Bundessozialgericht, Urteil vom 30.01.2019, Az. B 14 AS 41/18 R

14. Senat | REWIS RS 2019, 10864

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 15. Dezember 2017 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Höhe des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft von März bis August 2013, insbesondere im Hinblick auf die abstrakte Angemessenheit.

2

Die 1951 geborene Klägerin bewohnt allein eine Zweizimmerwohnung in [X.], für die monatlich zu zahlen waren 340 Euro Nettokaltmiete, 47,50 [X.] und 62,50 Euro Heizkostenvorauszahlung, insgesamt 450 Euro. Das beklagte Jobcenter wies die Klägerin auf die Unangemessenheit ihrer Kosten hin, angemessen seien als Kosten der Unterkunft 339 Euro (Schreiben vom 28.3.2012). Für März bis August 2013 bewilligte der Beklagte der Klägerin [X.] nur noch unter Anerkennung dieses Betrags als Bedarf für die Unterkunft sowie der tatsächlichen Heizkosten (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 8.3.2013), änderte diese Bewilligung jedoch wegen eines Absetzbetrags ab (Bescheid vom 22.3.2013).

3

Das [X.] hat den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.3.2013 verurteilt, der Klägerin [X.] unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren (Urteil vom 23.10.2013), weil die Festlegung von [X.] die Anforderungen an ein schlüssiges Konzept nicht erfülle. Auf die vom [X.] zugelassene Berufung des Beklagten hat das L[X.] nach weiteren Ermittlungen das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 15.12.2017). Es sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte das gesamte Kreisgebiet als einheitlichen Vergleichsraum zugrunde gelegt, aber in fünf [X.] mit unterschiedlichen Angemessenheitswerten untergliedert habe, um einer Differenzierung der Preisstruktur innerhalb des [X.] zu tragen.

4

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 22 Abs 1 Satz 1 [X.]B II, weil das L[X.] zu Unrecht die Vorgehensweise des Beklagten gebilligt habe, den [X.] als einen Vergleichsraum zu bestimmen und innerhalb dessen [X.] zu bilden. Die Übertragung der zu Großstädten entwickelten Rechtsprechung des B[X.] zum Vergleichsraum auf [X.] sei problematisch. Die an [X.] grenzende [X.] habe keinerlei Bezug zu dem eher ländlich und dörflich orientierten nordöstlichen Teil des Kreises.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 15. Dezember 2017 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 23. Oktober 2013 zurückzuweisen.

6

Der Beklagte verteidigt das Urteil des L[X.] und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Ggf als notwendig angesehene Nachermittlungen zur Vergleichsraumbildung und Erstellung eines schlüssigen Konzepts seien möglich.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der [X.]lägerin ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]). Auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] kann der Senat nicht darüber entscheiden, ob bei der [X.]lägerin ein höherer Bedarf für die Unterkunft anzuerkennen ist.

9

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid des Beklagten vom [X.], der den vorangegangenen Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.3.2013 ersetzt hat (zur Anwendbarkeit des § 96 [X.] auf nach Erlass des Widerspruchsbescheids, jedoch vor [X.]lageerhebung ergangene Bescheide vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 96 RdNr 3a), sowie die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 [X.]B II für März bis August 2013 (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung: B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]0).

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Insbesondere ist die Berufung zulässig, weil sie vom [X.] zugelassen worden ist. Die [X.]lägerin verfolgt ihr Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 [X.]), zulässigerweise gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 Satz 1 [X.]).

Ein solches Grundurteil im Höhenstreit ist auch hinsichtlich der zwischen den Beteiligten allein strittigen Höhe des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft zulässig. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Grundurteils im Höhenstreit in Abgrenzung zu einer unzulässigen Elementfeststellungsklage ist eine so umfassende Aufklärung zu Grund und Höhe des Anspruchs, dass mit Wahrscheinlichkeit von einer höheren Leistung ausgegangen werden kann, wenn der Begründung der [X.]lage gefolgt wird (vgl nur B[X.] vom 16.4.2013 - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4225 § 1 [X.] Rd[X.]0 mwN; zur Abgrenzung bei Verfahren nach § 44 [X.]B X: B[X.] vom [X.] AS 32/16 R - B[X.]E 123, 199 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], Rd[X.]7 ff). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, weil der Beklagte der [X.]lägerin [X.] bewilligt hat und die [X.]lägerin Anspruch auf höheres [X.] hat, wenn ihrem Vorbringen zur Höhe des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft gefolgt wird.

