Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.11.2020, Az. XI ZB 1/19

11. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1209

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Gegenstand

Voraussetzungen der Musterfeststellungsklage eines Verbraucherschutzverbandes: Berechnung der Mitgliederzahl; Vorlage von anonymisierten Mitgliederlisten; Wahrnehmung von Verbraucherinteressen weitgehend durch nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeit


Leitsatz

Zu den Anforderungen, die nach § 607 Abs. 2 i.V.m. § 606 Abs. 2 Satz 1 ZPO für die öffentliche Bekanntmachung einer Musterfeststellungsklage erfüllt sein müssen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des [X.] gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des [X.] vom 12. Dezember 2018 wird auf seine Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der [X.] auch die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt.

Der Gegenstandswert beträgt 12.500 €.

Gründe

I.

1

Der [X.], ein seit dem [X.] als qualifizierte Einrichtung in die Liste nach § 4 [X.] eingetragener Verbraucherschutzverband, begehrt die öffentliche Bekanntmachung einer Musterfeststellungsklage im Klageregister mit dem Ziel, festzustellen, dass Pflichtangaben in [X.], die die [X.] mit Verbrauchern zum Zweck der Finanzierung von Kraftfahrzeug-Kaufverträgen abgeschlossen hat, den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprächen, dass aus diesem Grund die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen habe und dass im Fall eines wirksamen Widerrufs bei der Rückabwicklung des Darlehensvertrages kein Ersatz für Wertverluste des Kraftfahrzeugs zu leisten sei. In der Satzung des [X.]s heißt es u.a.:

"§ 3

Zweck des Vereins

                 
        

Zweck des Vereins ist der Schutz der Verbraucher vor unredlichen Finanzdienstleistern. Dieser Zweck wird vornehmlich durch Aufklärung und Beratung von Verbrauchern wahrgenommen. Die Aufklärung und Beratung der Verbraucher erfolgt durch die Verbreitung von Schriften, durch Vorträge und Versammlungen und durch Einrichtungen von Beratungsstellen.

                 
        

Der Verein klärt die Verbraucher insbesondere über die Marktlage, die Qualität und Preiswürdigkeit der auf dem Markt angebotenen Finanzdienstleistungen auf. Er schützt die Verbraucher vor Übervorteilung und warnt vor irreführenden Angaben in der Werbung.

                 
        

Es wird keine Rechtsberatung durchgeführt.

                 
        

[…]     

                 

§ 5

Vereinstätigkeit

                 
        

Der Verein führt Mitgliedertreffen und -veranstaltungen durch. Außerdem strebt er die Verwirklichung des Vereinszwecks dadurch an, dass er

                 
        

[…]     

                 
        

3. 

gegen Regelungen vorgeht, die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sind und der zugunsten der Verbraucher bestehenden Rechtslage wi[X.]prechen

                     
        

4. 

 gegen Verhaltensweisen von Finanzdienstleistern vorgeht, die der zugunsten der Verbraucher bestehenden Rechtslage wi[X.]prechen

                     
        

5. 

bei Bedarf auch gerichtliche Hilfe bei der Durchsetzung von Maßnahmen nach Ziffer 3 und 4 in Anspruch nimmt."

2

Nach § 6 der Satzung kann beim [X.] eine Vollmitgliedschaft oder eine sogenannte Internetmitgliedschaft beantragt werden. Internetmitglieder des [X.]s sind nicht stimmberechtigt.

3

Der [X.] hat mit der Klageschrift eine mit "Mitgliederliste komplett" überschriebene Liste mit den Spalten "Vorname", "Nachname", "PLZ" und "Ort" vorgelegt, die 377 Eintragungen enthält. In einer ebenfalls mit der Klageschrift vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des 1. Vorsitzenden des [X.]s heißt es, dass in der Mitgliederliste sämtliche Mitglieder zum 30. Oktober 2018 angegeben seien.

4

Auf Hinweis des [X.] hat der [X.] vorgetragen, er habe derzeit 180 Vollmitglieder und 206 nicht stimmberechtigte Internetmitglieder. Zu zwei weiter vorgelegten anonymisierten Mitgliederlisten hat er erklärt, dass er keine Erlaubnis erteile, diese Listen der [X.]n oder ihren Prozessbevollmächtigten zugänglich zu machen.

