Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.05.2005, Az. I ZB 10/05

I. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 3715

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[X.] vom 4. Mai 2005 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja

ZPO § 765a Abs. 1

a) Besteht im Fall einer Zwangsräumung bei einem nahen Angehörigen des Schuldners eine Suizidgefahr, ist diese bei der Anwendung des § 765a ZPO in gleicher Weise wie eine beim Schuldner selbst bestehende Gefahr zu be-rücksichtigen.
b) Selbst dann, wenn mit einer Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen [X.] ist, kann eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne [X.] einstweilen eingestellt werden. Erforderlich ist stets die Abwägung der - in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen - Interessen der Betroffenen mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers. Es ist deshalb auch dann, wenn bei einer [X.] eine konkrete Suizidgefahr für einen Betroffenen besteht, sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam [X.] werden kann. Auch der Gefährdete selbst ist gehalten, das ihm [X.] zu tun, um die Risiken, die für ihn im Fall der Vollstreckung beste-hen, zu verringern.
[X.], [X.]. v. 4. Mai 2005 - [X.] - LG Dortmund
AG [X.]

- 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 4. Mai 2005 durch [X.] v. Ungern-Sternberg, [X.], [X.], Dr. Schaffert und Dr. Bergmann beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners werden die [X.]üs-se der 9. Zivilkammer des [X.] vom 7. und 13. Dezember 2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwie-sen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf bis zu 10.000 • festgesetzt.

Gründe:

