Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2001, Az. 3 StR 532/00

3. Strafsenat | REWIS RS 2001, 3049

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[X.] DES VOLKESURTEIL3 [X.]/00vom28. März 2001in der Strafsachegegenwegen vorsätzlicher Körperverletzung- 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 28. [X.], an der teilgenommen haben:[X.] am [X.],[X.] am [X.]. [X.],[X.],von [X.],[X.]als [X.],Staatsanwältin als Vertreterin der [X.],Rechtsanwalt als Verteidiger,[X.]als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird [X.] des [X.] vom 10. Mai 2000mit den Feststellungen aufgehoben. Jedoch werdendie Feststellungen zum objektiven Tatgeschehenaufrechterhalten.2. Auf die Revision des Angeklagten wird das [X.] Urteil im Strafausspruch mit den zugehöri-gen Feststellungen aufgehoben.Die weitergehende Revision des Angeklagten [X.] Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu [X.] und Entscheidung, auch über [X.] der Rechtsmittel, an eine andere [X.] zuständige [X.] des Landge-richts zurückverwiesen.Von Rechts wegenGründe:[X.] Das [X.] hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperver-letzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.Mit ihren hiergegen gerichteten Revisionen rügen die Staatsanwaltschaft [X.] Angeklagte jeweils die Verletzung materiellen Rechts. Die [X.] -schaft beanstandet, daß der Angeklagte nicht wegen Körperverletzung mit To-desfolge verurteilt wurde, der Angeklagte erhebt die Sachrüge in [X.]. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang, das [X.] lediglich zum Strafausspruch Erfolg.1. Nach den Feststellungen traf der Angeklagte, dessen [X.] aufgrund vorangegangenen [X.] erheblich vermindert war,in der Tatnacht am Treppenabgang zu einem S-Bahn-Tunnel auf die [X.] und deren [X.], die er mit den Worten ansprach: "Hey, habt ihr auchschön gefeiert?" Nachdem sie dies bejaht und erklärt hatten, sie wollten [X.] gehen, stiegen die Eheleute [X.]die Treppe zu dem 50 - 60 mlangen Tunnel hinab, während der Angeklagte zunächst am Eingang stehenblieb. Als sie nur noch wenige Schritte vom gegenüberliegenden [X.] entfernt waren und ihr [X.] bereits sein Fahrrad über die neben der dor-tigen Treppe gelegene Schräge hinaufschob, entschloß sich der [X.] einer alkoholbedingten Laune heraus, [X.]anzugreifen. Er lief [X.] in den Tunnel hinunter und rannte auf Herrn [X.]zu, der ihn nichtbemerkte. Erst als er ihn fast erreicht hatte, wurde dessen [X.] auf den Ange-klagten aufmerksam und rief seinem Vater zu: "Paß auf, der kommt." Ohne [X.] [X.]noch Zeit zum Ausweichen blieb, sprang der Angeklagte mit an-gewinkeltem Bein und den Armen voraus auf ihn zu. Da dieser sich keines An-griffs versehen hatte, zeigte er keine oder aufgrund vorangegangenen eigenen[X.] nur verzögerte Abwehr- oder Schutzreaktionen. Er gerietdurch den Stoß des Angeklagten aus dem Gleichgewicht, prallte mit dem Kopfgegen die 1 - 2 m entfernte, gekachelte Stirnwand des Tunnels und sackte be-wußtlos zu Boden. Daraufhin wandte sich der Angeklagte lachend ab undflüchtete durch den entgegengesetzten [X.]. Der Geschädigte er-- 5 -wachte zunächst wieder aus der Bewußtlosigkeit, klagte nur über [X.] und begab sich zu Hause zu Bett. Am nächsten Tag war er nichtmehr ansprechbar. Aufgrund des Anstoßes an der Tunnelwand war es zu einerHirnblutung gekommen, an deren Folgen der Geschädigte trotz einer nochdurchgeführten [X.] verstarb.I[X.] Revision der [X.] nach den Feststellungen durch seinen [X.] Tod des Geschädigten verursachte, hat das [X.] den Angeklagtenlediglich der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) schuldig ge-sprochen. An einer Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227StGB) hat es sich gehindert gesehen, weil "fraglich" sei, ob der Angeklagteaufgrund seiner Alkoholisierung erkennen und überschauen konnte, daß [X.] durch den "[X.]" gegen die 1 - 2 m entfernteTunnelwand prallen und sich hierbei schwere Gehirnverletzungen zuziehenwürde. