Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2007, Az. 4 StR 453/07

4. Strafsenat | REWIS RS 2007, 841

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 [X.] vom 15. November 2007 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 15. November 2007, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in am [X.] [X.], [X.] am [X.] Maatz, [X.], [X.]innen am [X.] [X.], [X.]als beisitzende [X.], Staatsanwältin

als Vertreterin der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 13. März 2007, soweit es den Angeklagten betrifft, mit den [X.] mit Ausnahme derjenigen zum äußeren [X.] aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des Land-gerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision, die vom [X.] vertreten wird, rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Sie erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Das Rechtsmittel hat im Wesentlichen Erfolg. 1 1. Nach den Feststellungen suchten der Angeklagte und [X.], der in diesem Verfahren von dem Vorwurf der Beteiligung an einer Schlägerei rechtskräftig freigesprochen worden ist, am Tattage gegen 1.30 Uhr die [X.]" in [X.]auf. Als der Angeklagte mit [X.]tanzte, kam [X.], das spätere Tatopfer, wiederholt auf die Tanzenden zu 2 - 4 - und wollte mit [X.]. Der Angeklagte forderte ihn jedesmal auf, sich zu entfernen. [X.] später ging der erheblich angetrunkene [X.]([X.]: 2,56 ›) zu der sich nunmehr im Eingangsbereich der Diskothek aufhaltenden Gruppe um den Angeklagten und versuchte erneut, [X.]anzusprechen. Als diese sich abwandte, sprach [X.]den früheren Mitan-geklagten [X.] an, der sich belästigt fühlte und [X.] mit [X.] einen Stoß gegen die Brust versetzte, so dass dieser einige Schrit-te rückwärts taumelte und zu Boden fiel. Der Angeklagte trat "eingedenk der vorangegangenen [X.]" an den am Boden liegenden [X.]

heran und trat ihm "mit der Spitze des beschuhten Fußes kräftig gegen den Oberkörper". Dabei achtete der Angeklagte nach seinen Angaben darauf, [X.]