A. Die Gläubigerin, die [X.] , betreibt bisher vergeblich die Zwangsräumung des [X.] des Schuldners aus dem rechtskräftigen [X.] des Amtsgerichts vom 11. Oktober 2002.
Der erste Termin zur Räumung wurde auf den 23. Juni 2003 bestimmt. Daraufhin hat der Schuldner unter Vorlage eines fachärztlichen Attests [X.] 3 - tragt, die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen. Bei dem im [X.] Vater des Schuldners bestehe eine akute Belastungsstörung. Eine Zwangsräumung bedeute für diesen eine erhebliche gesundheitliche Gefähr-dung. Das Amtsgericht hat diesen Antrag durch [X.]uß vom 13. Juni 2003 zurückgewiesen, die Durchführung der Zwangsräumung aber von der Auflage abhängig gemacht, daß dabei ein Beamter des Gesundheitsamts - Ordnungs-amts - der [X.] und ein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie anwesend [X.], die vor Beginn der Zwangsräumung die Versorgung des Vaters des [X.] übernähmen. Falls diese Voraussetzungen am 23. Juni 2003 nicht gege-ben sein sollten, werde die Zwangsvollstreckung einstweilen für die Dauer von drei Monaten eingestellt. Für diesen Fall wurde dem Vater des Schuldners auf-gegeben, sich mit dem Gesundheitsamt des [X.] wegen einer amtsärzt-lichen Untersuchung in Verbindung zu setzen.
Auf sofortige Beschwerde des Schuldners hat das [X.] durch [X.] vom 18. Juni 2003 die [X.] bis zum 13. September 2003 eingestellt. Aufgrund des vorgelegten Attests, ergänzender Äußerungen des behandelnden Arztes und des Ergebnisses durchgeführter Ermittlungen könne auch durch Auflagen das Restrisiko nicht sicher ausgeschlossen werden, daß der Vater des Schuldners im Fall der Zwangsräumung Selbstmord begehe. Durch die Einstellung der Zwangsvollstreckung solle dem Vater des Schuldners Gelegenheit gegeben werden, sich in stationäre Behandlung zu begeben, um der Suizidgefahr entgegenzuwirken.
Nach Festsetzung eines neuen Räumungstermins auf den 1. Juli 2004 beantragte der Schuldner erneut, die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlags-beschluß einstweilen einzustellen, weil sein Vater selbstmordgefährdet sei. [X.] wurden zwei Atteste des behandelnden Facharztes vorgelegt. Das Amtsge-richt hat diesen Antrag durch [X.]uß vom 15. Juni 2004 zurückgewiesen. Zur - 4 - Begründung hat es u.a. ausgeführt, der Vater des Schuldners habe schuldhaft seine Pflicht, durch Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung an seiner [X.] mitzuwirken, verletzt. Zudem habe er, wie aus einem der vorgelegten At-teste hervorgehe, die Möglichkeit, sich am 22. Juni 2004 in eine stationäre [X.] zu begeben. Bei Wahrnehmung dieses Termins bestehe für ihn bei einer Zwangsräumung keine Gesundheitsgefahr.
Auf sofortige Beschwerde des Schuldners hat das [X.] die [X.] durch [X.]uß vom 29. Juni 2004 wiederum - nunmehr bis zum 1. September 2004 - einstweilen eingestellt. Es könne zur [X.] nicht ausge-schlossen werden, daß die Räumung für den Schuldner eine unzumutbare Här-te sei. Auch unter Berücksichtigung der Gläubigerinteressen sei es gerechtfer-tigt, die [X.] vorläufig einzustellen, bis abschließend geklärt sei, ob tatsächlich eine Suizidgefahr bestehe und wie hoch das Risiko einzu-schätzen sei. Die vorgelegten Atteste belegten lediglich, daß beim Vater des Schuldners eine akute Belastungsstörung gegeben sei und er sich unter der Extrembelastung einer drohenden Zwangsräumung in einem psychischen [X.] befinde. Der behandelnde Arzt sehe aber für den Fall einer Zwangsräumung eine Selbstgefährdung des Vaters des Schuldners. Dem Schuldner wurde Gelegenheit gegeben, zur Klärung der Frage, ob bei einer Zwangsräumung tatsächlich eine Suizidgefahr bestehe und wie diese [X.] sei, eine amtsärztliche Stellungnahme nachzureichen. Da dies unter-blieb, hat das [X.] durch [X.]uß vom 1. September 2004 die sofortige Beschwerde des Schuldners zurückgewiesen.
