Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.12.2003, Az. 3 StR 120/03

3. Strafsenat | REWIS RS 2003, 264

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[X.] DES VOLKES[X.]eil3 [X.]/03vom11. Dezember 2003in der Strafsachegegenwegen Körperverletzung mit Todesfolge u. [X.] 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der [X.] 16. Oktober 2003 in der Sitzung am 11. Dezember 2003, an denen teilge-nommen haben:[X.] am [X.] Prof. Dr. Tolksdorf,[X.] am [X.] Dr. [X.], [X.], [X.], [X.]als [X.],Leitender [X.]als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt - in der Verhandlung vom 16. Oktober 2003 - als Verteidiger,Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -Auf die Revision des Angeklagten wird das [X.]eil des [X.]Kiel vom 6. Januar 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.]des [X.] zurückverwiesen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit To-desfolge in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Verabreichen von Betäu-bungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ver-urteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellenRechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.[X.] Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte den Geschädigten M. im Jahre 1997 kennengelernt. M. war alkoholabhängig und littunter Krampfanfällen, zu deren Vermeidung er Medikamente einnahm. [X.] Zustand war schlecht. Seine Hände zitterten und die Funktion sei-ner Beine war gestört, so daß er ein behindertengerechtes dreirädriges Fahrradbenutzen mußte. Nachdem der Angeklagte erfahren hatte, daß M. ge-legentlich Heroin spritzte, konsumierte er zweimal mit ihm zusammen Heroin.Während der Angeklagte dabei das Rauschgift rauchte, injizierte sich M. das Heroin. Danach machte er auf den Angeklagten in beiden Fällen einen"weggetretenen" Eindruck, reagierte jedoch auf Ansprache. Am Abend des23. August 2001 traf der Angeklagte den M. , der sich mit [X.] 4 -nen vor einem Supermarkt aufhielt und eine Dose Bier in der Hand hatte. M. hatte zu diesem Zeitpunkt bereits erhebliche Mengen Bier getrunken,zeigte wegen seiner Alkoholgewöhnung jedoch keine Ausfallerscheinungen.Der Angeklagte und M. kamen überein, gemeinsam 1 g Heroin zu kon-sumieren. [X.] besorgte der Angeklagte das Rauschgift und be-gab sich damit zur Wohnung des M. . Nachdem beide dort zunächstweiteren Alkohol getrunken hatten, holte der Angeklagte aus seiner nahegele-genen Wohnung ein Spritzenbesteck. Er kochte die Hälfte des erworbenen [X.] und etwas Wasser auf und injizierte sich das [X.]. Dessen Wirkung empfand er gemessen an seiner langjährigen Erfahrungals normal; es stellte sich bei ihm ein leichter Rauschzustand ein.Nachdem die Spritze in heißem Wasser desinfiziert worden war, kochteder Angeklagte die andere Hälfte des [X.] auf. M. band sich denArm ab, konnte sich wegen des [X.] seiner Hände die Spritze aber nichtmehr selbst setzen. Er bat daher den Angeklagten, ihm das Heroin zu [X.] hielt ihm hierzu seine linke Armbeuge entgegen. Der Angeklagte kam [X.] nach. Alsbald nach der Injektion verstarb M. an einer Heroininto-xikation, die sein Atemzentrum lähmte. Der Todeseintritt wurde durch die er-hebliche Alkoholisierung des M. (Blutalkoholkonzentration von2,33 o/oo) "begünstigt".Das [X.] ist der Ansicht, der Angeklagte habe sich der Körper-verletzung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht, denn in demTod des Geschädigten habe sich das mit der Körperverletzung in Form der He-roininjektion typischerweise verbundene Risiko