Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.12.2022, Az. 1 StR 295/22

1. Strafsenat | REWIS RS 2022, 8674

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Gegenstand

Steuerhinterziehung durch die Nutzung eines nicht zugelassenen Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr ohne Abgabe einer Steuererklärung


Leitsatz

Ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 KraftStDV führt nicht zur Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, weil die Regelung der steuerlichen Erklärungspflicht allein in § 15 Abs. 1 KraftStDV den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht genügt.

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 9. Mai 2022 wird

a) im Fall II.12. der Urteilsgründe der Vorwurf des verbotenen Kraftfahrzeugrennens von der Strafverfolgung ausgenommen,

b) das vorbezeichnete Urteil

aa) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass die Verurteilung wegen tateinheitlichen verbotenen Kraftfahrzeugrennens und tateinheitlicher Steuerhinterziehung (Fall II.12. der Urteilsgründe) entfällt,

[X.]) dahin berichtigt, dass der Angeklagte unter Einbeziehung der Urteile des [X.] vom 8. Dezember 2017 und vom 4. Juni 2019 sowie des [X.] vom 2. Oktober 2019 zu der [X.] von vier Jahren verurteilt ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwölf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des [X.]nverkehrs, mit einem verbotenen [X.]fahrzeugrennen, mit Urkundenfälschung, mit vorsätzlichem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und mit Steuerhinterziehung, sowie wegen Hehlerei in zwei Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, unter Einbeziehung „der Jugendstrafe“ eines früher gegen ihn ergangenen Urteils zu einer [X.] von vier Jahren verurteilt. Zudem hat es die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von drei Jahren keine Fahrerlaubnis zu erteilen.

2

Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt nach einer Beschränkung der Strafverfolgung zu dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

3

1. Das [X.] hat – soweit für die Entscheidung von Bedeutung – im Fall II.12. der Urteilsgründe im Wesentlichen Folgendes festgestellt:

4

Am Vormittag des 1. Oktober 2021 befuhr der Angeklagte mit seinem Pkw innerorts die [X.] in [X.]    , obwohl er – wie er wusste – die hierfür erforderliche Fahrerlaubnis nicht besaß und das von ihm geführte [X.]fahrzeug – wie er gleichfalls wusste – weder haftpflichtversichert noch straßenverkehrsrechtlich zugelassen war. Um gleichwohl den Eindruck einer ordnungsgemäßen Zulassung des Fahrzeuges zu erwecken, hatte der Angeklagte vor der Fahrt täuschend echt aussehende und mit Dienstsiegeln der Zulassungsbehörde versehene Dublettenkennzeichen montiert, die zuvor für ein anderes Fahrzeug ausgegeben worden waren. Eine Erklärung gegenüber den Steuerbehörden über die Benutzung seines Fahrzeugs hatte er zu keiner [X.] abgegeben, wobei ihm bewusst war, dass es einer solchen bedurft hätte.

5

Als der Angeklagte bemerkte, dass eine hinter ihm fahrende Polizeistreife auf ihn aufmerksam geworden war, beschloss er, sich der von ihm erwarteten Personen- und Fahrzeugkontrolle durch Flucht zu entziehen. Die von ihm vorausgesehene Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer war ihm gleichgültig; ihm kam es allein darauf an, der Verkehrskontrolle und der von ihm befürchteten Strafverfolgung zu entgehen. Er beschleunigte, überholte zwei vor ihm fahrende Fahrzeuge und bog in eine in einem verkehrsberuhigten Bereich liegende [X.] ein, die er – obwohl kurvenbedingt für ihn nicht einsehbar – mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h befuhr. Aufgrund der fehlenden Einsehbarkeit nahm der Angeklagte eine mittig auf der [X.] und in seine Fahrtrichtung laufende Schülergruppe erst wahr, als diese unmittelbar vor ihm war. Um einen Zusammenstoß mit zwei Schülern zu verhindern, bremste er und wich nach rechts aus. Infolge dieses Fahrmanövers steuerte er mit seinem Fahrzeug auf zwei weitere Schüler zu, die sich in unmittelbarer Nähe zu seinem Fahrzeug befanden. Der Zeuge [X.]       nahm das Fahrzeug des Angeklagten wahr und konnte mit einer schnellen Reaktion zur Seite springen, wobei er die Zeugin R.    mit sich zog, und dadurch einen Zusammenstoß mit dem vom Angeklagten gesteuerten Pkw gerade noch verhindern. Der Angeklagte passierte die Zeugen mit seinem Fahrzeug mit „[X.]iger als einer Armlänge“ Abstand. Die konkrete Gefahr einer Kollision mit lebensbedrohlichen Verletzungen hatte der Angeklagte erkannt und in Kauf genommen.