Nachdem der Räumungstermin auf den 13. Dezember 2004 angesetzt worden war, hat der Schuldner mit Schriftsatz vom 22. November 2004 wieder beantragt, die [X.] aus dem [X.] einstweilen einzustellen. Zur Begründung hat er (nach Aufforderung durch das Amtsgericht) - 5 - ein amtsärztliches Attest vom 30. November 2004 eingereicht. In diesem wird dargelegt, der Vater des Schuldners leide an einer akuten Erkrankung aus dem nervenärztlichen Stoffgebiet. Bei geringster psychischer Belastung bestehe die Gefahr einer Dekompensation mit möglichen fatalen Folgen. Es sollte eine psy-chiatrische ambulante und stationäre Therapie sowie eine medikamentöse [X.] abgewartet werden, um eine eventuelle gesundheitliche Stabilisierung zu erreichen.
Das Amtsgericht hat aufgrund dieses Attests die Suizidgefahr als hinrei-chend belegt angesehen und durch [X.]uß vom 2. Dezember 2004 die Zwangsvollstreckung bis zum 31. März 2005 eingestellt. Um der Suizidgefahr entgegenzuwirken, habe der Schuldner jedoch mit Nachdruck dafür zu sorgen, daß sich sein Vater unverzüglich in eine stationäre psychiatrische Therapie [X.], wo er medikamentös eingestellt werde. Sollte er hierzu nicht willens oder nicht in der Lage sein, müsse er mit der Fortsetzung der Zwangsvollstreckung rechnen. Sollte sich der Vater des Schuldners weiterhin einer Therapie entzie-hen, müsse er mit ordnungsbehördlichen Maßnahmen rechnen. Dem Schuldner werde weiterhin zur Auflage gemacht, sich unverzüglich nach einer anderen Wohnung umzusehen.
Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das [X.] diesen [X.]uß am 7. Dezember 2004 abgeändert und den Antrag des Schuldners vom 22. November 2004 zurückgewiesen. Die bereits an demselben Tag einge-gangene sofortige Beschwerde des Schuldners, mit der er eine Einstellung der Zwangsvollstreckung mindestens bis zum 31. Mai 2005 begehrt hat, hat das [X.] durch [X.]uß vom 13. Dezember 2004 zurückgewiesen. - 6 - Gegen den [X.]uß des [X.]s vom 7. Dezember 2004 hat der Schuldner die zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt. Die Gläubigerin hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO zulässige Rechtsbe-schwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen [X.]usses und zur [X.] an das Beschwerdegericht.
[X.] Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen für eine weitere Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 765a ZPO lägen nicht vor. Dabei werde nicht verkannt, daß das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG betroffen sei, wenn bei Durchführung einer Räumung schwerwiegende Gefah-ren für die Gesundheit und das Leben drohten. Da der Schuldner nunmehr auch ein amtsärztliches Attest vorgelegt habe, dem zu entnehmen sei, daß sein Vater bei einer Zwangsräumung suizidgefährdet sei, seien die drohenden gesundheit-lichen Gefahren hinreichend belegt.
Von einem Betroffenen könne aber jedes zumutbare Bemühen um eine Verringerung des Krankheitsrisikos verlangt werden. Der Vater des Schuldners habe die ihm danach obliegende Mitwirkungspflicht schuldhaft verletzt, weil er sich trotz mehrfacher Ankündigung nicht in stationäre Behandlung begeben ha-be. Bereits in den vorangegangenen Verfahren sei dem Vater des Schuldners Gelegenheit gegeben worden, seinen Gesundheitszustand durch eine [X.] psychiatrische Behandlung zu verbessern. Nach der vorgelegten amtsärztli-chen Stellungnahme vom 30. November 2004, in der eine stationäre [X.] empfohlen werde, könne eine Therapie nicht als von vornherein [X.] angesehen werden. - 7 - Werde durch ein solches schuldhaftes Verhalten ein Zustand der Suizid-gefahr aufrechterhalten, der einer Räumung des Grundstücks über einen langen [X.]raum entgegenstehen würde, seien der Schuldner und seine Angehörigen nicht mehr schutzwürdig. Auch bei besonders sorgfältiger Abwägung der Grund-rechte der Beteiligten könne in einem solchen Fall nicht mehr davon ausgegan-gen werden, daß die Räumung eine besondere Härte darstelle, die gegen die guten Sitten verstoße. Bei einem solchen Fehlverhalten sei den [X.] wieder Vorrang einzuräumen.