verwirklicht, was der [X.], der zwar nicht leichtfertig im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG gehandelthabe, jedenfalls im Sinne einfacher Fahrlässigkeit habe vorhersehen und [X.] können. Die Körperverletzung sei auch nicht gerechtfertigt, denn sie- 5 -habe trotz der Einwilligung des Geschädigten gegen die guten Sitten verstoßen(§ 228 StGB). Der Irrtum des Angeklagten über die "Wirksamkeit der Einwilli-gung" sei vermeidbar gewesen (§ 17 StGB).I[X.] Der Schuldspruch hält revisionsgerichtlicher Prüfung aufgrund der er-hobenen Sachrüge nicht stand.1. a) Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings, daß sich das [X.], nachdem es eine leichtfertige Todesverursachung im Sinne des § 30Abs. 1 Nr. 3 BtMG nicht festzustellen vermochte, nicht von vornherein darangehindert gesehen hat, den Angeklagten der Körperverletzung mit [X.] § 227 Abs. 1 StGB schuldig zu sprechen. Denn § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG inder Tatvariante des Verabreichens von Betäubungsmitteln mit Todesfolge stehtzu § 227 Abs. 1 StGB nicht im Verhältnis privilegierender Spezialität (vgl. hierzuallg. [X.] in [X.]/[X.], StGB 26. Aufl. vor §§ 52 ff. [X.]. 136), die [X.] hätte, daß § 227 Abs. 1 StGB nicht anwendbar ist, wenn eine [X.] nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG mangels Leichtfertigkeit der Todesverursa-chung nicht in Betracht kommt.Privilegierende Spezialität als besondere Form der Gesetzeskonkurrenzliegt vor, wenn ein Strafgesetz alle Merkmale einer anderen Strafvorschrift auf-weist und sich nur dadurch von dieser unterscheidet, daß es wenigstens [X.] weiteres Merkmal enthält, das den in Frage kommenden Sachverhalt untereinem genaueren (spezielleren) Gesichtspunkt erfaßt ([X.], 1561;Rissing-van S[X.]n in [X.]. vor §§ 52 ff. [X.]. 73 m. [X.]) und der [X.] die [X.] privilegiert werden soll. In diesem Fall ist ein Rück-griff auf das allgemeinere Delikt ausgeschlossen, da hierdurch die [X.] beseitigt würde (vgl. [X.]St 30, 235, 236). Ob die speziellere Vorschriftden Täter begünstigen soll, ist anhand des Zwecks dieser Vorschrift, des inne-- 6 -ren Zusammenhangs der miteinander konkurrierenden Bestimmungen und [X.] des Gesetzgebers zu prüfen ([X.]St 19, 188, 190; 24, 262, 266; Ris-sing-van S[X.]n [X.]O).Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen privilegierenderSpezialität hier nicht vor. Zwar könnte es auf ein derartiges Konkurrenzverhält-nis der beiden Vorschriften hindeuten, daß § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG die Todes-folge, die als notwendiges Durchgangsstadium zum Todeseintritt objektiv stetsauch eine Körperverletzung beinhaltet (vgl. [X.]St 44, 196, 199; [X.], 79, 80; 1997, 233, 234), nur bei leichtfertiger Herbeiführung des Todeszur Verwirklichung des [X.] genügen läßt und hierfür le-diglich Freiheitsstrafe von nicht unter zwei Jahren androht, während § 227Abs. 1 StGB Freiheitsstrafe von nicht unter drei Jahren vorsieht, obwohl hier fürdie Verursachung des Todes jede Form der Fahrlässigkeit zur Tatbestandser-füllung ausreicht (§ 18 StGB). [X.] steht der Annahme privilegierenderSpezialität entgegen, daß die Verabreichung von Betäubungsmitteln mit To-desfolge nicht in jedem Fall alle tatbestandlichen Voraussetzungen der Körper-verletzung mit Todesfolge erfüllt; denn das vorsätzliche Verabreichen von [X.] (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b BtMG) beinhaltet nicht not-wendig eine vorsätzliche Körperverletzung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB.Betäubungsmittel können bei ihrem [X.]enten Wirkungen hervorru-fen, die sich als Gesundheitsschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar-stellen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sie zu [X.], körperli-chem Unwohlsein - insbesondere nach [X.] der Rauschwirkungen - oderzur Suchtbildung bzw. zu Entzugserscheinungen führen ([X.], 519;vgl. auch Lilie in [X.]