3. Rechtsgrundlage eines Anspruchs der [X.]lägerin auf höhere Leistungen für die Unterkunft und Heizung für März bis August 2013 gegen das beklagte [X.] sind §§ 19, 22 [X.]B II in der ab 1.4.2011 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 13.5.2011 ([X.]; zuletzt geändert durch Gesetz vom [X.], [X.] 1167). Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungszeiträume ist das damals geltende Recht anzuwenden (Geltungszeitraumprinzip, vgl B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]4 f).

4. Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden im Rahmen der Bewilligung von [X.] in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 [X.]B II). Die Prüfung der Angemessenheit des Bedarfs für die Unterkunft und der des Bedarfs für die Heizung haben grundsätzlich getrennt voneinander zu erfolgen (vgl nur B[X.] vom 2.7.2009 - [X.] AS 36/08 R - B[X.]E 104, 41 = [X.] 4-4200 § 22 [X.]3, Rd[X.]8 mwN), unbeschadet der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei [X.]ostensenkungsaufforderungen (§ 22 Abs 1 Satz 4 [X.]B II) und der zwischenzeitlich eingeführten Gesamtangemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 10 [X.]B II in der Fassung des [X.] ([X.] 1824).

Zur Bestimmung des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft ist von den tatsächlichen Aufwendungen auszugehen (B[X.] vom [X.] - [X.] AS 8/09 R - B[X.]E 104, 179 = [X.] 4-4200 § 22 [X.]4 , Rd[X.]5 ff). [X.] das [X.] nicht die tatsächlichen Aufwendungen als Bedarf anerkennen, weil es sie für unangemessen hoch hält, muss es grundsätzlich ein [X.]ostensenkungsverfahren durchführen und der leistungsberechtigten Person den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang der Aufwendungen mitteilen (§ 22 Abs 1 Satz 3 [X.]B II; so schon B[X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.]/06 R - B[X.]E 97, 231 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]9; letztens B[X.] vom [X.] AS 36/15 R - [X.] 4-4200 § 22 Nr 90).

5. Bei dem entscheidenden gesetzlichen Tatbestandsmerkmal "Angemessenheit" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff (stRspr: vgl B[X.] vom 19.2.2009 - [X.] AS 30/08 R - B[X.]E 102, 263 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]2; letztens B[X.] vom 12.12.2017 - [X.] AS 33/16 R - B[X.]E 125, 29 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]4).

Gegen die Verwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs bestehen keine durchgreifenden Bedenken, zumal zur [X.]onkretisierung des Tatbestandsmerkmals der Angemessenheit des § 22 Abs 1 Satz 1 [X.]B II auch die Regelungen der §§ 22a bis 22c [X.]B II zu berücksichtigen sind ([X.] vom 6.10.2017 - 1 BvL 2/15, 1 BvL 5/15 - Rd[X.]7; B[X.] vom 12.12.2017 - [X.] AS 33/16 R - B[X.]E 125, 29 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]7 f).

Die [X.]onkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltung ist grundsätzlich gerichtlich voll überprüfbar (vgl nur [X.] in [X.]/Bonk/[X.], [X.], 9. Aufl 2018, § 40 Rd[X.]47 ff, § 46 RdNr 63 ff, jeweils mwN; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, [X.] § 31 Rd[X.]00, Stand der Einzelkommentierung 12/2011) und die Angemessenheit nach § 22 Abs 1 Satz 1 [X.]B II ebenfalls. Eine Rechtsgrundlage oder dogmatische Herleitung für die von [X.]n in diesem Zusammenhang zum Teil beanspruchte "nicht justiziable [X.]" oder "gerichtlich nicht überprüfbare politische Entscheidung" sind im Lichte von Art 19 Abs 4 GG nicht ersichtlich (vgl zur vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit die einhellige Auffassung der Literatur zu § 22 [X.]B II: [X.] in LP[X.]-[X.]B II, 6. Aufl 2017, § 22 RdNr 61; [X.]rauß in [X.]/[X.], [X.]B II, [X.] § 22 RdNr 71, Stand der Einzelkommentierung 10/2012; [X.] in [X.], [X.]B II/[X.]B III, § 22 [X.]B II RdNr 33, Stand der Einzelkommentierung 10/2016; [X.] in Eicher/[X.], [X.]B II, 4. Aufl 2017, § 22 RdNr 73, 91; Piepenstock in jurisP[X.]-[X.]B II, 4. Aufl 2015, § 22 RdNr 83; [X.] in [X.], [X.]B II, § 22 RdNr 71, Stand der Einzelkommentierung 10/2017).