I[X.] Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner auch das Begeh-ren seiner sofortigen Beschwerde gegen den [X.]uß des Amtsgerichts vom 2. Dezember 2004 weiter, die Zwangsvollstreckung mindestens bis zum 31. Mai 2005 einzustellen. Das [X.] hat mit seinem [X.]uß vom 7. Dezember 2004 der Sache nach auch über dieses Begehren des Schuldners entschieden. Aufgrund der Rechtsbeschwerde des Schuldners gegen diesen [X.]uß ist deshalb auch dieses Begehren Gegenstand des [X.] geworden.
II[X.] Die uneingeschränkte Zurückweisung des Antrags des Schuldners, die Zwangsvollstreckung gemäß § 765a ZPO einstweilen einzustellen, hält der Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht stand.
1. Die Vorschrift des § 765a ZPO ermöglicht den Schutz gegen Vollstrek-kungsmaßnahmen, die wegen ganz besonderer Umstände eine Härte für den Schuldner bedeuten, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. [X.] ist § 765a ZPO nur dann, wenn im Einzelfall die Zwangsvollstrek-kungsmaßnahme nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem untrag-baren Ergebnis führen würde (vgl. [X.] 44, 138, 143; [X.], [X.]. v. 25.6.2004 - IXa [X.], NJW 2004, 3635, 3636; [X.]. v. 21.12.2004 - 8 - - IXa [X.], [X.], 288, 289, für [X.] vorgesehen; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 765a [X.]. 5 f.; [X.]/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 765a [X.]. 5; Musielak/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 765a [X.]. 5 ff.; [X.]/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, [X.], 3. Aufl., § 765a [X.]. 8 ff.; vgl. auch [X.].ZPO/[X.], 2. Aufl., § 765a [X.]. 7, 42).
2. Der Ansicht der Rechtsbeschwerde, daß die für den Vater des [X.] bestehende Suizidgefahr eine [X.] vollständig [X.], kann auch auf der Grundlage des im Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellenden Sachverhalts nicht zugestimmt werden.
a) Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet die [X.], bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765a ZPO auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen. Ergibt die erforderliche Abwägung, daß die der Zwangsvollstreckung [X.], unmittelbar der Erhaltung von Leben und Gesundheit dienenden Interes-sen des Schuldners im konkreten Fall ersichtlich schwerer wiegen als die Be-lange, deren Wahrung die Vollstreckungsmaßnahme dienen soll, so kann der trotzdem erfolgende Eingriff das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und das Grund-recht des Schuldners aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzen (vgl. [X.] 52, 214, 219 f. = NJW 1979, 2607; [X.] NJW 1998, 295, 296; [X.] NJW-RR 2001, 1523; [X.] NJW 2004, 49; [X.] NJW 2004, 3635, 3637). Besteht im Fall einer Zwangsräumung bei einem nahen Angehörigen des Schuldners eine Suizidgefahr, ist diese bei der Anwendung des § 765a ZPO in gleicher Weise wie eine beim Schuldner selbst bestehende Gefahr zu berücksichtigen (vgl. [X.], 81; [X.] NJW 1994, 1743; [X.] Rpfleger 2001, 508; OLG Saarbrücken Rpfleger 2003, 37, 38). Die demgemäß vorzunehmende Würdigung aller Umstände kann in besonders gelagerten Ein-- 9 - zelfällen auch dazu führen, daß die Vollstreckung für einen längeren [X.]raum und - in absoluten Ausnahmefällen - auf unbestimmte [X.] einzustellen ist ([X.] NJW 1998, 295, 296).
b) Selbst dann, wenn mit einer Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen [X.] ist, kann aber eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne [X.] einstweilen eingestellt werden. Erforderlich ist stets die Abwägung der - in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen - Interessen der Betroffenen mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers (vgl. [X.] 52, 214, 220 = NJW 1979, 2607; [X.] NZM 1998, 431; [X.] NJW 1993, 2248, 2249; [X.] aaO § 765a [X.]. 5; [X.]/Walker aaO § 765a [X.]. 10; [X.], Umfang und Grenzen eines [X.] Schuldnerschutzes in der Zwangsvollstreckung, 2000, [X.] ff.; [X.], [X.] und [X.] gemäß § 765a ZPO unter Berücksichtigung der zweiten [X.], 2001, [X.]; Walker/Gruß, NJW 1996, 352, 353 ff.).