. § 223 [X.]. 14 m. [X.]). Wer Betäubungsmittelverabreicht, hierdurch derartige Wirkungen bzw. Erscheinungen bei dem Be-troffenen erzielt und dies zumindest im Sinne bedingten Vorsatzes billigend in- 7 -Kauf nimmt, verwirklicht daher den objektiven und subjektiven Tatbestand dervorsätzlichen Körperverletzung. Jedoch muß nicht jeder Betäubungsmittelkon-sum bzw. jede Betäubungsmittelgabe zu einer Gesundheitsschädigung im dar-gestellten Sinne führen. Insbesondere beim [X.] leichter Drogen in geringerDosis müssen die normalen Körperfunktionen nicht derart nachteilig beeinflußtwerden, daß von einem - sei es auch nur vorübergehenden - [X.] (vgl. [X.]St 43, 346, 354 m. [X.]) gesprochen werden kann. Wer beider Verabreichung von Betäubungsmitteln nur derartige Wirkungen hervorrufenwill oder billigend in Kauf nimmt, macht sich daher nicht der vorsätzlichen Kör-perverletzung schuldig. Dementsprechend begeht er auch keine vorsätzlicheKörperverletzung mit Todesfolge, wenn aufgrund besonderer Umstände - etw[X.]llergischer Reaktionen, gesundheitlicher Vorschädigungen des Betroffenenoder sonstiger konstellativer Faktoren - die Wirkungen des [X.] zum Tod des Opfers führen. Konnte und mußte er diesemögliche Folge voraussehen, so kommt, wenn er insoweit leichtfertig handelte,eine Verurteilung nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG in Betracht. Trifft ihn lediglichder Vorwurf einfacher Fahrlässigkeit, ist nur ein Schuldspruch nach § 222 StGBmöglich. Kann ihm die Todesfolge überhaupt nicht vorgeworfen werden, ist [X.] nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b BtMG zu bestrafen. Eine [X.] wegen Körperverletzung mit Todesfolge scheidet dagegen aus.Beinhaltet danach aber nicht jede Verabreichung von Betäubungsmitteln(mit Todesfolge) notwendig eine vorsätzliche Körperverletzung (mit [X.]), so ist trotz des im Vergleich zu § 227 Abs. 1 StGB für die Todesfolge in§ 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG geforderten erhöhten Grades der Fahrlässigkeit beigleichzeitig niedrigerer Strafrahmenuntergrenze das systematische und [X.] Verhältnis der beiden Vorschriften anders als im Sinne privilegie-render Spezialität zu deuten: Die höhere Strafrahmenuntergrenze des § 227Abs. 1 StGB beruht darauf, daß diese Vorschrift über die tatbestandlichen Vor-- 8 -aussetzungen des § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG hinaus stets das Vorliegen einer vor-sätzlichen Körperverletzung voraussetzt.b) Der Angeklagte hat sich auch nicht straflos an einer eigenverantwortli-chen Selbstverletzung bzw. Selbsttötung M. s beteiligt. Seine [X.] wegen eines [X.] oder Tötungsdelikts ist daher auch nichtunter diesem Gesichtspunkt ausgeschlossen.Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des [X.] [X.] die eigenverantwortlich gewollte und verwirklichte [X.] nicht den Tatbeständen eines [X.] oder Tötungs-delikts, wenn sich das mit der Gefährdung vom Opfer bewußt [X.] realisiert. Wer eine solche Gefährdung veranlaßt, ermöglicht oder fördert,kann daher nicht wegen eines [X.] oder Tötungsdelikts verurteiltwerden; denn er nimmt an einem Geschehen teil, welches - soweit es um [X.] wegen Tötung oder Körperverletzung geht - kein tatbestandsmäßi-ger und damit kein strafbarer Vorgang ist (grundlegend [X.]St 32, 262 ff.; sieheauch [X.]St 46, 279, 288 f.; [X.], 205; [X.], 2326,2327 jew. m. [X.]). Maßgebliches Abgrenzungskriterium zwischen strafloserBeteiligung an einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung bzw. -verletzungund einer - grundsätzlich tatbestandsmäßigen - Fremdgefährdung oder -ver-letzung eines anderen ist damit die Trennungslinie zwischen [X.]chaft undTeilnahme. Liegt die Tatherrschaft über die Gefährdungshandlung nicht [X.] dem Gefährdeten, sondern zumindest auch bei dem sich hieran [X.], begeht dieser eine eigene Tat und kann nicht aus Gründen der [X.] wegen fehlender Haupttat des Geschädigten straffrei sein (s. insg., auchzu gegenteiligen Ansichten in Rechtsprechung und Schrifttum [X.],2326, 2327). In diesen Fällen stellt sich vielmehr die Frage, ob der täterschaft-lich Handelnde aufgrund der Einwilligung des Geschädigten gerechtfertigt [X.] -Im Hinblick darauf, daß der Angeklagte das Injizieren des [X.] bei M. eigenhändig vornahm, und insbesondere, weil dieser sich die Sprit-ze nicht selbst setzen konnte, hat das [X.] rechtsfehlerfrei täterschaftli-ches Handeln des Angeklagten angenommen. Die Tatsache, daß die [X.] vom Willen und der Mitwirkung M. s abhing, ändert hieran [X.]) Es ist danach nicht zu beanstanden, daß das [X.] die objekti-ven und subjektiven tatbestandlichen Voraussetzungen des § 227 Abs. 1 [X.] erfüllt angesehen hat: Der Angeklagte wollte bei M. durch die He-roininjektion einen Rauschzustand und damit eine [X.]im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB hervorrufen. Die Wirkungen des [X.] führ-ten indessen zum Tod des Opfers. Damit verwirklichte sich eine spezifischeGefahr, die mit der bewußt vorgenommenen Körperverletzung verbunden war.Daß diese Folge - angesichts der generellen Gefährlichkeit des Heroinkon-sums, der deutlichen Alkoholisierung M. s und dessen gesundheitlicherVorschädigung - für den Angeklagten vorhersehbar und vermeidbar war, hatdas [X.], entgegen der Ansicht der Revision, ebenfalls rechtsfehlerfreidargelegt.2. Dagegen halten die Ausführungen des [X.] zu einer mögli-chen Rechtfertigung der [X.] durch die Einwilligung M. s sowie zu der damit zusammenhängenden Irrtumsproblematik rechtlicherPrüfung nicht stand. Das [X.] ist der Ansicht, die Körperverletzung seirechtswidrig, weil sie trotz der Einwilligung M. s in die [X.] die guten Sitten verstoßen habe (§ 228 StGB). Dies trifft zwar im [X.] zu. Jedoch hat das [X.] die Grundlagen dieses Sittenwidrigkeitsur-teils nicht zutreffend erkannt. Damit hat es sich den Blick auf eine rechtsfehler-freie Beurteilung der Irrtumsfragen verstellt.- 10 -a) Gemäß § 228 StGB ist die mit Einwilligung der verletzten Person [X.] Körperverletzung rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligunggegen die guten Sitten verstößt. Das Strafgesetzbuch knüpft somit die Rechts-folgen der Einwilligung an außerrechtliche, ethisch-moralische Kategorien. DiePrüfung der Rechtfertigung der [X.] durch die Einwilligung [X.] ist daher in diesem Punkt weniger ein Akt normativ-wertenderGesetzesauslegung als vielmehr ein solcher empirischer Feststellung beste-hender Moralüberzeugungen. Der Begriff der guten Sitten ist für sich [X.]. Wird er als strafbegründendes Element in das Strafrechtintegriert, gerät er in Konflikt mit dem grundgesetzlichen Bestimmtheitsgebot(Art. 103 Abs. 2 GG). Es sind daher verfassungsrechtliche Bedenken gegen§ 228 StGB erhoben worden (vgl. die Nachw. bei [X.] in [X.]