Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.08.2018, Az. 27 W (pat) 57/16

27. Senat | REWIS RS 2018, 4984

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "441 Broadway/BROADWAY(Unionsmarke)" – Warenidentität – zur Kennzeichnungskraft – klangliche Zeichenähnlichkeit - unmittelbare Verwechslungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2013 005 915

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.] und die Richterin [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 9. August 2018

beschlossen:

Der Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 25, vom 8. September 2015 wird aufgehoben und die Löschung der angefochtenen Wortmarke 30 2013 005 915 – „441 [X.]“ angeordnet.

Gründe

I.

1

Gegen die am 26. August 2013 angemeldete, am 14. Oktober 2013 eingetragene und am 15. November 2013 für die Waren der

2

[X.]: Bekleidungsstücke; Kopfbedeckungen; Schuhwaren

3

veröffentlichte Wortmarke 30 2013 005 915

4

441 [X.]

5

hat die Widersprechende aus ihrer am 7. Juni 2012 eingetragenen Wortmarke [X.] 251

6

[X.]

7

eingetragen für die Waren und Dienstleistungen der

8

[X.]: Bekleidungsstücke; Kopfbedeckungen

9

Klasse 35: Einzelhandels-, Großhandels- und Versandhandelsdienstleistungen im Bereich Bekleidung, Kopfbedeckungen, Accessoires zur Bekleidung

Widerspruch erhoben, da zwischen den Marken [X.] bestehe, § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.].

Das [X.], Markenstelle für [X.], hat den Widerspruch mit Beschluss vom 8. September 2015 zurückgewiesen.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass die jüngere Marke den bei identischen Waren und leicht unterdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der maßgeblichen Wechselwirkung der Faktoren zum Ausschluss einer markenrechtlichen [X.] erforderlichen etwas überdurchschnittlichen Abstand in jeder Hinsicht einhalte.

Die Waren der jüngeren Marke der [X.] seien mit den Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke der Klassen 25 und 35 teils identisch und im Übrigen hochgradig ähnlich. Die Kennzeichnungskraft der [X.] „[X.]“ sei im Ergebnis als unterdurchschnittlich zu bewerten, da „[X.]“ bei der für die Bewertung von Marken maßgeblichen zu prognostizierenden unbefangenen, nicht analysierenden Betrachtung durch das angesprochene Publikum ohne weiteres auf die mehr als 20 km lange Hauptstraße in [X.], [X.], [X.] hinweise. Diese sei aufgrund ihrer zahlreichen Musicalbühnen und sonstigen Kultureinrichtungen von großer touristischer Bedeutung und auch beim [X.] Publikum bekannt. Auch wenn der Widerspruchsmarke nicht jegliche Kennzeichnungskraft abgesprochen werden könne, so sei diese jedoch geschwächt, da „[X.]“ als Bezeichnung einer sehr bekannten, urbanen Straße mit dem Flair von großer, weiter Welt und weltzugewandter künstlerischer Atmosphäre für Mode einen modernen, künstlerischen Anklang habe. Diese sei auch für die relevanten Waren nicht durch intensive Benutzung gestärkt, da die für die Geltendmachung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft darlegungs- und beibringungsbelastete Widersprechende dazu nichts vorgetragen habe.

Die gegenüberstehenden Wortmarken „441 [X.]“ und „[X.]“ seien weder klanglich, visuell noch begrifflich hinreichend ähnlich. In ihrer Gesamtheit unterschieden sich beide Zeichen schon wegen des am stets stärker beachteten Wortanfang stehenden Mehrbestandteils „441“ der jüngeren Marke. Eine Ähnlichkeit beider Marken im Gesamteindruck aufgrund Prägung scheitere schon daran, dass die jüngere Marke „441 [X.]“ nicht alleine durch „[X.]“ geprägt werde. Die angegriffene Marke sei eine gesamtbegriffliche Einheit einer bestimmten Hausnummer des [X.]s und werde entsprechend einheitlich wahrgenommen mit der Folge, dass der Bestandteil „[X.]“ nicht isoliert der älteren Marke gegenübergestellt werden könne. Dies sei entgegen der Auffassung der Widersprechenden auch nicht aufgrund selbstständig kennzeichnender Stellung des Elementes „[X.]“ innerhalb der jüngeren Marke möglich. Für die Annahme eines Serienkennzeichens sei nicht vorgetragen oder erkennbar.

