Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.05.2021, Az. III ZR 169/20

3. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 6099

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WIDERRUFSRECHT EXAMENSTIPP

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Gegenstand

Widerruf eines Dienstleistungsvertrags: Ausschlussgrund des vollständigen Erbringens der Leistung; Festlegung des Vertragsgegenstands durch Allgemeine Geschäftsbedingungen; Berechnung des Wertersatzes für teilweise erbrachte Leistungen – Widerruf eines Partnervermittlungsvertrags


Leitsatz

Widerruf eines Partnervermittlungsvertrags

1a. Ein vollständiges Erbringen der Leistung im Sinne des § 356 Abs. 4 Satz 1 BGB erfordert jedenfalls, dass der Unternehmer seine Hauptleistung vollständig erbracht hat.

1b. Welche Pflichten Hauptleistungspflichten sind, bestimmt sich nach den Umständen des jeweiligen Vertragsverhältnisses. Entscheidend ist, worauf es der einen oder der anderen Partei in hohem Grade ankam, was sie unter allen Umständen erlangen wollte. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln.

1c. Durch Allgemeine Geschäftsbedingungen kann der Vertragsgegenstand nicht verändert werden; der Begriff der Leistung steht nicht zur Disposition des Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Fortführung von BGH, Urteil vom 18. Mai 1999 - XI ZR 219/98, BGHZ 141, 380, 383; Senat, Urteile vom 18. April 2002 - III ZR 199/01, NJW 2002, 2386 und vom 8. Oktober 2009 - III ZR 93/09, NJW 2010, 150 Rn. 23).

2. Zur Berechnung des Wertersatzes für teilweise erbrachte Leistungen nach dem Widerruf eines Partnervermittlungsvertrags ist auf den im Vertrag vereinbarten Preis für die Gesamtheit der vertragsgegenständlichen Leistungen abzustellen und der geschuldete Betrag zeitanteilig zu berechnen. Eine Ausnahme hiervon gilt nur, wenn der geschlossene Vertrag ausdrücklich vorsieht, dass eine oder mehrere der Leistungen gleich zu Beginn der Vertragsausführung vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden (Vergleiche EuGH, Urteil vom 8. Oktober 2020 - C-641/19, NJW 2020, 3771 Rn. 26 ff).

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 21. Zivilsenats des [X.] vom 25. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der beklagten Partnervermittlungsagentur die Rückzahlung einer Vergütung.

2

Die Klägerin schloss am 28. Mai 2018 in ihrer Wohnung im Verlauf des Besuchs eines Vertreters der [X.]n einen Partnervermittlungsvertrag. Die von der [X.]n geschuldete Leistung ist in dem von ihr verwendeten Vertragsformular wie folgt beschrieben:

"a) Umfangreiche Beratung im Rahmen eines persönlichen Gesprächs, in dem die speziellen Wünsche und Vorstellungen des Auftraggebers von dem in Betracht kommenden Partner erfasst, besprochen und auf Stimmigkeiten untersucht werden. Hierbei wird ein schriftlicher Personalbogen und ein Partnerwunschbogen erstellt (vorbereitende Leistung).

b) Die so herausgearbeiteten Daten werden von [X.] [der [X.]n] bewertet und nach einem bewährten System sorgfältig mit dem Kundenbestand von [X.] abgeglichen, um eine möglichst weitgehende Übereinstimmung der Partnerwünsche zu gewährleisten (vorbereitende Leistung).

c) Auf der Grundlage dieses Abgleichs stellt [X.] spätestens innerhalb von 4 Wochen nach Vertragsabschluss 21 Partnervorschläge (Partnerdepot) zusammen (Hauptleistung). Nach Erstellung des [X.] können die Partnervorschläge innerhalb der Vertragslaufzeit von 12 Monaten jederzeit (ggfls. nach Ablauf einer Widerrufsfrist gem. § 355 Abs. 2 BGB) in beliebiger Anzahl von [X.] geliefert bzw. vom Auftraggeber abgerufen werden. ..."

