Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.03.2014, Az. V ZR 149/13

5. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6901

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Gegenstand

Rückabwicklungsanspruch für einen Eigentumswohnungskaufvertrag: Anforderungen an die Darlegung einer sittenwidrigen Verkehrswertüberhöhung


Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] wird das Urteil des 24. Zivilsenats des [X.] vom 6. Mai 2013 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 430.658,77 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Mit notariellem Kaufvertrag vom 19. April 2007 erwarben der Kläger und seine Ehefrau zum Zwecke der Steuerersparnis von der Beklagten eine Eigentumswohnung für 154.100 €. Der [X.] war durch die von der Beklagten mit der Kundenakquisition betrauten [X.] vermittelt worden, die hierfür der Beklagten vereinbarungsgemäß eine Provision von 48.827,61 € in Rechnung stellte.

2

Die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und weiteren Schadensersatz gerichtete Klage aus eigenem und abgetretenem Recht ist vor dem [X.] erfolgreich gewesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] die Klage abgewiesen. Die Beschwerde des [X.] richtet sich gegen die Nichtzulassung der Revision.

II.

3

Nach Ansicht des Berufungsgerichts stehen dem Kläger keine Schadensersatzansprüche zu. Sie ergäben sich insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt einer sittenwidrigen Kaufpreiserhöhung. Der Kläger habe durch den Verweis auf den von ihm angenommenen Ertragswert der Wohnung von 67.872 € schon keinen aussagekräftigen Wert dargetan. Denn er habe damit keine konkreten, dem Beweis zugänglichen Angaben zu den wertbildenden Faktoren der Wohnung aufgezeigt. Darüber hinaus habe die Beklagte zwei Gutachten über die Bewertung zweier Wohnungen in derselben Wohnanlage vorgelegt. Übertrage man die dortigen Werte auf die Wohnung des [X.], ergebe sich ein deutlich höherer Verkehrswert. Angesichts dessen hätte es eines besonders substantiierten Vorbringens des [X.] erfordert.

III.

4

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben. Mit seiner Auffassung, der Kläger habe eine sittenwidrige Überhöhung des Kaufpreises der Wohnung nicht hinreichend dargelegt, überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an die Substantiierung des [X.] und verletzt damit in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).

5

a) Der Kläger hat mit der Behauptung, die zu einem Kaufpreis von 154.100 € erworbene Wohnung sei im Zeitpunkt des Erwerbs nur 67.872 € wert gewesen, die objektiven Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB dargetan. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist ein Vortrag schlüssig und ausreichend substantiiert, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 2. April 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 1236 Rn. 10; Beschluss vom 12. Juni 2008 - [X.], [X.], 2068 Rn. 6 mwN). Das trifft auf die Behauptung des [X.] zu. War die Wohnung tatsächlich nur 67.872 € wert, bestand ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, welches bei Hinzutreten einer verwerflichen Gesinnung des Begünstigten einen Verstoß gegen die guten Sitten begründet (vgl. Senat, Urteil vom 19. Januar 2001 - [X.], [X.], 298, 301 f.).

6

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedurfte es nicht eines „besonders substantiierten" Vorbringens des [X.]. Kommt es auf den Verkehrswert einer Sache an, ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die darlegungspflichtige [X.] einen bestimmten Wert behauptet und durch Sachverständigengutachten unter Beweis stellt. [X.] ist eine solche Behauptung nur dann, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich aufs Geratewohl, gleichsam „ins Blaue hinein" aufgestellt worden ist; bei der Annahme eines solchen rechtmissbräuchlichen Verhaltens ist allerdings Zurückhaltung geboten (Senat, Beschluss vom 2. April 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 1236 Rn. 11 mwN). In der Regel wird nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte den Vorwurf einer Behauptung „ins Blaue hinein" rechtfertigen können (Senat, Urteil vom 13. Dezember 2002 - [X.], NJW-RR 2003, 491).

7

Hieran gemessen überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an das Vorbringen des [X.]. Umstände, die den Schluss zuließen, der von diesem genannte Verkehrswert von 67.872 € sei als unbeachtliche Behauptung aufs Geratewohl zu werten (zu einer solchen Konstellation vgl. [X.], Urteil vom 19. September 2006 - [X.], NJW 2007, 357 Rn. 20 f., insoweit nicht abgedruckt in [X.]Z 169, 109), zeigt das Berufungsgericht nicht auf. Ob sich der Verkehrswert tatsächlich mit der von dem Kläger vorgenommenen überschlägigen [X.] anhand der 14-fachen Jahresnettomiete ermitteln lässt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn seine Berechnung lässt jedenfalls keine Anhaltspunkte für eine jeder tatsächlichen Grundlage entbehrende und damit rechtsmissbräuchliche Behauptung des [X.] erkennen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass er - nicht fernliegend - da- rauf hingewiesen hat, dass die von der Beklagten gezahlte Vertriebsprovision von fast 1/3 des Kaufpreises einen erheblichen Anhaltspunkt dafür biete, dass das Verhältnis von Kaufpreis zum Wert der Wohnung in wesentlicher Weise zu seinen Ungunsten verschoben sei. Soweit das Berufungsgericht [X.]en auf der Grundlage der von der Beklagten vorgelegten Gutachten vornimmt, trägt dies nicht die Annahme, der Kläger habe den von ihm vorgetragenen Wert der Wohnung ersichtlich aus der Luft gegriffen. Er hat sich mit dem Gutachten des Sachverständigen [X.]auseinandergesetzt und dargelegt, worin er dessen Fehler sieht. Insbesondere hat er darauf hingewiesen, dass die von dem Sachverständigen vorgenommene Vergleichswertermittlung ausschließlich Wohnungen in derselben Wohnanlage einbeziehe und das Gutachten außerdem solche Verkäufe unberücksichtigt lasse, die - laut Sachverständigem „auf einem deutlich niedrigerem [X.]" - an eine Kapitalgesellschaft erfolgten. Dem Kläger kann auch nicht entgegengehalten werden, dass er sich mit dem von der Beklagten nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingereichten Gutachten des Sachverständigen [X.]im Berufungsverfahren nicht auseinandergesetzt habe. Dies lässt keinen Schluss auf eine rechtsmissbräuchliche Behauptung zum Verkehrswert zu, zumal für den erstinstanzlich erfolgreichen Kläger ersichtlich kein Anlass zu weiterem Vortrag zur strittigen Frage der Sittenwidrigkeit bestand, nachdem auch die Beklagte hierzu im Berufungsverfahren nicht erneut Stellung genommen hatte. Hinzu kommt, dass das Berufungsgericht den Kläger erst in der mündlichen Verhandlung auf den - seiner Ansicht nach - unzureichenden Sachvortrag hingewiesen hat, ohne ihm - wie beantragt - Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

8

c) Da das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft die Durchführung einer Beweisaufnahme über die Höhe des von dem Kläger behaupteten Verkehrswertes unterlassen hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, das ohne Hinzutreten weiterer Umstände den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten erlaubt, bei [X.] allerdings grundsätzlich erst ab einer Verkehrswertüber- oder -unterschreitung von 90% vorliegt (Senat, Urteil vom 24. Januar 2014 - [X.], juris, zur Veröffentlichung vorgesehen).

9

2. Die weiteren mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

[X.]                        Roth                      Brückner

              Weinland                   Kazele

Meta

V ZR 149/13

20.03.2014

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 6. Mai 2013, Az: 24 U 138/12

§ 138 Abs 1 BGB, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.03.2014, Az. V ZR 149/13 (REWIS RS 2014, 6901)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6901

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