Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.08.2022, Az. B 12 KR 17/22 BH

12. Senat | REWIS RS 2022, 6891

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren - Verweigerung von Prozesskostenhilfe bei mangelnder Erfolgsaussicht


Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 20. April 2022 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihr Rechtsanwältin N beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin gegen die Erhebung von Beiträgen zur obligatorischen Anschlussversicherung in den Jahren 2018 bis 2020.

2

Die Klägerin war bis 31.8.2018 als Bezieherin von Leistungen nach dem [X.] bei der beklagten Krankenkasse in der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) pflichtversichert. Nach dem Ende des Leistungsbezugs setzte die Beklagte die Versicherung als freiwillige Versicherung fort und ab 1.9.2018 Beiträge zuletzt auf der Grundlage der [X.]bemessungsgrenze fest (Bescheide vom 5.10.2018 und 8.10.2018 sowie Widerspruchsbescheid vom [X.]; Bescheid vom 19.1.2019 und Widerspruchsbescheid vom 27.3.2019; Bescheid vom 11.1.2020 und Widerspruchsbescheid vom [X.]; Bescheid vom 29.10.2020).

3

Die dagegen gerichteten Klagen hat das [X.] abgewiesen (Urteile vom 22.9.2020). Die Berufungen hat das L[X.] nach Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zurückgewiesen. Streitgegenstand sei die Beitragserhebung für die Jahre 2018, 2019 und 2020, die durch den Bescheid vom 8.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] und den Bescheid vom 11.1.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] geregelt werde. Weitere Bescheide über die in anderen [X.]räumen zu zahlenden Beiträge seien nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Die Klägerin unterfalle gemäß § 188 Abs 4 [X.]B V ab 1.9.2018 der obligatorischen Anschlussversicherung. Die Pflichtversicherung wegen Leistungsbezugs nach dem [X.] habe mit Ablauf des 31.8.2018 geendet, ein anderer [X.] sei nicht erfüllt und die Klägerin sei auch nicht wirksam ausgetreten. Die Beklagte habe nach § 223 Abs 1, § 240 Abs 1 Satz 1 [X.]B V zu Recht Beiträge in Höhe des [X.] verlangt. Der Mindestbeitrag in der freiwilligen Krankenversicherung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da es bei fehlendem Einkommen Ansprüche auf Beitragszuschüsse gegen die Grundsicherungsträger (§ 26 [X.], § 32 [X.]B XII) gebe. Im Übrigen habe die Klägerin Angebote der Beklagten zur Beitragsentlastung nicht wahrgenommen. Die Voraussetzungen für einen Erlass seien nicht gegeben, es fehle insofern auch an einem Antrag der Klägerin (Urteil vom 20.4.2022).

4

Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dem am 16.5.2022 zugestellten Urteil des L[X.] mit einem von ihr unterzeichneten und am [X.] beim B[X.] eingegangenen Schreiben Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ([X.]) unter Beiordnung ihrer zuletzt im Berufungsverfahren bevollmächtigten Rechtsanwältin beantragt.

5

II. 1. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von [X.] ist zulässig aber unbegründet.

6

Nach § 73a [X.]G iVm § 114 ZPO kann einer Beteiligten für das [X.] vor dem B[X.] [X.] bewilligt und eine Rechtsanwältin beigeordnet werden, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Unabhängig von den wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von [X.] fehlt es an der hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung.

7

Nach § 160 Abs 2 [X.]G darf das B[X.] die Revision gegen eine Entscheidung des L[X.] nur dann zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat ([X.]), die angefochtene Entscheidung von einer Entscheidung des B[X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht ([X.]) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann ([X.] 3). Hinsichtlich der vom L[X.] allein beurteilten Beitragsfestsetzung aufgrund einer obligatorischen Anschlussversicherung in der [X.] in den Jahren 2018, 2019 und 2020 ist weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch eine Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung ersichtlich. Auch ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen könnte, ist nicht zu erkennen. Das L[X.] hat beide Berufungen als zulässig erachtet. Eine ermessensfehlerhafte Verbindung beider Berufungen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung ist weder dargetan noch ersichtlich.

8

Überdies ist nach der - verfassungsrechtlich gebilligten - ständigen Rechtsprechung aller obersten Gerichtshöfe des [X.] (vgl B[X.] Beschluss vom 5.9.2005 - B 1 KR 9/05 BH - juris mwN) im Verfahren der [X.]-Bewilligung ein über die unmittelbare Erfolgsaussicht des konkret angestrebten Rechtsmittels hinaus erweiterter Beurteilungsspielraum eröffnet, der es erlaubt, eine öffentlich-rechtliche Unterstützung bei der Beschreitung des Rechtswegs auch dann zu verweigern, wenn der Antragsteller in der Sache letztlich ohne Erfolg bleiben muss. Die [X.] Vergünstigung der [X.] soll nämlich - jedenfalls primär - dazu dienen, den mittellosen Prozessbeteiligten die Möglichkeit zu geben, materielle Ansprüche durchzusetzen. Zumindest bei Verfahrensfehlern ist daher grundsätzlich nicht nur auf die unmittelbare Erfolgsaussicht der beabsichtigten Beschwerde abzustellen, sondern auch darauf, ob die Rechtsverfolgung insgesamt Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (vgl etwa B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] B - juris Rd[X.] 8 mwN; B[X.] Beschluss vom 5.9.2005 - B 1 KR 9/05 BH - [X.] 4-1500 § 73a [X.] Rd[X.] 4 mwN; B[X.] Beschluss vom [X.] - B 12 KR 1/07 B - juris Rd[X.] 3 mwN). Ein diese Grundsätze einschränkender schwerer Verfahrensfehler ist hier nicht ersichtlich. Insbesondere kommt in Bezug auf einen erst während des Berufungsverfahrens erlassenen Verwaltungsakt eine Verletzung des Anspruchs auf [X.] aus Art 101 GG (vgl hierzu B[X.] Urteil vom 8.10.2019 - B 12 KR 8/19 R - B[X.]E 129, 186 = [X.] 4-1500 § 153 [X.]8, Rd[X.]3 ff) nicht in Betracht, da das L[X.] nicht durch Beschluss nach § 153 Abs 4 [X.]G entschieden hat.

