Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.04.2016, Az. V ZR 256/14

V. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 12486

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:220416UVZR256.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

VERSÄUMNISURTEIL
V ZR
256/14
Verkündet am:

22. April 2016

Weschenfelder

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 138 Abs.
4
Ist ein [X.] von dem Verkäufer einer Immobilie (stillschweigend) zum Abschluss eines Beratungsvertrages mit dem Käufer bevollmächtigt worden, kann der Verkäufer in einem Prozess den von dem Käufer behaup-teten Inhalt des Beratungsgesprächs grundsätzlich nicht mit Nichtwissen bestreiten.
[X.], Versäumnisurteil vom 22. April 2016 -
V ZR 256/14 -
KG

[X.]

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. April 2016
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterinnen Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und Dr.
Brückner, [X.]
Göbel und die Richterin Haberkamp

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 24.
Zivilsenats des [X.] vom 13.
Oktober 2014 im Kostenpunkt, soweit es um die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der [X.]n zu 1 und des [X.] geht, und insoweit aufgehoben, als die auf die Verurteilung der [X.]n zu 1 gerichtete Berufung zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens sowie die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, soweit hierüber nicht bereits durch Beschluss des Senats vom 22.
Oktober
2015 entschieden
worden ist, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

-
3
-
Tatbestand:

Der Kläger und seine Ehefrau
machten der [X.]n zu 1 (im [X.]: die [X.]) am 19. Februar 2008 ein notarielles Angebot zum Kauf einer 61,29 qm großen Eigentumswohnung
in B.

-A.

zu einem Preis von , das die [X.] am 10.
März 2008 annahm. Die Gespräche im [X.] des Erwerbs führten
die Eheleute
mit Mitarbeitern der S.

W.

GmbH (im Folgenden: [X.]). Diese stellten ihnen
ein Steuersparmodell im Rahmen der "Ostsanierung" durch Erwerb einer Eigentumswohnung vor und überreich-ten eine Wirtschaftlichkeitsberechnung, nachdem sie sich Gehaltsabrechnun-gen und Steuerunterlagen hatten aushändigen lassen.

Der Kläger verlangt aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehe-frau von der [X.]n Zahl

und Freistellung von
den zur Finanzierung des Kaufs eingegangenen [X.] um Zug gegen lastenfreie Übereignung der Eigentumswohnung
sowie
Ersatz vorgerichtlicher
Anwaltskosten. Zusätzlich beantragt er die
Feststellung, dass die [X.] zum Ersatz aller weiteren materiellen Schäden aus dem Er-werb der Eigentumswohnung verpflichtet ist
und sich im [X.]. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die genannten Klageanträge weiter.
1
2
-
4
-
Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, der Kläger habe gegen die [X.] keinen
Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil der Kaufvertrag nicht wegen groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung sittenwidrig [X.] dem erstinstanzlich von dem [X.] eingeholten Sachverständigengutachten ein Verkehrswert von rund gegenüber. Eine sittenwidrige Kaufpreiserhöhung um [X.] 90
% des Verkehrswerts ergebe sich hieraus nicht. Die von dem Kläger vorgelegten Gutachten gäben keine Veranlassung zur Einholung eines weiteren gerichtlichen Gutachtens gemäß § 412 ZPO.

Es bestünden auch keine Ansprüche nach § 280 Abs. 1, § 675 BGB we-gen Verletzung von Pflichten aus einem -
konkludent zustande
gekommenen -
Beratungsvertrag.
Von einer Pflichtverletzung der [X.]n, vertreten durch
den Mitarbeiter F.

der als [X.]in tätig gewordenen [X.], könne nicht ausgegangen werden.
Zwar habe der Kläger mit der Behauptung, ihm und seiner Ehefrau sei vor Abgabe des Kaufangebots von Herrn
F.

mündlich eine Mindestausschüttung
zehn
Jahren garantiert worden, eine vorsätzliche Beratungspflichtverletzung hinreichend substantiiert und schlüssig dargelegt. Die [X.] habe diese Be-hauptung aber in zulässiger Weise mit Nichtwissen gemäß §
138 Abs.
4 ZPO bestritten. Der Mitarbeiter eines [X.]s sei nicht in die geschäftliche [X.] eingegliedert, so dass sein Verhalten nicht deren
ei-genen [X.] zuzurechnen sei. Deshalb sei die [X.] nicht 3
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-
5
-
gehalten gewesen, den
ihr bekannten Herrn F.

zu befragen, ob die Vorwürfe zuträfen und welche Angaben er tatsächlich gemacht habe.
Der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis für die Richtigkeit seiner Behauptung nicht ge-führt. Seine
Anhörung und die seiner Ehefrau hätten mangels hinreichenden Anbeweises

keine Veranlassung für eine [X.]vernehmung gemäß § 448 ZPO geboten.

