Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.04.2014, Az. 8 AZR 429/12

8. Senat | REWIS RS 2014, 6155

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Wirksamkeit eines vom Landesarbeitsgericht protokollierten Teilvergleichs - Wirkungsverlust einer Anschlussberufung


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Teilurteil des [X.] vom 27. Februar 2012 - 7 [X.]/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 10. Januar 2012 - 7 [X.] 851/11 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Anschlussberufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 21. Juli 2011 - 32 [X.] 5429/11 - wegen Wirkungslosigkeit als unzulässig verworfen wird.

3. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zuletzt noch darum, ob der zwischen ihnen vor dem [X.] geschlossene „Teilvergleich“ (im Folgenden: Vergleich) vom 10. Januar 2012 wirksam ist - falls er es nicht ist, weiterhin über vermögenswirksame Leistungen als [X.] - und ob der Kläger eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG beanspruchen kann.

2

Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht seit März 2003. Im Dezember desselben Jahres war der Kläger mit gewerkschaftlicher Unterstützung zur Errichtung eines Betriebsrats an der Einladung zu einer Betriebsversammlung nach § 17 Abs. 3 BetrVG beteiligt. Seitdem hat die Beklagte dem Kläger gegenüber mehrere Kündigungen ausgesprochen. Nach jeweils erfolgreichen Kündigungsschutzklagen ist das Arbeitsverhältnis der Parteien bis jedenfalls 31. Dezember 2009 nicht aufgelöst worden.

3

Mit seiner Klage hat der Kläger von der [X.] zunächst [X.] (Gehalt, vermögenswirksame Leistungen und Sonderzahlungen) sowie eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG (die er in seinem Antrag als „Schadensersatz“ bezeichnet) verlangt. Das Arbeitsgericht hat die [X.], soweit fällig, im Wesentlichen zugesprochen (Gehalt und Sonderzahlungen), jedoch abgewiesen, soweit sie noch nicht fällig war bzw. wegen fehlender Kontoangabe (vermögenswirksame Leistungen). [X.] hat das Arbeitsgericht auch die auf § 15 Abs. 2 AGG gestützte Entschädigungsforderung. Beide Parteien haben bezüglich der [X.] im Umfang ihres Unterliegens Berufung eingelegt. Im Hinblick auf seine Entschädigungsforderung hat der Kläger [X.]berufung eingelegt.

4

Vor dem [X.] haben die Parteien in der Verhandlung vom 10. Januar 2012 einen Vergleich geschlossen, den sie als Teilvergleich bezeichneten. Mit diesem wurden die Forderungen zur [X.] geregelt. Weiter heißt es in diesem Vergleich auszugsweise:

        

„3.     

Mit diesem Vergleich ist die Berufung der [X.] ebenso erledigt wie die Berufung des Klägers. Erledigt sind auch die Rechtsstreite gleichen Rubrums vor dem Arbeitsgericht München - [X.].: 32 [X.] 9915/11 und 36 [X.] 18030/09.

        

4.    

Die Kosten der Berufung werden insoweit gegeneinander aufgehoben. Im erstinstanzlichen Verfahren verbleibt es insoweit bei der dortigen Kostenentscheidung.“

5

Im [X.] an die Protokollierung des Vergleichs haben die Parteien ihre Anträge bezüglich der [X.]berufung - einschließlich einer Klageerweiterung (statt erstinstanzlich geforderter 120.744,00 [X.] nunmehr eine Forderung von 528.000,00 [X.]) - gestellt. Das [X.] hat sodann über diese Anträge klageabweisend in der [X.]che entschieden.

6

Mit Schriftsätzen vom 17. Januar 2012 hat der Kläger den Vergleich vom 10. Januar 2012 gegenüber der [X.] wegen Irrtums angefochten und beim [X.] beantragt, die mündliche Verhandlung fortzusetzen. Zudem verlangte er wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) zunächst von der [X.] mit Schreiben vom 19. Januar 2012 eine Anpassung des Vergleichs - dahin gehend, dass die Kostenentscheidung nunmehr vom Gericht nach § 91a ZPO getroffen werden solle - und erklärte, nachdem die Beklagte nicht einwilligte, mit E-Mail vom 31. Januar 2012 und Schreiben vom 2. Februar 2012 gegenüber der [X.] den Rücktritt vom Vergleich.