6

Nach dem Passieren der Schülergruppe beschleunigte der Angeklagte sein Fahrzeug wieder und unternahm in der Folge mehrere riskante Fahr- und Überholmanöver, durch die andere Verkehrsteilnehmer zum abrupten Abbremsen oder Ausweichen gezwungen wurden. Um zu entkommen, beschleunigte er sein Fahrzeug mehrmals maximal und erreichte innerorts eine Geschwindigkeit von bis zu 120 km/h, außerorts eine solche von mehr als 180 km/h. Die Gefährdung der jeweils betroffenen Verkehrsteilnehmer infolge seiner hohen Geschwindigkeit war dem Angeklagten auch im Verlauf seiner weiteren [X.] bewusst. Insgesamt erstreckte sich die von der Polizeistreife letztlich abgebrochene Verfolgungsfahrt auf eine Gesamtfahrstrecke von 15 Kilometern.

7

2. Das [X.] hat den Angeklagten im Fall II.12. der Urteilsgründe wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des [X.]nverkehrs, mit einem verbotenen [X.]fahrzeugrennen, mit Urkundenfälschung, mit vorsätzlichem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und mit Steuerhinterziehung verurteilt. Es hat angenommen, das festgestellte Verhalten des Angeklagten erfülle den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.], da dieser vorsätzlich seiner sich aus § 15 Abs. 1 [X.]StDV ergebenden [X.] nicht nachgekommen sei.

II.

8

Der Senat nimmt mit Zustimmung des [X.] im Fall II.12. der Urteilsgründe den Vorwurf des verbotenen [X.]fahrzeugrennens nach § 315d Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StGB gemäß § 154a Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen von der Verfolgung aus. Die vom [X.] getroffenen Feststellungen belegen (noch) nicht, dass die Flucht des Angeklagten vor der Polizei von der Absicht getragen war, eine höchstmögliche Geschwindigkeit im Sinne des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zu erreichen. Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, dass der Angeklagte das Erreichen der situativen Grenzgeschwindigkeit als aus seiner Sicht not[X.]diges Ziel anstrebte, um sich dem Zugriff der Polizeibeamten zu entziehen; dass der Angeklagte – wie von ihm eingeräumt – sein Fahrzeug während seiner Flucht bewusst mehrmals maximal beschleunigte, genügt allein nicht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. Februar 2021 – 4 [X.]/20, [X.]St 66, 27 Rn. 15 ff. und vom 29. April 2021 – 4 [X.], [X.]R StGB § 315d Abs. 1 Nr. 3 Absicht höchstmöglicher Geschwindigkeit 3 Rn. 9).

9

Die Verfahrensbeschränkung führt zu einer Änderung des Schuldspruchs, die der Senat in entsprechender An[X.]dung des § 354 Abs. 1 StPO vornimmt.

III.

Die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe sich durch die Nutzung seines nicht zugelassenen [X.]fahrzeugs im öffentlichen [X.]nverkehr ohne Abgabe einer Steuererklärung wegen Steuerhinterziehung strafbar gemacht, hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Der Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist nicht erfüllt.

1. Nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] macht sich strafbar, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt. Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] kann danach nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 16. Januar 2020 – 1 StR 89/19, [X.]St 64, 252 Rn. 33). Dabei können sich [X.] sowohl aus den gesetzlich besonders festgelegten steuerlichen [X.]en wie auch aus allgemeinen [X.] ergeben, die allerdings nur eine untergeordnete Rolle spielen ([X.], Urteile vom 23. Oktober 2018 – 1 [X.], [X.]St 63, 282 Rn. 19 mwN und vom 9. April 2013 – 1 [X.], [X.]St 58, 218 Rn. 52).

Das [X.]fahrzeugsteuergesetz enthält keine [X.]. Eine solche folgt allein aus der aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 15 Abs. 1 Nr. 4 [X.]StG mit Wirkung zum 20. Juli 2017 in [X.] getretenen Regelung in § 15 Abs. 1 [X.]StDV (BGBl. [X.]). Nach dieser Vorschrift hat bei widerrechtlicher Benutzung nach § 2 Abs. 5 [X.]StG die Person, die das Fahrzeug im Inland benutzt, unverzüglich eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck beim zuständigen Hauptzollamt abzugeben.

2. Ob ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 [X.]StDV zu einer Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] führen kann, hat der Senat bislang dahinstehen lassen ([X.], Beschluss vom 23. August 2017 – 1 [X.] Rn. 31 [zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 15 Abs. 1 [X.]StDV mit Wirkung zum 20. Juli 2017]). In der Literatur wird dies unterschiedlich beurteilt.

a) Teilweise wird dies angenommen (vgl. [X.] in Tipke/[X.], § 370 Rn. 67 [Stand: Mai 2022]; [X.], [X.] 2018, 71, 74). Die Regelung der Durchführungsverordnung genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Insbesondere bestimme das [X.]fahrzeugsteuergesetz zumindest im Zuge einer Auslegung hinreichend deutlich und vorhersehbar, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von der Verordnungsermächtigung des § 15 Abs. 1 [X.]StG Gebrauch gemacht werden und welchen Inhalt die Verordnung haben könne (vgl. [X.], [X.] 2018, 71, 74).

b) Nach anderer Auffassung kann die allein in der Durchführungsverordnung geregelte [X.] keine Pflicht im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] begründen (vgl. [X.]/[X.], [X.] 2017, [X.] ff. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 5. Aufl., [X.]. 23 Rn. 382). Da das [X.]fahrzeugsteuergesetz selbst nicht bestimme, ob überhaupt und gegebenenfalls durch [X.] eine Steuererklärung abzugeben sei, habe es letztlich allein der Verordnungsgeber in der Hand zu entscheiden, ob bei der widerrechtlichen Benutzung von [X.]fahrzeugen eine Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] gegeben sei. Dies genüge den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht (vgl. [X.]/[X.], aaO S. 164).

c) Mitunter wird die Frage der Tatbestandsmäßigkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] in Verbindung mit § 15 Abs. 1 [X.]StDV offengelassen (vgl. [X.], [X.], 16. Aufl., § 370 Rn. 61b; [X.]/[X.]/[X.], 3. Aufl., [X.] § 370 Rn. 309 ff.; [X.], [X.] 2018, 495, 497).

3. Ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 [X.]StDV führt nicht zur Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. Denn die Regelung der steuerlichen [X.] allein in § 15 Abs. 1 [X.]StDV genügt nicht den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG (a). Zudem dürfte § 15 Abs. 1 [X.]StDV in der Verordnungsermächtigung des § 15 Abs. 1 Nr. 4 [X.]StG keine im Sinne des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichende Grundlage finden (b).

a) Eine Strafbarkeit gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] in Verbindung mit § 15 Abs. 1 [X.]StDV wäre mit den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht vereinbar.