9

Allerdings ist nicht auszuschließen, dass das L[X.] die Bedeutung von § 96 [X.]G verkannt hat. Danach wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Werden mit einem Verwaltungsakt Beiträge beginnend ab einem bestimmten Datum festgesetzt, ohne das Ende des [X.] zu benennen, und ergehen während des Klage- oder Berufungsverfahrens Folgebescheide zur Beitragsanpassung, die sich nicht auf einen früheren [X.]raum beschränken, werden diese abändernden Verwaltungsakte nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl B[X.] Urteil vom 8.10.2019 - B 12 KR 8/19 R - B[X.]E 129, 186 = [X.] 4-1500 § 153 [X.]8 Rd[X.]2 mwN) von Gesetzes wegen Gegenstand des Verfahrens. Dass das L[X.] zwar die Beitragsjahre 2018, 2019 und 2020 wegen der ausdrücklichen Ausführungen als "Gegenstand des Berufungsverfahrens" ansieht, nicht aber den im Tatbestand seines Urteils genannten Bescheid vom 19.1.2019 (Festsetzung ab 1.1.2019) sowie den von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Bescheid vom 29.10.2020 (endgültige Festsetzung der Beiträge für die [X.] vom 1.1. bis zum 31.12.2019), ist weder ein die fehlende Erfolgsaussicht in der Sache außer [X.] schwerer Verfahrensfehler, noch ein Verfahrensverstoß, auf dem die Entscheidung des L[X.] beruhen könnte. Denn das Berufungsgericht hat ungeachtet der im Urteil bezeichneten Bescheide ausdrücklich über die Beitragsjahre 2018 (ab 1.9.), 2019 und 2020 entschieden. Insoweit hat es die Voraussetzungen für den Eintritt der obligatorischen Anschlussversicherung (§ 188 Abs 4 [X.]B V) ab 1.9.2018 bejaht und die Festsetzung der Mindestbeiträge zur [X.] unbeanstandet gelassen, weil das Gesetz verfassungsrechtlich unbedenklich geringere Beiträge nicht vorsehe. Diese Beurteilung des L[X.] steht mit der Gesetzeslage (§ 223 Abs 1, § 240 Abs 1 Satz 1 und [X.] , § 241 [X.]B V ) und der Rechtsprechung des Senats (vgl B[X.] Urteil vom 30.11.2016 - B 12 KR 6/15 R - [X.] 4-2500 § 224 [X.]; B[X.] Urteil vom 25.8.2004 - B 12 P 1/04 R - [X.] 4-3300 § 25 [X.]) im Einklang. Eine Revision, deren Zulassung die Klägerin unter Inanspruchnahme von [X.] mit der Nichtzulassungsbeschwerde anstrebt, könnte der Klägerin im Ergebnis nicht - auch nicht teilweise - zu dem von ihr materiell gewünschten Erfolg ([X.] ohne oder mit geringerer Beitragspflicht) verhelfen.

Dass das L[X.] die Berufung gegen das am 22.9.2020 ergangene Urteil des "[X.] Hildesheim vom 30. September 2020 ([X.] KR 349/19)" zurückgewiesen hat, begründet ebenfalls keine die Bewilligung von [X.] rechtfertigende hinreichende Erfolgsaussicht. Die fehlerhafte Datumsbezeichnung des vorinstanzlichen Urteils ist als offensichtliche Unrichtigkeit von Amts wegen oder auf Antrag zu berichtigen (vgl § 138 [X.]G und B[X.] Beschluss vom [X.] - B 7 [X.] 222/99 B - juris Rd[X.]0 sowie B[X.] Beschluss vom 10.1.2005 - [X.] U 294/04 B - juris Rd[X.]) und kann jedenfalls nicht zum materiell-rechtlich angestrebten Erfolg führen.

2. Da kein Anspruch auf Bewilligung von [X.] besteht, ist auch für eine Beiordnung einer Rechtsanwältin kein Raum (§ 73a Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 121 ZPO).

3. Die von der Klägerin [X.] eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht von einem vor dem B[X.] nach § 73 Abs 4 [X.]G zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt worden ist. Die Verwerfung erfolgt durch Beschluss ohne Zuziehung [X.] (§ 160a [X.] Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 [X.]G).

4. [X.] beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

[X.]

Meta

B 12 KR 17/22 BH

22.08.2022

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Hildesheim, 22. September 2020, Az: S 60 KR 185/20, Urteil

§ 73a SGG, § 160 Abs 2 SGG, § 160a SGG, § 114 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.08.2022, Az. B 12 KR 17/22 BH (REWIS RS 2022, 6891)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6891

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