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, alle Prozessbeteiligten und auch das [X.] seien davon ausgegangen, dass durch den [X.] eine [X.]chentscheidung über seine [X.]berufung nicht berührt werde. Erst nach [X.] und Verkündung des Urteils über die [X.]berufung habe er bemerkt, dass nach Auffassung des [X.] eine zulässig eingereichte [X.]berufung ihre Wirkung verliere, wenn die Parteien über die mit der [X.] verfolgten Ansprüche einen Vergleich geschlossen hätten ([X.] 14. Mai 1976 - 2 [X.] - [X.]E 28, 107). Der Vergleich vom 10. Januar 2012 sei nichtig bzw. unwirksam, ein Festhalten daran sei ihm nicht zumutbar. Er verfolge auch seine Anträge zur [X.] weiter, allerdings nach zwischenzeitlicher Abrechnung des Gehalts durch die Beklagte bis einschließlich 30. September 2012 nur noch in Höhe der vermögenswirksamen Leistungen. Jedenfalls sei der Vergleich im Kostenpunkt dahin gehend abzuändern, dass über die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a ZPO zu entscheiden sei.

8

Die weiterhin geforderte Entschädigung stehe ihm nach § 15 Abs. 2 AGG zu, weil die von der [X.] ausgesprochenen Kündigungen aus Gründen der Weltanschauung iSv. § 1 AGG erfolgt seien, nämlich um seine Initiativen zur Gründung eines Betriebsrats im Betrieb der [X.] in M, zur Durchsetzung von Tarifverträgen bei der [X.] und zur Werbung für Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen iSd. Art. 9 Abs. 3 GG zu be- und verhindern.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den in der Sitzung vor dem [X.] München am 10. Januar 2012 unter dem Geschäftszeichen - 7 [X.] 851/11 - protokollierten Vergleich nicht beendet oder erledigt wurde, und sodann die Beklagte zu verurteilen, an ihn vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 478,00 [X.] zu zahlen;

        

2.    

an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 528.000,00 [X.] und Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 12.000,00 [X.] seit dem jeweils ersten Kalendertag der Monate September 2008 bis einschließlich April 2012 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt festzustellen, dass die Berufung der [X.] und die Berufung des [X.] durch den Vergleich vom 10. Januar 2012 erledigt sind; im Übrigen hat sie Klageabweisung beantragt.

Das [X.] hat am 10. Januar 2012 (- 7 [X.] 851/11 -) - nach Abschluss des Vergleichs - die [X.]berufung des [X.] einschließlich der Klageerweiterung als zulässig aber unbegründet zurückgewiesen. Am 27. Februar 2012 (- 7 [X.] 97/12 -) hat es festgestellt, dass die Berufungen der [X.] und des [X.] gegen das Endurteil des [X.] vom 21. Juli 2011 - 32 [X.] 5429/11 - durch den Vergleich vom 10. Januar 2012 erledigt sind. In beiden Entscheidungen hat das [X.] jeweils die Revision für den Kläger zugelassen. Der [X.] hat die beiden vom Kläger angestrengten Revisionsverfahren - 8 [X.] - und - 8 [X.] - zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind nicht begründet. Der Vergleich vom 10. Jan[X.]r 2012 ist wirksam und hat den Rechtsstreit im Hinblick auf die Berufungen der Beklagten und des [X.] einschließlich der darauf bezogenen Kostentragungspflichten beendet. Die [X.]berufung des [X.] war daraufhin zu verwerfen.