6. Die Ermittlung des angemessenen Umfangs der Aufwendungen für die Unterkunft hat in zwei größeren Schritten zu erfolgen: Zunächst sind die abstrakt angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft, bestehend aus Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten (= Bruttokaltmiete), zu ermitteln; dann ist die konkrete (= subjektive) Angemessenheit dieser Aufwendungen im Vergleich mit den tatsächlichen Aufwendungen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zumutbarkeit der notwendigen Einsparungen, einschließlich eines Umzugs, zu prüfen (stRspr B[X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.]/06 R - B[X.]E 97, 231 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]4 f; letztens B[X.] vom 12.12.2017 - [X.] AS 33/16 R - B[X.]E 125, 29 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]4 ff; vgl aus der Literatur auch zum Folgenden: [X.] in LP[X.]-[X.]B II, 6. Aufl 2017, § 22 RdNr 63 ff; [X.]rauß in [X.]/[X.], [X.]B II, [X.] § 22 RdNr 70 ff, Stand der Einzelkommentierung 10/2012; [X.] in [X.], [X.]B II/[X.]B III, § 22 [X.]B II RdNr 33 ff, Stand der Einzelkommentierung 10/2016; [X.] in Eicher/[X.], [X.]B II, 4. Aufl 2017, § 22 RdNr 73 ff; Piepenstock in jurisP[X.]-[X.]B II, 4. Aufl 2015, § 22 RdNr 83 ff; [X.] in [X.], G[X.]-[X.]B II, § 22 Rd[X.] ff, Stand der Einzelkommentierung 9/2017; [X.] in [X.], [X.]B II, § 22 RdNr 74 ff, Stand der Einzelkommentierung 10/2017).

7. Die Ermittlung der abstrakt angemessenen Aufwendungen hat unter Anwendung der Produkttheorie ("Wohnungsgröße in Quadratmeter multipliziert mit dem Quadratmeterpreis") in einem mehrstufigen Verfahren zu erfolgen, das der Senat ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung unter Einbeziehung der Rechtsentwicklung wie folgt zusammenfasst und konkretisiert (stRspr B[X.] vom [X.] - [X.] AS 18/09 R - B[X.]E 104, 192 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] ; B[X.] vom 20.12.2011 - [X.] AS 19/11 R - B[X.]E 110, 52 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] ; B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 114, 1 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] <überhöhte Heizkosten>, Rd[X.]8; B[X.] vom 12.12.2017 - [X.] AS 33/16 R - B[X.]E 125, 29 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]4 f): (1) Bestimmung der (abstrakt) angemessenen Wohnungsgröße für die leistungsberechtigte(n) Person(en), (2) Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards, (3) Ermittlung der aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung in dem maßgeblichen örtlichen [X.] nach einem schlüssigen [X.]onzept, (4) Einbeziehung der angemessenen kalten Betriebskosten.