Gegen diesen ihr am 17. September 2015 zugestellten Beschluss wendet sich die Widersprechende mit ihrer am 15. Oktober 2015 beim [X.] eingegangen Beschwerde.

Sie ist der Ansicht, dass zwischen den gegenüberstehenden Marken [X.] bestehe, einschließlich der Gefahr des gedanklichen Inverbindungbringens im Sinn des § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.].

Die Widerspruchsmarke verfüge jedenfalls über durchschnittliche Kennzeichnungskraft, da die Bezeichnung „[X.]“ entgegen der Auffassung der Markenstelle mit den beanspruchten Waren (d. h. für Mode im weiteren Sinn) nicht in Bezug stehe und auch keinen künstlerischen Anklang für die Waren vermittle. Zudem habe die Beschwerdeführerin in den letzten zweieinhalb Jahren 450 Kunden mit Bekleidungsstücken unter Verwendung der Widerspruchsmarke beliefert, u. a. [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], und einen Jahresumsatz von ca. [X.] erzielt, so dass sogar eine erhöhte Bekanntheit der Widerspruchsmarke angenommen werden könne.

Der durchschnittlich informierte Verbraucher von Bekleidungswaren würde die jüngere Marke zudem nicht „vierhunderteinundvierzig [X.]“ aussprechen, wie vom [X.] angenommen, sondern allenfalls „vier-vier-eins [X.]“. Wahrscheinlicher sei jedoch, dass er die Zahl ignoriere und nicht wiedergebe, da die Aufmerksamkeit auf den merkbaren Hauptbestandteil „[X.]“ ruhe. Die Zahl habe zudem keine Kennzeichnungskraft und die Angesprochenen sähen darin insbesondere keine Adressangabe. Der Verbraucher nehme die Marke so auf, wie sie ihm entgegentrete und mache sich somit keine Gedanken darüber, ob sie sich auf ein unbekanntes, nicht näher bestimmtes Haus auf dem [X.] beziehe. Aufgrund des [X.]en [X.]harakters der Zahl und dem leicht aussprechbaren und mit der Widerspruchsmarke identischen Bestandteil „[X.]“ besteht bereits nach der Prägetheorie hohe Ähnlichkeit zwischen den Marken und somit [X.]. Es müsse auf die selbständig kennzeichnende Stellung von „[X.]“ nicht unbedingt zurückgegriffen werden, auch wenn die Voraussetzungen dafür ebenso erfüllt seien. Entsprechend der Entscheidung des [X.] zu „[X.] / AKTI[X.]“ (Az.: [X.]/13) handle es sich um eine „Marke in einer Marke“ und das Publikum werde die Waren als von ein und demselben Unternehmen stammend ansehen.

Die Beschwerdeführerin (Widersprechende) beantragt,

den Beschluss des [X.]s, Markenstelle für [X.], vom 8. September 2015 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Wortmarke 30 2013 005 915 – „441 [X.]“ anzuordnen.

Die Beschwerdegegnerin (Inhaberin der angegriffenen Marke) hat sich weder im Widerspruchs- noch im Beschwerdeverfahren geäußert und ist auch in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Sie beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss, die Schriftsätze der Beschwerdeführerin und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg (§ 66 [X.]).

Zwischen den Vergleichsmarken besteht in Bezug auf die mit dem Widerspruch angegriffenen und damit beschwerdegegenständlichen Waren der Klassen 25 der angegriffenen Marke [X.] nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.], so dass der Beschluss der Markenstelle insoweit aufzuheben und auf den Widerspruch die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen war.