I. Das [X.] ist der Auffassung, der Antrag des [X.] zur Unwirksamkeit des Vergleichs sei nicht begründet. Sein diesbezügliches Vorbringen zeige lediglich einen Irrtum über mittelbare Rechtsfolgen auf, der jedoch keine Anfechtung tragen könne. Auch ein Rücktritt des [X.] vom Vergleich wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage komme nicht in Betracht. Die [X.]berufung des [X.] einschließlich der [X.] sei zwar zulässig, auch angesichts des Vergleichs vom 10. Jan[X.]r 2012; sie sei jedoch unbegründet. Der Schutzbereich des [X.] sei nicht eröffnet, die vom Kläger vorgetragenen Umstände beträfen keinen der in § 1 [X.] genannten Gründe.

II. Diese Begründung hält nur zum Teil einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

1. Der Vergleich vom 10. Jan[X.]r 2012 ist wirksam und hat die Berufungen der Beklagten und des [X.] erledigt. Es ist daher nicht über die damit erledigten Forderungen des [X.] zur Annahmeverzugsvergütung (zuletzt noch vermögenswirksame Leistungen) zu entscheiden. Davon ist das [X.] zutreffend ausgegangen.

a) Wird die Wirksamkeit eines [X.]s angegriffen und damit seine den Prozess beendigende Wirkung in Frage gestellt, ist das Verfahren, in dem der [X.] geschlossen wurde, fortzusetzen ([X.]. [X.] 21. November 2013 - [X.] - Rn. 14; 15. Jan[X.]r 1985 - [X.] -; [X.] 11. Juli 2012 - 2 [X.] - Rn. 14 mwN; 5. August 1982 - 2 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 40, 17; [X.]/[X.] ZPO 30. Aufl. § 794 Rn. 15a; [X.]/[X.] 5. Aufl. § 794 ZPO Rn. 24; [X.]/[X.]/[X.] 34. Aufl. § 794 Rn. 36 ff.). Der Grund für die Verfahrensfortsetzung - statt Einleitung eines neuen Rechtsstreits - ist die verfahrensrechtliche Seite des [X.]s (vgl. näher im Hinblick auf die Doppelnatur des [X.]s: [X.] 20. März 2013 - [X.] - Rn. 14 mwN), nämlich die Frage, ob durch ihn die Rechtshängigkeit der Streitsache erloschen ist ([X.] 15. Jan[X.]r 1985 - [X.] - zu I 2 der Gründe). Wird der Vergleich als wirksam angesehen, so ist auszusprechen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist (vgl. nur [X.] 11. Juli 2012 - 2 [X.] - Rn. 14 mwN).

b) Der am 10. Jan[X.]r 2012 geschlossene [X.] der [X.]en hat den bei dem [X.] angefallenen Rechtsstreit bezüglich der Forderungen des [X.] auf Annahmeverzugsvergütung (Gehalt, vermögenswirksame Leistungen und Sonderzahlungen) - Berufungen der Beklagten und des [X.] - wirksam beendet.

[X.]) Nach dem Vergleichstext (Ziffer 3) sind die Berufung der Beklagten und die des [X.] erledigt. Dieser eindeutige Wortlaut bedarf keiner Auslegung. Die Beendigung beider Berufungen geht unmissverständlich daraus hervor.

[X.]) Der Vergleich ist rechtswirksam, die verfahrensrechtliche Wirkung der Prozessbeendigung hat Bestand.

(1) Ein rechtserheblicher Irrtum über die Vergleichsgrundlage (§ 779 Abs. 1 BGB, vgl. dazu [X.]. [X.] 20. März 2013 - [X.] - Rn. 17; [X.] 15. Dezember 1994 - 8 [X.] - Rn. 40) ist nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich. Ein Irrtum über die Vergleichsgrundlage lag bereits deshalb nicht vor, weil die Frage der Annahmeverzugsvergütung zwischen den [X.]en streitig und deshalb Gegenstand der Streitbeilegung war. Auch Anfechtungsgründe iSv. § 119 Abs. 2 BGB (Irrtum über wesentliche Eigenschaften) sind ersichtlich nicht gegeben.