Bei dieser Interessenabwägung kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß sich auch der Gläubiger auf Grundrechte berufen kann. Unterbleibt die [X.] wegen der Annahme einer Suizidgefahr, die auch bei sorg-fältiger fachlicher Prüfung nur auf der Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten be-ruhen kann, wird in das Grundrecht des Gläubigers auf Schutz seines Eigen-tums (Art. 14 Abs. 1 GG) eingegriffen (vgl. [X.]/Walker aaO § 765a [X.]. 1; [X.] aaO S. 207; Scherer, [X.] 1995, 33, 35). Die Aufgabe des Staates, das Recht zu wahren, umfaßt die Pflicht, ordnungsgemäß titulierte [X.] notfalls mit Zwang durchzusetzen und dem Gläubiger zu seinem Recht zu verhelfen ([X.] 49, 220, 231 - Sondervotum [X.] = NJW 1979, 534, 535). Der Gläubiger hat gemäß Art. 19 Abs. 4 GG einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf tatsächlich wirksamen Rechtsschutz seines Eigentums (vgl. - 10 - [X.] 49, 220, 225 = NJW 1979, 534 f.; [X.] [X.], 288, 289; [X.] aaO S. 208 f.; [X.] aaO S. 247). Dem Gläubiger dürfen nicht die Aufgaben überbürdet werden, die aufgrund des Sozialstaatsprinzips dem Staat und damit der Allgemeinheit obliegen (vgl. [X.] 1998, 123, 125; [X.]/Walker aaO § 765a [X.]. 11; [X.] aaO S. 208; Walker/Gruß, NJW 1996, 352, 353 f.; Linke, [X.], 205, 208).
Es ist deshalb auch dann, wenn bei einer [X.] eine konkrete Suizidgefahr für einen Betroffenen besteht, sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangs-vollstreckung wirksam begegnet werden kann. Mögliche Maßnahmen betreffen die Art und Weise, wie die Zwangsvollstreckung durchgeführt wird, aber auch die Ingewahrsamnahme des [X.] nach polizeirechtlichen Vor-schriften oder dessen Unterbringung (vgl. §§ 10 ff. [X.] NW; vgl. weiter [X.] aaO § 765a [X.]. 6; [X.] aaO S. 256 ff.; [X.] aaO S. 218 f.; Scherer, [X.] 1995, 33, 37 f.). Nicht zuletzt ist aber auch der [X.] selbst gehalten, das ihm Zumutbare zu tun, um die Risiken, die für ihn im Fall der Vollstreckung bestehen, zu verringern (vgl. [X.] NJW 1992, 1155; [X.] NJW-RR 1993, 463, 464; [X.] NJW 2004, 49 f.; [X.] NJW 1993, 2248, 2249; [X.] aaO § 765a [X.]. 5; [X.]/ Walker aaO § 765a [X.]. 10; [X.], [X.] 1994, 321, 324; [X.]/Gruß, NJW 1996, 352, 355; [X.], [X.], 1147, 1150; Linke, [X.], 205, 207 f.). Dies gilt auch für einen nahen Angehörigen, wenn auf Antrag des Schuldners unter Berufung auf dessen Suizidgefährdung eine Maßnahme nach § 765a ZPO getroffen werden soll.
Einem Schuldner oder einem seiner Angehörigen, die im Fall der Zwangsvollstreckung suizidgefährdet sind, kann dementsprechend, wenn sie dazu in der Lage sind, zugemutet werden, fachliche Hilfe - gegebenenfalls auch - 11 - durch einen stationären Aufenthalt in einer Klinik - in Anspruch zu nehmen, um die Selbsttötungsgefahr auszuschließen oder zu verringern. Ist ein Angehöriger betroffen, kann auch vom Schuldner selbst erwartet werden, daß er das ihm Zumutbare unternimmt, um Gefahren für dessen Leben und Gesundheit mög-lichst auszuschließen (vgl. dazu auch [X.] NJW 2004, 3635, 3637).
c) Die Beurteilung des [X.], daß die Interessenabwägung hier deshalb gegen den Schuldner ausfallen müsse, weil dessen Vater die ihm obliegende Mitwirkungspflicht schuldhaft verletzt habe, wird von der [X.] allerdings mit Erfolg angegriffen.
