Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2005, Az. 3 StR 195/05

3. Strafsenat | REWIS RS 2005, 2890

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[X.] vom 28. Juni 2005 in der Strafsache gegen

wegen versuchten Totschlags u. a.
- 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] am 28. Juni 2005 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Februar 2005 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zur Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.]. Nach den Feststellungen gab der erheblich alkoholisierte Angeklagte dem Geschädigten, der ohne Bodenkontakt schräg auf einer Metallstange saß, die auf der Brüstung eines Abgangs zu einer [X.] angebracht war, mit beiden Händen einen kräftigen [X.], so daß der Geschädigte den [X.], etwa vier Meter nach unten in den Eingang der [X.] stürzte und dadurch schwer verletzt wurde. - 3 - Das Urteil hat keinen Bestand, weil die Feststellung des [X.], der Angeklagte habe mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, nicht frei von [X.] ist.
Das [X.] hat auf das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsat-zes allein aus der besonders gefährlichen Gewaltanwendung geschlossen. Damit wird es den Anforderungen nicht gerecht. Zwar liegt es bei äußerst ge-fährlichen Gewalthandlungen nahe, daß der Täter auch mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne dabei zu Tode kommen. Angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung ist jedoch immer in Betracht zu ziehen, daß der Täter die Gefahr des Todes nicht erkannt oder jedenfalls darauf [X.] hat, diese Folge werde nicht eintreten. Der Schluß auf bedingten [X.] ist daher nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter alle nach Sachlage in Betracht kommenden Umstände, die ein solches Ergebnis in Frage stellen können, in seine entsprechenden Erwägungen einbezogen hat (vgl. Senat NStZ-RR 2004, 204 m. w. N.). Das gilt insbesondere in Fällen, in denen ein einsichtiger Beweggrund für eine so schwere Tat wie die Tötung eines Menschen fehlt, sowie bei [X.], die - wie hier - spontan in affektiver Erregung ausgeführt worden sind (vgl. BGHR StGB § 212 Absatz 1 Vorsatz, bedingter 27).
Die danach gebotene Einbeziehung aller Umstände läßt das [X.] vermissen. Das [X.] hat sich in diesem Zusammenhang ins-besondere nicht mit der erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten zur [X.] ([X.] von 2,2 ›), seiner schizoiden Persönlichkeitsstörung sowie mit dem Umstand auseinandergesetzt, daß sich der Geschädigte - vom Angeklag-- 4 - ten unbemerkt - im Augenblick des [X.]es zum Eingangsbereich der [X.] [X.] hatte. Die Sache muß daher neu verhandelt und entschieden werden. Der neue Tatrichter wird dabei auch Gelegenheit haben, die besonderen Gege-benheiten des Tatortes und die näheren Umstände des Tatgeschehens umfassend aufzuklären und darzustellen, so etwa auch die Höhe und Breite der Brüstung und der darauf angebrachten Stange sowie die Haltung und Lage der Hände des Geschädigten unmittelbar vor dem [X.]. Er wird auch die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB erneut zu prüfen haben. Dabei wird zu bedenken sein, daß der erforderliche symptomatische Zusammenhang nicht schon allein deshalb verneint werden kann, weil außer dem Hang zu übermäßigem Alkoholkonsum auch die beim Angeklagten vorhandenen [X.] die Disposition für die Begehung von Straftaten begründen (vgl. BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1, 2). Im übrigen müssen Anordnung und Vollzug der Maßregel lediglich an die hinreichend konkrete Aussicht geknüpft sein, den Süchtigen zumindest für eine gewisse Zeit vor dem Rückfall in die akute Sucht zu bewahren. Einer Erwartung, daß der Angeklagte außerhalb des Vollzugs (überhaupt) keine rechtswidrigen Taten mehr begeht, bedarf es nicht. [X.]

[X.]Winkler

Becker

Hubert

Meta

3 StR 195/05

28.06.2005

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2005, Az. 3 StR 195/05 (REWIS RS 2005, 2890)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 2890

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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