(2) Der Kläger hat keinen Grund geltend gemacht, der ihn zur Anfechtung wegen Irrtums nach § 119 Abs. 1 BGB berechtigt.

(a) Wegen eines [X.] kann seine Willenserklärung nach § 119 Abs. 1 BGB anfechten, wer bei der Abgabe über deren Inhalt im Irrtum war und sie bei Kenntnis der [X.]chlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben hätte. Bei einem Inhaltsirrtum entspricht zwar der äußere Tatbestand dem Willen des Erklärenden, dieser irrt sich jedoch über die Bedeutung oder die Tragweite seiner Erklärung ([X.] 5. Juni 2008 - V [X.]/07 - Rn. 15, [X.]Z 177, 62). Bereits nach dem Wortlaut der Bestimmung („deren Inhalt“) kann ein Irrtum über die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung nur dann als Inhaltsirrtum zur Anfechtung der abgegebenen Willenserklärung berechtigen, wenn diese Rechtsfolgen selbst (ausdrücklich oder stillschweigend, [X.] 16. Febr[X.]r 1983 - 7 [X.] -) Inhalt der rechtsgeschäftlichen Erklärung sind (vgl. [X.] 10. Febr[X.]r 2004 - 9 [X.] - Rn. 43 mwN, [X.]E 109, 294). Nicht nach § 119 Abs. 1 BGB anfechtbar sind dagegen Erklärungen, die auf einem im Stadium der Willensbildung unterlaufenen Irrtum im Beweggrund - Motivirrtum - oder auf einer Fehlvorstellung über die Rechtsfolgen beruhen, die sich nicht aus dem Inhalt der Erklärung ergeben ([X.] 5. Juni 2008 - V [X.]/07 - Rn. 15, 19 f. mwN, [X.]O), sondern insbesondere kraft Gesetzes eintreten. Das ist der Fall, wenn ein Rechtsgeschäft außer der erstrebten Wirkung noch andere nicht erkannte oder nicht gewollte Nebenfolgen/Nebenwirkungen hervorbringt ([X.] 10. Febr[X.]r 2004 - 9 [X.] - [X.]O; vgl. 22. Mai 1990 - 3 [X.] -; [X.] 29. November 1996 - [X.] - zu II 1 der Gründe mwN, [X.]Z 134, 152; 15. Dezember 1994 - IX ZR 252/93 - zu II 2 c der Gründe; [X.]/[X.] 73. Aufl. § 119 BGB Rn. 15 f.).

(b) [X.] iSv. § 119 Abs. 1 BGB liegt nicht vor.

Die Wirksamkeit der [X.]berufung des [X.] war nicht Geschäftsgegenstand des [X.]s der [X.]en. Dieser Vergleich betraf nach seinem Inhalt die Berufung der Beklagten und die Berufung des [X.], also die Forderungen des [X.] im Hinblick auf Gehalt, vermögenswirksame Leistungen und Sonderzahlungen als Annahmeverzugsvergütung. Die nur im Wege der [X.]berufung verfolgten Ansprüche des [X.] auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 [X.] waren nicht erfasst. Darauf bezogen behauptet der Kläger auch nicht, der Inhalt seiner Erklärung stimme nicht mit dem verfolgten Zweck überein. Bei einer ggf. unzutreffenden oder - nach dem Vortrag des [X.]: unterlassenen - Würdigung der Wirkung des [X.]s auf die Anschließung des [X.] handelt es sich deshalb nicht um einen zur Anfechtung berechtigenden Inhaltsirrtum, sondern entweder um einen unbeachtlichen Motivirrtum und/oder um einem Irrtum über eine mittelbare Rechtsfolge, der ebenfalls nicht zur Vergleichsanfechtung nach § 119 BGB berechtigt (zum gleichen Ergebnis in vergleichbarer Sit[X.]tion: [X.] 22. Mai 1990 - 3 [X.] -).

(3) Nicht zu beanstanden ist, dass das [X.] im Ergebnis auch eine Berechtigung des [X.] zum Rücktritt vom Vergleich wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage verneint hat.

