Bundessozialgericht, Urteil vom 30.01.2019, Az. B 14 AS 10/18 R

14. Senat | REWIS RS 2019, 10869

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. Mai 2017 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Höhe der anzuerkennenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung von Mai bis Juli 2011 sowie von April 2012 bis März 2013 nach einem Umzug.

2

Die 1984 geborene Klägerin zu 1 wohnte mit ihrer am 19.12.2001 geborenen Tochter, der Klägerin zu 2, in einer Mietwohnung in [X.], [X.], für die 325 Euro Warmmiete monatlich zu zahlen waren. Für die Klägerin zu 2 wurden in der streitgegenständlichen [X.] jeweils monatlich 180 Euro Unterhaltsvorschuss, 184 Euro Kindergeld und - außer im Mai 2011 - 122 Euro Wohngeld gezahlt. Den Antrag der Klägerin zu 1 auf Zusicherung der Berücksichtigung der Aufwendungen für eine neue Unterkunft in [X.], [X.], den sie mit einer beabsichtigten Umschulung und einem neuen Partner begründete, lehnte das beklagte Jobcenter ab. Der Umzug sei nicht erforderlich und die vorgelegten Mietangebote unangemessen teuer (Bescheid vom [X.]).

3

Am 1.5.2011 zogen die [X.] nach [X.] in eine 67 qm große Dreizimmerwohnung, für die monatlich 370,04 Euro Warmmiete zu zahlen waren. Schon zuvor hatte der Beklagte der Klägerin zu 1 für Januar bis Juli 2011 [X.] umfassend neu bewilligt und dabei Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung von 325 Euro anerkannt (Bescheid vom [X.]). Im anschließenden Widerspruchsverfahren änderte der Beklagte insbesondere im Hinblick auf die Wohngeldbewilligung für die Klägerin zu 2 diesen Bescheid wiederholt ab. Schließlich bewilligte er für die Klägerin zu 1 für die Monate Mai bis Juli 2011 jeweils 570,50 Euro [X.] und für die Klägerin zu 2 für Mai 2011 49,50 Euro Sozialgeld, wobei er als Bedarfe für die Unterkunft und Heizung nur 325 Euro monatlich anerkannte (Bescheid vom 26.3.2012; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Auch im Rahmen der [X.]-Bewilligungen an die Klägerin zu 1 für April bis September 2012 und Oktober 2012 bis März 2013 wurden nur diese Bedarfe für die Unterkunft und Heizung anerkannt (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]; Bescheid vom 17.9.2012; Widerspruchsbescheid vom 2.8.2013).

4

Das [X.] hat nach Verbindung der erhobenen Klagen den Beklagten unter Abänderung seiner Bescheide verurteilt, der Klägerin zu 1 für die streitgegenständliche [X.] monatlich weitere 22,52 Euro und der Klägerin zu 2 für Mai 2011 weitere 22,52 Euro als Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu gewähren, weil die tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen seien (Urteil vom [X.]). Das L[X.] hat die von ihm zugelassene Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 11.5.2017). Der Umzug der [X.] sei zwar nicht erforderlich gewesen, sie seien aber nicht innerhalb eines Vergleichsraums umgezogen, was Voraussetzung für die Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 [X.]B II sei. Entgegen der Ansicht des Beklagten bilde der [X.] nicht einen Vergleichsraum, sondern sei in 14 [X.], ua [X.] und [X.], aufzuteilen. Eine Kostensenkungsaufforderung sei nicht ergangen und die Berechnung des [X.] nicht zu beanstanden.