3

Die Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung des Honorars bis 10:00 Uhr am Folgetag. In dem Vertragsformular ist weiter bestimmt, dass "auf die Ausarbeitung des [X.] (Hauptleistung)" 90% und auf die "Verwaltung und Aktualisierung des [X.] für die Dauer der Vertragslaufzeit von 12 Monaten" 10 % des Honorars entfallen sollten.

4

Zugleich mit dem Vermittlungsvertrag trafen die Parteien unter Verwendung eines gesonderten Formulars eine "Zusatzvereinbarung über den einvernehmlichen Ausschluss des Kündigungsrechtes" nach § 627 BGB. Außerdem unterzeichnete die Klägerin eine Widerrufsbelehrung sowie folgende Erklärung:

"Ich wünsche ausdrücklich, dass die [X.] [die [X.]] mit ihrer Dienstleistung aus dem Partnervermittlungsvertrag sofort beginnt. [X.] ist bewusst, dass ich mein Widerrufsrecht verliere, wenn der [X.] vollständig erfüllt ist."

5

Die Klägerin zahlte am 29. Mai 2018 an die [X.] in bar das geschuldete Honorar in Höhe von 8.330 €.

6

Mit Schreiben von diesem Tag wurden der Klägerin drei Kontakte übermittelt, an die sie sich wandte, die jedoch nicht erfolgreich waren. Die Klägerin "kündigte" den Vertrag daraufhin mit am 5. Juni 2018 der [X.]n zugegangenen Schreiben vom 4. Juni 2018. Mit vom 5. Juni 2018 datierenden Schreiben erhielt die Klägerin 17 weitere Kontaktvorschläge.

7

Das [X.] hat die auf Rückzahlung von 8.330 € gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] die [X.] unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels zur Zahlung von 7.139 € und Zinsen verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die [X.] die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

I.

9

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in NJW 2021, 640 abgedruckt ist, hat im Wesentlichen ausgeführt:

Der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 355 Abs. 3 Satz 1, § 357d i.V.m. § 312g Abs. 1 [X.] auf Rückzahlung von Vergütung in Höhe von 7.139 € zu.

Die Parteien hätten einen Verbrauchervertrag im Sinne des § 312 Abs. 1 i.V.m. § 310 Abs. 3 [X.] außerhalb von Geschäftsräumen (§ 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]) geschlossen, den die Klägerin durch das Schreiben vom 4. Juni 2018, das die Beklagte am 5. Juni 2018 erreicht habe, wirksam widerrufen habe.

Das Widerrufsrecht sei zu diesem Zeitpunkt nicht gemäß § 356 Abs. 4 Satz 1 [X.] erloschen gewesen. Zwar habe die Klägerin eine den Voraussetzungen dieser Vorschrift entsprechende Erklärung unterzeichnet. Die Beklagte habe aber ihre Leistung noch nicht vollständig erbracht. Entgegen dem Wortlaut des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags habe die Hauptleistungspflicht der Beklagten nicht in der - internen - Erstellung des [X.] bestanden. Dies ergebe sich bereits aus der Leistungsbeschreibung und der Aufschlüsselung der Vergütung, da hierauf (nur) 90 % der Vergütung entfielen. Darüber hinaus verstoße die überproportionale Berücksichtigung der Erstellung des [X.] nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten gegen § 308 Nr. 7a [X.]. Es handele sich um einen gemäß § 306a [X.] unzulässigen Versuch, das dem Kunden zustehende Widerrufs- beziehungsweise Kündigungsrecht sowie das Recht, nach Widerruf beziehungsweise Kündigung eine noch nicht verdiente, aber im Voraus bereits erbrachte Vergütung zurückzufordern, zu entwerten. Die Erstellung des Depots, das für den Kunden keinen eigenen Wert habe, sei lediglich als Vorbereitungshandlung für die Übersendung der ausführlichen Partnervorschläge mit Namen und Kontaktdaten an den Kunden zu werten.