(a) Eine Beurteilung in der [X.]che war dem [X.] - entgegen der von ihm selbst diesbezüglich geäußerter Zweifel, die es aber letztlich dahinstehen ließ - nicht dadurch verwehrt, dass eine Überprüfung im Hinblick auf eine Störung der Geschäftsgrundlage nur in einem neuen - und nicht im fortgesetzten bisherigen - Rechtsstreit hätte erfolgen können.

([X.]) Zwar ist Rechtsfolge der Störung der Geschäftsgrundlage grundsätzlich die Anpassung des Vertrags - bzw. des Vergleichs, da die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage auch auf Vergleiche anzuwenden sind ([X.]/[X.] 73. Aufl. § 313 BGB Rn. 7, 64) - an die geänderten Verhältnisse, nicht dagegen dessen Auflösung (näher [X.] 30. September 2011 - V ZR 17/11 - Rn. 25, [X.]Z 191, 139; 5. Febr[X.]r 1986 - [X.] -; vgl. auch [X.] 28. Juni 2000 - 7 [X.] - [X.]E 95, 171). Eine solche Anpassung des Vergleichs berührt seinen rechtlichen Bestand und seine prozessbeendende Wirkung grundsätzlich nicht ([X.]. [X.] 5. Febr[X.]r 1986 - [X.] -). Es besteht die Möglichkeit, den [X.] gerichtlich durchzusetzen ([X.] 30. September 2011 - V ZR 17/11 - [X.]O), jedoch nicht durch Fortsetzung des durch den Vergleich erledigten Rechtsstreits ([X.] 5. Febr[X.]r 1986 - [X.] - mwN). Ausgangspunkt des Grundsatzes der vorrangigen Anpassung des Vergleichs bzw. der gerichtlichen Klärung des [X.]s in einem neuen Rechtsstreit ist der Gedanke, dass die Auflösung eines Vertrags tiefer in die Privatautonomie eingreift als dessen Anpassung ([X.] 30. September 2011 - V ZR 17/11 - Rn. 27, [X.]O).

Jedoch kann im Einzelfall eine Abweichung vom Grundsatz der vorrangigen Anpassung des Vergleichs wegen des objektiven Erklärungswerts des Prozessverhaltens der [X.]en angezeigt sein (vgl. [X.] 30. September 2011 - V ZR 17/11 - Rn. 27, [X.]Z 191, 139).

([X.]) Das ist hier der Fall. Die [X.]en haben durch ihre gegenläufigen Feststellungsanträge zu der Frage, ob ihre Berufungen durch den Vergleich vom 10. Jan[X.]r 2012 erledigt sind, sowie mit ihrem dazu erfolgten Vortrag - der sowohl zur Anfechtung als auch zur Frage einer Störung der Geschäftsgrundlage im Wesentlichen nicht den Inhalt des Vergleichs als solchen betrifft, sondern ausschließlich die Auswirkungen des [X.] auf die Wirksamkeit der [X.]berufung des [X.] -, gezeigt, dass es ihnen darauf bezogen um die einheitliche und abschließende Klärung des Bestands des Vergleichs geht. Das zeigen insbesondere die Ausführungen der [X.]en zu einer Vergleichsauslegung oder hilfsweise Anpassung des Vergleichs im Hinblick auf eine womöglich noch ausstehende gerichtliche Kostenentscheidung nach § 91a ZPO. Auch diesbezüglich ist der Vortrag im Ergebnis ausschließlich auf die Frage der Wirksamkeit der [X.]berufung des [X.] und damit auf die Fortsetzung des ursprünglichen Prozesses gerichtet. Jedenfalls dann, wenn - wie hier - in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit eines [X.]s nebeneinander sowohl die Vergleichsanfechtung als auch der Rücktritt vom Vergleich (vgl. auch [X.] 11. Juli 2012 - 2 [X.] - Rn. 14; zur diesbezüglichen Rechtsprechungsentwicklung des [X.] vgl. Reinfelder [X.], 62, 67) geltend gemacht worden sind und das Prozessverhalten der [X.]en zeigt, dass eine einheitliche Klärung des [X.]s des ursprünglichen Rechtsstreits einschließlich der Wirksamkeit des [X.]s erfolgen soll, ist im Rahmen der Fortsetzung des bisherigen Prozesses auch über die Frage einer Störung der Geschäftsgrundlage zu entscheiden.