5

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 22 Abs 1 [X.]B II. Das L[X.] habe zu Unrecht selbst [X.] festgelegt, diesbezüglich stehe dem Leistungsträger eine aus der Methodenfreiheit folgende nicht justiziable [X.] zu. Die vom L[X.] vorgenommene Vergleichsraumbildung sei fehlerhaft. Die gewählten [X.] seien oftmals zu klein und die Zahl der Mietwohnungen zu hoch angesetzt. Überdies sei die Vorschrift des § 22 Abs 1 Satz 2 [X.]B II auch anwendbar, wenn ein Umzug zwar vergleichsraumübergreifend, aber innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Trägers stattfinde. Bei einem solchen vergleichsraumübergreifenden Umzug sei keine Kostensenkungsaufforderung erforderlich, um eine Übernahme nur der bisherigen Aufwendungen zu bewirken. [X.] als notwendig angesehene Nachermittlungen zur Vergleichsraumbildung und Erstellung eines schlüssigen Konzepts seien möglich.

6

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] vom 11. Mai 2017 und des [X.] vom 8. August 2014 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

7

Die [X.] verteidigen das Urteil des L[X.] und beantragen,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]G). Auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] kann der Senat nicht darüber entscheiden, ob bei den [X.] höhere Bedarfe für die Unterkunft und Heizung anzuerkennen sind.

9

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den vorinstanzlichen Entscheidungen hinsichtlich Mai bis Juli 2011 der Bescheid des Beklagten vom 26.3.2012, der die vorangegangenen Entscheidungen vom [X.], [X.] und [X.] jeweils im Sinne einer erneuten Sachentscheidung ersetzt hat (ersetzende Neuregelung, vgl B[X.] vom [X.] - [X.] AS 21/17 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] RdNr 9), in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], hinsichtlich April bis September 2012 der Bescheid vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] und hinsichtlich Oktober 2012 bis März 2013 der Bescheid vom 17.9.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] sowie die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 [X.] für diese streitgegenständlichen [X.]en (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung: B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]0).

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Insbesondere ist die Berufung des Beklagten zulässig, weil sie vom [X.] zugelassen worden ist. Die [X.] verfolgen ihr Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 [X.]G), zulässigerweise gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 Satz 1 [X.]G).

Ein solches Grundurteil im Höhenstreit ist auch hinsichtlich der zwischen den Beteiligten allein strittigen Höhe der anzuerkennenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung zulässig. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Grundurteils im Höhenstreit in Abgrenzung zu einer unzulässigen Elementfeststellungsklage ist eine so umfassende Aufklärung zu Grund und Höhe des Anspruchs, dass mit Wahrscheinlichkeit von einer höheren Leistung ausgegangen werden kann, wenn der Begründung der [X.]lage gefolgt wird (vgl nur B[X.] vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4225 § 1 [X.] Rd[X.]0 mwN; zur Abgrenzung bei Verfahren nach § 44 [X.]B X: B[X.] vom [X.] AS 32/16 R - [X.], 199 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], Rd[X.]7 ff). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, weil der Beklagte den [X.] [X.] bzw Sozialgeld bewilligt hat und sie Anspruch auf höhere Leistungen haben, wenn ihrem Vorbringen gefolgt wird.

3. Rechtsgrundlage eines Anspruchs der [X.] auf höhere Leistungen für die Unterkunft und Heizung von Mai bis Juli 2011 sowie von April 2012 bis März 2013 gegen das beklagte [X.] sind §§ 19, 22 [X.] in der ab 1.4.2011 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 13.5.2011 ([X.]). Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungszeiträume ist das damals geltende Recht anzuwenden (Geltungszeitraumprinzip, vgl B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]4 f). Die im Laufe der strittigen [X.] ergangenen Änderungen des [X.], zuletzt durch Gesetz vom 21.3.2013 ([X.]), betrafen nicht die vorliegend anzuwendenden Vorschriften.

4. Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden im Rahmen der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind; erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt22 Abs 1 Satz 1, 2 [X.]), sog "Deckelung".

Die Nicht-Erforderlichkeit des Umzugs der [X.] von [X.] nach [X.] folgt aus den vom [X.] unter Bezugnahme auf das Urteil des [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die mangels entsprechender [X.] der Beteiligten für den Senat bindend sind (§ 163 [X.]G).