aa) Dem in Art. 103 Abs. 2 GG verankerten Bestimmtheitsgebot genügen Blankettstrafgesetze nur dann, [X.]n sich die möglichen Fälle der Strafbarkeit schon aufgrund des Gesetzes voraussehen lassen, die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe also bereits entweder im Blankettstrafgesetz selbst oder in einem in Bezug genommenen Gesetz hinreichend deutlich [X.] sind. Zudem müssen neben der Blankettstrafnorm auch die sie ausfüllenden Vorschriften die sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebenden Anforderungen erfüllen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11. März 2020 – 2 BvL 5/17, [X.]E 153, 310 Rn. 82 und vom 21. September 2016 – 2 BvL 1/15, [X.]E 143, 38 Rn. 46; jew. mwN).

Legt die Blankettstrafnorm nicht vollständig selbst oder durch Verweis auf ein anderes Gesetz fest, welches Verhalten durch sie bewehrt werden soll, sondern erfolgt dies erst durch eine nationale Rechtsverordnung, auf die verwiesen wird, müssen daher nach Art. 103 Abs. 2 GG und ─ soweit Freiheitsstrafe angedroht wird ─ in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe für den Bürger schon aufgrund des Gesetzes und nicht erst aufgrund der hierauf gestützten Rechtsverordnung vorhersehbar sein. Um den Grundsatz der Gewaltenteilung zu wahren, darf dem Verordnungsgeber lediglich die Konkretisierung des Straftatbestandes eingeräumt werden, nicht aber die Entscheidung darüber, welches Verhalten als Straftat geahndet werden soll (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11. März 2020 – 2 BvL 5/17, [X.]E 153, 310 Rn. 83; vom 21. September 2016 – 2 BvL 1/15, [X.]E 143, 38 Rn. 47 und vom 29. April 2010 – 2 BvR 871/04, [X.]K 17, 273 Rn. 56 f.).

bb) Die [X.] als Voraussetzung der Strafbarkeit gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist für den Bürger nicht schon aufgrund des [X.]fahrzeugsteuergesetzes vorhersehbar; sie wird vielmehr erst aus § 15 [X.]StDV deutlich.

Das [X.]fahrzeugsteuergesetz sieht keine [X.] vor. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 4 [X.]StG wird das [X.] ermächtigt, Rechtsverordnungen zu erlassen über „das Besteuerungsverfahren, insbesondere die Berechnung der Steuer und die Änderung von Steuerfestsetzungen, sowie die von den Steuerpflichtigen zu erfüllenden Pflichten und die Mitwirkungspflicht Dritter“. Damit wird dem Normadressaten nicht erkennbar vor Augen geführt, dass der Gesetzgeber von einer [X.] ausgeht und nur deren weitere Ausgestaltung dem Verordnungsgeber überlassen wollte. Aus dem Wortlaut der Regelung in § 15 Abs. 1 Nr. 4 [X.]StG ergibt sich eine [X.] nicht. Dieser erstreckt sich zwar auf die „von den Steuerpflichtigen zu erfüllenden Pflichten“. Um welche Pflichten es sich dabei handelt, ergibt sich aber weder aus der Vorschrift selbst noch aus ihrem Kontext. Es versteht sich auch nicht von selbst, dass der Gesetzgeber den Verordnungsgeber damit zur [X.] (auch) von [X.]en ermächtigt hat. Denn steuerliche [X.]en sind nicht derart selbstverständlich, dass es deren ausdrücklicher Erwähnung und Regelung nicht bedürfte. Schließlich beschränken sich Pflichten eines Steuerpflichtigen weder im Allgemeinen noch im hier relevanten Zusammenhang typischerweise auf die Abgabe einer Erklärung. Dementsprechend sieht die auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 Nr. 4 [X.]StG erlassene Durchführungsverordnung neben den [X.]en auch andere, den Steuerschuldner treffende Pflichten vor. So statuiert etwa § 13 [X.]StDV Mitführ- und Auskunftspflichten des Steuerschuldners. Weitere Pflichten ergeben sich aus § 7 Abs. 1 [X.]StDV und § 6 [X.]StDV. Dem Normadressaten ist es anhand des Wortlauts der Regelung in § 15 Abs. 1 Nr. 4 [X.]StG mithin nicht möglich vorauszusehen, ob und unter welchen Umständen ihn eine [X.] trifft. Da Art. 103 Abs. 2 GG gerade das Vertrauen auf den Wortlaut einer Norm schützt, liegen die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nicht vor. Sollte sich daraus eine nicht gewollte [X.] ergeben, wäre deren Schließung allein Aufgabe des Gesetzgebers (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08, [X.]E 126, 170 Rn. 77).