(b) Die Beurteilung des [X.]s ist nicht zu beanstanden.

([X.]) Ob ein bestimmter Umstand Geschäftsgrundlage ist, unterliegt der tatrichterlichen Beurteilung, die für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend ist ([X.] 1. Febr[X.]r 2012 - [X.]/10 - Rn. 26 mwN; 8. Febr[X.]r 2006 - [X.] - Rn. 8 mwN). Diese Bindung entfällt nur dann, wenn das [X.] bei seiner Würdigung gegen Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat.

([X.]) Das [X.] hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 313 Abs. 2 BGB (Fehlen der Geschäftsgrundlage) verneint. Es hat ausgeführt, dem Kläger sei das Festhalten am Vergleich bereits deshalb nicht unzumutbar, weil er selbst durch sein prozess[X.]les Verhalten gezeigt habe, dass er den - lediglich mit der [X.]berufung weiterverfolgten - Ansprüchen nach § 15 Abs. 2 [X.] nicht dasselbe Gewicht beimesse wie den mit seiner Berufung verfolgten. Damit ist es davon ausgegangen, dass der mit der [X.]berufung verfolgte Entschädigungsanspruch die Geschäftsgrundlage des Vergleichs unberührt lässt, also bereits keine wesentliche Vorstellung dafür iSd. Voraussetzungen des § 313 Abs. 2 BGB sein kann. Es bleibt demnach ohne Auswirkung auf den [X.], ob eine diesbezügliche Vorstellung sich als falsch herausstellt.

(cc) Diese Ausführungen des [X.]s lassen keinen revisiblen Rechtsfehler erkennen. Der tatrichterliche Beurteilungsspielraum wurde nicht überschritten. Soweit der Kläger (ohne tiefere Begründung) anführt, das [X.] verkenne die Rechtsnatur einer [X.]berufung, die vertretene Auffassung finde im Gesetz keine Stütze und stehe im Widerspruch zur Gleichwertigkeit der Anträge aus einem [X.] und einer Anschließung, verkennt er, dass das [X.] nicht eine unterschiedliche Wertigkeit von Anträgen gemeint hat, sondern die prozess[X.]le Abhängigkeit des - unselbständigen - [X.]rechtsmittels vom [X.]. Im Weiteren stellt der Kläger der Beurteilung des [X.]s lediglich seine eigene Sicht der Dinge („Bedeutung des Vergleichs für den Kläger“) entgegen.

2. Die [X.]berufung des [X.] war zu verwerfen. Sie ist wegen ihrer Akzessorietät nach der durch [X.] erfolgten Erledigung der beiderseitigen Berufungen wirkungslos geworden. Darüber, ob das [X.] die materiell-rechtliche Rechtslage (§ 15 Abs. 2 [X.]) zutreffend beurteilt hat, ist demzufolge nicht zu entscheiden.

a) Die [X.]berufung des [X.] war bei ihrer Einlegung nach den Vorgaben des § 524 ZPO zulässig.

[X.]) Nach § 524 Abs. 2 [X.]tz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 [X.]tz 1 ArbGG kann eine [X.]berufung bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung zulässig eingelegt werden. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren wird zwar - anders als nach § 521 Abs. 2 [X.]tz 1 ZPO - dem Berufungsbeklagten vom Gericht keine Frist zur Berufungserwiderung „gesetzt“; vielmehr gilt für die [X.] die durch § 66 Abs. 1 [X.]tz 3 ArbGG bestimmte gesetzliche Frist von einem Monat. Gleichwohl ist § 524 Abs. 2 [X.]tz 2 ZPO gemäß § 64 Abs. 6 [X.]tz 1 ArbGG im Berufungsverfahren vor den [X.]en entsprechend anwendbar. Eine [X.]berufung, die nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der Berufungsbegründung - bei Verlängerung der [X.]sfrist nach § 66 Abs. 1 [X.]tz 5 ArbGG innerhalb der dann geltenden Frist - eingeht, ist entsprechend § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen ([X.] 12. November 2013 - 3 [X.] - Rn. 69; 24. Mai 2012 - 2 [X.] - Rn. 12 mwN).