nicht am Kopf zu treffen, weil er um die Gefährlichkeit von Tritten gegen den Kopf wusste. 3 [X.] traf den Oberkörper des [X.] unmit-telbar unterhalb des [X.] und löste über das sog. Sonnengeflecht eine Reaktion des Nervus vagus (10. Hirnnerv) des parasympatischen Nerven-systems aus, die zum Herzstillstand führte. Der Reflextod in Folge der Reizung des [X.] wurde möglicherweise durch eine mit der starken Alkoholisie-rung des [X.] verbundene Beeinträchtigung des Atemzentrums und durch organische Veränderungen am Herzmuskel des [X.] nach einer [X.] begünstigt. 4 2. Das [X.] hat die Tat lediglich als mittels einer das Leben ge-fährdenden Behandlung begangene gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) gewertet. Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Körperverlet-zung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 1 StGB) hat es verneint. Die tödliche Gefahr 5 - 5 - für das Opfer habe so weit außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit gelegen, dass dem Angeklagten die qualifizierende Folge deshalb nicht zugerechnet werden könne. Nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen stelle zwar jeder Tritt gegen den Rumpf eines am Boden liegenden Menschen eine gefährliche Begehungsweise dar, da dann stets das Risiko erheblicher Verletzungen bestehe, sei es durch Leber- oder Milzriss oder aber Rippenbrüche und [X.]; bei dem Reflextod, der durch Reizung des [X.] eintritt, handele es sich aber um eine "medizini-sche Rarität", die nicht zum Allgemeinwissen gehöre. Dass der Angeklagte, als Kampfsportler oder aufgrund Bildung oder Ausbildung über weitergehendes medizinisches Wissen verfüge, habe nicht festgestellt werden können, so dass es an der individuellen Vorhersehbarkeit des [X.] fehle. Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie [X.] besorgen, dass die [X.] hinsichtlich der [X.] individuellen - Vorher-sehbarkeit des [X.] zu hohe Anforderungen gestellt hat. 6 a) Nach den Feststellungen haftete der vom Angeklagten vorsätzlich [X.] [X.], die das [X.] ohne Rechtsfehler als gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB gewer-tet hat, die spezifische Gefahr an, zum Tod des Opfers zu führen. Da sich gera-de diese Gefahr in dem tödlichen Ausgang niedergeschlagen hat, ist der von § 227 Abs. 1 StGB vorausgesetzte —unmittelbarefi (Gefahrverwirklichungs-) Zu-sammenhang (vgl. BGHR StGB § 226 [a.F.] Todesfolge 12) zwischen der to-desursächlichen [X.] und dem später eingetretenen Tod des Opfers gegeben. Zwar fehlt ein solcher Zusammenhang dann, wenn der tatsächliche Geschehensablauf, der Körperverletzung und Todesfolge mitein-ander verknüpft, außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit liegt (vgl. BGHSt 7 - 6 - 31, 96, 100; 51, 18, 21 m.w.N.), wie etwa eine Verkettung außergewöhnlicher unglücklicher Zufälle (vgl. BGHSt 31, 96, 100). So liegt es hier aber entgegen der Auffassung des [X.]s nicht. Dass ein kräftiger Tritt mit der [X.] gegen den Rumpf eines am Boden Liegenden zum Tod des Verletzten führt, liegt nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit (vgl. BGHR StGB § 226 [a.F.] Todesfolge 9), denn ein solcher Geschehensablauf ist, auch wenn es sich [X.] wie hier - bei der konkreten Todesursache um eine —medizinische Ra-ritätfi handelt, nicht so außergewöhnlich, dass der eingetretene Erfolg deshalb nicht zuzurechnen ist (vgl. BGHSt 31, 96, 100). Dass möglicherweise die Alko-holisierung des [X.] und eine Vorschädigung des Herzmuskels für den [X.] mitursächlich waren, steht der Zurechnung ebenfalls nicht entge-gen (vgl. BGHSt aaO; BGHR StGB § 226 [a.F.] Todesfolge 12). b) Soweit § 227 Abs. 1 StGB ferner voraussetzt, dass dem Täter hin-sichtlich der Verursachung des Todes wenigstens Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (§ 18 StGB), ist alleiniges Merkmal der Fahrlässigkeit hinsichtlich der [X.] die Vorhersehbarkeit des Todes des Opfers (st. Rspr.; vgl. [X.], 18, 21 m.N.). Hierfür reicht es aus, dass der Erfolg nicht außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit lag, was hier aus den genannten Gründen der Fall ist. Ferner ist erforderlich, dass der Eintritt des Todes des Opfers vom Täter in seiner konkreten Lage nach seinen persönlichen Kenntnissen vorhergesehen werden konnte (vgl. [X.], 18, 21; BGHR StGB § 227 [i.d.[X.]] Todesfolge 1). Bei der Prüfung der individuellen Vorhersehbarkeit ist das Land-gericht von einem falschen rechtlichen Ansatz ausgegangen, denn es hat [X.] abgestellt, ob der Angeklagte die konkrete Todesursache hätte vorhersehen können. Bei der Körperverletzung mit Todesfolge braucht sich die Vorherseh-barkeit aber gerade nicht auf alle Einzelheiten des zum Tode führenden [X.] zu erstrecken (vgl. BGHSt aaO; BGHR StGB § 226 [a.F.] [X.] - 7 - desfolge 9, 12), insbesondere nicht auf die durch die Körperverletzungshand-lung ausgelösten im Einzelnen ohnehin nicht einschätzbaren somatischen Vor-gänge, die den Tod schließlich ausgelöst haben (vgl. BGHR aaO). Vielmehr genügt die Vorhersehbarkeit des Erfolges im Allgemeinen (vgl. BGHSt 48, 34, 39). Das [X.] hätte demgemäß prüfen müssen, ob der Angeklagte bei der Tatausführung den Eintritt des Todes des Opfers in seiner konkreten Lage nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten im Ergebnis und nicht in den Einzel-heiten des dahin führenden Kausalverlaufs hätte voraussehen können (vgl. [X.], 18, 21). Dass ein kräftiger Tritt mit der Schuhspitze gegen den Rumpf eines am Boden Liegenden zum Tode führen kann, ist im Hinblick [X.], dass bei solchen Tritten, wie das sachverständig beratene [X.] zu-treffend ausgeführt hat, stets das Risiko eines Leber- oder Milzrisses und von [X.] und [X.] besteht, regelmäßig vorherseh-bar. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Tatopfer [X.] wie hier [X.] infolge über-mäßigen Alkoholkonsums körperlich beeinträchtigt ist und dies für den Täter, was hier nach den Feststellungen jedenfalls nahe liegt, erkennbar war (vgl. BGHSt 24, 213, 217; [X.], 143, 145). Dass der Angeklagte nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten in seiner konkreten Situation den Tod des Opfers im Ergebnis [X.] insoweit anders als die Angeklagte in der vom [X.] in Bezug genommenen Senatscheidung [X.], 18, 21 [X.] nicht hätte vorhersehen können, liegt nach den bisherigen Feststellungen fern. Dies gilt um so mehr als das [X.] zur gefährlichen Körperverletzung ausgeführt hat, der Angeklagte habe nicht nur eine Beeinträchtigung des persönlichen Wohlbe-findens des [X.] in Kauf genommen, sondern auch Rippenbrüche oder innere Verletzungen. 9 - 8 - 3. Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Urteils, soweit es den Angeklagten betrifft. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können jedoch bestehen bleiben. 10 Für den Fall einer Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge werden im Hinblick auf die zahlreichen gewichtigen Milderungsgründe die An-nahme eines minder schweren Falles im Sinne des § 227 Abs. 1 StGB und die Verhängung einer Bewährungsstrafe nahe liegen. 11 Tepperwien Maatz [X.] [X.] Sost-Scheible

Meta

4 StR 453/07

15.11.2007

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2007, Az. 4 StR 453/07 (REWIS RS 2007, 841)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 841

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