Die Deckelung der anzuerkennenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung bei einem nicht erforderlichen Umzug auf die Aufwendungen für die bisherige Wohnung ist auf einen Umzug innerhalb eines [X.]s beschränkt. Dies folgt aus systematischen Gründen, dem Sinn und Zweck der Regelung, dem Ausschöpfen der [X.] für diese Aufwendungen entgegenzuwirken, sowie verfassungsrechtlichen Anforderungen (B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/09 R - B[X.]E 106, 147 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]8 ff; letztens B[X.] vom 17.2.2016 - [X.] AS 12/15 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.] ff).

Ob die [X.] bei ihrem Umzug von [X.] nach [X.], die beide im [X.] und damit im Zuständigkeitsgebiet des beklagten [X.]s liegen, innerhalb eines [X.]s, so die Auffassung des Beklagten, oder von einem [X.] in einen anderen umgezogen sind, so die Auffassung des [X.], kann vom Senat aufgrund der Feststellungen des [X.] nicht abschließend beurteilt werden.

Weitere Voraussetzung für eine Deckelung der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichen Umzug auf die bis dahin zu tragenden angemessenen Aufwendungen war in der strittigen [X.] eine zutreffende Ermittlung der [X.] für diese Bedarfe (B[X.] vom 29.4.2015 - [X.] [X.] R - B[X.]E 119, 1 = [X.] 4-4200 § 22 Nr 84).

5. Bei dem entscheidenden gesetzlichen Tatbestandsmerkmal "Angemessenheit" im Rahmen der Ermittlung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, die auch eine [X.]bildung erfordert, handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff (stRspr: vgl B[X.] vom 19.2.2009 - [X.] AS 30/08 R - B[X.]E 102, 263 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]2; letztens B[X.] vom 12.12.2017 - [X.] AS 33/16 R - B[X.]E 125, 29 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]4).

Gegen die Verwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs bestehen keine durchgreifenden Bedenken, zumal zur [X.]onkretisierung des Tatbestandsmerkmals der Angemessenheit des § 22 Abs 1 Satz 1 [X.] auch die Regelungen der §§ 22a bis 22c [X.] zu berücksichtigen sind ([X.] vom 6.10.2017 - 1 BvL 2/15, 1 BvL 5/15 - Rd[X.]7; B[X.] vom 12.12.2017 - [X.] AS 33/16 R - B[X.]E 125, 29 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]7 f).

Die [X.]onkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltung ist grundsätzlich gerichtlich voll überprüfbar (vgl nur [X.] in [X.]/Bonk/[X.], [X.], 9. Aufl 2018, § 40 Rd[X.]47 ff, § 46 RdNr 63 ff, jeweils mwN; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, [X.] § 31 Rd[X.]00, Stand der Einzelkommentierung 12/2011) und die Angemessenheit nach § 22 Abs 1 Satz 1 [X.] ebenfalls. Eine Rechtsgrundlage oder dogmatische Herleitung für die von [X.]n in diesem Zusammenhang zum Teil beanspruchte "nicht justiziable [X.]" oder "gerichtlich nicht überprüfbare politische Entscheidung" sind im Lichte von Art 19 Abs 4 GG nicht ersichtlich (vgl zur vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit die einhellige Auffassung der Literatur zu § 22 [X.]: [X.] in LP[X.]-[X.], 6. Aufl 2017, § 22 RdNr 61; [X.]rauß in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 22 RdNr 71, Stand der Einzelkommentierung 10/2012; [X.] in [X.], [X.]/[X.]I, § 22 [X.] RdNr 33, Stand der Einzelkommentierung 10/2016; [X.] in Eicher/[X.], [X.], 4. Aufl 2017, § 22 RdNr 73, 91; Piepenstock in jurisP[X.]-[X.], 4. Aufl 2015, § 22 RdNr 83; [X.] in [X.], [X.], § 22 RdNr 71, Stand der Einzelkommentierung 10/2017).