Wegen der Unwirksamkeit dieser Bestimmung sei es für die Bemessung des geschuldeten [X.]es nicht maßgeblich, dass allein für die Erstellung des [X.] 90 % der Vergütung anfallen sollten. Der [X.] bemesse sich vielmehr danach, wie viele konkrete Vorschläge dem Kunden bereits übermittelt worden seien. Da 18 der insgesamt geschuldeten 21 Vorschläge noch ausgestanden hätten, schulde die Klägerin [X.] in Höhe von 1.191 €, so dass die Beklagte ihr 7.139 € zurückzahlen müsse.

Ein gleichlautender Anspruch ergebe sich aus § 627 Abs. 1, § 628 Abs. 1 Satz 3, § 812 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 [X.]. Der Partnervermittlungsvertrag sei ein Vertrag über Dienste höherer Art im Sinne des § 627 [X.], den die Klägerin durch das Schreiben vom 4. Juni 2018 wirksam gekündigt habe. Das Kündigungsrecht sei durch die Zusatzvereinbarung nicht wirksam abbedungen worden. Die Beklagte habe sich insofern in unwirksamer Weise einer Allgemeinen Geschäftsbedingung bedient. Für die Berechnung des Anteils der Vergütung, der auf den noch nicht erbrachten Anteil der Leistungen der Beklagten entfalle und daher der Klägerin zu erstatten sei, werde auf die Ausführungen zum Erstattungsanspruch aufgrund Widerrufs verwiesen.

II.

Diese Erwägungen enthalten keine Rechtsfehler zu Lasten der Beklagten.

1. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung von Vergütung jedenfalls in Höhe des vom Berufungsgericht zuerkannten Betrags zu.

a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Parteien einen Verbrauchervertrag im Sinne des § 312 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 310 Abs. 3 [X.] außerhalb von Geschäftsräumen (§ 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]) geschlossen haben, dessen Widerruf die Klägerin durch ihr Schreiben vom 4. Juni 2018 erklärt hat.

b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch erkannt, dass das Widerrufsrecht der Klägerin nicht gemäß § 356 Abs. 4 Satz 1 und 2 [X.] ausgeschlossen war, weil die Beklagte zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung ihre Dienstleistung noch nicht vollständig erbracht hatte.

aa) Was ein vollständiges Erbringen der Leistung im Sinne des § 356 Abs. 4 Satz 1 [X.] erfordert, ist nach den Maßgaben des Art. 16 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/[X.] des [X.] und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher (ABl. [X.] 2011 L 304, 64 - im Folgenden: [X.]) zu bestimmen, da das Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 1 und § 355 Abs. 1 [X.] und seine Rechtsfolgen auf dieser Richtlinie beruhen (vgl. [X.] in [X.], [X.], § 355 Rn. 5.1 [Stand: 15. Februar 2021]).

Art. 16 Buchst. a [X.] setzt für eine Ausnahme vom Widerrufsrecht zum einen voraus, dass der Unternehmer die "Dienstleistung vollständig erbracht" hat, und zum anderen die Kenntnisnahme des Verbrauchers, dass er sein Widerrufsrecht bei "vollständiger Vertragserfüllung" durch den Unternehmer verliert. Beide Begriffe haben dieselbe Bedeutung. Trotz des unterschiedlichen Wortlauts müssen beide inhaltsidentisch verstanden werden, da sich die Kenntnis des Verbrauchers auf gerade die Umstände beziehen muss, die zum Erlöschen des Widerrufsrechts führen (so auch [X.] aaO Rn. 50).

Der Umfang der Pflichten, deren Erfüllung zum Erlöschen des Widerrufsrechts führen kann, bestimmt sich nach dem Gegenstand des Vertrags; es müssen alle jene Plichten erfüllt sein, die für die Erbringung der Hauptleistung erforderlich sind. Dies folgt aus dem Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 8. Oktober 2020 ([X.]/19, NJW 2020, 3771 Rn. 28). Dort ist ausgeführt, die vom Verbraucher im Fall eines Widerrufs nach einem hinreichenden Leistungsverlangen geschuldete anteilige Vergütung nach Art. 14 Abs. 3 [X.] sei "unter Berücksichtigung aller Leistungen zu berechnen, die Gegenstand des Vertrags sind, d.h. der Hauptleistung und der Nebenleistungen, die für die Erbringung dieser Hauptleistung erforderlich sind". Hieraus lässt sich mit der nach der acte-clair-Doktrin (vgl. z.B. [X.], NJW 1983, 1257, 1258 und [X.], 111 Rn. 38 ff; Senat, Urteil vom 17. Januar 2019 - [X.], NJW-RR 2019, 528 Rn. 76) erforderlichen Gewissheit schließen, dass für ein vollständiges Erbringen der Leistung des Unternehmers jedenfalls die Erfüllung seiner Hauptleistungspflicht erforderlich ist.