II.

Über die Revision ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis
der [X.]n, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. Senat, Urteil vom 4.
April 1962 -
V [X.], [X.]Z
37, 79, 82).

Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Prüfung nicht
stand.

1. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen lässt sich nicht aus-schließen, dass der Kaufvertrag gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig ist
und dem Kläger deshalb ein Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages
gemäß §
812 Abs. 1 Satz
1 Alt. 1 BGB zusteht.

a) Nach ständiger
Rechtsprechung des Senats ist ein gegenseitiger [X.] als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis be-steht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den [X.] und der objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerf-liche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist. Ist das Missverhältnis 5
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-
6
-
zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, lässt dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zu (Senat, Urteil vom 19.
Januar 2001 -
V
ZR
437/99, [X.]Z 146, 298, 301; Urteil vom
24.
Januar 2014 -
V [X.], NJW 2014, 1652 Rn.
8). Ausgehend von dem für die Annahme eines besonders groben Äquivalenzmissverhältnisses beste-henden Erfordernis, dass der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, ist diese Voraussetzung grundsätzlich erst ab ei-ner Verkehrswertüber-
oder -unterschreitung von 90 % erfüllt (Senat, Urteil vom 24.
Januar 2014 -
V [X.], NJW 2014, 1652 Rn.
8).

b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht im rechtlichen Ausgangs-punkt beachtet. [X.] der Verkehrswert der von dem Kläger
und seiner Ehe-frau
erworbenen Eigentumswohnung tatsächlich entsprechend dem erstinstanz-lich eingeholten Gutachten des Sachverständigen Fi.

rund 91.300

x
61,29 qm) und würde dem der -
um die
von der [X.]n über-nommenen Erwerbsnebenkosten bereinigte
-
Kaufpreis (vgl. Senat, Urteil vom 15.
Januar 2016 -

ge-stellt -
7.631,06

ergäbe
sich eine Verkehrswertüberschreitung von lediglich 23 %. Ein
besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung wäre nicht gegeben.

c) Wie die Revision mit ihrer Verfahrensrüge aber zu Recht beanstandet, leidet die Verkehrswertfeststellung des Berufungsgerichts
an einem Verfahrens-fehler.
Es hätte
den Sachverhalt weiter aufklären müssen (§ 286 ZPO).

aa) Legt eine [X.] ein Privatgutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so ist vom Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert. Er darf in diesem Fall den Streit der 9
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11
-
7
-
Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt. [X.], die sich aus einem Privatgutachten gegen das Gutachten des gerichtli-chen Sachverständigen ergeben, muss das Gericht ernst nehmen. Es muss ihnen nachgehen und den Sachverhalt weiter aufklären
([X.], Urteil vom 18.
Mai 2009 -
IV ZR 57/08, NJW-RR 2009, 1192 Rn. 7 mwN; Urteil vom 10.
Dezember 1991 -
VI [X.], NJW 1992, 1459). Entsprechendes gilt, wenn eine [X.] in einem Rechtsstreit, in dem es -
wie hier -
um die Höhe des
Verkehrswerts einer Wohnung geht, ein in einem Parallelverfahren zu einer vergleichbaren Wohnung erstattetes gerichtliches Sachverständigengutachten vorlegt, das im Widerspruch zu dem im aktuellen Verfahren eingeholten Gut-achten steht.

bb) Dem Gericht bieten sich mehrere
Möglichkeiten an, den Einwänden gegen ein Gutachten nachzugehen. Es kann den Sachverständigen zu einer schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens veranlassen. In Betracht kommt auch die mündliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen gemäß §
411 Abs. 3 ZPO.
Ein Antrag der beweispflichtigen [X.] ist dazu nicht erfo[X.]lich.
Wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige weder durch schriftliche Ergänzung seines Gutachtens noch im Rahmen seiner Anhörung die sich aus dem ([X.] ergebenden Einwendungen auszuräumen vermag, muss der Tatrichter im Rahmen seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung gemäß § 412 ZPO ein weiteres Gutachten einholen ([X.], Urteil
vom 18. Mai 2009
-
IV ZR 57/08, NJW-RR 2009, 1192 Rn. 7 mwN; Urteil vom 10. Dezember 1991 -
VI [X.], NJW 1992, 1459 f.).