5

Das [X.] hat die öffentliche Bekanntmachung der Musterfeststellungsklage mit Beschluss vom 12. Dezember 2018 abgelehnt. Der [X.] verfolgt mit seiner vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde sein Begehren weiter, die Musterfeststellungsklage im Klageregister öffentlich bekannt zu machen.

II.

6

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

7

1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ([X.], [X.], 294) Folgendes ausgeführt:

8

Der [X.] habe nicht gemäß § 606 Abs. 2 Satz 1 ZPO dargelegt und nachgewiesen, dass er die Voraussetzungen einer qualifizierten Einrichtung im Sinne des § 606 Abs. 1 Satz 2 ZPO erfülle, so dass die Musterfeststellungsklage nicht gemäß § 607 Abs. 2 ZPO öffentlich bekannt zu machen sei.

9

Der [X.] habe nicht nachgewiesen, dass er über die nach § 606 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mitgliederzahl von mindestens 350 natürlichen Personen verfüge. Die vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Vereinsvorsitzenden und die Tabelle mit 377 Eintragungen ließen eine Identifikation der Mitglieder nicht zu. In der Liste fehlten teilweise Eintragungen in den Spalten "PLZ" und "Ort", in der Spalte "Nachname" sei jeweils lediglich ein Großbuchstabe angegeben und bei drei Eintragungen passe die angegebene [X.] nicht zum angegebenen Ort. Die vom [X.] vorgelegten anonymisierten weiteren zwei Listen wiesen 357 bzw. 358 Mitglieder aus und nicht wie vom [X.] schriftsätzlich vorgetragen 386 Mitglieder. Vor dem Hintergrund dieser Wi[X.]prüche und Unzulänglichkeiten müsse die Identität der Mitglieder des [X.]s und deren tatsächliche Mitgliedschaft überprüft werden können, was anhand von anonymisierten Mitgliederlisten nicht möglich sei. Die beiden nachgereichten anonymisierten Listen könnten ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs der [X.]n nicht als Nachweis verwendet werden, weil der [X.] einer Zugänglichmachung dieser Listen an die [X.] wi[X.]prochen habe. Die vom [X.] weiter zum Beleg der erforderlichen Mitgliederzahl angebotenen Nachweise seien ungeeignet.

Der [X.] habe außerdem nicht belegt, dass er gemäß § 606 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO in Erfüllung seiner satzungsmäßigen Aufgaben Verbraucherinteressen weitgehend durch nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeiten wahrnehme. Die gerichtliche Geltendmachung von Verbraucherinteressen, zu der auch Abmahnungen und Klagen nach dem Unterlassungsklagengesetz gehörten, dürfe nicht den Schwerpunkt der Tätigkeit ausmachen. Auf der Grundlage des Vortrags des [X.]s könne nicht festgestellt werden, dass seine aufklärende und beratende Tätigkeit die mit der gerichtlichen Geltendmachung von Verbraucherinteressen verbundene Tätigkeit überwiege. Konkreter Vortrag zum Umfang und dem Aufwand dieser Tätigkeiten fehle. Angesichts der Einnahmen des [X.]s im Jahr 2017 (540.687,53 €) und dem ersten Halbjahr 2018 (584.908,15 €) erscheine es jedenfalls nicht fernliegend, dass die gerichtlichen Tätigkeiten des [X.]s nicht von untergeordneter Bedeutung seien.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand, so dass die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen ist.

a) Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 119 Abs. 3 Satz 1 [X.], § 607 Abs. 1 und 2, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO; vgl. [X.], Beschluss vom 30. Juli 2019 - [X.]/18, [X.], 1900 Rn. 7; [X.], Musterfeststellungsklage, 2. Aufl., § 607 Rn. 12) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO).

b) Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, weil das [X.] die öffentliche Bekanntmachung der Musterfeststellungsklage im Klageregister im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat.