b) Ob § 15 Abs. 1 [X.]StDV in der Verordnungsermächtigung des § 15 Abs. 1 Nr. 4 [X.]StG eine hinreichende Grundlage findet, ist zumindest zweifelhaft. Denn es ist schon unklar, ob der Gesetzgeber dem ermächtigten [X.] tatsächlich die Befugnis übertragen wollte, eine [X.] wie erfolgt zu statuieren.

Aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes lässt sich nicht ersehen, dass der Gesetzgeber bei Schaffung der Ermächtigung von dem Grunde nach bereits geregelten [X.]en ausging, deren Ausfüllung er auf die Exekutive übertragen wollte. Die durch das Gesetz zur Änderung des [X.]fahrzeugsteuergesetzes vom 19. Dezember 1960 als § 19 [X.]StG (BGBl. [X.] 1005) eingeführte Verordnungsermächtigung wurde allein für erforderlich gehalten, um das Durchführungsrecht den Änderungen des Gesetzes und den veränderten Verhältnissen anzupassen (vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucks. 3/1621, S. 8). Zu [X.]en verhält sich die Gesetzesbegründung nicht. Diese hat der Gesetzgeber auch später nie thematisiert. Er hat auch die Senatsentscheidung aus dem [X.], in welcher der Senat das Bestehen einer wirksamen Verordnungsermächtigung ausdrücklich offengelassen hat (vgl. [X.], Beschluss vom 23. August 2017 – 1 [X.] Rn. 31), nicht zum Anlass genommen, eine klare Regelung zu schaffen, obschon er gerade § 15 Abs. 1 Nr. 4 [X.]StG mit dem Siebten Gesetz zur Änderung des [X.]fahrzeugsteuergesetzes vom 16. Oktober 2020 (BGBl. [X.] 2184) geändert hat.

Systematische Erwägungen sprechen ebenfalls dagegen, dass sich die Verordnungsermächtigung des § 15 Abs. 1 Nr. 4 [X.]StG auf [X.]en erstreckt. Zwar liegt es nahe, dass mit der Schaffung eines gesetzlichen Steuertatbestands entsprechende [X.]en eines Steuerschuldners geregelt werden. Dennoch hat der Gesetzgeber diese regelmäßig zum Gegenstand einer eigenständigen formalgesetzlichen Regelung in zahlreichen Einzelsteuergesetzen gemacht (vgl. etwa § 25 Abs. 3 EStG; § 41a EStG; § 45a EStG; § 18 UStG; § 14a Abs. 1 Satz 1 GewStG; §§ 30, 31 ErbStG; § 17 [X.]; § 8 [X.]; §§ 8 ff. EnergieStG).

Ob für den Fall, dass sich § 15 Abs. 1 [X.]StDV innerhalb der Grenzen der Ermächtigung in § 15 Abs. 1 Nr. 4 [X.]StG halten sollte, diese Vorschrift insoweit hinreichend bestimmt im Sinne von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG wäre (vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 11. März 2020 – 2 BvL 5/17, [X.]E 153, 310 Rn. 100 und vom 29. April 2010 – 2 BvR 871/04, 2 [X.], [X.]K 17, 273 Rn. 38 f.) oder eine unzulässige Delegation der Entscheidung über die Strafbarkeit vorläge (vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 11. März 2020 – 2 BvL 5/17, [X.]E 153, 310 Rn. 91, 94 und vom 21. September 2016 – 2 BvL 1/15, [X.]E 143, 38 Rn. 51; Bülte, wistra 2020, 242, 252), kann hier offenbleiben.

4. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ab; die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung entfällt.

IV.

Die Änderung des Schuldspruchs führt nicht zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.

1. Angesichts der verbleibenden gewichtigen Taten, des festgestellten erheblichen Erziehungsbedarfs und der einbezogenen Urteile, mit denen gegen den Angeklagten zuletzt eine Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt wurde, schließt der Senat aus, dass das [X.] die [X.] bei entsprechender Beschränkung der Strafverfolgung und Wegfall der – sich auf [X.]fahrzeugsteuer für einen Monat beziehenden – Steuerhinterziehung niedriger bemessen hätte. Durch den Umstand, dass das [X.] entgegen § 105 Abs. 3 Satz 1 JGG rechtsfehlerhaft eine Strafrahmenobergrenze von lediglich fünf Jahren Jugendstrafe bei dem heranwachsenden Angeklagten angenommen hat, ist dieser nicht beschwert.

2. Die Anordnung der isolierten Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis nach § 69a Abs. 1 Satz 3, § 69 Abs. 1 StGB kann ebenfalls bestehen bleiben. Mit Blick auf die Vielzahl der im Verlauf der [X.] begangenen gravierenden Verkehrsverstöße und die – unabhängig von deren rechtlicher Bewertung – dabei zu Tage getretene Bereitschaft des Angeklagten, sich in schwerwiegender Weise über seine Pflichten als [X.]fahrer hinwegzusetzen, ist ebenfalls auszuschließen, dass das [X.] eine kürzere Sperrfrist bestimmt hätte (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 9. Dezember 2021 – 4 StR 277/21 Rn. 6).

V.

Der Senat hat die Urteilsformel hinsichtlich der einbezogenen [X.] klarstellend berichtigt. Die [X.] hat im [X.] nicht zum Ausdruck gebracht, dass nach § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG nicht lediglich die Strafe aus dem früheren noch nicht erledigten Urteil, sondern das Urteil als solches in die Bildung der [X.] übernommen wird (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Juni 2020 – 4 [X.] Rn. 4). Zudem sind bei der Einbeziehung eines früheren Urteils auch alle bereits in jenes Urteil einbezogenen Urteile im Tenor des neuen Urteils aufzuführen (vgl. [X.], Beschluss vom 26. März 2014 – 1 [X.] Rn. 2; Urteil vom 27. Oktober 1992 – 1 StR 531/92 Rn. 22).

Jäger     

      

Bellay     

      

[X.]

      

Allgayer     

      

Munk     

      

Berichtigungsbeschluss vom 6. März 2023

Der Beschluss des 1. Strafsenats des [X.] vom 15. Dezember 2022 wird wegen eines offensichtlichen Schreibversehens dahingehend berichtigt, dass das Zitat in Rn. 15 statt „[X.]/[X.], [X.] 2017, [X.] ff.“ richtig lauten muss „[X.]/[X.], [X.] 2017, [X.] ff.“.

Jäger     

  

Bellay     

  

[X.]

  

Allgayer     

  

Munk     

  

Meta

1 StR 295/22

15.12.2022

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Detmold, 9. Mai 2022, Az: 23 KLs 4/22

§ 370 Abs 1 Nr 2 AO, § 15 Abs 1 Nr 4 KraftStG, § 15 Abs 1 KraftStDV, Art 80 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 2 GG, § 315d Abs 1 Nr 3 StGB, § 315d Abs 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.12.2022, Az. 1 StR 295/22 (REWIS RS 2022, 8674)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8674 NJW 2023, 998 REWIS RS 2022, 8674

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