8. Der Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete in dem maßgeblichen örtlichen [X.] nach einem schlüssigen [X.]onzept ist ausgehend von der zuvor angeführten Rechtsprechung zugrunde zu legen:

a) Der [X.] ist der Raum, für den ein grundsätzlich einheitlicher abstrakter [X.] zu ermitteln ist (B[X.] vom 19.2.2009 - [X.] AS 30/08 R - B[X.]E 102, 263 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]1), innerhalb dessen einer leistungsberechtigten Person ein Umzug zur [X.]ostensenkung grundsätzlich zumutbar ist (vgl B[X.] vom 17.12.2009 - [X.] AS 27/09 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.]7 RdNr 32 ff) und ein nicht erforderlicher Umzug nach § 22 Abs 1 Satz 2 [X.]B II zu einer Deckelung der Aufwendungen auf die bisherigen führt (vgl in Abgrenzung hierzu B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/09 R - B[X.]E 106, 147 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]8 ff; letztens B[X.] vom 17.2.2016 - [X.] AS 12/15 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]3 ff). Der [X.] ist ein ausgehend vom Wohnort der leistungsberechtigten Person bestimmter ausreichend großer Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (vgl zB B[X.] vom 19.2.2009 - [X.] AS 30/08 R - B[X.]E 102, 263 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]0 ff).

Nach der auch für schlüssige [X.]onzepte im Rahmen des § 22 Abs 1 [X.]B II entsprechend anzuwendenden gesetzgeberischen Vorgabe in § 22b Abs 1 Satz 4 [X.]B II bildet das Zuständigkeitsgebiet eines [X.]s zunächst einen [X.], der indes aufgrund der örtlichen Gegebenheiten in mehrere [X.] zu unterteilen sein kann, für die jeweils eigene [X.]e bestimmt werden können. Als solche örtlichen Gegebenheiten kommen weniger unterschiedliche Landschaften, sondern eher räumliche Orientierungen, wie [X.] für Berufstätige oder die Nähe zu Ballungsräumen, sowie aus der Datenerhebung ersichtliche, deutliche Unterschiede im [X.] in Betracht.

b) Das schlüssige [X.]onzept soll die Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des [X.] im [X.] dem [X.] zugrunde liegen und dieser realitätsgerecht ermittelt wird. [X.] ist ein [X.]onzept, wenn es neben rechtlichen zudem bestimmte methodische Voraussetzungen erfüllt und nachvollziehbar ist. Dies erfordert trotz Methodenvielfalt insbesondere eine Definition der untersuchten Wohnungen nach Größe und Standard, Angaben über die Art und Weise der Datenerhebung, Angaben über den Zeitraum, auf den sich die Datenerhebung bezieht, Repräsentativität und Validität der Datenerhebung, Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung, Vermeidung von "Brennpunkten" durch [X.] Segregation sowie eine Begründung, in der die Ermittlung der [X.]e aus den Daten dargelegt wird (grundlegend B[X.] vom [X.] - [X.] AS 18/09 R - B[X.]E 104, 192 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]8 f; B[X.] vom 18.11.2014 - [X.] [X.]/14 R - B[X.]E 117, 250 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Leitsatz: zur Entwicklungsoffenheit dieser Grundsätze; zuletzt B[X.] vom 12.12.2017 - [X.] AS 33/16 R - B[X.]E 125, 29 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]7 f; vgl zudem § 22a Abs 3, § 22b Abs 1, 2, § 22c Abs 1 [X.]B II).

c) Es kann verschiedene Methoden geben, um ein schlüssiges [X.]onzept in diesem Sinne zu erstellen und den damit unmittelbar zusammenhängenden [X.] oder ggf mehrere [X.] zu bilden, weil weder aus § 22 [X.]B II noch aus §§ 22a bis 22c [X.]B II die Anwendung eines bestimmten Verfahrens rechtlich zwingend ableitbar ist (vgl B[X.] vom 18.11.2014 - [X.] [X.]/14 R - B[X.]E 117, 250 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.] ff; siehe ferner BT-Drucks 17/3404 [X.] zu § 22b: "Vielfalt an [X.]onzepten"; [X.] in [X.], G[X.]-[X.]B II, § 22 Rd[X.]42, Stand der Einzelkommentierung 9/2017; vgl zu den verschiedenen Verfahren: Forschungsbericht 478, Ermittlung der existenzsichernden Bedarfe für die [X.]osten der Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem [X.] Sozialgesetzbuch <[X.]B II> und in der Sozialhilfe nach dem [X.] <[X.]B XII>, erstellt von v. [X.] ua, hrsg vom [X.], 2017, [X.] ff; zu den Interdependenzen zwischen [X.] und schlüssigem [X.]onzept schon B[X.] vom 11.12.2012 - [X.] AS 44/12 R - Rd[X.]8).