cc) Hier hat sich der Kläger in der Berufungsinstanz u.a. auf das Gutach-ten des Sachverständigen Dr. R.

berufen, der in einem Parallelrechtsstreit 12
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-
8
-
den Verkehrswert (Vergleichswert) einer vergleichbaren Wohnung
(Wohnfläche: 53,3 qm)
bestimmt hatte. Daraus ergäbe sich für die Wohnung des [X.] und seiner Ehefrau ein Verkehrswert von 52.895,72 (61,29 qm x
863,04

)
anstelle des von dem Sachverständigen Fi.

ermittel-ten Wgsgericht hält die Ermittlung des [X.] durch den Sachverständigen Dr. R.

im Wesentlichen deshalb für nicht maßgeblich, weil die Wohnung des [X.] aufgrund der in der Ob-jektbeschreibung genannten Modernisierungsarbeiten dem höheren Segment zuzuordnen sei. Da aber auch die von dem Sachverständigen Dr. R.

be-gutachtete Wohnung in den Jahren 2001/2002 modernisiert und instandgesetzt wurde, hätte das Berufungsgericht den unterschiedlichen Bewertungen der Sachverständigen nachgehen müssen. Hierzu bedurfte es nicht der Einholung eines neuen Gutachtens, die gemäß § 412 Abs. 1 ZPO nur angezeigt ist, wenn das Gericht das Gutachten für ungenügend erachtet. Angeboten hätte sich vielmehr zunächst eine Anhörung des Sachverständigen Fi.

gemäß § 411 Abs. 3 ZPO oder die Einholung einer schriftlichen Ergänzung seines Gutach-tens.

dd) Unabhängig davon hat sich das Berufungsgericht nicht mit dem von dem Kläger erhobenen Einwand auseinandergesetzt, dass der Sachverständige Fi.

bei der Ermittlung des Verkehrswerts die Verkäufe der Wohnungen aus der streitgegenständlichen Wohnanlage nicht berücksichtigt habe, die das Land B.

unmittelbar an Privatpersonen getätigt habe. Dabei seien Kaufpreise er-zielt worden, die um etwa 50 % unter den
Verkaufspreisen
der [X.]n gele-gen hätten. Auch dies hätte dem Berufungsgericht Anlass zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts bieten müssen.

14
-
9
-
ee) Der Verfahrensfehler ist erheblich. Es lässt sich nicht ausschließen, dass sich bei einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts eine zur Sittenwidrig-keit des Kaufvertrages führende Überschreitung des Verkehrswerts ergibt. Auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. R.

errechnet sich ein Verkehrswert der Wohnung des [X.] und seiner Ehefrau von lediglich 52.895,72

und damit eine Überschreitung von 112 %.

2. Ebenfalls rechtsfehlerhaft ist die Begründung, mit der das Berufungs-gericht einen Schadensersatzanspruch des [X.] wegen Verletzung von Pflichten aus einem Beratungsvertrag verneint (§ 280 Abs.
1 BGB).

a) Noch zutreffend geht es
davon aus, dass zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau auf der einen sowie der [X.]n auf der anderen Seite ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist. Stellt sich bei der Vermittlung des Kaufvertrages die Aufgabe der Beratung des Kaufinteressenten und verzichtet der Verkäufer auf jeglichen Kontakt mit dem Käufer und überlässt er dem [X.] die Vertragsverhandlungen bis zur Abschlussreife, darf der Käufer bei verständiger Würdigung im Allgemeinen davon ausgehen, dass der Vermittler bei der Beratung (auch) namens und in [X.] handelt (Se-nat, Urteil vom 19. Dezember 2014 -
V
ZR
194/13, NJW 2015, 1510 Rn. 11).
Dies gilt auch dann, wenn ein Vermittler -
wie hier -
[X.]
einsetzt (Senat, Urteil vom 14. März 2003 -
V [X.], NJW 2003, 1811, 1812).

b) Richtig ist auch, dass der Kläger schlüssig eine Beratungspflichtverlet-zung durch den Mitarbeiter F.