Die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe das Recht des Schuldners auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, ist begründet. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 2. Dezember 2004 gegen den an diesem Tag erlassenen [X.]uß des Amtsgerichts ist den Ver-fahrensbevollmächtigten des Schuldners nicht zugestellt worden. Der Schuldner hatte deshalb vor der Entscheidung des [X.] am 7. Dezember 2004 keine Möglichkeit, zu dem Antrag der sofortigen Beschwerde, die einstwei-lige Einstellung der Zwangsvollstreckung aufzuheben, Stellung zu nehmen. Ein Grund, von der Anhörung des Schuldners abzusehen, bestand bei der gegebe-nen Sachlage nicht. Die Rechtsbeschwerde trägt vor, der Schuldner hätte bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgebracht, sein Vater habe sich in der [X.] vom 12. Juli bis 3. August 2004 einer stationären Behandlung in einer psychiatrischen Klinik unterzogen. Nach Ansicht der Ärzte dort könne eine sol-che Behandlung jedoch nur zu einer Linderung der Symptome, nicht aber zu einer Änderung der akuten Suizidgefährdung bei einer situativen Einengung ohne erkennbaren Ausweg führen. Dies hätte der Schuldner durch Benennung des Chefarztes der Klinik als Zeugen oder durch ärztliche Bescheinigung der Klinik unter Beweis gestellt. Die Beurteilung der Klinikärzte entspreche der [X.] 12 - teilung des Facharztes, der den Vater des Schuldners ambulant behandele. Der amtsärztlichen Bescheinigung, die auf eingehenden Untersuchungen beruhe, sei ebenfalls nicht zu entnehmen, daß eine stationäre psychiatrische [X.] aussichtsreich sei. Der Vater des Schuldners werde zudem (ausweislich der vorgelegten Atteste vom 14. August und 26. November 2004) von einem Facharzt, der auch Psychopharmaka einsetze, ambulant behandelt.
Wird dieses - im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht überprüfbare - Tatsa-chenvorbringen unterstellt, kann dem Vater des Schuldners zumindest keine entscheidend ins Gewicht fallende Verletzung seiner Pflicht, soweit zumutbar zum Erfolg der Zwangsvollstreckung beizutragen, vorgehalten werden.
d) Auch wenn das Vorbringen der Rechtsbeschwerde unterstellt wird, be-deutet dies jedoch nicht, daß eine [X.] vollständig ausge-schlossen ist. Andernfalls müßte dem Schuldner im Ergebnis zeitlich unbegrenzt Vollstreckungsschutz gewährt werden, und dies auch dann, wenn - wie die Gläubigerin im Verfahren vorgetragen hat - seit dem Zuschlag vom 11. Oktober 2002 nicht einmal ein Nutzungsentgelt in ortsüblicher Höhe gezahlt werden soll-te und Erhaltungsaufwendungen für das genutzte Haus unterblieben sein soll-ten. Es ist vielmehr zu berücksichtigen, daß das Vollstreckungsgericht auf [X.] die Vollstreckung gemäß § 765a ZPO auch von der Erfüllung von Auflagen abhängig machen kann (vgl. [X.] aaO § 765a [X.]. 15). Dies ermöglicht z.B. Anordnungen wie im [X.]uß des Amtsgerichts vom 13. Juni 2003, nach denen die Durchführung der Zwangsräumung die Anwesenheit ei-nes Beamten des Gesundheitsamts - Ordnungsamts - der [X.] und eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie zur Voraussetzung hatte (vgl. auch [X.] 1998, 123, 125 f.; VGH Mannheim NJW 1997, 2832, 2834; [X.] aaO S. 218 f.). Wenn bereits bei Bevorstehen der Zwangsräumung für den Vater des Schuldners aufgrund krankheitsbedingten Verhaltens eine - 13 - gegenwärtige Gefahr einer erheblichen Selbstgefährdung besteht, die anders nicht abgewendet werden kann, ist zudem seine Unterbringung nach § 11 [X.] NW, gegebenenfalls auch schon vor dem Räumungstermin, zulässig.
IV. Die gemäß § 765a ZPO zu treffende Entscheidung über Auflagen für die Durchführung der Zwangsvollstreckung hat der Tatrichter nach sorgfältiger Prüfung aller Umstände zu treffen. Die Sache ist deshalb zur erneuten Ent-scheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerde-gericht zurückzuverweisen.

v. Ungern-Sternberg [X.] Büscher

Schaffert Bergmann

Meta

I ZB 10/05

04.05.2005

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.05.2005, Az. I ZB 10/05 (REWIS RS 2005, 3715)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3715

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