Die öffentliche Bekanntmachung einer Musterfeststellungsklage ist durch Beschluss abzulehnen, wenn die Klageschrift die nach § 607 Abs. 2 i.V.m. § 606 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorgeschriebenen Anforderungen nicht erfüllt (zur Ablehnung der öffentlichen Bekanntmachung einzelner [X.] durch Beschluss [X.], Beschluss vom 30. Juli 2019 - [X.]/18, [X.], 1900; vgl. auch [X.], Musterfeststellungsklage, 2. Aufl., § 607 Rn. 10; [X.] ZPO/[X.], 38. Edition, Stand 01.09.2020, § 607 Rn. 14; Musielak/[X.]/[X.], ZPO, 17. Aufl., § 607 Rn. 4). Nach § 606 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO muss die Klageschrift Angaben und Nachweise dazu enthalten, dass die in Absatz 1 Satz 2 dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen vorliegen. Danach muss der [X.] unter anderem mindestens zehn Verbände, die im gleichen Aufgabenbereich tätig sind, oder mindestens 350 natürliche Personen als Mitglieder haben (§ 606 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO) und in Erfüllung seiner satzungsmäßigen Aufgaben Verbraucherinteressen weitgehend durch nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeiten wahrnehmen (§ 606 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO). Zu diesen beiden Punkten hat der [X.] nicht schlüssig vorgetragen.

Nach § 606 Abs. 2 Satz 1 ZPO muss die Klageschrift Angaben und Nachweise "enthalten". Das heißt im Kontext mit der nach § 607 Abs. 2 ZPO zu treffenden Entscheidung über die öffentliche Bekanntmachung der Klage, dass der Klageschrift Angaben und Nachweise zu den Voraussetzungen nach § 606 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 ZPO und zu der Glaubhaftmachung der Betroffenheit von mindestens zehn Verbrauchern nach § 606 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 ZPO (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 30. Juli 2019 - [X.]/18, [X.], 1900 Rn. 8, 11 ff.) beigefügt sein müssen (BT-Drucks. 19/2439, S. 24; BT-Drucks. 19/2710, [X.]; [X.], Musterfeststellungsklage, 2. Aufl., § 607 Rn. 7; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], Musterfeststellungsklage, § 4 Rn. 32), die geeignet sind, das Vorliegen dieser Voraussetzungen auszufüllen (vgl. [X.]/[X.] aaO; [X.]/[X.], [X.], 323, 328). Diesen Anforderungen genügen die vom [X.] gemachten Angaben nicht.

aa) Der [X.] hat nicht schlüssig vorgetragen, dass er mindestens 350 natürliche Personen als Mitglieder hat (§ 606 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO).

Auf den Hinweis des [X.] hat der [X.] zuletzt vorgetragen, er habe derzeit "180 Vollmitglieder" und 206 nicht stimmberechtigte "Internetmitglieder". Auf der Grundlage dieses Vortrags verfügt der [X.] nur über 180 Mitglieder im Sinne des § 606 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO, weil die weiteren, nach seinem Vortrag bestehenden 206 Internetmitglieder wegen ihres fehlenden Stimmrechts nicht mitzuzählen sind.

Zu den Mitgliedern nach § 606 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO gehören nur solche Verbände und natürliche Personen, die kraft der ihnen organschaftlich zustehenden Rechte in relevanter Weise auf das Verhalten und die Geschicke des Vereins Einfluss nehmen können (vgl. [X.], [X.], 1055 Rn. 49, bestätigt durch Senatsurteil vom 17. November 2020 - [X.], [X.]; [X.]/[X.], 6. Aufl., § 606 Rn. 6; [X.], [X.], 1507, 1514). Die Möglichkeit, in dieser Weise Einfluss zu nehmen, setzt ein Stimmrecht auf den Versammlungen des Vereins voraus. Da die Internetmitglieder des [X.]s kein Stimmrecht haben, sind sie bei der Berechnung der Mitgliederzahl nach § 606 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO nicht mitzuzählen (vgl. [X.] aaO Rn. 47; aA [X.], Musterfeststellungsklage, 2. Aufl., § 606 Rn. 35; [X.]., [X.], 301, 302; [X.], [X.], 283, 294; [X.]/[X.], [X.], 323, 324; [X.] ZPO/[X.], 38. Edition, Stand 01.09.2020, § 606 Rn. 33; [X.] in Musielak/[X.], ZPO, 17. Aufl., § 606 Rn. 7). Das den [X.] nach der Satzung des [X.]s (vgl. § 7 Nr. 1 und § 10 Nr. 3) zustehende Recht auf Teilnahme an Mitgliederversammlungen und das Recht zur Mitwirkung an der Einberufung von Mitgliederversammlungen reicht - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - nicht aus, um auf das Verhalten und die Geschicke des Vereins in relevanter Weise Einfluss nehmen zu können.