1.

Das Vorliegen einer unmittelbaren [X.] für das Publikum im Sinne des §§ 125b Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. [X.]H, Urteil vom 24. Juni 2010 – [X.]/09 P, [X.], 933 Rn. 32 – [X.]; Urteil vom 2. September 2010 – [X.]/09 P, [X.], 1098 Rn. 44 – [X.]/[X.]; [X.], Beschluss vom 1. Juni 2011 – [X.], [X.], 64 Rn. 9 – [X.]/[X.]; Urteil vom 9. Februar 2012 − [X.], [X.], 1040 Rn. 25 - [X.]/pure; Urteil vom 5. Dezember 2012 – [X.], [X.], 833 Rn. 30 – [X.]ulinaria/[X.]; Beschluss vom 14. Januar 2016 – I ZB 56/14, [X.], 382 Rn. 19 – [X.]; Beschluss vom 9. November 2017 – [X.], [X.], 79 Rn. 9 – [X.]/[X.] [X.]lub). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der relevanten Vergleichsprodukte (Waren und / oder Dienstleistungen), die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der [X.] (vgl. dazu [X.]H, Urteil vom 13. September 2007 – [X.], [X.], 343 Rn. 48 – [X.]/[X.]; [X.], a. a. [X.], Rn. 9 – [X.]/ [X.]; a. a. [X.] Rn. 25 – [X.]/pure). Darüber hinaus können sich für die Beurteilung der [X.] weitere Faktoren entscheidungserheblich auswirken, wie u. a. etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Kreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Kreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen (vgl. auch [X.] vom 24. April 2018 – 25 W (pat) 534/15, BeckRS 2018, 10425 – [X.] / ERMES 69).

Ob [X.] vorliegt bemisst sich im Wesentlichen nach dem Zusammenwirken der Faktoren Identität oder Ähnlichkeit der Waren bzw. Dienstleistungen, Kennzeichnungskraft der älteren Marke und Identität oder Ähnlichkeit der [X.]. Dabei stehen die genannten Faktoren in einem Verhältnis der Wechselwirkung, so dass ein geringerer Grad eines Faktors durch einen höheren Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann ([X.]H, Urteil vom 11. November 1997 – [X.]/95, [X.], 387, 389 Rn. 22 – Sabél/[X.]; Urteil vom 29. September 1998 – [X.]/97, [X.], 922, 923 Rn. 17 – [X.]; [X.], a. a. [X.], Rn. 25 – [X.]/pure; Urteil vom 2.  Februar 2012 − [X.], [X.] 2012, 930, 932 Rn. 22 – [X.]/[X.]/; a. a. [X.], Rn. 9 – [X.]/[X.]; Urteil vom 20. Januar 2011 – [X.], [X.], 824 Rn. 18 – [X.]; Urteil vom 29. Juli 2009 I ZR 102/07, [X.], 235 Rn. 35 – [X.]/AIDU).

2.

Zwischen der angegriffenen und der Widerspruchsmarke besteht bereits unmittelbare [X.] im Sinne des §§ 125b Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 1, [X.].

a)

Da [X.] nicht aufgeworfen sind, ist beim [X.] und bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken jeweils die [X.] zugrunde zu legen.

Waren bzw. Dienstleistungen sind ähnlich, wenn sie so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Kreise annehmen, dass die betroffenen Waren bzw. Dienstleistungen aus demselben oder ggf. aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren bzw. Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren bzw. Dienstleistungen kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere die Art der Waren bzw. Dienstleistungen, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren bzw. Dienstleistungen (grundlegend [X.]H, Urteil vom 29. September 1998 – [X.]/97, [X.], 922 Rn. 22-29 – [X.]; außerdem Urteil vom 11. Mai 2006 – [X.] 416/04 P, [X.], 582 Rn. 85 – [X.]; [X.], Beschluss vom 8. Oktober 1998 – [X.], [X.], 245 – [X.]; Urteil vom 5. Februar 2009 – [X.], [X.], 484 Rn. 25 – Metrobus). In die Beurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren bzw. Dienstleistungen regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt oder erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen ([X.], Urteil vom 19. April 2012 − [X.], [X.], 1145 Rn. 34 – [X.]; Beschluss vom 13. Dezember 2007 - [X.], [X.], 714 Rn. 32 – idw m. w. N.).