/[X.][X.]O § 228 [X.]. 6). Diese teilt der Senat nicht. Jedoch muß der Begriff der gu-ten Sitten auf [X.] beschränkt werden. Nur dann ist dem Gebot derVorhersehbarkeit st[X.]tlichen Strafens genügt. Dies bedeutet, daß ein Verstoßder [X.] gegen die guten Sitten nur angenommen [X.], wenn sie nach allgemein gültigen moralischen Maßstäben, die vernünfti-gerweise nicht in Frage gestellt werden können, mit dem eindeutigen Makel [X.] behaftet ist ([X.] in [X.]/[X.] [X.]O). In diesem Sinneist eine Körperverletzung trotz Einwilligung des Geschädigten nach der [X.] gebrauchten Umschreibung dann sittenwidrig, wenn sie gegen das [X.] aller billig und gerecht Denkenden verstößt (vgl. [X.]St 4, 24, [X.], 88, 91; [X.] in [X.]. § 228 [X.]. 6 m. [X.]). Ein Verstoß gegen [X.] einzelner gesellschaftlicher Gruppen oder des mit der [X.] Strafgerichts genügt daher nicht. [X.] sich nach diesen Maßstäbendie Sittenwidrigkeit nicht sicher feststellen, scheidet eine Verurteilung wegeneines Körperverletzungsdelikts aus ([X.] [X.]O und [X.]. 2 jew.m. [X.]).- 11 -Die allgemein gültigen, vernünftigerweise nicht anzweifelbaren [X.] sind [X.]. Sie stehen daher der Kenntnisnahmedurch das Revisionsgericht offen, ohne daß es ihrer Darlegung im tatrichterli-chen [X.]eil bedarf (vgl. [X.]St 6, 292, 296; BayObLGSt 1987, 171, 173; [X.] NJW 1993, 2452, 2453; [X.] in [X.]. § 337 [X.]. 3; [X.]/[X.], 696, 699).Nach dem Wortlaut des § 228 StGB ist entscheidend, ob die [X.] verstößt. Unerheblich ist daher, ob dieser Makel - auch [X.] - der Einwilligung anhaftet ([X.]St 4, 88, 91; [X.], 87, 88).Demgemäß kann die Prüfung der Sittenwidrigkeit der Tat nicht allein daran an-knüpfen, ob mit der Tat verwerfliche Zwecke verfolgt werden, etwa weil sie [X.], Vornahme, Verdeckung oder Vortäuschung einer Straftat (soaber Horn/[X.] in [X.]. - August 2003 - § 228 [X.]. 9) oder an-deren unlauteren Zielen dienen. Vielmehr ist immer in Betracht zu nehmen, obdie Körperverletzung wegen des besonderen Gewichts des jeweiligen tatbe-standlichen Rechtsgutsangriffs, namentlich des Umfangs der vom Opfer hinge-nommenen körperlichen Mißhandlung oder Gesundheitsschädigung und [X.] der damit verbundenen weiteren Leibes- oder Lebensgefahr, als unver-einbar mit den guten Sitten erscheint (vgl. [X.]. 9). Ob mit der [X.] weitergehende - unlautere - Zwecke ebenfalls für das Sittenwidrig-keitsurteil relevant sind (vgl. dazu die Nachw. bei [X.]. 8 sowie[X.] [X.]O [X.]. 7; s. aber auch [X.]St 38, 83, 87, wo die Sittenwidrigkeit [X.] wegen der Geringfügigkeit der Verletzungen trotz des mit der [X.] verfolgten verwerflichen Zwecks - vorgetäuschte Geiselnahme - verneintwurde), kann der Senat in vorliegendem Fall offen lassen. Denn weder der Ge-schädigte M. noch der Angeklagte verfolgten mit der [X.]einen weitergehenden Zweck, als bei M. einen Rauschzustand herbei-zuführen. Dieser ist aber unmittelbares Symptom der durch das Heroin bewirk-- 12 -ten [X.] im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB. Eine über dieTat hinausreichende Zwecksetzung ist daher nicht erkennbar. Der Makel [X.] kann daher der Tat allein wegen des Maßes der Rechtsguts-verletzung und der damit verbundenen weitergehenden Gefahren für dessenLeib und Leben zukommen.b) Danach gilt hier folgendes:[X.]) Entgegen der Ansicht des [X.] war die einverständliche He-roininjektion nicht schon deswegen sitten- und damit gemäß § 228 [X.], weil sich der Angeklagte durch die Tat jedenfalls nach § 29 Abs. 1Satz 1 Nr. 6 Buchst. b BtMG strafbar gemacht