Ein solches Verständnis des Mitgliedschaftsbegriffs weicht zwar vom vereinsrechtlichen Begriff der Mitgliedschaft ab, nach dem die Satzung abgestufte Mitgliedschaften bestimmen kann, die mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten ausgestaltet sind (vgl. [X.], [X.], 143, 151), und für deren Vorliegen das Recht auf Teilnahme an Mitgliederversammlungen und das Recht zur Mitwirkung an der Einberufung solcher nach § 37 BGB grundsätzlich ausreicht (vgl. [X.] aaO; [X.]/[X.], BGB, 79. Aufl., § 38 Rn. 2). An den Begriff des Mitglieds im Sinne des § 606 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO sind wegen des vom Gesetzgeber mit den besonderen Tatbestandsmerkmalen der Klagebefugnis bei Musterfeststellungsverfahren verbundenen Zwecks aber höhere Anforderungen zu stellen. Durch die Beschränkung der Klagebefugnis auf beson[X.] qualifizierte Einrichtungen soll sichergestellt werden, dass [X.] nur im Interesse betroffener Verbraucher und von Organisationen erhoben werden können, welche aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung und keine Anhaltspunkte für Missbrauch bieten (BT-Drucks. 19/2439, [X.]). Außerdem soll verhindert werden, dass sich Einrichtungen aus verbraucherschutzfremden Motiven gründen, nur um für einen bestimmten Einzelfall kurzfristig die Klagebefugnis zu erlangen (BT-Drucks. aaO). Vor diesem Hintergrund müssen Mitglieder im Sinne des § 606 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO die Möglichkeit haben, dafür zu sorgen, dass [X.] nicht aus verbraucherschutzfremden Motiven erhoben werden und dass der Verband in zeitlicher Hinsicht eine gewisse Stabilität aufweist (vgl. [X.], [X.], 1055 Rn. 50). Das setzt wiederum eine gewisse Anzahl - die mit mindestens 350 gesetzlich vorgegeben ist - an Vereinsmitgliedern voraus, deren Willensbildung in den Versammlungen für eine fortlaufend sachgerechte an Verbraucherinteressen orientierte Aufgabenerfüllung des [X.] trägt. Eine solche vom Vereinszweck getragene Willensbildung ist nach Sinn und Zweck des § 606 Abs. 1 Satz 2 ZPO nur möglich, wenn die nach Nr. 1 dieser Vorschrift vorgeschriebenen 350 Mitgliedschaften mit einem Stimmrecht ausgestaltet sind. Das ist beim [X.] nach seinem zuletzt gehaltenen Vortrag nur bei 180 und nicht bei mindestens 350 Vereinsmitgliedern der Fall.

bb) Darüber hinaus hat der [X.] durch die Vorlage von anonymisierten Mitgliederlisten die Voraussetzungen des § 606 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO grundsätzlich nicht dargetan.

Wie der [X.] (vgl. Urteil vom 18. Oktober 1995 - [X.], [X.]Z 131, 90, 92 ff.) zu der Voraussetzung der Klagebefugnis zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG in der bis zum 19. August 1997 geltenden Fassung (nachfolgend: [X.]) bereits entschieden hat, genügt ein klagender Verband mit der auf eine anonymisierte Mitgliederliste gestützten Behauptung, er verfüge über die gesetzlich vorgeschriebene Mitgliederanzahl, nicht den an eine ordnungsgemäße Darlegung gestellten Anforderungen. Das gilt - wie das [X.] zutreffend annimmt - auch für die in § 606 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO geregelte Voraussetzung der Klagebefugnis für [X.] (vgl. [X.] in Musielak/[X.], ZPO, 17. Aufl., § 606 Rn. 7; [X.] ZPO/[X.], 38. Edition, Stand 01.09.2020, § 606 Rn. 46a; aA [X.]/[X.], [X.], 323, 329), die als Prozessvoraussetzung vom Gericht von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. [X.], Musterfeststellungsklage, 2. Aufl., § 606 Rn. 48; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], Musterfeststellungsklage, § 4 Rn. 33; [X.]/[X.], aaO, 328).

Eine solche Prüfung ist dem Gericht, wenn der [X.] die Identität seiner Mitglieder nicht offenlegt, nicht möglich. Das Gericht kann anhand einer anonymisierten Mitgliederliste nicht überprüfen, ob die in der Liste nicht identifizierbaren Personen tatsächlich Mitglieder des Vereins sind, so dass es auch die Anzahl der tatsächlichen Vereinsmitglieder nicht feststellen kann.