9. Es ist gerichtlich voll überprüfbar - wie ausgeführt (siehe 5.) -, ob die Ermittlung der abstrakt angemessenen Nettokaltmiete, insbesondere die Festlegung des [X.]s und die Erstellung eines schlüssigen [X.]onzepts im Rahmen der Methodenvielfalt zutreffend erfolgt ist. Die volle gerichtliche Überprüfung des [X.]s und des Verfahrens zu seiner Ermittlung schließt nicht aus, dass bei dieser [X.]ontrolle der Verwaltung deren in der Methodenvielfalt zum Ausdruck kommenden Eigenverantwortung Rechnung getragen und die gerichtliche [X.]ontrolle als eine nachvollziehende [X.]ontrolle ausgestaltet wird ([X.] vom 31.5.2011 - 1 BvR 857/07 - [X.]E 129, 1, juris-RdNr 70; vgl zu den Grenzen gerichtlicher [X.]ontrolle zudem: [X.] vom 23.10.2018 - 1 BvR 2523/13, 1 BvR 595/14; vgl ferner [X.] in Eicher/[X.], [X.]B II, 4. Aufl 2017, § 22 RdNr 91, 104: "Verfahrenskontrolle").

a) Zur Umsetzung der gerichtlichen [X.]ontrolle ist es auf eine entsprechende [X.]lage hin zunächst Aufgabe des Gerichts, die Rechtmäßigkeit des vom beklagten [X.] ermittelten abstrakten [X.]s sowohl im Hinblick auf die Festlegung des [X.]s als auch die Erstellung eines schlüssigen [X.]onzepts zu überprüfen.

Ist die Ermittlung dieses abstrakten [X.]s rechtlich zu beanstanden, ist dem [X.] Gelegenheit zu geben, diese Beanstandungen durch Stellungnahmen, ggf nach weiteren eigenen Ermittlungen, auszuräumen (vgl B[X.] vom 18.11.2014 - [X.] [X.]/14 R - B[X.]E 117, 250 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.] ff zu einer erfolgreichen Nachbesserung; B[X.] vom 16.6.2015 - [X.] AS 44/14 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]8 f), wie dies vorliegend auch geschehen ist.

b) Gelingt es dem [X.] nicht, die Beanstandungen des Gerichts auszuräumen, ist das Gericht zur Herstellung der Spruchreife der Sache (vgl zu dieser Pflicht des Gerichts § 131 Abs 2, 3 [X.] sowie dessen Abs 5 mit der Zurückverweisung an die Verwaltung nur unter bestimmten Voraussetzungen; B[X.] vom 28.6.2001 - B 3 P 9/00 R - B[X.]E 88, 215 = [X.] 3-3300 § 9 [X.], [X.]) nicht befugt, seinerseits eine eigene [X.]festlegung vorzunehmen (dazu 10.) oder ein schlüssiges [X.]onzept - ggf mit Hilfe von Sachverständigen - zu erstellen. Beide Entscheidungen korrespondieren miteinander, denn die Bildung des [X.]s kann nicht von der Erstellung des [X.]onzepts getrennt werden, einschließlich der anzuwendenden Methode, und sind dem [X.] vorbehalten (vgl zu den Auswirkungen dieser Entscheidungen auf den örtlichen Wohnungsmarkt nur § 22a Abs 3 Satz 2 [X.]B II).

Vielmehr kann das Gericht zur Herstellung der Spruchreife, wenn ein qualifizierter Mietspiegel vorhanden ist, auf diesen zurückgreifen; andernfalls sind mangels eines in rechtlich zulässiger Weise bestimmten [X.]s die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft dem Bedarf für die Unterkunft zugrunde zu legen, begrenzt durch die Werte nach dem [X.] plus Zuschlag von 10 % (B[X.] vom 20.8.2009 - [X.] [X.]/08 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.]6 Rd[X.]0 f; B[X.] vom 16.6.2015 - [X.] AS 44/14 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]). Dadurch soll den Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarkts zumindest ansatzweise gemäß gesetzgeberischer Entscheidungen - wenn auch für einen anderen Personenkreis - durch eine "Angemessenheitsobergrenze" Rechnung getragen werden, die die Finanzierung extrem hoher und per se unangemessener Mieten verhindert (B[X.] vom 17.12.2009 - [X.] [X.]/09 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.]9 Rd[X.]7; [X.] in LP[X.]-[X.]B II, 6. Aufl 2017, § 22 RdNr 92 ff).