[X.]) Nach diesen Vorgaben war die [X.]berufung des [X.] bei ihrer Einlegung wirksam. Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde sowohl ihm als auch der Beklagten am 17. August 2011 zugestellt. Dagegen wendete sich der Kläger mit seiner am 19. September 2011 (Montag) eingelegten Berufung, die Beklagte mit ihrer ebenfalls am 19. September 2011 eingelegten Berufung. Die Berufungsbegründung der Beklagten vom 4. Oktober 2011, eingegangen beim [X.] am 5. Oktober 2011, wurde dem Kläger am 7. Oktober 2011 mit einer Belehrung gemäß § 66 Abs. 1 [X.]tz 3 ArbGG zugestellt. Am 7. November 2011 beantragte der Kläger die Verlängerung der in § 66 Abs. 1 [X.]tz 3 ArbGG bestimmten einmonatigen [X.]sfrist auf den 7. Dezember 2011, die antragsgemäß erfolgte. An die Berufung der Beklagten schloss sich der Kläger mit seiner am 7. Dezember 2011 eingelegten und begründeten [X.]berufung unter [X.] und Änderung der Berechnungsgrundlage an.

b) Mit Abschluss des wirksamen Vergleichs vom 10. Jan[X.]r 2012 verlor die Anschließung des [X.] - einschließlich der damit verbundenen [X.] - ihre Wirkung.

[X.]) Eine Anschließung wie die [X.]berufung ist auch nach der Reform des Zivilprozessrechts kein eigenes Rechtsmittel, sondern (lediglich) ein auch angriffsweise wirkender Antrag innerhalb des fremden Rechtsmittels ([X.]., jeweils mwN, [X.] 24. Oktober 2007 - IV ZR 12/07 - Rn. 12; 25. September 2007 - [X.]/06 - Rn. 11, [X.]Z 173, 374; 26. Jan[X.]r 2005 - XII ZB 163/04 - zu II 3 der Gründe; 11. März 1981 - [X.] - [X.]Z 80, 146). Sie ist nach § 524 Abs. 4 ZPO prozess[X.]l insgesamt von der [X.] abhängig ([X.] 24. Oktober 2007 - IV ZR 12/07 - mwN). Aus dieser Rechtsnatur der Anschließung folgt entgegen der Auffassung des [X.]s, dass eine [X.]berufung dann ihre Wirkung verliert, wenn eine Abänderung des angefochtenen Urteils zum Nachteil des Berufungsbeklagten und [X.] nicht mehr möglich ist ([X.] 22. Mai 1984 - III ZB 9/84 -; Musielak/[X.] ZPO 10. Aufl. § 524 Rn. 29; [X.]/[X.] 5. Aufl. § 524 ZPO Rn. 29 f.). Damit wird die Anschließung - auch wenn dies nicht wortwörtlich aus § 524 Abs. 4 ZPO hervorgeht - auch dann wirkungslos, wenn der Streitgegenstand, auf den sich die [X.] bietende Berufung beschränkt, durch einen Vergleich erledigt wird, der keinen Raum mehr für eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO lässt ([X.] 22. Mai 1984 - III ZB 9/84 -; [X.] 14. Mai 1976 - 2 [X.] - [X.]E 28, 107; Musielak/[X.] [X.]O; [X.]/[X.] ZPO 30. Aufl. § 524 Rn. 27).

[X.]) Vorliegend war nach [X.] keine Anschließung mehr möglich.