Bereits beim wörtlichen Vergleich der beanspruchten [X.] ist [X.] gegeben und dies gilt auch hinsichtlich „Schuhwaren“. Die angegriffene Marke beansprucht Dienstleistungen der [X.], nämlich „Bekleidungsstücke; Kopfbedeckungen; Schuhwaren“. Demgegenüber stehen die von der Widerspruchsmarke neben den Dienstleistungen in Klasse 35 beanspruchten Waren in [X.] „Bekleidungsstücke und Kopfbedeckungen“. Im Bereich der Bekleidung haben sich früher bestehende Unterschiede gegenüber Schuhwaren im Hinblick auf die Hersteller und die Vertriebswege weitgehend aufgelöst und auch bei den Produkten selbst gibt es zunehmende Überschneidungen im Hinblick auf die verarbeiteten Materialien und den [X.] der Waren (vgl. auch [X.], Beschluss vom 21. Juni 2018 – 25 W (pat) 39/17, BeckRS 2018, 17092, Rn. 22 [X.] / Walkie).

b)

Die identischen bzw. sich ergänzenden Abnehmerkreise der Waren der Klasse 25 der angegriffenen Marke, und der Klassen 25 und 35 der Widerspruchsmarke, setzen sich u. a. aus [X.] und Händlern von Bekleidung im durchschnittlichen Preissegment zusammen, die den Waren mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit begegnen, da es sich um allgemeine Verbrauchsgüter handelt, die regelmäßig im Alltag „gesehen und gekauft“ werden.

c)

Entgegen der Annahme der Markenstelle verfügt die Widerspruchsmarke ausgehend von der [X.] bereits über durchschnittliche Kennzeichnungskraft.

Hinsichtlich des Grades der Kennzeichnungskraft wird zwischen geringer / schwacher / unterdurchschnittlicher, normaler / durchschnittlicher und erhöhter / starker / überdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft unterschieden, die jeweils zu einem entsprechenden normalen, erweiterten oder eingeschränkten Schutzumfang führt (Thalmaier in [X.] [X.], Kur / v. [X.] / [X.], [X.]., 01.05.2018, [X.] § 14 Rn. 264-266 m. w. N.). Darüber hinaus kennt die Rechtsprechung noch die Grade der sehr hohen (weit überdurchschnittlichen) und sehr geringen (weit unterdurchschnittlichen) Kennzeichnungskraft ([X.], Urteil vom 5. Dezember 2012 – [X.] –, [X.], 833, Rn. 55 – [X.]ulinaria/[X.]). Ausgehend von der [X.] und damit zunächst zugrunde zu legender originärer Kennzeichnungskraft eines Zeichens kann durch ein Verhalten des Markeninhabers oder von [X.] eine nachträgliche Änderung eingetreten sein und daher die Kennzeichnungskraft eine Stärkung oder Schwächung erfahren haben. Dabei ist die Kennzeichnungskraft stets bezogen auf die konkreten Waren bzw. Dienstleistungen, für die die ältere Marke eingetragen ist, zu bestimmen ([X.], Urteil vom 5. Februar 2009 – [X.], [X.], 484 Rn. 83 – Metrobus; Urteil vom 30. Oktober 2003 – [X.], 235 (237) – [X.]; Urteil vom 29. April 2004 – [X.], [X.] 2004, 779 (781) – Zwilling/[X.]). So kann eine Marke für einzelne Waren bzw. Dienstleistungen über eine normale Kennzeichnungskraft verfügen, für andere aufgrund intensiver Benutzung gerade (nur) für diese aber über eine erhöhte Kennzeichnungskraft oder aber auch für einzelne Waren bzw. Dienstleistungen [X.] sein, etwa weil sie insoweit an eine beschreibende Angabe angelehnt ist (z. B. [X.], a. a. [X.], 82 f. – Metrobus).