6. Die Ermittlung des angemessenen Umfangs der Aufwendungen für die Unterkunft hat in zwei größeren Schritten zu erfolgen: Zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (= Bruttokaltmiete), zu ermitteln; dann ist die konkrete (= subjektive) Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen, einschließlich eines Umzugs, zu prüfen (stRspr B[X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.]/06 R - B[X.]E 97, 231 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]4 f; letztens B[X.] vom 12.12.2017 - [X.] AS 33/16 R - B[X.]E 125, 29 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]4 ff; vgl aus der Literatur auch zum Folgenden: [X.] in LP[X.]-[X.], 6. Aufl 2017, § 22 RdNr 63 ff; [X.]rauß in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 22 RdNr 70 ff, Stand der Einzelkommentierung 10/2012; [X.] in [X.], [X.]/[X.]I, § 22 [X.] RdNr 33 ff, Stand der Einzelkommentierung 10/2016; [X.] in Eicher/[X.], [X.], 4. Aufl 2017, § 22 RdNr 73 ff; Piepenstock in jurisP[X.]-[X.], 4. Aufl 2015, § 22 RdNr 83 ff; [X.] in [X.], G[X.]-[X.], § 22 Rd[X.] ff, Stand der Einzelkommentierung 9/2017; [X.] in [X.], [X.], § 22 RdNr 74 ff, Stand der Einzelkommentierung 10/2017).

7. Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen hat unter Anwendung der Produkttheorie ("Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis") in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen, das der Senat ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung unter Einbeziehung der Rechtsentwicklung wie folgt zusammenfasst und konkretisiert (stRspr B[X.] vom [X.] - [X.] AS 18/09 R - B[X.]E 104, 192 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] ; B[X.] vom 20.12.2011 - [X.] AS 19/11 R - B[X.]E 110, 52 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] ; B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 114, 1 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] <überhöhte Heizkosten>, Rd[X.]8; B[X.] vom 12.12.2017 - [X.] AS 33/16 R - B[X.]E 125, 29 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]4 f): (1) Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en), (2) Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards, (3) Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen [X.] nach einem schlüssigen [X.]onzept, (4) Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten.

8. Der Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete in dem maßgeblichen örtlichen [X.] nach einem schlüssigen [X.]onzept ist ausgehend von der zuvor angeführten Rechtsprechung zugrunde zu legen:

a) Der [X.] ist der Raum, für den ein grundsätzlich einheitlicher abstrakter [X.] zu ermitteln ist (B[X.] vom 19.2.2009 - [X.] AS 30/08 R - B[X.]E 102, 263 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]1), innerhalb dessen einer leistungsberechtigten Person ein Umzug zur [X.]ostensenkung grundsätzlich zumutbar ist (vgl B[X.] vom 17.12.2009 - [X.] AS 27/09 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.]7 RdNr 32 ff) und ein nicht erforderlicher Umzug nach § 22 Abs 1 Satz 2 [X.] zu einer Deckelung der Aufwendungen auf die bisherigen führt (vgl in Abgrenzung hierzu B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/09 R - B[X.]E 106, 147 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]8 ff; letztens B[X.] vom 17.2.2016 - [X.] AS 12/15 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]3 ff). Der [X.] ist ein ausgehend vom Wohnort der leistungsberechtigten Person bestimmter ausreichend großer Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (vgl zB B[X.] vom 19.2.2009 - [X.] AS 30/08 R - B[X.]E 102, 263 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]0 ff).