(1) Durch den Vergleich vom 10. Jan[X.]r 2012 wurde, wie bereits ausgeführt (oben Rn. 15, 17 ff.), der [X.] der Berufungen der [X.]en ausdrücklich erledigt und schied damit als Anschließungsgegenstand aus.

(2) Im Vergleich vom 10. Jan[X.]r 2012 ist zudem eine Kostenregelung der [X.]en getroffen worden. Für eine Entscheidung des Gerichts nach § 91a ZPO über die Kosten war deshalb bezüglich der Berufungen der Beklagten und des [X.] kein Raum mehr. Damit war auch insoweit kein Anschließungsgegenstand mehr vorhanden.

(a) Durch eine Einigung (§ 98 ZPO) entziehen die [X.]en dem Gericht die Befugnis zur Entscheidung über die Kosten. Es darf nur eine Entscheidung über die Kosten ergehen, wenn die [X.]en sich nicht darüber verglichen haben ([X.]/[X.] 5. Aufl. § 98 ZPO Rn. 1, 4).

(b) Im Vergleich vom 10. Jan[X.]r 2012 haben die [X.]en nach Erledigung der beiden Berufungen (Ziffer 3 des Vergleichs) in Ziffer 4 des Vergleichs eine eigenständige und im Übrigen übliche Regelung der Kostentragung getroffen. Bereits die Worte „werden“ (in [X.]tz 1) und „verbleibt es“ (in [X.]tz 2) lassen keinerlei Raum für eine gerichtliche Kostenentscheidung. Damit im Einklang hat das [X.] in seinem Urteil vom 10. Jan[X.]r 2012 - 7 [X.] 851/11 - eine den Streitgegenstand des Vergleichs mitberücksichtigende Kostenentscheidung nicht getroffen. Es hat im Tenor ausdrücklich die [X.]berufung „kostenpflichtig“ zurückgewiesen und in der Begründung ausgeführt, der Kläger habe „als unterlegene [X.]“ die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen. Dabei hat es sich ausdrücklich und zutreffend auf § 97 Abs. 1 ZPO und nur auf seine Entscheidung über die [X.]berufung bezogen.

c) Wird in dieser Sit[X.]tion die (unselbständige) [X.]berufung aufrechterhalten, ist sie zu verwerfen ([X.] 22. Mai 1984 - III ZB 9/84 -; [X.] 14. Mai 1976 - 2 [X.] - [X.]E 28, 107; [X.]/[X.] ZPO 30. Aufl. § 524 Rn. 27). Insoweit ist ohne Auswirkung auf den Bestand des Berufungsurteils dessen rechtskraftfähiger Inhalt klarzustellen.

III. [X.] beruht auf § 97 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

    Winter    

        

        

        

    R. Kandler    

        

  F. [X.]    

                 

Meta

8 AZR 429/12

24.04.2014

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 21. Juli 2011, Az: 32 Ca 5429/11, Urteil

§ 119 Abs 1 BGB, § 313 Abs 2 BGB, § 15 Abs 2 AGG, § 524 Abs 2 S 2 ZPO, § 64 Abs 6 S 1 ArbGG, § 66 Abs 1 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.04.2014, Az. 8 AZR 429/12 (REWIS RS 2014, 6155)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6155

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 AZR 308/20 (Bundesarbeitsgericht)

Kündigungsschutzklage - Wirksamkeitsfiktion - Verwirkung


5 AZR 101/19 (Bundesarbeitsgericht)

Auslegung eines Prozessvergleich - Abrechnung eines Arbeitsverhältnisses


2 AZR 124/11 (Bundesarbeitsgericht)

Betriebsbedingte Kündigung - Wegfall einer Hierarchieebene - Anschlussberufung


1 ABR 45/13 (Bundesarbeitsgericht)

Personalgestellung - Mitbestimmung des Betriebsrats


1 StR 138/21 (Bundesgerichtshof)

Betrug durch Scheinbewerbung zum Zwecke der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen wegen Diskriminierung: Konkludente Täuschung durch irreführendes …


Referenzen
Wird zitiert von

11 Ca 7455/14

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.