Hauptleistungspflichten sind bei einem gegenseitigen Vertrag die den Vertrag prägenden, sein "Wesen" charakterisierenden Leistungspflichten (vgl. [X.]/Schwarze [2020] [X.] § 323 Rn. [X.]). Welche Pflichten als von wesentlicher Bedeutung anzusehen sind, bestimmt sich nach den Umständen des jeweiligen Vertragsverhältnisses (Senat, Urteil vom 9. Juni 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 1618 Rn. 30 mwN). Entscheidend ist, worauf es der einen oder der anderen Partei in hohem Grade ankam, was sie unter allen Umständen erlangen wollte (vgl. [X.], 429, 431). Maßgeblich ist also der Wille der Vertragspartner, der durch Auslegung zu ermitteln ist (vgl. [X.], Urteile vom 30. September 1971 - [X.], NJW 1972, 99 und vom 22. Juli 1998 - [X.], NJW 1998, 3197, 3199; RG aaO).

bb) Nach diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht ein vollständiges Erbringen der Leistung der Beklagten nicht angenommen hat, weil es die Erstellung des [X.] nicht als alleinige Hauptleistungspflicht der Beklagten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Partnervermittlungsvertrag angesehen hat. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet festgestellt, dass für den Kunden der Beklagten allein die Übersendung der ausführlichen Partnervorschläge mit Namen und Kontaktdaten von Bedeutung ist. Diese Leistung hatte die Beklagte zum Zeitpunkt des Widerrufs nur zu einem geringen Teil erbracht. Dagegen ließe es sich mit den vom Berufungsgericht festgestellten berechtigten Erwartungen des Kunden nicht vereinbaren, die interne Erstellung des [X.] als dasjenige anzusehen, was der Kunde unbedingt erlangen wollte und damit als die das Wesen des Vertrags charakterisierende Pflicht der Beklagten. Darüber hinaus bliebe bei dem Verständnis der Beklagten von ihrer vertraglichen Hauptleistungspflicht unberücksichtigt, dass der Kunde auch darauf angewiesen ist, dass die Partnervorschläge zu dem Zeitpunkt während der einjährigen Vertragslaufzeit, zu dem er sie zu einer Kontaktanbahnung nutzt, noch aktuell und bis dahin gegebenenfalls ergänzt und aktualisiert worden sind.

cc) Für ein anderes Verständnis kann sich die Beklagte nicht auf die im [X.] enthaltene Vereinbarung berufen, wonach die "Hauptleistung" (allein) in der Erstellung eines 21 Partnervorschläge umfassenden [X.] liege. Diese Bestimmung ist gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 [X.] unwirksam. Sie widerspricht dem wesentlichen Grundgedanken des § 356 Abs. 4 Satz 1 [X.].