der [X.] dargelegt hat.
Dieser soll mündlich vor Kaufvertragsabschluss eine Mindestausschüttung

bei einem Verkauf der Wohnung nach zehn Jahren garantiert haben.
Dies stellt einen Be-ratungsfehler dar, weil nach dem weiteren Vorbringen des [X.] der verspro-15
16
17
18
-
10
-
chene Gewinn unter Berücksichtigung des tatsächlichen Verkehrswerts der Ei-gentumswohnung nicht zu erwarten war.

c) Von [X.] beeinflusst ist jedoch die Annahme des Berufungs-gerichts, die [X.] habe die Behauptung, in dem Beratungsgespräch sei eine Mindestausschüttung

garantiert worden,
in zulässiger Weise mit Nicht-wissen
(§ 138 Abs. 4 ZPO)
bestritten.
Dies ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht der Fall.

aa) Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der [X.] noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
Bei einer juristischen
Person kommt es insoweit auf die Organe an
(allgemeine Meinung, vgl. allgemein zur gesetzlichen Vertretung nur [X.], Urteil vom 7. Oktober 1998 -
VIII ZR 100/97, NJW 1999, 53, 54; [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., § 138 Rn. 15, [X.], ZPO, 7. Aufl., § 138 Rn. 17).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs, von der auch das Berufungsgericht ausgeht,
trifft die
[X.] in [X.] Zusammenhang aber
die Pflicht,
die ihr möglichen Informationen von Per-sonen einzuholen, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind ([X.], Urteil vom 15. November 1989 -
VIII ZR 46/89, [X.]Z 109, 205, 210; Urteil vom 7. Oktober 1998 -
VIII ZR 100/97, NJW 1999, 53, 54; Urteil vom 19. April 2001 -
I [X.], NJW-RR 2002, 612, 613; Urteil vom 24.
Juli 2003 -
VII ZR 79/02, NJW-RR 2004, 92, 93;
Urteil vom 5. November 2014
-
III ZR 559/13, NJW-RR 2015, 125 Rn. 12). Bestreitet eine [X.] trotz des Bestehens einer Informationspflicht mit Nichtwissen, ist dies unzulässig und führt dazu, dass der Vortrag des Gegners gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als [X.] gilt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn sich für die [X.] nach [X.] der Erkundigungen bei diesen Personen keine weiteren Erkenntnisse erge-19
20
-
11
-
ben oder die [X.] nicht beurteilen kann, welche
von mehreren unterschiedli-chen Darstellungen über den Geschehensablauf der Wahrheit entspricht,
und sie das Ergebnis
ihrer Erkundigungen in den Prozess einführt
(vgl. [X.], Urteil vom 15. November 1989 -
VIII ZR 46/89, [X.]Z 109, 205, 210; Urteil vom 10.
Oktober 1994 -
II ZR 95/93, [X.], 130, 131).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze berechtigt der Umstand, dass die Beratung des [X.] weder auf eigener Handlung der Organe der [X.]n beruhte noch Gegenstand ihrer Wahrnehmung war, die [X.] nicht, den behaupteten Inhalt des Beratungsgesprächs mit Nichtwissen zu be-streiten. Das Berufungsgericht fasst den Verantwortungsbereich, innerhalb [X.] sich eine [X.] zu erkundigen hat, zu eng.

