Tatkomplexes (nur) mindestens 15 g Methampetamin betrug. Da es sich hierbei jedoch um Mindestfeststellungen handelt, ist es möglich, dass die 23,03 g Methamphetamin aus einem einzelnen Erwerb stammten. Der [X.] gebietet auch in einem solchen Fall nicht die zu einer Bewertungseinheit führende Annahme, dass die sichergestellte Betäubungsmittelmenge aus mehreren Erwerbsvorgängen stammte. Selbst wenn diese Menge aus mehreren Rauschgifterwerben stammen sollte, würde der gleichzeitige Besitz dieser Mengen die hierauf bezogenen Handlungen nicht zu einer Tat des Handeltreibens verbinden.

d) Soweit die Angeklagte im [X.] bei zwei Gelegenheiten je zwei Gramm Methamphetamin unter ihrem Einkaufspreis an die anderweitig Verfolgte       [X.] abgab, steht dies auch hinsichtlich dieser Betäubungsmittelmenge einem strafbaren Handeltreiben beim Ankauf der Betäubungsmittel nicht entgegen. Denn nach den Feststellungen des [X.]s erwarb die Angeklagte die [X.] von jeweils mindestens 15 g Methamphetamin insgesamt zur gewinnbringenden Weiterveräußerung.

4. Der Rechtsfolgenausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Auch der Strafausspruch hat im Ergebnis Bestand.

aa) Allerdings begegnet die vom [X.] strafschärfend herangezogene Erwägung, die verfahrensgegenständlichen Wirkstoffmengen hätten den Grenzwert der nicht geringen Menge „in jedem Fall um ein Vielfaches“ überschritten ([X.] 18), in den Tatkomplexen [X.] und II.3. der Urteilsgründe Bedenken. In diesen Fällen hat das [X.] diese Erwägung sowohl im Rahmen der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall im Sinne von § 29a Abs. 2 BtMG gegeben ist, als auch durch Verweisung bei der Strafzumessung im engeren Sinn herangezogen. Im Fall [X.] der Urteilsgründe hat es eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten festgesetzt; für jede der zehn Taten im [X.] der Urteilsgründe hat das [X.] eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Die Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten hat das [X.] unter Erhöhung der in den Tatkomplexen II.4. und [X.] der Urteilsgründe insgesamt zwölfmal verhängten Einsatzstrafe von vier Jahren gebildet.

Nach der Rechtsprechung des [X.] beginnt bei Methamphetamin die nicht geringe Menge bei 5 g [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 3. Dezember 2008 – 2 [X.], [X.]St 53, 89). Mithin erreichte in den Tatkomplexen [X.] und II.3. der Urteilsgründe mit einer Menge von jeweils 15 g Methamphetamin und einem Wirkstoffgehalt von jeweils 60 % [X.] die Wirkstoffmenge mit 9 g [X.] nur das 1,8-fache der nicht geringen Menge. Damit hat das [X.] rechtsfehlerhaft das Handeltreiben mit einer Betäubungsmittelmenge, welche die Grenzmenge des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nur unwesentlich überschreitet, straferschwerend bewertet. Eine geringe Überschreitung der Untergrenze zur nicht geringen Menge ist aber ein Strafmilderungsgrund. Auch das 1,8-fache der nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln ist noch derart gering, dass dies jedenfalls nicht als bestimmender Strafzumessungsgrund gewertet werden kann (vgl. [X.], Beschlüsse vom 25. Februar 2016 – 2 StR 39/16, [X.], 141 und vom 24. Juli 2012 – 2 [X.], [X.]R BtMG § 29 Strafzumessung 39).

Der Senat schließt jedoch aus, dass der Strafausspruch auf dieser rechtsfehlerhaften Erwägung beruht. Angesichts der festgestellten [X.] kann er dabei auch unter Berücksichtigung des Geständnisses der Angeklagten, der Einziehung sichergestellter Mobiltelefone und ihres Pkw sowie ihrer gesundheitlichen Situation noch ausschließen, dass das [X.] in den Tatkomplexen [X.] und II.3. vom Vorliegen minder schwerer Fälle gemäß § 29a Abs. 2 BtMG ausgegangen wäre, wenn es den Umstand der Überschreitung des Grenzwerts der nicht geringen Menge nicht strafschärfend gewertet hätte. Das [X.] hat rechtsfehlerfrei zu Lasten der Angeklagten herangezogen, dass sie mehrfach vorbestraft war und die verfahrensgegenständlichen Taten unter laufender Bewährung beging. Ohne Rechtsfehler hat es auch berücksichtigt, dass das gesamte Tatbild von erheblicher krimineller Energie der Angeklagten geprägt war und die Tatausführung in besonderem Maße planvoll, strukturiert und geschäftsmäßig erfolgte. Nach den Feststellungen hatte sich die Angeklagte als Anlaufstelle für Konsumenten im Großraum [X.] bereits einen Ruf erarbeitet und die Veräußerungsgeschäfte in ihrer Wohnung als Massengeschäft abgewickelt.

bb) Die Richtigstellung im Schuldspruch im Fall II.2. der Urteilsgründe bleibt ohne Auswirkung auf den Strafausspruch. Der Senat schließt aus, dass das [X.] die wegen dieser Tat verhängte Strafe bei zutreffender rechtlicher Wertung anders als geschehen bemessen hätte.

b) Die auf §§ 73, 73a und 73c StGB gestützte Verfallsentscheidung und die Nichtanordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) halten ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Graf                             Jäger                             Cirener

                [X.]                        [X.]

Meta

1 StR 329/16

22.11.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hof, 23. März 2016, Az: 1 KLs 33 Js 8188/15

§ 29a Abs 1 Nr 1 Alt 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 1 Alt 3 BtMG, § 29a Nr 2 BtMG, § 46 StGB, § 52 StGB, § 53 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.11.2016, Az. 1 StR 329/16 (REWIS RS 2016, 2052)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2052

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