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit Recht.1. Des Verbrechens der Körperverletzung mit Todesfolge macht sichschuldig, wer eine vorsätzliche ([X.] NJW 1985, 2958) Körperverletzungs-handlung begeht, der das Risiko eines tödlichen Ausganges anhaftet, sofernsich das der Handlung eigentümliche Risiko im Eintritt des Todes des [X.] verwirklicht (st. Rspr.; s. nur [X.]St 31, 96, 99; [X.]R StGB § 226Todesfolge 6 m.w.Nachw.) und dem Täter hinsichtlich der Verursachung [X.] zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (§ 18 StGB). Da der [X.] durch die schuldhafte Verwirklichung eines der Grunddelikte der §§ 223bis 226 StGB stets objektiv und subjektiv pflichtwidrig handelt, ist dabei alleini-- 6 -ges Merkmal der Fahrlässigkeit hinsichtlich der qualifizierenden [X.] [X.] des Todes des Opfers ([X.]St 24, 213, 215; [X.] NStZ1982, 27; weitergehend [X.] in [X.]. § 227 Rdn. 4 und [X.]/[X.], StGB 26. Aufl. § 227 Rdn. 7 m.w.Nachw., die eine selb-ständige Prüfung der [X.] in bezug auf die [X.]). Hierfür ist entscheidend, ob vom Täter in seiner konkreten [X.] seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten der Eintritt des [X.] Opfers - im Ergebnis und nicht in den Einzelheiten des dahin [X.] ([X.] NStZ 1992, 333, 335 m.w.Nachw.) - vorausgesehenwerden konnte ([X.]R StGB § 226 Todesfolge 6). Dabei ist eine mögliche Be-einträchtigung der kognitiven Fähigkeiten des Angeklagten aufgrund vorange-gangenen [X.] zu berücksichtigen (vgl. [X.] bei [X.] MDR1973, 18; [X.]R StGB § 226 Todesfolge 6 und 7).Diesen Maßstäben wird das Urteil des [X.]s nicht gerecht.a) Zutreffend weist die Beschwerdeführerin zunächst darauf hin, daß [X.] der [X.] zur subjektiven Tatseite lücken- und damitrechtsfehlerhaft ist, weil sie wesentliche Umstände des Geschehens nicht in [X.] miteinbezieht. Die [X.] vermag sich nicht davonzu überzeugen, daß der Angeklagte zum Tatzeitpunkt in der Lage war, dendurch seinen "[X.]" in Gang gesetzten und zum Tod des [X.] führenden Geschehensablauf vorauszusehen, weil es fraglich sei, obder Angeklagte diesen Ablauf aufgrund seiner Alkoholisierung erkennen undüberschauen [X.] -Hierbei hat das [X.] bereits unberücksichtigt gelassen, daß [X.] dem Geschädigten nach den Feststellungen nicht lediglich einen[X.] versetzte, sondern über eine längere Strecke auf ihn zu-rannte und schließlich mit angewinkeltem Bein und den Armen voraus auf [X.] ([X.]). Außerdem hat es sich nicht damit auseinandergesetzt, daßder Geschädigte sich keines Angriffs versah, daher von der [X.] wurde und keine rechtzeitige Abwehr- oder [X.] zeigte. Wird eine nicht abwehrbereite überraschte Person aus [X.] angesprungen, läßt das Maß der Gewalteinwirkung jedoch wesentlichschwerere Auswirkungen erwarten als ein bloßer [X.]. [X.] daher der Erörterung bedurft, ob die Alkoholisierung des [X.] war, dessen kognitive Fähigkeiten derart zu beeinträchtigen, daß ernicht mehr in der Lage war vorauszusehen, sein massiver Angriff auf den über-raschten Geschädigten könne dazu führen, daß dieser gegen die 1 - 2 m ent-fernte Wand des Tunnels geschleudert werde und sich dabei [X.] Hirnverletzungen zuziehe.Dabei hätte das [X.] auch beachten müssen, daß die Alkoholi-sierung des Angeklagten dessen Steuerungs-, nicht aber die [X.] vermindert hatte. Ist die Unrechtseinsicht des [X.] trotz [X.] jedoch uneingeschränkt erhalten geblieben, so kann dies dar-auf hindeuten, daß auch die Fähigkeit zur zutreffenden Wahrnehmung [X.] der Umstände des [X.] nicht wesentlich herabgesetzt ist. [X.], der Täter habe möglicherweise dennoch die schweren Folgen [X.] nicht voraussehen können und müssen, bedarf dahernäherer Begründung (vgl. auch [X.]St 24, 213, 215).- 8 -Dem werden die Ausführungen des [X.]s nicht gerecht, die sichlediglich damit befassen, daß der Angeklagte keine direkte Gewalt gegen denKopf des Geschädigten richtete und möglicherweise dessen eigene Alkoholi-sierung zu einer Reflexverzögerung führte und zu dem Anprall an die [X.] mit beitrug. Es hätte demgegenüber nahe gelegen, den zur Beurteilungder Schuldfähigkeit des Angeklagten hinzugezogenen Sachverständigen aufGrundlage des festgestellten Verhaltens des Angeklagten vor, während undnach der Tat auch dazu zu befragen, ob und gegebenenfalls in welchem Um-fang aus medizinischer Sicht die Alkoholisierung des Angeklagten seine kogni-tiven Fähigkeiten