10. Zu einer eigenen Festlegung des [X.]s ist das Gericht nicht befugt. Insbesondere ist es, wenn das zuständige [X.] von einem [X.] für den gesamten [X.] ausgeht, nicht zulässig, dass das Gericht wie in den parallel entschiedenen Verfahren (vgl zu B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] 4 vorgesehen das Urteil des [X.] [X.]en-Anhalt vom 24.4.2018 - L 5 AS 408/17 - juris-RdNr 60, 65 ff; B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/18 R - das Urteil des [X.] [X.]en-Anhalt vom 11.5.2017 - L 5 AS 547/16 - juris-RdNr 41 ff; B[X.] vom [X.] - [X.] AS 11/18 R - das Urteil des [X.] [X.]en-Anhalt vom 13.9.2017 - L 5 [X.]38/13 - juris-RdNr 38 ff; B[X.] vom [X.] - [X.] AS 12/18 R - das Urteil des [X.] [X.]en-Anhalt vom 31.1.2018 - L 5 AS 201/17 - juris-RdNr 53 ff) diesen [X.] unterteilt und ggf jede einzelne [X.]ommune im [X.] als eigenen [X.] ansieht.

Soweit in der Rechtsprechung des B[X.] für Großstädte insbesondere zur Vermeidung einer [X.]n Segregation das gesamte Stadtgebiet als ein [X.] angesehen wurde (vgl B[X.] vom 19.2.2009 - [X.] AS 30/08 R - B[X.]E 102, 263 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] , Rd[X.]1 f; B[X.] vom 19.10.2010 - [X.] [X.]/10 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]4), ist dies auf [X.] nicht ohne Weiteres übertragbar (zurückhaltend insofern schon B[X.] vom 11.12.2012 - [X.] AS 44/12 R - Rd[X.]7). Gleiches gilt für die Rechtsprechung zu kleineren, aber kreisfreien Städten mit ca 35 000 Einwohnern (B[X.] vom 20.8.2009 - [X.] [X.]/08 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.]6 Rd[X.]5; vgl zur [X.]bildung in [X.]en [X.] in [X.], [X.]B II, § 22 Rd[X.] ff, Stand der Einzelkommentierung 10/2017).

Die Unterteilung eines [X.]es erfordert eine eingehende Würdigung verschiedener Faktoren, die dem [X.] aufgrund der Methodenvielfalt vorbehalten ist.

11. Ein [X.]onzept, das zu mehreren [X.] mit unterschiedlichen [X.]en innerhalb eines [X.]s aufgrund einer "Clusteranalyse" führt, erfüllt nicht die aufgezeigten Voraussetzungen für ein schlüssiges [X.]onzept. Denn für eine solche weitere Aufteilung der Städte und Gemeinden eines [X.]s gibt es keine rechtliche Begründung, insbesondere können durch die Bildung von [X.] die Voraussetzungen für die Bildung und die Rechtsfolgen eines [X.]s nicht geändert werden (ebenso: [X.] in LP[X.]-[X.]B II, 6. Aufl 2017, § 22 RdNr 76).

Dass die zu einem [X.] zusammengefassten Städte und Gemeinden einen [X.] gemäß den aufgezeigten Voraussetzungen bilden, wird vom Beklagten nicht vorgetragen. Dies scheidet auch aus, weil die zu verschiedenen [X.] zusammengefassten Städte und Gemeinden auf den gesamten [X.] wie eine Art "Flickenteppich" verteilt sein können und der einzelne [X.] nicht beansprucht, einen aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich darzustellen (zu dieser Anforderung an einen [X.] siehe 8. a).