(1) Die
von der Rechtsprechung vorgenommene teleologische Reduktion von §
138 Abs.
4 ZPO
findet ihre Rechtfertigung in der Überlegung, dass eine [X.] sich nicht durch arbeitsteilige Organisation ihres Betätigungsbereichs ihren prozessualen Erklärungspflichten entziehen kann ([X.]/[X.], ZPO, 31.
Aufl.,
§ 138 Rn. 16; [X.], ZPO, 7. Aufl., § 138 Rn. 18). Ansonsten würde sie gegenüber einer selbst handelnden [X.] ohne sachlichen Grund privilegiert (vgl. Lange, NJW 1990, 3233, 3235). Eine das Bestreiten mit Nicht-wissen grundsätzlich ausschließende Arbeitsteilung liegt aber, anders als das Berufungsgericht meint, nicht nur bezogen auf Personen vor, die im engeren Sinne in die geschäftliche Organisation der [X.] eingliedert sind. Unter der Verantwortung einer [X.] im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des [X.] werden auch [X.] tätig, denen sich eine [X.]
-
wie hier die [X.] -
bedient. Hätten
die Organe der [X.]n
die Bera-tungsgespräche selbst geführt, müssten sie sich zu dem von dem Kläger be-haupteten Inhalt äußern, ohne diesen mit Nichtwissen bestreiten zu können. 21
22
-
12
-
Dem können sie sich nicht dadurch entziehen, dass die Beratung Untervermitt-lern
überlassen wird.
Sie
müssen sich vielmehr bei dem [X.] nach dem Gesprächsinhalt erkundigen und sich hierzu im Prozess substantiiert (§
138 Abs. 2 ZPO) erklären.
Insoweit findet die materiell-rechtliche Haftung des Verkäufers für eine fehlerhafte Beratung eines [X.]s
im Rahmen ei-nes (stillschweigend) zustande gekommenen Beratungsvertrages (vgl. Senat, Urteil vom
14. März 2003 -
V [X.], NJW 2003, 1811, 1812) ihre pro-zessuale Fortsetzung
in einer Einschränkung der
in § 138 Abs. 4 ZPO vorgese-henen Möglichkeit, die Behauptung des Gegners mit Nichtwissen zu bestreiten.

(2) Aus den von dem Berufungsgericht zitierten Literaturstellen ergibt sich nichts anderes. Auch nach der Auffassung von Prütting ([X.], ZPO, 5. Aufl., § 138 Rn. 19) und Wagner ([X.], 4. Aufl., § 138 Rn. 29) ist die [X.] verpflichtet, bei Personen, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig sind, Erkundigungen einzuholen.

(3) Das Bestreiten mit Nichtwissen durch die [X.] ist hiernach auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts unzulässig. Der Vortrag des [X.] gilt gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden und ist nicht beweisbedürftig. Auf die von dem Berufungsgericht erörterte und verneinte Frage, ob die Voraussetzungen
für eine [X.]vernehmung von Amts wegen gemäß § 448 ZPO vorlagen, kommt es nicht an. Mit der von ihm gegebenen Begründung lässt sich ein Schadensersatzanspruch des [X.] deshalb nicht verneinen.

III.

Das Berufungsurteil ist aufzuheben (§ 562 Abs.
1 ZPO) und der [X.] an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz
1 ZPO). 23
24
25
-
13
-
Entscheidungsreif ist die Sache noch nicht.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

1. a) Bezogen auf den mit der Klage verfolgten Schadensersatzanspruch ist der [X.]n Gelegenheit zu geben, sich bei der [X.] sowie deren Mitar-beiter F.

danach zu erkundigen, ob der von dem Kläger behauptete Inhalt des Beratungsgesprächs zutrifft und hierzu weiter substantiiert vorzutragen.
Durch die
bloße
Behauptung, die beteiligten Mitarbeiter der [X.] könnten sich nicht erinnern oder diese seien nicht mehr auffindbar, würde die [X.] ihrer [X.] nicht genügen. Ein (erneutes) Bestreiten mit Nichtwissen käme nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die [X.] glaubhaft machen könnte, trotz aller zumutbarer
Anstrengungen keine weiteren Informationen [X.] zu haben (vgl. auch [X.], Urteil vom 10. Oktober 1994 -
II ZR 95/93, [X.], 130, 131 zu den engen Voraussetzungen für ein Bestreiten eigener Handlungen oder Wahrnehmungen mit Nichtwissen).

b)
Liegt ein wirksames Bestreiten der [X.]n vor, wird das [X.] die von dem Kläger angebotenen Beweise zu erheben haben. Da die Drittwiderklage gegen die Ehefrau des [X.] rechtskräftig abgewiesen worden ist, steht deren Vernehmung als Zeugin nichts mehr entgegen.

c) Kommt das Berufungsgericht in dem neuen Verfahren zu dem [X.], dass der Mitarbeiter F.

in dem Beratungsgespräch mit dem Kläger und dessen Ehefrau eine Mindestausschüttungnach zehn Jahren garantiert hat,
läge eine Verletzung der Beratungspflicht nur vor, wenn diese Garantie inhaltlich unzutreffend wäre. Dies ist nach den Fest-stellungen des Berufungsgerichts streitig, da die [X.] behauptet, die Ent-wicklung des Immobilienmarktes habe einen solchen Gewinn durchaus erwar-26
27
28
-
14
-
ten
lassen. [X.] dafür, dass ein solcher Gewinn angesichts des Kaufpreises von vornherein unrealistisch war (vgl. dazu Senat, Urteil vom 15.
Oktober 2004 -
V [X.], NJW 2005, 983, 984), ist der Kläger.