hat. § 228 StGB beschränkt un-ter Heranziehung ethisch-moralischer Maßstäbe die Freiheit des einzelnen,über sein Individualrechtsgut der körperlichen Unversehrtheit nach freiem [X.] zu disponieren. Hiervon zu trennen ist der Schutz anderer, überindividu-eller Rechtsgüter, über die der einzelne nicht verfügen kann. Hält es der Ge-setzgeber für erforderlich, eine Handlung, die die Gefahr einer Körperverletzungin sich birgt, zum Schutz derartiger Universalrechtsgüter - etwa der [X.] Straßenverkehrs in § 315 c StGB oder der Volksgesundheit in § 29 BtMG -in gesonderten Vorschriften unter Strafe zu stellen, ist die Einwilligung [X.] eine derartige Handlung tatsächlich in seiner körperlichen Unversehrtheitoder Gesundheit Geschädigten für die Strafbarkeit des [X.] nach diesen [X.] ohne Belang (vgl. [X.]St 6, 232, 234; 23, 261, 264). Die Einwilligung M. s hätte somit einer Verurteilung des Angeklagten nach § 30 Abs. 1Nr. 3 BtMG nicht entgegengestanden (vgl. [X.]St 37, 179, 181 ff.) und kannauch den Schuldspruch nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b BtMG nichthindern. Andererseits läßt sich aus dem strafrechtlichen Schutz derartiger Uni-versalrechtsgüter, auch wenn sie mittelbar den Schutz von Individualrechtsgü-tern mitbewirken (s. [X.]St 23, 261, 264; 37, 179, 182), nichts für die [X.] -wortung der Frage ableiten, ob im konkreten Einzelfall die Einwilligung des [X.] in die Verletzung des [X.] seiner körperlichen [X.] mit allgemein anerkannten sittlichen Wertvorstellungen unvereinbarist (vgl. [X.]St 6, 232, 234; [X.] 1971, 67; BayObLGSt 1977, 105,106 f.; Endriß/[X.], Betäubungsmittelstrafrecht 2. Aufl. [X.]. 370).bb) Der Senat vermag nicht zu erkennen, daß der [X.] illegaler Dro-gen nach heute allgemein anerkannten, nicht [X.] noch als unvereinbar mit den guten Sitten angesehen wird. [X.] für eine Körperverletzung, die durch das einverständliche Verabreichen ei-nes illegalen Betäubungsmittels verursacht wird. Entsprechend erachten esauch verschiedene Autoren im strafrechtlichen Schrifttum für möglich, daß [X.] das Verabreichen von Betäubungsmitteln bewirkte Körperverletzungdurch die Einwilligung des Betroffenen gerechtfertigt sein kann (s. etwa [X.][X.]O [X.]. 50; [X.], BtMG 2. Aufl. § 29 [X.]. 1016; Endriß/[X.] [X.]O). [X.] Voraussetzungen oder Umständen eine Gesundheitsschädigung durcheinvernehmliches Verabreichen von Betäubungsmitteln nach allgemein aner-kannten moralischen Maßstäben sittlich verwerflich ist, entzieht sich [X.]. Allgemein reicht hierfür allein das Verabreichen auchharter Drogen nicht aus. Maßgeblich ist vielmehr, ob und in welchem Graddurch die konkrete Tat Gesundheits- bzw. Suchtgefahren begründet oder ver-stärkt werden. Nach allgemeinem sittlichen Empfinden ist die Grenze morali-scher Verwerflichkeit dann überschritten, wenn bei vorausschauender objektiverBetrachtung aller maßgeblichen Umstände der Betroffene durch das [X.] in konkrete Todesgefahr gebracht wird. So lag esaber hier. M. wurde wegen seiner gesundheitlichen Vorschädigung undder bereits bestehenden Alkoholintoxikation durch die [X.] unmittel-bar in Lebensgefahr gebracht. Tatsächlich hat sie auch seinen Tod herbeige-führt. Trotz der Einwilligung M. s in die Injektion war die vom [X.] -klagten hierdurch begangene Körperverletzung daher gemäß § 228 [X.]