Nach der auch für schlüssige [X.]onzepte im Rahmen des § 22 Abs 1 [X.] entsprechend anzuwendenden gesetzgeberischen Vorgabe in § 22b Abs 1 Satz 4 [X.] bildet das Zuständigkeitsgebiet eines [X.]s zunächst einen [X.], der indes aufgrund der örtlichen Gegebenheiten in mehrere [X.] zu unterteilen sein kann, für die jeweils eigene [X.] bestimmt werden können. Als solche örtlichen Gegebenheiten kommen weniger unterschiedliche Landschaften, sondern eher räumliche Orientierungen, wie [X.] für Berufstätige oder die Nähe zu Ballungsräumen, sowie aus der Datenerhebung ersichtliche, deutliche Unterschiede im [X.] in Betracht.

b) Das schlüssige [X.]onzept soll die Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des [X.] im [X.] dem [X.] zugrunde liegen und dieser realitätsgerecht ermittelt wird. [X.] ist ein [X.]onzept, wenn es neben rechtlichen zudem bestimmte methodische Voraussetzungen erfüllt und nachvollziehbar ist. Dies erfordert trotz Methodenvielfalt insbesondere eine Definition der untersuchten Wohnungen nach Größe und Standard, Angaben über die Art und Weise der Datenerhebung, Angaben über den [X.]raum, auf den sich die Datenerhebung bezieht, Repräsentativität und Validität der Datenerhebung, Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung, Vermeidung von "Brennpunkten" durch [X.] Segregation sowie eine Begründung, in der die Ermittlung der [X.] aus den Daten dargelegt wird (grundlegend B[X.] vom [X.] - [X.] AS 18/09 R - B[X.]E 104, 192 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]8 f; B[X.] vom 18.11.2014 - [X.] [X.]/14 R - B[X.]E 117, 250 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Leitsatz: zur Entwicklungsoffenheit dieser Grundsätze; zuletzt B[X.] vom 12.12.2017 - [X.] AS 33/16 R - B[X.]E 125, 29 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]7 f; vgl zudem § 22a Abs 3, § 22b Abs 1, 2, § 22c Abs 1 [X.]).

c) Es kann verschiedene Methoden geben, um ein schlüssiges [X.]onzept in diesem Sinne zu erstellen und den damit unmittelbar zusammenhängenden [X.] oder ggf mehrere [X.] zu bilden, weil weder aus § 22 [X.] noch aus §§ 22a bis 22c [X.] die Anwendung eines bestimmten Verfahrens rechtlich zwingend ableitbar ist (vgl B[X.] vom 18.11.2014 - [X.] [X.]/14 R - B[X.]E 117, 250 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.] ff; siehe ferner BT-Drucks 17/3404 [X.] zu § 22b: "Vielfalt an [X.]onzepten"; [X.] in [X.], G[X.]-[X.], § 22 Rd[X.]42, Stand der Einzelkommentierung 9/2017; vgl zu den verschiedenen Verfahren: Forschungsbericht 478, Ermittlung der existenzsichernden Bedarfe für die [X.]osten der Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem [X.] Sozialgesetzbuch <[X.]> und in der Sozialhilfe nach dem [X.] <[X.]B XII>, erstellt von v. [X.] ua, hrsg vom [X.], 2017, [X.] ff; zu den Interdependenzen zwischen [X.] und schlüssigem [X.]onzept schon B[X.] vom 11.12.2012 - [X.] AS 44/12 R - Rd[X.]8).

9. Es ist gerichtlich voll überprüfbar - wie ausgeführt (siehe 5.) -, ob die Ermittlung der abstrakt angemessenen Nettokaltmiete, insbesondere die Festlegung des [X.]s und die Erstellung eines schlüssigen [X.]onzepts im Rahmen der Methodenvielfalt zutreffend erfolgt ist. Die volle gerichtliche Überprüfung des [X.]s und des Verfahrens zu seiner Ermittlung schließt nicht aus, dass bei dieser [X.]ontrolle der Verwaltung deren in der Methodenvielfalt zum Ausdruck kommenden Eigenverantwortung Rechnung getragen und die gerichtliche [X.]ontrolle als eine nachvollziehende [X.]ontrolle ausgestaltet wird ([X.] vom 31.5.2011 - 1 BvR 857/07 - [X.]E 129, 1, juris-RdNr 70; vgl zu den Grenzen gerichtlicher [X.]ontrolle zudem: [X.] vom 23.10.2018 - 1 BvR 2523/13, 1 BvR 595/14; vgl ferner [X.] in Eicher/[X.], [X.], 4. Aufl 2017, § 22 RdNr 91, 104: "Verfahrenskontrolle").