Zur Feststellung der Bekanntheit durch intensive Benutzung sind im Einzelfall alle relevanten Umstände zu berücksichtigen. Dabei sind insbesondere der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, geographische Verbreitung und Dauer der Markenverwendung, die dafür aufgewendeten Werbemittel und die dadurch erreichte Bekanntheit in den beteiligten Kreisen von Bedeutung ([X.] Urteil vom 2. April 2009 – [X.], [X.], 672, 674 Rn. 21 – [X.]; Urteil vom 5. November 2008 – [X.], [X.], 766, 769 Rn. 30 – Stofffähnchen; Beschluss vom 3. April 2008 – [X.], [X.], 903, 904 Rn. 13 – [X.]; Urteil vom 20. September 2007 – [X.], [X.] 2007, 1071, 1072 Rn. 27 – [X.]). Im Allgemeinen lassen unter anderem Angaben über [X.] Schlüsse auf die Bekanntheit einer Marke zu ([X.] [X.], 833, 836 Rn. 41 – [X.]ulinaria/[X.]). Dabei vermag die erforderliche Bekanntheit nicht in jedem Fall ohne weiteres allein aus den erzielten Umsatzzahlen hergeleitet zu werden, da selbst umsatzstarke Marken wenig bekannt, wie andererseits Marken mit geringen Umsätzen weithin bekannt sein können (s. a. [X.], Beschluss vom 23. April 2008, 26 W (pat) 23/06 – [X.] Bierflasche; [X.], Beschluss vom 16. September 2009, 29 W (pat)15/09 – [X.]/Panther).

Bei Zugrunde legen dieser Grundsätze besitzt die Widerspruchsmarke jedenfalls durchschnittliche Kennzeichnungskraft.

Unstreitig bezeichnet die Widerspruchsmarke „[X.]“ eine Straße im [X.]er Stadtteil [X.].

Auch wenn Straßennamen grundsätzlich als freihaltebedürftige geographische Angaben in Betracht kommen (die Eintragung der Marke „[X.]" war früher auch bereits zurückgewiesen worden, [X.], Beschluss vom 1. Februar 1965 – 4 W (pat) 459/64 –, [X.]E 7, 53), verfügt die Widerspruchsmarke – auch bei einem ggf. verbleibenden beschreibenden Anklang – aufgrund ihres zwischenzeitlichen erreichten Umsatzes und ihre damit verbundene Bekanntheit bei dem angesprochen allgemeinen Publikum und auch Textilhändlern über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Denn ausweislich der eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin Herrn H… vom 3. August 2018 hat die die Beschwerdeführerin mit Bekleidung unter dem Label der Widerspruchsmarke in den letzten zweieinhalb Jahren in [X.] 450 Groß- und Vertriebskunden beliefert (u. a. [X.], [X.], [X.], [X.], [X.]) und einen Jahresumsatz mit Bekleidungsstücken unter Nutzung der Widerspruchsmarke von ca. [X.] erzielt. In Anbetracht eines Umsatz im Bekleidungsgewerbe von [X.] (Quelle: [X.], [X.], [X.] zur Lage der Modeindustrie) führt der Umsatz mit der Widerspruchsmarke zwar nicht zu einer erhöhten Bekanntheit der Marke. Da es sich bei den unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Bekleidungswaren allerdings um eher günstige bis mittelpreisige Artikel handelt, ist mit einem Umsatz von [X.] eine erhebliche Stückzahl verkauft worden. Zudem erreichen die Modeartikel unter der Widerspruchsmarke über die genannten Abnehmer (u. a. [X.], [X.], [X.], [X.], [X.]) eine erhebliche Anzahl von Bekleidungsgeschäften, Textilkaufhäusern (u. a. [X.], [X.]) und Einkaufsmärken (u. a. [X.], [X.], [X.]) und damit ein großes Publikum. Dies genügt, um der Widerspruchsmarke ihre durchschnittliche Kennzeichnungskraft aufgrund tatsächlicher umfassender Benutzung zu bestätigen.