Zudem ist es der beklagten [X.], welche die Darstellung der Angaben eines Verbandes zu seiner Mitglie[X.]truktur, wie hier, als nicht überprüfbar in Zweifel zieht, nicht zuzumuten, ohne die Bekanntgabe der Namen der Mitglieder des klagenden Verbandes von der Richtigkeit der Darstellung der [X.] auszugehen (vgl. [X.], Urteil vom 18. Oktober 1995 - [X.], [X.]Z 131, 90, 93 mwN). Es ist ein das rechtsstaatliche Verfahren beherrschender Grundsatz, dass der Prozessgegner die Möglichkeit haben muss, Kenntnis von allen entscheidungserheblichen Tatsachen zu nehmen und die Angaben der darlegungs- und beweisbelasteten [X.] selbst nachzuprüfen. Dieses Recht gründet sich auf Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. [X.] NJW 1995, 40) und auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG; [X.] aaO). Die Grundsätze des [X.] Zivilverfahrensrechts lassen es in der Regel nicht zu, die von einer [X.] geheim gehaltenen Tatsachen zu deren Gunsten zu verwerten ([X.] aaO; [X.] aaO). Eine davon abweichende Beurteilung kann zwar ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn die darlegungs- und beweisbelastete [X.] ein erhebliches rechtliches Interesse an der Geheimhaltung bestimmter innerbetrieblicher Informationen hat und dem Prozessgegner aus der Verwertung der geheim gehaltenen Tatsachen keine unzumutbaren Nachteile erwachsen. Anhaltspunkte für eine solche Ausnahme sind bei der Beurteilung der Verbandsklagebefugnis gemäß § 606 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO, soweit es um die Bekanntgabe der Namen der Mitglieder des Verbandes geht, aber regelmäßig nicht festzustellen (vgl. zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG [X.]: [X.] aaO, 93 f. mwN). Die Annahme der Rechtsbeschwerde, die Beklagte und andere Banken könnten die Mitglieder des [X.]s als kritische Kunden einstufen und daher nicht mehr bereit sein, Geschäftsbeziehungen zu diesen zu unterhalten, ist durch nichts belegt.

cc) Schließlich lässt die Klageschrift schlüssige Angaben nach § 606 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO dazu vermissen, dass der [X.] in Erfüllung seiner satzungsmäßigen Aufgaben Verbraucherinteressen weitgehend durch nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeiten wahrnimmt.

(1) Die Überprüfung dieser Voraussetzung obliegt uneingeschränkt dem zur Entscheidung nach § 607 Abs. 2 ZPO berufenen Gericht. Der gerichtlichen Prüfungskompetenz steht insbesondere nicht entgegen, dass § 606 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO Überschneidungen mit den vom [X.] in einem Verwaltungsverfahren zu prüfenden Eintragungsvoraussetzungen aufweist (vgl. [X.]/[X.], [X.], 45, 47), die für die Aufnahme des [X.]s in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 [X.] erfüllt sein müssen (vgl. [X.] ZPO/[X.], 38. Edition, Stand 01.09.2020, § 606 Rn. 36; [X.]/[X.], [X.], 323, 324).

(2) Um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 606 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO überprüfen zu können, muss der [X.] sowohl zu seinen nicht gewerbsmäßigen aufklärenden und beratenden Tätigkeiten als auch zu seinen sonstigen Tätigkeiten so vortragen, dass das Gericht eine Gewichtung vornehmen kann (vgl. [X.] in Musielak/[X.], ZPO, 17. Aufl., § 606 Rn. 8; [X.] ZPO/[X.], 38. Edition, Stand 01.09.2020, § 606 Rn. 36; [X.]/[X.], [X.], 323, 329). Maßgebend hierfür ist nach dem Wortlaut des § 606 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO nicht der Satzungsinhalt, sondern die (tatsächliche) Erfüllung der satzungsmäßigen Aufgabe, Verbraucherinteressen weitgehend durch nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeiten wahrzunehmen. Entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde ist daher an[X.] als nach § 13 Abs. 5 UWG in der bis zum 7. Juli 2004 gültigen Fassung (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 6. April 2000 - I ZR 294/97, NJW 2001, 896) nicht von einer "Vermutung der satzungsgemäßen Tätigkeit" auszugehen (aA [X.]/[X.] aaO). Der [X.] muss vielmehr hinreichende Angaben zu den von ihm tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten machen. Ein solches Verständnis wird durch die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 19/2439, [X.]) unterstützt, in denen ausgeführt wird, dass die gerichtliche Geltendmachung von Verbraucherinteressen auch "in der gelebten Praxis der Einrichtung nur eine untergeordnete Rolle spielen" darf, was "durch geeignete Nachweise über die tatsächliche Tätigkeit zu belegen" ist.

