Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.02.2003, Az. III ZR 44/02

III. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 4528

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/02Verkündet am:6. Februar 2003F r e i t a gJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]:ja [X.] § 839 [X.] Amtspflichten, die der im Rahmen eines [X.] mit der Wertermittlung beauftragte [X.] hat, können zugunsten des [X.] drittgerichtet sein.[X.], Urteil vom 6. Februar 2003 - [X.]/02 -OLG [X.] LG [X.]- 2 -Der III. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch [X.] [X.] und die [X.]. [X.], [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 6. Zivilsenatsdes Oberlandesgerichts [X.] vom 21. Dezember 2001 auf-gehoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das [X.] zurückverwiesen.Von Rechts [X.] Kläger ersteigerte im Jahre 1998 im Rahmen eines Zwangsverstei-gerungsverfahrens ein bebautes Grundstück für 245.000 DM. Auf [X.] hatte der [X.], eine Behördedes beklagten [X.], den Verkehrswert des Grundstücks mit 280.000 [X.]; in dieser Höhe hatte das Gericht den Wert festgesetzt. Das [X.] war mit einem 1993 errichteten Wohnhaus und zwei älteren Stallgebäu-den bebaut. Nachdem der Kläger das Grundstück in Besitz genommen hatte,- 3 -stellte sich heraus, daß das Wohnhaus und eines der Stallgebäude, das teil-weise zu Wohnzwecken umgebaut worden war, nicht den Bauvorlagen und denerteilten Baugenehmigungen entsprochen hatten. Außerdem lagerte auf [X.] Bauschutt, der möglicherweise von einem früheren dritten [X.] stammte. Das Wohnhaus ist im Jahre 1999 abgebrannt.Der Kläger hat vorgetragen, da es sich bei dem Wohnhaus und demausgebauten Stallgebäude um Schwarzbauten gehandelt habe, seien ein Wie-deraufbau und die Möglichkeit einer Vermietung nicht gewährleistet. [X.] die Beseitigung des alten Bauschutts erhebliche Aufwendungen. [X.] lastet dem [X.] an, infolge oberflächlicher Arbeitsweise,insbesondere der Unterlassung einer Ortsbesichtigung und der unzureichen-den Auswertung der Bauakten, die Eigenschaft der tatsächlich [X.] als Schwarzbauten - insoweit behauptet der Kläger sogar Vorsatz, [X.] Leichtfertigkeit - und das Vorhandensein der Müllablagerungen nichterkannt und bei der Begutachtung nicht berücksichtigt zu haben. Er nimmt [X.] das beklagte Land aus Amtspflichtverletzung auf Ersatz der für die Beseiti-gung des [X.] erforderlichen Aufwendungen und der entgangenen Mietein-nahmen in Höhe von insgesamt 33.680 DM nebst Zinsen in Anspruch und be-gehrt ferner die Feststellung, daß das beklagte Land verpflichtet sei, ihm jegli-chen Schaden zu ersetzen, der aus der Abweichung des Grundrisses und [X.] und der eingebauten Holzbalkendecke von der [X.].Das beklagte Land hat eine Pflichtverletzung des [X.]bestritten. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der [X.] der Kläger sein Zahlungs- und Feststellungsbegehren [X.] 4 -- 5 -EntscheidungsgründeDie Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das [X.] geht das Berufungsgericht davon aus, daß sich die [X.] beklagten [X.] für die vom [X.] vorgenommene mögli-cherweise unrichtige Wertermittlung nach Amtshaftungsgrundsätzen (§ 839[X.] i.V.m. Art. 34 GG) beurteilt. Zwar werden gerichtliche (vom Gericht zuge-zogene) Sachverständige, auch wenn sie öffentlich bestellt oder Beamte imstaatsrechtlichen Sinne sind, durch ihre Aufgabe, Gehilfen des Richters bei [X.] zu sein, nicht Beamte im haftungsrechtlichen Sinne; sie fallendemgemäß, wenn sie schuldhaft ein objektiv unrichtiges Gutachten erstatten,weder unter § 839 Abs. 2 noch unter § 839 Abs. 1 [X.] ([X.]