. Insoweit ist dem [X.] im Ergebnis zu folgen.cc) Jedoch erweisen sich auf dieser Grundlage die Darlegungen des[X.] zu dem Irrtum des Angeklagten über "die Wirksamkeit der Einwil-ligung" als rechtlich nicht tragfähig. Die Sitten- und damit Rechtswidrigkeit [X.] trotz der Einwilligung des Opfers folgt hier aus der konkretenLebensgefahr, die durch die [X.] für M. entstand. [X.] Angeklagte diese Gefahr nicht, etwa weil er die Schwere der [X.] Vorschädigung und das Maß der - den Todeseintritt "begünstigenden" -Alkoholisierung unzutreffend einschätzte und davon ausging, das Heroin könne- wie zuvor bei ihm selbst - lediglich zu einem leichten Rauschzustand führen,irrte er nicht über die sittliche und damit rechtliche Bewertung der Tat nach§ 228 StGB, sondern über die tatsächlichen Voraussetzungen eines [X.]. Ein derartiger Erlaubnistatbestandsirrtum ist nicht als [X.] (§ 17 StGB), sondern entsprechend den Regeln des Tatbestandsirrtumsnach § 16 Abs. 1 StGB zu behandeln ([X.]St 31, 264, 286 f. m. [X.]; vgl. auch[X.] [X.]O § 228 [X.]. 12). Das Vorliegen eines solchen Irrtums hat das Land-gericht nicht geprüft. Positiv festgestellt hat es lediglich, daß der Angeklagte dieGefährlichkeit seines Tuns hätte erkennen können. Die Verurteilung des Ange-klagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge kann daher keinen Bestandhaben. Dies führt zur Aufhebung des gesamten [X.]eils, auch wenn der Schuld-spruch wegen tateinheitlichen Verabreichens von Betäubungsmitteln (§ 29Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b BtMG) rechtlich nicht zu beanstanden ist.II[X.] 1. Die nunmehr zur Entscheidung berufene [X.] wird [X.] prüfen haben, ob M. angesichts seines körperlichen und geistigenZustands überhaupt noch eine wirksame Einwilligung abgeben konnte oder ihmnicht vielmehr bereits die hierfür erforderliche Einsichts- und [X.]eilsfähigkeit- 15 -fehlte (vgl. [X.]St 4, 88, 90; [X.], 87, 88; [X.] in [X.]/[X.] [X.]O vor §§ 32 ff. [X.]. 39 f. m. [X.]). War letzteres der Fall, wird sichaber auch insoweit die Frage stellen, ob der Angeklagte dies erkannte oder sichinsoweit in einem Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen einer wirksa-men Einwilligung befand.2. Eine Rechtfertigung der in Betracht kommenden fahrlässigen Tötungdurch die Einwilligung M. s in die sein Leben gefährdende [X.] Angeklagten scheidet schon wegen der Sittenwidrigkeit der [X.]stat aus ([X.] [X.]O [X.]. 104 a. E.). Es kann daher dahinstehen, obder Ansicht des 4. Strafsenats zu folgen wäre, bei tatsächlich eingetretenemTod könne die Einwilligung des Opfers in die Lebensgefährdung in keinem Fallrechtfertigende Wirkung hinsichtlich der Todesfolge entfalten, obwohl dieselbeHandlung, soweit sie lediglich die Körperverletzung eines anderen Geschädig-ten bewirkt, durch dessen Einwilligung gerechtfertigt sein kann ([X.]St 4, 88,93; [X.], 277, 279; [X.], [X.]. vom 20. Juni 2000 - 4 StR 162/00,insoweit in [X.], 583 nicht abgedruckt; vgl. demgegenüber die beachtli-chen Argumente bei [X.] [X.]O [X.]. 104 m. [X.]).Tolksdorf [X.] [X.] [X.] [X.]Nachschlagewerk:ja[X.]St:[X.]:jaStGB §§ 227, 228- 16 -BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 31. § 30 Abs. 1 Nr. 3 BtMG in der Tatvariante des Verabreichens von Betäu-bungsmitteln mit Todesfolge steht zu § 227 Abs. 1 StGB nicht im [X.] Spezialität.2. Zur Rechtswidrigkeit einer Körperverletzung, die durch das einverständlicheVer-abreichen illegaler Betäubungsmittel bewirkt wird.[X.], [X.]. vom 11. Dezember 2003 - 3 [X.]/03 - [X.]

Meta

3 StR 120/03

11.12.2003

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.12.2003, Az. 3 StR 120/03 (REWIS RS 2003, 264)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 264

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