Entscheidend für die Erfüllung der Anforderungen nach § 606 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO ist danach, dass der Verbraucherschutz, der durch die von der qualifizierten Einrichtung tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten erzielt wird, bei einer wertenden Gesamtbetrachtung ganz maßgebend auf eine nicht gewerbsmäßige Aufklärung oder Beratung zurückzuführen ist und der (außer)gerichtlichen Geltendmachung von Verbraucherinteressen nur eine untergeordnete Rolle daneben zukommt (vgl. [X.], [X.], 1055 Rn. 58 ff.). Bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung ist dem mit den verschiedenen Tätigkeiten verbundenen Personal- und Zeitaufwand indizielle Bedeutung beizumessen (vgl. [X.] ZPO/[X.], 38. Edition, Stand 01.09.2020, § 606 Rn. 36 [X.]; [X.]/Halfmeier, ZPO, 12. Aufl., § 606 Rn. 7; aA [X.]/[X.], [X.], 323, 326), wobei auch der im Zusammenhang mit dem Betreiben von gerichtlichen Verfahren entstehende externe Aufwand zu berücksichtigen ist (vgl. [X.], Musterfeststellungsklage, 2. Aufl., § 606 Rn. 37). Darüber hinaus ist das Verhältnis der Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen einerseits und der Einnahmen aus der (außer)gerichtlichen Geltendmachung von Verbraucherinteressen in Form von [X.] und Vertragsstrafen andererseits als Indiz heranzuziehen (vgl. [X.] ZPO/[X.], aaO; vgl. auch [X.], Urteil vom 22. August 2006 - 20 U 61/06, juris Rn. 8 zum Begriff "Abmahnverein"). Übersteigen die durch [X.] und Vertragsstrafen erzielten Einnahmen die eingenommenen Mitgliedsbeiträge um ein Vielfaches, spricht dies im Rahmen der wertenden Gesamtbetrachtung dafür, dass die (außer)gerichtliche Geltendmachung von Verbraucherinteressen beim Schutz der Verbraucher vor unredlichen Geschäftspraktiken keine nur untergeordnete Rolle spielt.

(3) Gemessen hieran hat das [X.] zu Recht angenommen, dass der [X.] nicht dargelegt hat, er nehme Verbraucherinteressen weitgehend durch nicht gewerbsmäßige Aufklärung oder Beratung wahr.

Der [X.] hat vorgetragen, dass er in den 14 Jahren seines Bestehens 429 Unterlassungsklagen nach dem Unterlassungsklagengesetz erhoben habe, von denen "ca. ein Dutzend" vom [X.] entschieden worden seien. [X.] habe er Vertragsstrafen in Höhe von 343.712,46 € und in der ersten Hälfte des Jahres 2018 in Höhe von 302.526,40 € eingenommen. Weitere Beträge habe er aus [X.] vereinnahmt. Darüber hinaus hat der [X.] Presseartikel vorgelegt, die darauf schließen lassen, dass er sich in gewichtigem Umfang mit der gerichtlichen und außergerichtlichen Durchsetzung von Verbraucherinteressen befasst. So heißt es in der [X.] vom 22. September 2014 "Ein kleiner Verein kämpft gegen die Großbanken", "Gegen all diese Banken hat die [X.] vor den Landgerichten eingeleitet" und "Wenn wir eine Klage einreichen, zeigen sich die Banken meist einsichtig", in der Zeitschrift der [X.] vom 13. Mai 2014 heißt es "Kreditbearbeitungsgebühren: Banken in der Schuld", "In hunderten von Fällen hat [X.]             Klage erhoben und schon jetzt Dutzende von Verurteilungen erreicht" und im [X.] vom 7. Oktober 2014 heißt es "Banken auf Gebührenjagd", "In den vergangenen Jahren hat [der Vorsitzende des [X.]s] in knapp 3.400 Fällen Gebühren abgemahnt, die nach der aktuellen Rechtsprechung unlauter oder zumindest zweifelhaft sind". In der weiter vorgelegten Stellungnahme des [X.]s zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzes aus dem [X.] findet sich unter anderem die Aussage des [X.]s, dass dieser in den 10 Jahren seines Bestehens mehr als 5.000 missbräuchliche Klauseln [X.] Bankinstitute erfolgreich bekämpft und eine Vielzahl verbraucherschützender gerichtlicher Entscheidungen erstritten habe, so dass er über die erforderliche praktische und forensische Erfahrung verfüge, um zu dem Gesetzesvorhaben Stellung zu nehmen.