beeinträchtigt haben kann, um hierdurch eine tragfähige na-turwissenschaftliche Grundlage für die Bewertung der Voraussehbarkeit [X.] für den Angeklagten zu gewinnen.b) Darüber hinaus hat das [X.] aber auch seine Prüfung, ob [X.] die tödlichen Folgen seines Handelns voraussehen konnte undmußte, auf den konkreten Geschehensablauf verengt, wie er tatsächlich zumTod des Geschädigten führte. Allein durch die vom [X.] nicht auszu-schließende Möglichkeit, der Angeklagte könnte aufgrund der Alkoholisierungnicht in der Lage gewesen sein zu erkennen, daß aufgrund seines Angriffs [X.] bestand, der Geschädigte werde das Gleichgewicht verlieren, mit [X.] gegen die Tunnelwand prallen und sich hierdurch lebensgefährdendeVerletzungen zuziehen, ist der Vorwurf fahrlässiger Herbeiführung der Todes-folge nicht ausgeschlossen. Denn da es gerade nicht auf die Einzelheiten deszum Tod des Opfers führenden [X.] ankommt, ist allein entschei-dend, ob für den Angeklagten voraussehbar war, daß der dem Geschädigtenversetzte Stoß in irgendeiner nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung liegendenWeise den Tod des Angegriffenen herbeiführen könnte. Mit derartigen anderen- 9 -denkbaren Kausalverläufen und ihrer Voraussehbarkeit für den [X.] sich das [X.] nicht befaßt. Wie die [X.], kommt insoweit etwa die nicht fernliegende Möglichkeit eines Sturzesdes durch den Angriff überraschten Tatopfers auf den Tunnelboden mit derGefahr vergleichbar schwerwiegender Verletzungen und Verletzungsfolgen inBetracht.2. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben. [X.] sind jedoch die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen, denndiese wurden rechtsfehlerfrei getroffen. Dies schließt nicht aus, daß die [X.] zur Entscheidung berufene [X.] ergänzende Feststellungen zumTatablauf trifft, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.Für das weitere Verfahren weist der Senat im Hinblick auf die im [X.] des [X.] zitierte Stellungnahme der [X.] noch darauf hin, daß eine Verurteilung wegen gefährlicherKörperverletzung aufgrund der Tatbestandsalternative eines hinterlistigenÜberfalls (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB) nicht schon dann in Betracht kommt, wennder Täter für den Angriff auf das Opfer das Moment der Überraschung aus-nutzt. Hinterlist setzt vielmehr voraus, daß der Täter planmäßig in einer [X.] seiner wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dadurchdem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und eineVorbereitung auf die Verteidigung auszuschließen ([X.]R StGB § 223 a Abs. 1Hinterlist 1 m.w.Nachw.). Dafür ergeben die Feststellungen hier keinen An-haltspunkt.- 10 -II[X.] Revision des [X.] Rechtsmittel des Angeklagten hat lediglich zum [X.].Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Sachrüge hat keinendurchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.Dagegen hält der Strafausspruch rechtlicher Überprüfung nicht stand.Das [X.] hat bei der Bemessung der wegen vorsätzlicher Körperverlet-zung zu verhängenden Strafe zu Lasten des Angeklagten den Tod des [X.] und die hierdurch für dessen Familie entstandenen schwerwiegen-den persönlichen und wirtschaftlichen Folgen berücksichtigt. Dies ist rechts-fehlerhaft. Gemäß § 46 Abs. 2 StGB dürfen dem Angeklagten nur verschuldeteAuswirkungen seiner Tat straferschwerend angelastet werden. [X.] Folgen der Tat können daher nur dann strafschärfend bewertet wer-den, wenn er sie zumindest voraussehen konnte und sie ihm vorzuwerfen sind(st. Rspr.; vgl. nur [X.]St 37, 179, 180 und die weiteren Nachweise bei [X.], StGB 50. Aufl. § 46 Rdn. 34). Dies war hier hinsichtlich des [X.] Geschädigten und damit auch der hierdurch bewirkten Folgen für dessen- 11 -Familie nach Ansicht des [X.]s aber nicht der Fall. Gerade aus diesemGrunde hat es sich an einer Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todes-folge gehindert gesehen.[X.] [X.] [X.] von [X.] [X.]

Meta

3 StR 532/00

28.03.2001

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2001, Az. 3 StR 532/00 (REWIS RS 2001, 3049)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3049

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