/[X.][2002] § 839a Rn. 1 m.w.[X.]). Dies schließt es indessen nicht aus, daß Amtsträ-ger, zu deren gesetzlichem oder beruflichem Pflichtenkreis die Erstattung vongerichtlichen Sachverständigengutachten gehört (hier: § 193 Abs. 1 Satz 1Nr. 4 BauGB), diese Aufgaben im Rahmen ihrer normalen Amtstätigkeit, d.h.unabhängig von der gerichtlichen Beauftragung, als Amtspflichten im Sinnedes § 839 [X.] wahrnehmen. Die Haftung für ein Gerichtsgutachten stellt sichin solchen Fällen nicht anders dar, als wenn der [X.] von einersonstigen Behörde mit der Wertermittlung beauftragt worden wäre (s. dazu ins-besondere Senatsurteil [X.]Z 146, 365).2.Die Amtspflichten, die der als gerichtlicher Sachverständiger tätig ge-wordene [X.] im Rahmen einer der Festsetzung des [X.]swerts nach § 74a [X.] dienenden Wertermittlung wahrzunehmen hatte,- 6 -bestanden auch gegenüber dem Ersteigerer als einem geschützten "[X.] gegenteilige Annahme des Berufungsgerichts orientiert sich [X.] dem Urteil des [X.] vom 21. Juli 1989 (NJW 1990,1486, 1487). Dort ist ausgeführt, die [X.] solle nur die [X.] und bestimmter nachrangiger Gläubiger, nichtaber kaufmännische Erfolge künftiger Ersteher schützen, um ihnen die Wahr-scheinlichkeit höherer Gewinnerzielung zu eröffnen. Eine abweichende Be-trachtungsweise würde den Risiken widersprechen, die derjenige, der in [X.] abgebe, gemeinhin zu übernehmen bereit seinmüsse. Dieser müsse sich insbesondere auch darüber im klaren sein, daß [X.] der Zwangsversteigerung keine Gewährleistungsansprüche gebe (vgl. § 56Satz 3 [X.]). Diese Gesetzeslage würde durch die großzügige Gewährung [X.] gewissermaßen in ihr Gegenteil verkehrt. Diese Argumen-tation vermag den Senat nicht zu überzeugen. Es mag zwar zutreffen, daß diegerichtliche Wertermittlung und -festsetzung in erster Linie einer Verschleude-rung des Grundbesitzes entgegenwirken und die Einhaltung der Untergrenzevon 7/10 des [X.] gewährleisten soll. Dies schließt es jedochnicht aus, daß auch die Interessen des [X.] geschützt werden, undzwar nicht nur im Wege eines bloßen Reflexes, sondern durch Einbeziehung indie insoweit bestehenden drittgerichteten Amtspflichten. Der Ersteher darf,selbst wenn ihm keine Mängelgewährleistungsansprüche zustehen, in schutz-würdiger Weise darauf vertrauen, daß das Gericht bei der Festsetzung [X.], die die Grundlage für die Höhe des Gebots bildet, mit dererforderlichen Sorgfalt verfahren ist. Dementsprechend werden in den [X.] der bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks bestehendenAmtspflichten neben den nach § 9 [X.] am Verfahren förmlich Beteiligten auchdie Bieter und insbesondere der Meistbietende einbezogen (Senatsbeschluß- 7 -vom 26. Juli 2001 - [X.]/00 = [X.]R [X.] § 839 Abs. 1 Satz 1 Dritter 81m.zahlr.w.[X.]). In diesem Sinne hat der Senat insbesondere anerkannt, daß dieAmtspflicht des Versteigerungsgerichts zur Einhaltung der [X.] im Zwangsversteigerungsverfahren auch den Meistbietenden [X.] ist mithin "Dritter" im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 [X.] ([X.] 13. September 2001 - [X.]/00 = [X.]R [X.] § 839 Abs. 1 Satz 1Dritter 82). Allerdings hat der "Dritte" nicht ohne weiteres auch Anspruch aufAusgleich aller ihm durch die Amtspflichtverletzung zugefügten Nachteile.Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte [X.] dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des [X.] ge-schützt werden soll. In diesem Sinn hat der Senat den entgangenen [X.] Meistbietenden aus dem Schutzbereich der Amtspflichten des [X.] ausgeklammert, wenn der [X.] wegen eines [X.] wieder aufgehoben wird (Senatsurteil vom [X.] aaO, in Abkehr vom Senatsurteil vom 2. Oktober 1986 - [X.] =[X.], 256, 257 = [X.], 52, 53). Mit dem Verfahrensfehler, der [X.] jenes Senatsurteils gewesen war - keine ordnungsgemäße Ladungder Beteiligten und keine fehlerfreie Durchführung des Versteigerungstermins -, ist die hier in Rede stehende Wertermittlung indessen nicht vergleichbar. [X.] begründet vielmehr ein schutzwürdiges Vertrauen des [X.] zumin-dest dahin, daß bei der Ermittlung ihrer Grundlagen sachgemäß und korrektverfahren worden ist. Dem steht auch die gesetzliche Regelung des § 74aAbs. 5 Satz 4 [X.] nicht entgegen, wonach der Zuschlag oder die [X.] Zuschlags mit der Begründung, daß der Grundstückswert unrichtig festge-setzt sei, nicht angefochten werden können. Diese Regelung sichert lediglichdie Bestandskraft des [X.] und besagt nichts über die haf-tungsrechtlichen Folgen einer unkorrekten [X.] oder -ermittlung.- 8 -3.In dem gleichen Umfang wie die vom Gericht selbst bei der [X.] wahrzunehmenden Amtspflichten sind auch diejenigen des mit der Wert-ermittlung beauftragten [X.] drittgerichtet. Insoweit lassensich die im Senatsurteil [X.]Z 146, 365, 369 niedergelegten Grundsätze aufdas hier in Rede stehende Verhältnis des [X.] zum Gerichtübertragen: Indem der vom Gericht eingeschaltete [X.] auf [X.] arbeitsteiligen Zusammenwirkens sein überlegenes Fachwissen indie zu treffende Entscheidung einbringt, gewinnt seine Mitwirkung - ihm er-kennbar - im Verhältnis zum Bürger eine über die innerbehördliche Beteiligunghinausgehende Qualität. Der [X.] ist dann ebenso wie [X.] außen tätig werdende Gericht gehalten, bei der Ausübung des [X.] auch die Interessen des betroffenen Bürgers zu [X.] Zugrundelegung des objektivierten Sorgfaltsmaßstabs, der [X.] gilt (vgl. wegen der Einzelheiten [X.]/[X.] § 839Rn. 203 ff m.w.[X.]), haftet das beklagte Land als Träger des Gutachteraus-schusses hier (schon) für einfache Fahrlässigkeit bei einer - etwaigen - fehler-haften Wertermittlung.a) Allerdings war nach bisheriger Rechtslage die Haftung des gerichtli-chen Sachverständigen unterschiedlich ausgestaltet, je nachdem ob er beeidigtworden oder unbeeidigt geblieben war: Der beeidigte Sachverständige [X.] § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. §§ 154, 163 StGB für jeden Vermögensschadenbereits bei fahrlässiger Falschbegutachtung. Der unbeeidigte [X.] - da § 410 ZPO kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 [X.] ist([X.] NJW 1986, 2891) - für Vermögensschäden erst bei vorsätzli-- 9 -cher Falschbegutachtung (§ 826 [X.]; OLG Hamm NJW-RR 1998, 1686). [X.] traf ihn nur eine Haftung für die Verletzung absoluter Rechte (§ 823Abs. 1 [X.]), die von der Rechtsprechung auf die vorsätzliche und die grobfahrlässige Falschbegutachtung beschränkt wurde ([X.] 49, 304; [X.] NJW 1995, 791; [X.]. 742/01 vom 28. September 2001,S. 65-67 [[X.]