Zwar findet eine Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Rahmen von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, §§ 308, 309 [X.] unter anderem hinsichtlich solcher Abreden nicht statt, die Art und Umfang der vertraglichen Leistungspflichten unmittelbar regeln (Senat, Urteil vom 8. Oktober 2009 - [X.], [X.], 150 Rn. 22 mwN). Jedoch kann durch Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht der Vertragsgegenstand verändert werden; der Begriff der Leistung steht nicht zur Disposition des Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. Senat, Urteile vom 18. April 2002 - [X.], [X.], 2386 und vom 8. Oktober 2009 aaO Rn. 23; [X.], Urteile vom 18. Mai 1999 - [X.], [X.]Z 141, 380, 383 und vom 22. November 2012 - [X.], juris Rn. 16 [insoweit in NJW 2013, 856 nicht abgedruckt]). Vielmehr ist durch Auslegung der individuellen Vereinbarungen der Parteien zu ermitteln, welche Pflichten das Wesen des Vertrags charakterisieren und damit Hauptleistungspflichten sind. Die Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist insofern keine Abrede über den unmittelbaren Leistungsgegenstand, sondern der Versuch, den vereinbarten Leistungsumfang einseitig durch eine (Um-)Definierung von Haupt- und Nebenleistungspflichten abzuändern und dadurch - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - in unzulässiger Weise (§ 361 Abs. 2 [X.] beziehungsweise § 306a [X.]) das ihren Kunden gesetzlich zustehende Widerrufsrecht sowie das Recht der Kunden zur Kündigung (§ 627 [X.]) zu entwerten; hierzu sollte im Zusammenwirken mit der Bestimmung eines 90-prozentigen [X.] für diese "Hauptleistungspflicht" die Möglichkeit beschränkt werden, nach der Kündigung eine noch nicht verdiente, aber im Voraus bereits erbrachte Vergütung zurückzufordern (vgl. auch Senat, Urteil vom 8. Oktober 2009 aaO Rn. 23).

c) Der [X.] der Klägerin besteht mindestens in der vom Berufungsgericht zugesprochenen Höhe.

Gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 [X.] sind im Falle des Widerrufs die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Die Klägerin kann daher Rückzahlung der von ihr geleisteten Vergütung verlangen. Der Beklagten steht jedenfalls kein Gegenanspruch auf [X.] für die von ihr erbrachten Leistungen über den vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Betrag hinaus zu.

Voraussetzung für einen Anspruch auf [X.] nach § 357 Abs. 8 Satz 1 bis 3 [X.] für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung ist, dass der von dem Unternehmer gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 EG[X.] informierte Verbraucher von diesem durch eine auf einem dauerhaften Datenträger übermittelte Erklärung ausdrücklich verlangt, mit der Erbringung von Dienstleistungen vor Ablauf der Widerrufsfrist zu beginnen. Diese Voraussetzungen liegen nach den - nicht im Wege der [X.] angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts vor. Darüber hinaus setzt der [X.]anspruch voraus, dass der Unternehmer dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung und das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 zum EG[X.] ausgehändigt hat (vgl. [X.], Urteil vom 26. November 2020 - I ZR 169/19, NJW-RR 2021, 177 Rn. 72). Hierzu fehlen bisher hinreichende Feststellungen. Darauf kommt es indes nicht an, weil die Klägerin die auf der Zuerkennung eines [X.]anspruchs beruhende teilweise Klageabweisung hingenommen hat.

Steht der Beklagten ein Anspruch auf [X.] zu, übersteigt dieser jedenfalls 1.191 € nicht.

Zur Berechnung des [X.]es ist der vereinbarte Gesamtpreis zugrunde zu legen (§ 357 Abs. 8 Satz 4 [X.]). Zu dieser Vorschrift, die der Umsetzung von Art. 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 [X.] dient und daher im Lichte des Wortlauts und der Ziele dieser Richtlinie auszulegen ist, hat der Gerichtshof der [X.] - nach Erlass des Berufungsurteils - durch das bereits angeführte Urteil vom 8. Oktober 2020 (aaO Rn. 26 ff) entschieden, dass grundsätzlich auf den im Vertrag vereinbarten Preis für die Gesamtheit der vertragsgegenständlichen Leistungen abzustellen und der geschuldete Betrag zeitanteilig zu berechnen ist. Eine Ausnahme hiervon gilt nur, wenn der geschlossene Vertrag ausdrücklich vorsieht, dass eine oder mehrere der Leistungen gleich zu Beginn der Vertragsausführung vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden; nur unter dieser Voraussetzung kann der Verbraucher sachgerecht entscheiden, ob er von dem Unternehmer verlangen soll, mit der Ausführung der Dienstleistung während der Widerrufsfrist zu beginnen (aaO Rn. 29 und 32 zum Widerruf eines auf einer Partnervermittlungs-Website geschlossenen Vertrags).