d)

Den bei dieser Ausgangslage zu fordernden erhöhten Anforderungen an den [X.] hält die angegriffene Wortmarke „441 [X.]“ gegenüber [X.]n „[X.]“ nicht mehr ein.

aa)

Vor dem Hintergrund identischer Waren sowie einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hat die angegriffene Marke einen deutlichen Abstand einzuhalten, um nicht [X.] zu begründen (vgl. [X.], Urteil vom 5. März 2015 – [X.] –, [X.], 1004, Rn. 51 – [X.]/ISP; [X.], Beschluss vom 1. Juni 2011 – [X.] –, [X.], 64, Rn. 9 – [X.]/[X.]; [X.], Urteil vom 9. Februar 2012 – [X.] –, [X.], 1040, Rn. 25 – [X.]/pure; [X.], Urteil vom 5. Dezember 2012 – [X.] –, [X.], 833, Rn. 30 – [X.]ulinaria/[X.]).

Eine für das Vorliegen einer [X.] relevante Markenähnlichkeit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen, wobei es für die Annahme einer [X.] regelmäßig ausreicht, wenn zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken nur in einer dieser Kategorien ausreichende Übereinstimmungen festzustellen sind ([X.], Urteil vom 5. März 2015 – [X.] –, [X.], 1004, Rn. 22 – [X.]/ISP; [X.], a. a. [X.], Rn. 25 – REAL-[X.]hips; [X.], Urteil vom 20. Januar 2011 – [X.] –, [X.], 824, Rn. 25 f. – [X.]).

Dabei sind grundsätzlich die Vergleichsmarken als Ganzes gegenüberzustellen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen, da die Angesprochenen eine Marke so aufnehmen, wie sie ihnen entgegentritt, ohne sie einer analysierenden und zergliedernden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.], a. a. [X.], Rn. 45 – [X.]ulinaria/[X.]; [X.] in [X.] [X.], Kur / v. [X.] / [X.], [X.]., 01.05.2018, [X.] § 14 Rn. 354 m. w. N.).

Dies schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis des angesprochenen Publikums hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (vgl. [X.]H, Urteil vom 6. Oktober 2005 – [X.]-120/04 –, [X.], 1042 – [X.] LIFE; [X.], a. a. [X.], Rn. 45 – [X.]ulinaria/[X.]; [X.], Beschluss vom 11. Mai 2006 – [X.] –, [X.], 859, Rn. 18 – [X.]). Ob ein Markenbestandteil den von der Marke ausgehenden Gesamteindruck prägt, ist grundsätzlich allein anhand der Marke selbst zu bestimmen. Dies bedeutet, dass es nicht darauf ankommt, wie die jeweils andere Marke gestaltet ist. Etwas anderes gilt für den Fall, dass es sich bei der älteren Marke um eine einteilige Marke mit durch Benutzung gesteigerter Kennzeichnungskraft handelt. Wird diese Marke in eine jüngere Marke übernommen und dort mit einem weiteren Bestandteil kombiniert, spricht dies dafür, dass der von der jüngeren Marken ausgehende Gesamteindruck durch den Bestandteil geprägt wird, welcher der älteren (kennzeichnungsstarken) Marke entspricht ([X.], Urteil vom 5. Februar 2009 – [X.], [X.], 484 Rn. 34 – Metrobus; [X.], Urteil vom 19. Juli 2007 – [X.], [X.], 888 Rn. 24 – [X.]; [X.], Urteil vom 13. März 2003 – [X.], 880 (881) – [X.]ity Plus; [X.] in [X.] [X.], a. a. [X.], § 14 Rn. 426, 427).