Auf der Grundlage dieses Vorbringens ist die Tätigkeit des [X.]s im Bereich der gerichtlichen und außergerichtlichen Anspruchsdurchsetzung sowohl hinsichtlich der Einnahmen als auch in seiner Außendarstellung für den [X.] nicht nur von untergeordneter Bedeutung. Wie das [X.] zutreffend festgestellt hat, stammen zwischen 97% und 99% der Einnahmen des [X.]s in den angegebenen Zeiträumen aus diesem Tätigkeitsfeld, so dass diese Einnahmen die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen um ein Vielfaches übersteigen müssen. Dieser Befund korrespondiert mit der klägerischen Satzung, nach der drei der fünf Tätigkeitsfelder des [X.]s die gerichtliche und außergerichtliche Durchsetzung von Verbraucherinteressen zum Gegenstand haben (§ 5 Nr. 3 bis 5 der Satzung). Bei wertender Gesamtbetrachtung ist danach auch unter Berücksichtigung der vom [X.] gemachten Angaben zu seinen beratenden und aufklärenden Tätigkeiten nicht davon auszugehen, dass die (außer)gerichtliche Geltendmachung von Verbraucherinteressen beim Schutz der Verbraucher vor unredlichen Geschäftspraktiken nur eine untergeordnete Rolle spielt.

III.

Dem [X.] sind mit der kostenpflichtigen Zurückweisung seiner Rechtsbeschwerde zugleich die Kosten für die erste Instanz aufzuerlegen.

In einem verfahrensabschließenden Beschluss ist - wie bei Urteilen nach § 308 Abs. 2 ZPO - von Amts wegen ein Ausspruch über die Kostenpflicht zu treffen, sofern der Beschluss einen dem Endurteil vergleichbaren abschließenden Charakter aufweist (vgl. [X.], ZPO, 23. Aufl., § 91 Rn. 10; [X.], Rpfleger 1950, 237). So liegt es hier, da der die Bekanntmachung der Musterfeststellungsklage ablehnende Beschluss des [X.] wie ein die Musterfeststellungsklage als unzulässig abweisendes Prozessurteil das Musterfeststellungsverfahren abschließt. Die im angefochtenen Beschluss unterbliebene Kostenentscheidung ist in der Rechtsmittelinstanz und damit vom Senat gemäß § 308 Abs. 2 ZPO nachzuholen ([X.] ZPO/[X.], 38. Edition, Stand 01.09.2020, § 321 Rn. 12). Das Verbot, die angefochtene Entscheidung zu Lasten des [X.] abzuändern (reformatio in peius), steht dem nicht entgegen (vgl. zur Korrektur einer Kostenentscheidung in der Rechtsmittelinstanz: [X.], Urteil vom 14. Juli 1981 - [X.], [X.] 1981, 928; Senatsurteil vom 24. Januar 2017 - [X.], [X.], 766 Rn. 35).

[X.]     

      

Grüneberg     

      

Matthias

      

Derstadt     

      

Schild von Spannenberg     

      

Meta

XI ZB 1/19

17.11.2020

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Braunschweig, 12. Dezember 2018, Az: 4 MK 2/18, Beschluss

§ 606 Abs 1 S 2 Nr 1 ZPO, § 606 Abs 1 S 2 Nr 3 ZPO, § 606 Abs 2 S 1 Nr 1 ZPO, § 607 Abs 2 ZPO, § 4 UKlaG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.11.2020, Az. XI ZB 1/19 (REWIS RS 2020, 1209)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 662-663 WM2021,231 REWIS RS 2020, 1209


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XI ZB 1/19

Bundesgerichtshof, XI ZB 1/19, 17.11.2020.


Az. 4 MK 2/18

Oberlandesgericht Braunschweig, 4 MK 2/18, 12.12.2018.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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