Nach diesen Vorgaben berechnet sich der [X.] angesichts der Vertragslaufzeit von zwölf Monaten auf weniger als 1.191 €.

Ein Ausnahmefall, der eine Abweichung von einer zeitanteiligen Berechnung des Werts der Leistungen der Beklagten rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Die Parteien haben keine Leistungspflicht der Beklagten vereinbart, die vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden sollte. Soweit die Beklagte auf die Vereinbarung eines [X.] von 90 % für die Erstellung des [X.] verweist, fehlt es bereits daran, dass dieser nicht gesondert gezahlt werden sollte. Es bedurfte danach auch keiner Feststellungen des Berufungsgerichts zur Bewertung der Einzelleistungen der Beklagten, wie der Erstellung des [X.] und des [X.] sowie der Aufwendungen hinsichtlich des Vertragsschlusses, deren Fehlen die Revision rügt. Auch bleibt nach diesen Grundsätzen von vornherein kein Raum für einen Anspruch der Beklagten im Hinblick auf die - von ihr behauptete - Provisionszahlung an ihre Vertreter in Höhe von 1.999,20 €. Die von der Revision insoweit zur Unterstützung ihrer Auffassung herangezogene Rechtsprechung des [X.] (Senat, Urteil vom 8. Oktober 2009 aaO Rn. 20; [X.], Urteil vom 29. Mai 1991 - [X.], NJW 1991, 2763, 2764) steht dem nicht entgegen, da diese die Bemessung einer [X.] nach § 628 Abs. 1 Satz 1 [X.] betrifft und daher hier keine Anwendung finden kann.

2. Ein weitergehender Anspruch steht der Beklagten auch aus § 628 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht zu. Dabei kann es dahinstehen, ob die nach dieser Vorschrift geschuldete Vergütung - wie dies das Berufungsgericht angenommen hat - generell nach den dargelegten, für die Berechnung des [X.]es nach § 357 Abs. 8 Satz 1 [X.] geltenden Maßstäben zu berechnen ist. Sowohl der Schutzzweck der §§ 312b, 312d, 355, 357 [X.] als auch das Gebot einer möglichst wirksamen Anwendung des Rechts der Union (effet utile) stehen jedenfalls einer Auslegung des § 628 Abs. 1 Satz 1 [X.] entgegen, die dazu führen würde, dass der Verbraucher im Fall der bloßen Ausübung seines Widerrufsrechts Ansprüchen des Unternehmers ausgesetzt ist, die über die gegebenenfalls nach § 357 Abs. 8 Satz 1 [X.] geschuldete Verpflichtung zum [X.] hinausgehen. Es liegen auch keine sonstigen Umstände vor, die weitere Ansprüche der Beklagten begründen könnten.

[X.]     

      

[X.]     

      

Reiter

      

Kessen     

      

Herr     

      

Meta

III ZR 169/20

06.05.2021

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 25. Juni 2020, Az: I-21 U 107/19, Urteil

§ 307 Abs 2 Nr 1 BGB, § 312b Abs 1 S 1 Nr 1 BGB, § 312g Abs 1 BGB, § 355 Abs 3 S 1 BGB, § 356 Abs 4 S 1 BGB, § 357 Abs 8 S 4 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.05.2021, Az. III ZR 169/20 (REWIS RS 2021, 6099)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 994-996 NJW 2021, 2885 REWIS RS 2021, 6099 WM 2022, 1981 REWIS RS 2021, 6099


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. III ZR 169/20

Bundesgerichtshof, III ZR 169/20, 06.05.2021.


Az. VII ZR 124/20

Bundesgerichtshof, VII ZR 124/20, 02.09.2021.


Az. 21 U 107/19

Oberlandesgericht Köln, 21 U 107/19, 25.06.2020.


Az. VII ZR 140/22

Bundesgerichtshof, VII ZR 140/22, 10.05.2023.


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