2. Scheidet ein Schadensersatzanspruch aus, wird das Berufungsgericht im Hinblick auf den in Betracht kommenden Bereicherungsanspruch und die von dem Kläger behauptete Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages den Verkehrs-wert der Wohnung weiter aufzuklären zu haben.

a) Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger nach den bislang gestell-ten Anträgen einen -
von dem Berufungsgericht geprüften
-
Anspruch auf Rück-zahlung des an die [X.] gezahlten Kaufpreises
nicht geltend macht, son-dern Freistellung der zur Finanzierung des Kaufpreises eingegangenen [X.] verlangt. Dieses Ziel kann er nur mit einem Schadenser-satzanspruch, nicht aber mit einem Anspruch gemäß § 812 Abs.
1 Satz 1 Alt.
1 BGB erreichen. Da dieser Gesichtspunkt bislang von allen Verfahrensbeteilig-ten
übersehen worden ist, ist dem Kläger gemäß § 139 Abs.
1 Satz
2, Abs.
2 Satz 1 ZPO Gelegenheit zu geben, insoweit einen Hilfsantrag zu stellen.

b) Der Sachverständige Fi.

ist bezogen auf die von dem Kläger erho-benen Einwendungen mündlich anzuhören;
alternativ kann eine ergänzende schriftliche Stellungnahme eingeholt werden. Hierbei sind neben dem Gutach-ten des Sachverständigen Dr. R.

aus einem Parallelverfahren auch das von dem Kläger vorgelegte Privatgutachten des Sachverständigen K.

und das von der [X.]n vorgelegte Gutachten des Sachverständigen O.

zu berücksichtigen.

29
30
31
-
15
-
c) Stellt sich heraus, dass die Verkehrswertüberschreitung zwar nicht 90
% oder mehr beträgt, aber ein auffälliges Missverhältnis besteht
-
dies ist jedenfalls bei einer Verkehrswertüberschreitung von über 50 % der Fall (vgl. Senat, Urteil vom 2. Juli 2004
-
V [X.], [X.]Z 160, 8, 16 f.: 57,59 %; [X.], Urteil vom 10.
Dezember 2013 -
XI [X.], NJW-RR 2014, 653 Rn.
16: 68
%)
-
, kann dies zur Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages führen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die in Verbindung mit dem
auffälligen Missver-hältnis den Vorwurf der sittenwidrigen Übervorteilung begründen (vgl. Senat, Urteil vom 24.
Januar 2014 -
V [X.], NJW 2014, 1652 Rn. 10; siehe auch [X.], Urteil vom 10. Dezember 2013 -
XI [X.], NJW-RR 2014, 653 Rn.
16). Als solcher Umstand kann auch die von dem Kläger [X.] Zweiwochenfrist bis zur notariellen Beur-kundung (§ 17 Abs. 2a [X.]) in Betracht kommen.

32
-
16
-
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen [X.] der Einspruch
zu. Dieser ist beim [X.] in [X.] von einem an diesem Gericht zugelassenen Rechts-anwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung
des Versäumnisurteils durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Die Einspruchsschrift muss das Urteil, gegen das der Einspruch gerichtet wird, be-zeichnen und die Erklärung enthalten, dass und, wenn das Rechtsmittel nur teilweise einge-legt werden solle, in welchem Umfang gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.
In der Einspruchsschrift sind die Angriffs-
und Verteidigungsmittel sowie [X.], die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen. Auf Antrag kann die Vorsitzende des erkennenden Senats die Frist für die Begründung verlängern. Bei Versäumung der Frist für die Begründung ist damit zu rechnen, dass das nachträgliche Vorbringen nicht mehr [X.] wird.
Im Einzelnen wird auf die Verfahrensvorschriften in § 78, § 296 Abs. 1, 3, 4, § 338, §
339 und § 340 ZPO verwiesen.

Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner

Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:

[X.], Entscheidung vom 24.04.2012 -
19 O 737/09 -

KG,
Entscheidung vom 13.10.2014 -
24 [X.] -

Meta

V ZR 256/14

22.04.2016

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.04.2016, Az. V ZR 256/14 (REWIS RS 2016, 12486)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 12486

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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