Die im Vordergrund eines [X.]-[X.]onzepts stehenden unterschiedlichen [X.]e je nach [X.] innerhalb des [X.]s, zB für eine alleinstehende Person wie vorliegend, stehen im Widerspruch zu den dargestellten Anforderungen und Rechtsfolgen eines [X.]s (siehe 8. a). Bei unterschiedlichen [X.]en für die Nettokaltmiete je nach [X.] könnte, weil bei einer [X.]ostensenkungsaufforderung ein Umzug innerhalb des [X.]s zulässig ist, eine solche zu einem Umzug von einem [X.] mit niedrigeren [X.]en in einen solchen mit höheren und damit letztlich zu einer Erhöhung der Aufwendungen führen. Die in § 22 Abs 1 Satz 2 [X.]B II angeordnete Deckelung der Aufwendungen nach einem nicht erforderlichen Umzug innerhalb eines [X.]s auf die bisherigen würde eine [X.] Segregation bewirken, wenn sie auf den Umzug von einem "preiswerten" in einen "teuren" [X.] Anwendung fände, und sie würde ins Leere laufen, wenn aus einem "teuren" [X.] in einen "preiswerten" umgezogen wird. Dies zeigt, dass der [X.] die mit dessen Festlegung (auch) verfolgten [X.] auf dem örtlichen Wohnungsmarkt verliert, wenn in ihm kein einheitlicher abstrakter [X.] bestimmt ist.

Im Übrigen mangelt es für die einzelnen [X.] an einer sie rechtfertigenden sachlichen Herleitung. Das [X.] hat vorliegend dazu keine konkreten Feststellungen getroffen, sondern nur die Abweichungen gegenüber dem anschließenden [X.]onzept oder die Zweifel an der Zuordnung bestimmter Gemeinden als unbeachtlich angesehen. Vielmehr werden, wie ein Vergleich der Feststellungen des [X.] in den parallel entschiedenen Verfahren zu solchen [X.]onzepten zeigt (vgl [X.] [X.]en-Anhalt vom 31.1.2018 - L 5 AS 201/17 - RdNr 94; [X.] [X.]en-Anhalt vom 24.4.2018 - L 5 AS 408/17 - Rd[X.]51 ff), verschiedene [X.]riterien verwandt, um die jeweiligen [X.] herzuleiten.

12. Nach den aufgezeigten Maßstäben ist das Urteil des [X.] aufzuheben, weil das [X.] die Entscheidung des beklagten [X.]s als rechtmäßig angesehen hat, das gesamte [X.]reisgebiet als einen einheitlichen [X.] zugrunde zu legen, aber in fünf [X.] mit unterschiedlichen Angemessenheitsgrenzen für die Bruttokaltmiete zu untergliedern.

Aus dem Umstand, dass der Beklagte bei der Erstellung seines [X.]onzepts die dargestellten Voraussetzungen für einzelne Schritte zur Erstellung eines schlüssigen [X.]onzepts eingehalten hat, wie zB eine Datenerhebung über den gesamten [X.] hinweg, folgt nicht, dass das erstellte [X.]onzept insgesamt die Voraussetzungen für ein schlüssiges [X.]onzept erfüllt. Angesichts dessen kann die Erörterung weiterer Einzelheiten, wie der Vergleich mit den Abweichungen gegenüber dem anschließenden [X.]onzept oder die Zuordnung bestimmter Gemeinden, dahingestellt bleiben.

Die Sache ist zurückverwiesen worden, damit das [X.] dem Beklagten Gelegenheit geben kann, Nachermittlungen zur [X.]bildung, insbesondere ob der gesamte [X.] einen einheitlichen [X.] darstellt oder ggf zu unterteilen ist, und zur Erstellung eines schlüssigen [X.]onzepts auf der Basis der obigen Maßstäbe vorzulegen, zumal [X.]bildung und Erstellung eines schlüssigen [X.]onzepts nicht voneinander zu trennen sind.

Über die [X.]osten des Revisionsverfahrens wird das [X.] ebenfalls zu entscheiden haben.

Meta

B 14 AS 41/18 R

30.01.2019

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Lübeck, 23. Oktober 2013, Az: S 40 AS 346/13, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 30.01.2019, Az. B 14 AS 41/18 R (REWIS RS 2019, 10864)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 10864

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1 BvR 857/07

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