a) Zur Umsetzung der gerichtlichen [X.]ontrolle ist es auf eine entsprechende [X.]lage hin zunächst Aufgabe des Gerichts, die Rechtmäßigkeit des vom beklagten [X.] ermittelten abstrakten [X.]s sowohl im Hinblick auf die Festlegung des [X.]s als auch die Erstellung eines schlüssigen [X.]onzepts zu überprüfen.

Ist die Ermittlung dieses abstrakten [X.]s rechtlich zu beanstanden, ist dem [X.] Gelegenheit zu geben, diese Beanstandungen durch Stellungnahmen, ggf nach weiteren eigenen Ermittlungen, auszuräumen (vgl B[X.] vom 18.11.2014 - [X.] [X.]/14 R - B[X.]E 117, 250 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.] ff zu einer erfolgreichen Nachbesserung; B[X.] vom 16.6.2015 - [X.] AS 44/14 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]8 f).

b) Gelingt es dem [X.] nicht, die Beanstandungen des Gerichts auszuräumen, ist das Gericht zur Herstellung der Spruchreife der Sache (vgl zu dieser Pflicht des Gerichts § 131 Abs 2, 3 [X.]G sowie dessen Abs 5 mit der Zurückverweisung an die Verwaltung nur unter bestimmten Voraussetzungen; B[X.] vom 28.6.2001 - B 3 P 9/00 R - B[X.]E 88, 215 = [X.] 3-3300 § 9 [X.], [X.]) nicht befugt, seinerseits eine eigene [X.]festlegung vorzunehmen (dazu 10.) oder ein schlüssiges [X.]onzept - ggf mit Hilfe von Sachverständigen - zu erstellen. Beide Entscheidungen korrespondieren miteinander, denn die Bildung des [X.]s kann nicht von der Erstellung des [X.]onzepts getrennt werden, einschließlich der anzuwendenden Methode, und sind dem [X.] vorbehalten (vgl zu den Auswirkungen dieser Entscheidungen auf den örtlichen Wohnungsmarkt nur § 22a Abs 3 Satz 2 [X.]).

Vielmehr kann das Gericht zur Herstellung der Spruchreife, wenn ein qualifizierter Mietspiegel vorhanden ist, auf diesen zurückgreifen; andernfalls sind mangels eines in rechtlich zulässiger Weise bestimmten [X.]s die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft dem Bedarf für die Unterkunft zugrunde zu legen, begrenzt durch die Werte nach dem [X.] plus Zuschlag von 10 % (B[X.] vom 20.8.2009 - [X.] [X.]/08 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.]6 Rd[X.]0 f; B[X.] vom 16.6.2015 - [X.] AS 44/14 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]). Dadurch soll den Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarkts zumindest ansatzweise gemäß gesetzgeberischer Entscheidungen - wenn auch für einen anderen Personenkreis - durch eine "Angemessenheitsobergrenze" Rechnung getragen werden, die die Finanzierung extrem hoher und per se unangemessener Mieten verhindert (B[X.] vom 17.12.2009 - [X.] [X.]/09 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.]9 Rd[X.]7; [X.] in LP[X.]-[X.], 6. Aufl 2017, § 22 RdNr 92 ff).