Für den [X.] in klanglicher Hinsicht ist maßgeblich, wie das angesprochene Publikum die Marke, wenn sie diese in ihrer registrierten Form vor sich haben, mündlich wiedergeben werden ([X.], Beschluss vom 11. August 2009 – 24 W (pat) 82/08 –, [X.], 441 – pn printnet/PRINE[X.]T; [X.], Beschluss vom 1. Juni 2016 – 29 W (pat) 64/14 – Inselkind; [X.] in [X.] [X.], Kur / v. [X.] / [X.], [X.]., 01.05.2018, [X.] § 14 Rn. 377 m. w. N.).

bb)

Die sich gegenüberstehenden Wortmarken ähneln sich jedenfalls klanglich hinreichend, um eine unmittelbare [X.] zu begründen.

Zwar unterscheiden sich die [X.] „441 [X.]“ und „[X.]“ durch die der angegriffenen Marke hinzugefügte Zahl „441“. Dieser Unterschied allein vermag vorliegend aber eine relevante [X.] nicht zu verhindern. Denn die Zeichen stimmen ansonsten insbesondere in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht in den Bestandteilen „[X.]“ überein.

Beide Marken in ihrer Gesamtheit entsprechen sich in ihrem Wortbestandteil „[X.]“ und unterscheiden sich in dem am Anfang stehenden Mehrbestandteil „441“ der jüngeren Marke.

Begrifflich unterscheiden sich die Marken dadurch, dass die ältere Marke den „[X.]“ als Straße in ihrer Gesamtheit benennt und die jüngere Marke hingegen nur eine konkrete Hausnummer des [X.]s. Visuell wie auch klanglich nimmt der Angesprochene Unterschiede am Wortanfang zwar regelmäßig stärker wahr. Allerdings wird der Durchschnittsverbraucher wie auch der allgemeine Händler im [X.] dem [X.] zwischen den beiden Zeichen, der Zahl „441“, weder eigenständige Prägung noch einen begrifflichen Sinngehalt und nicht einmal große Bedeutung innerhalb des Zeichens zuerkennen (s. a. [X.], Urteil vom 27. Februar 2014 – [X.] –, juris Rn. 29 – 4711 [X.]/[X.] ADMIRABILIS).

Dabei ist zu beachten, dass sich das Publikum zwar üblicherweise an den unterscheidungskräftigen Elementen eines Zeichens orientiert ([X.], Beschluss vom 9. Juli 2015 – [X.] –, [X.], 283 Rn. 13 – [X.]/DSA DEUTS[X.]HE SPORTMANAGEMENT AKADEMIE). Welche Bedeutung die einzelnen [X.] für den Gesamteindruck haben, hängt allerdings maßgeblich davon ab, ob sie als Herkunftshinweis verstanden werden, d. h. ob die einzelnen [X.] nicht beschreibend sind und in welchem Verhältnis die einzelnen [X.] im Rahmen des [X.] zueinander stehen. Insoweit gilt, dass kennzeichnungsschwächeren Merkmalen neben kennzeichnungsstärkeren regelmäßig keine maßgebliche Bedeutung für den Gesamteindruck zukommt (vgl. [X.], Urteil vom 15. Juli 2010 – [X.], [X.] 2011, 148 Rn. 21 f. – [X.]; Urteil vom 26. Oktober 2006 – [X.] –, [X.], 235 Rn. 24 – Goldhase). [X.] beschreibende Bestandteile – demnach im Bereich der Bekleidung auch Zahlen, die nur als Angabe der Menge oder einer Serie oder einer Ausstattungsvariante oder einer Modellbezeichnung einer bestimmten Qualität oder als Bestellnummer wahrgenommen werden können – bleiben beim [X.] dann vollständig außer [X.] ([X.], Urteil vom 2. März 2017 – [X.] -, [X.] 2017, 914 Rn. 28 – [X.]/Medi[X.]o Apotheke).

