Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 17.06.2020, Az. 2 BvR 690/20

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2020, 2855

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Erfolglose, da mangels hinreichender Begründung unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen die Fortdauer von Auslieferungshaft - unzureichende Auseinandersetzung mit Rspr des BVerfG zur Fortdauer von Auslieferungshaft trotz Zweifeln an der Zulässigkeit der Auslieferung


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

1. Der Beschwerdeführer, ein [X.] Staatsangehöriger, begehrt die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Beschlüsse über die Fortdauer seiner mittlerweile aufgehobenen Auslieferungshaft. Die [X.], die um seine Auslieferung ersuchen, werfen dem Beschwerdeführer vor, sich im Zeitraum von September 2008 bis Dezember 2013 mit weiteren Mittätern an der Entwicklung und dem Betrieb eines Internetforums beteiligt zu haben, welches Computersysteme zur Verteilung von [X.] zum Zweck der illegalen Erlangung von [X.] entwickelt und verkauft haben soll.

2

2. Für entsprechende Taten wurde der Beschwerdeführer jedenfalls in einem Zeitraum bis 2011 bereits durch ein [X.] Gericht zu einer Haftstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt, die er auch verbüßte.

3

3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet der Beschwerdeführer gegen die Auslieferungshaft insbesondere ein, der durch die Haft gesicherten Auslieferung in die [X.] stehe mit dem ne bis in idem-Grundsatz ein Auslieferungshindernis entgegen. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 GG sowie Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG seien verletzt, da das [X.] versäumt habe, dem [X.] die Frage der Auslegung und Anwendung des ne bis in idem-Grundsatzes im Falle einer vorherigen Verurteilung durch einen anderen als den ersuchten [X.] Mitgliedstaat zur Vorabentscheidung vorzulegen. Das Unterlassen der Vorlage sei willkürlich. Zudem sei die weitere Dauer des [X.] aufgrund der insbesondere in den [X.] getroffenen einschränkenden Maßnahmen zur Eindämmung der [X.] nicht absehbar. Aus diesen Gründen seien Anordnung und Fortdauer der Auslieferungshaft unverhältnismäßig.

II.

4

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, da sie nicht den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] folgenden Anforderungen an eine Begründung genügt (vgl. [X.] 112, 304 <314 f.>; 129, 269 <278>). Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen bereits Rechtsprechung des [X.] vor, der die angegriffenen Gerichtsentscheidungen folgen, so ist der behauptete [X.] in Auseinandersetzung mit den vom [X.] entwickelten Maßstäben zu begründen (vgl. [X.] 77, 170 <214 ff.>; 99, 84 <87>; 101, 331 <345 f.>; 123, 186 <234>; 130, 1 <21>).

5

Der Zweck der Auslieferungshaft, das Auslieferungsverfahren zu sichern und die Durchführung der Auslieferung zu ermöglichen, kann es nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung zulassen, die Auslieferungshaft bereits dann anzuordnen und fortdauern zu lassen, wenn festgestellt werden kann, dass die Voraussetzungen für eine Auslieferung gegeben sein können, auch wenn dies noch nicht abschließend geklärt ist und die abschließende Klärung erst im weiteren Auslieferungsverfahren erfolgen kann (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 9. April 2015 - 2 BvR 221/15 -, Rn. 19; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 15. Januar 2016 - 2 BvR 1860/15 -, Rn. 25). Hinsichtlich der Frage, ob die Auslieferung von vornherein unzulässig ist, genügt eine vertretbare summarische Prüfung durch das [X.]; eine gründliche und abschließende Prüfung bleibt der Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung vorbehalten (vgl. [X.] 75, 1 <12>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 9. Juli 2007 - 2 BvQ 23/07 -, Rn. 5 f.).

6

Mit dieser Rechtsprechung des [X.] setzt sich die Verfassungsbeschwerde nicht auseinander. Der Beschwerdeführer hat nicht dargelegt, weshalb die Ausführungen des [X.]s im Auslieferungshaftbefehl und in den folgenden angegriffenen Fortdauerbeschlüssen, in denen das Gericht insbesondere eine summarische Prüfung der Zulässigkeit der Auslieferung vorgenommen und sich dabei auch mit der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Rechtsauffassung hinsichtlich einer Vorlagepflicht auseinandergesetzt hat, den angeführten Maßstäben nicht genügen sollen.

7

Der Beschwerdeführer hat auch nicht dargelegt, dass und inwiefern es bereits zu pandemiebedingten konkreten Verfahrensverzögerungen gekommen sein soll.

8

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 690/20

17.06.2020

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG München, 2. April 2020, Az: 1 AR 355/19, Beschluss

Art 2 Abs 2 S 2 GG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 15 Abs 1 IRG, § 15 Abs 2 IRG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 17.06.2020, Az. 2 BvR 690/20 (REWIS RS 2020, 2855)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2855


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 BvQ 21/20

Bundesverfassungsgericht, 2 BvQ 21/20, 21.04.2020.


Az. 2 BvR 690/20

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 690/20, 17.06.2020.


Az. 1 AR 355/19

OLG München, 1 AR 355/19, 02.04.2020.

OLG München, 1 AR 355/19, 17.03.2020.


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2 BvR 221/15

2 BvR 1860/15

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