10. Zu einer eigenen Festlegung des [X.]s ist das Gericht nicht befugt. Insbesondere ist es, wenn das zuständige [X.] von einem [X.] für den gesamten [X.] ausgeht, nicht zulässig, dass das Gericht wie vorliegend ([X.] [X.]en-Anhalt vom 11.5.2017 - L 5 AS 547/16 - juris-RdNr 41 ff; vgl in den Parallelverfahren: zu B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] - das Urteil des [X.] [X.]en-Anhalt vom 24.4.2018 - L 5 AS 408/17 - juris-RdNr 60, 65 ff; B[X.] vom [X.] - [X.] AS 11/18 R - das Urteil des [X.] [X.]en-Anhalt vom 13.9.2017 - L 5 [X.]38/13 - juris-RdNr 38 ff; B[X.] vom [X.] - [X.] AS 12/18 R - <[X.]> das Urteil des [X.] [X.]en-Anhalt vom 31.1.2018 - L 5 AS 201/17 - juris-RdNr 53 ff) diesen [X.] unterteilt und ggf jede einzelne [X.]ommune im [X.] als eigenen [X.] ansieht.

Soweit in der Rechtsprechung des B[X.] für Großstädte insbesondere zur Vermeidung einer [X.]n Segregation das gesamte Stadtgebiet als ein [X.] angesehen wurde (vgl B[X.] vom 19.2.2009 - [X.] AS 30/08 R - B[X.]E 102, 263 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]1 f; B[X.] vom 19.10.2010 - [X.] [X.]/10 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]4), ist dies auf [X.] nicht ohne Weiteres übertragbar (zurückhaltend insofern schon B[X.] vom 11.12.2012 - [X.] AS 44/12 R - Rd[X.]7). Gleiches gilt für die Rechtsprechung zu kleineren, aber kreisfreien Städten mit ca 35 000 Einwohnern (B[X.] vom 20.8.2009 - [X.] [X.]/08 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.]6 Rd[X.]5; vgl zur [X.]bildung in [X.]en [X.] in [X.], [X.], § 22 Rd[X.] ff, Stand der Einzelkommentierung 10/2017).

Die Unterteilung eines [X.]es, wie sie das [X.] vorgenommen hat, verkehrt die angeführten Entscheidungen zu (Groß-)Städten in ihr Gegenteil, weil aus eher großen eher kleinteilige [X.] werden, und erfordert eine eingehende Würdigung verschiedener Faktoren, die dem [X.] aufgrund der Methodenvielfalt vorbehalten ist und im Übrigen vom [X.] in den soeben angeführten Urteilen nicht durchgehend für jeden [X.] gleichermaßen vorgenommen wurde (vgl zB [X.] [X.]en-Anhalt vom 24.4.2018 - L 5 AS 408/17 - juris-Rd[X.]03, 115).

11. Nach den aufgezeigten Maßstäben ist das Urteil des [X.] aufzuheben und mangels entsprechender Feststellungen die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

Das [X.] war nicht befugt, die [X.]bildung des beklagten [X.]s durch eine eigene [X.]bildung zu ersetzen. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat das [X.] dem Beklagten Gelegenheit zu geben, Nachermittlungen zur [X.]bildung und Erstellung eines schlüssigen [X.]onzepts sowie der sich daraus ergebenden [X.] vorzulegen, was nach Angabe des Beklagten aufgrund der vorliegenden Daten möglich sei.

Erst danach wird das [X.] entscheiden können, ob die Voraussetzungen für eine Deckelung der anzuerkennenden Bedarfe für die Unterkunft und Heizung vorlagen, also insbesondere der Umzug der [X.] innerhalb eines [X.]s erfolgt ist und der Beklagte von zutreffenden [X.]n für die Unterkunft und Heizung ausgegangen ist.

Über die [X.]osten des Revisionsverfahrens wird das [X.] ebenfalls zu entscheiden haben.

Meta

B 14 AS 10/18 R

30.01.2019

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Magdeburg, 8. August 2014, Az: S 15 AS 1369/12, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 30.01.2019, Az. B 14 AS 10/18 R (REWIS RS 2019, 10869)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 10869

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1 BvR 857/07

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