Soweit Zahlen in einem Zeichen nicht eine herausstehende Stellung einnehmen, liegt es jedoch nicht selten nahe, dass diese vom angesprochenen Publikum nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft, sondern (zumindest auch) als Sachangaben wie z. B. als Angabe des Preises, der Menge, der Verpackungsgröße, einer Serie, einer Ausstattungsvariante, einer bestimmten Qualität, des Prüfzeichen, als Bestellnummer oder als Zeitangabe (insbesondere Jahreszahlen) etc. verstanden werden (Eichelberger in [X.] [X.], Kur / v. [X.] / [X.], [X.]., 01.05.2018, [X.] § 8 Rn. 261 m. w. N.). Insoweit kommt der jeweiligen Waren- oder Dienstleistungsbranche und den dortigen Verwendungsgewohnheiten im Einzelfall erhebliche Bedeutung zu ([X.], Urteil vom 2. Februar 2012 – [X.] –, [X.], 930 Rn. 35 – [X.]/[X.]).

Bei „441“ handelt es sich schon nicht um eine leicht merkfähige Zahl, wie etwa drei identisch Ziffern oder eine fortlaufende Ziffernfolge oder eine Premiumangabe, die das Publikum für die Wiedergabe der Marke für wichtig halten könnte. Vielmehr neigt das Publikum bereits generell zu Verkürzungen und wird daher eine Zahl, die ihm keine besondere Bedeutung hinsichtlich der Waren oder des Herstellers vermittelt, nicht erinnern und in der Wiedergabe weglassen. Da der Bestandteil „441“ in dem angegriffenen Zeichen auch keinen geläufigen Hinweis auf einen Hersteller darstellt, wird er bei der Gesamtbetrachtung hinter „[X.]“ zurücktreten oder vernachlässigt werden. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass dem hier angesprochen allgemeinen [X.] Publikum nicht durchweg geläufig ist, dass in [X.] – anders als in [X.] – bei der Anschrift die Hausnummern dem Straßennamen vorangestellt werden.

Das angesprochene allgemeine Publikum und auch Textilhändler werden dem Bestandteil „441“ in dem angegriffenen Zeichen daher keine Bedeutung beimessen und ihn so schon nicht als Markenunterschied zur Widerspruchsmarke wahrnehmen und jedenfalls nicht erinnern.

Nach alledem hat die Beschwerde der Widersprechenden Erfolg.

Im Hinblick auf die festgestellte Identität der sich gegenüberstehenden Waren, der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und die hochgradige klangliche Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden [X.] ist eine markenrechtlich relevante [X.] zu bejahen. Daher ist die angegriffene Marke „441 [X.]“ im beschwerdegegenständlichen Umfang zu löschen, so dass der angefochtene Beschluss der Markenstelle aufzuheben war.

4.

Zur Kostenauferlegung bestand kein Anlass, vgl. § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.].

5.

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 83 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 574 ZPO) liegen nicht vor, weil keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen und der Senat mit dieser Entscheidung nicht von Entscheidungen anderer Gerichte abweicht. Insbesondere liegt den in Bezug genommen Entscheidung kein anderer rechtlicher Maßstab, sondern allenfalls eine andere Tatsachenlage oder -bewertung zugrunde.

Meta

27 W (pat) 57/16

09.08.2018

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.08.2018, Az. 27 W (pat) 57/16 (REWIS RS 2018, 4984)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 4984

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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27 W (pat) 568/17 (Bundespatentgericht)


27 W (pat) 108/16 (Bundespatentgericht)


27 W (pat) 116/16 (Bundespatentgericht)


27 W (pat) 58/16 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "MEILENSTEIN (Wort-Bild-Marke)/Wellensteyn" – Warenidentität und -ähnlichkeit – zur Kennzeichnungskraft – klangliche Verwechslungsgefahr – …


27 W (pat) 506/17 (Bundespatentgericht)


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