. Begründung für den neuen § 839a [X.]]).b) Durch Art. 2 Nr. 5 des [X.] zur Änderung schadenser-satzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 ([X.]) ist mit § 839a[X.] eine eigenständige, systematisch im Umfeld der Amtshaftung angesie-delte Anspruchsgrundlage für die Haftung des gerichtlichen Sachverständigengeschaffen worden (in [X.] seit dem 1. August 2002). Danach ist ein vom [X.] ernannter Sachverständiger, der vorsätzlich oder grob fahrlässig ein un-richtiges Gutachten erstattet, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einemVerfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die aufdiesem Gutachten beruht. Diese Neuregelung ist auf den Streitfall [X.] nicht anwendbar; dieser beurteilt sich vielmehr nach bisherigem Recht(Art. 229 § 8 EG[X.] in der Fassung des Art. 12 des [X.] zur Än-derung schadensersatzrechtlicher Vorschriften aaO).c) Das Berufungsgericht hat - insoweit im Ergebnis, wenn auch von ei-nem anderen Lösungsansatz her, in Einklang mit den bisherigen [X.] (s. oben a) - eine Haftung des[X.] nach § 826 [X.] geprüft. Die strengen Voraussetzun-gen, von denen eine Schadensersatzpflicht nach dieser Bestimmung abhängt,passen indessen nur für "normale" gerichtliche Sachverständige, die, obwohlsie öffentlich bestellt sind, dennoch Privatpersonen bleiben und ihre Gutachten- 10 -lediglich aufgrund der gerichtlichen Anforderung erstatten, zu deren Befolgungsie verpflichtet sind. Bei den hier in Rede stehenden Amtsträgern des [X.] liegt es insoweit anders, als die Erstattung derartiger Gutach-ten zum Kreise ihrer normalen, ihnen schon kraft [X.] zählt (§ 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB). Insoweit besteht kein signifi-kanter Unterschied zu den Fällen, in denen der Gutachter von sonstigen Be-hörden, außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, mit der Erstellung [X.] beauftragt wird und in denen ebenfalls eine innere Rechtferti-gung dafür fehlt, den [X.] von der Einhaltung der normalenamtshaftungsrechtlichen Sorgfaltsstandards zu entlasten. Auch in dem [X.] [X.]Z 146, 365 zugrundeliegenden Fall, in dem es um Amts-pflichten ging, die der im Rahmen eines sanierungsrechtlichen Genehmigungs-verfahrens nach §§ 144, 145 BauGB von der Genehmigungsbehörde intern mitder Wertermittlung beauftragte [X.] wahrzunehmen hatte, hatder Senat eine mögliche Amtshaftung des [X.] auch füreinfache Fahrlässigkeit nicht in Frage gestellt. In gleicher Weise hat der [X.] bei der Amtshaftung für eine unrichtige Auskunft be-stimmt, die ein Rentenversicherungsträger im familiengerichtlichen [X.] Versorgungsausgleich erteilt (Senatsurteil [X.]Z 137, 11).d) Wie die Rechtslage nach dem neuen § 839a [X.] zu beurteilen wäre,bedarf hier keiner [X.] das Berufungsurteil - konsequent - keine Feststellungen zur Einhal-tung des allgemeinen amtshaftungsrechtlichen Sorgfaltsmaßstabs getroffenhat, kann es keinen Bestand haben. Die Klageabweisung kann beim derzeiti-gen Sachstand auch nicht mit der Begründung aufrechterhalten bleiben, daß- 11 -der Kläger die Entstehung eines Schadens nicht schlüssig dargelegt habe.Zwar weist das Berufungsgericht mit Recht darauf hin, daß der Kläger allenfallseinen Anspruch darauf hat, so gestellt zu werden, als hätte er das Objekt nichtersteigert. Das Berufungsgericht stellt ferner fest, der Kläger habe zu der [X.] ergebenden Vermögenslage trotz eines hierauf gerichteten Hinweis[X.] der mündlichen Berufungsverhandlung keine Angaben gemacht. Im [X.] das Berufungsgericht die Frage, ob ein Schaden entstanden ist, jedoch of-fengelassen. Die Parteien haben im weiteren Verlauf des Verfahrens Gelegen-heit, insoweit ergänzend vorzutragen.[X.][X.][X.][X.]Dörr

Meta

III ZR 44/02

06.02.2003

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.02.2003, Az. III ZR 44/02 (REWIS RS 2003, 4528)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 4528

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