Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.05.2013, Az. IX ZB 272/11

9. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5707

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Gegenstand

Restschuldbefreiung: Öffentliche Bekanntmachung von Beschlüssen bei unbekanntem Aufenthalt des Schuldners nach Wohnsitzwechsel


Leitsatz

Der Aufenthalt des Schuldners, der entgegen seiner Auskunftsobliegenheit einen Wohnsitzwechsel nicht mitteilt, ist unbekannt; das Insolvenzgericht kann in diesem Fall Beschlüsse ohne weitere Ermittlungen öffentlich bekannt machen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des [X.] vom 12. Oktober 2011 wird auf Kosten des Schuldners mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des [X.] vom 3. September 2010 kostenpflichtig abgelehnt wird.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der damals in [X.] lebende Schuldner stellte im Februar 2004 einen Insolvenzantrag und einen Antrag auf Restschuldbefreiung. Im Mai 2004 zog er zur Arbeitsaufnahme nach [X.] um. Eine ladungsfähige Anschrift hinterließ er nicht. Im Juli 2004 wurde in [X.] das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet und Rechtsanwältin   B.      zur Insolvenzverwalterin bestellt. Diese konnte vom Schuldner nur ein Postfach in [X.] und eine E-Mail-Anschrift in Erfahrung bringen.

2

Nach Durchführung des [X.], an dem der Schuldner nicht teilnahm, kündigte das Insolvenzgericht ihm im Oktober 2007 die Restschuldbefreiung an und bestellte die bisherige Insolvenzverwalterin zur Treuhänderin. Durch Beschluss vom 23. November 2007 hob es das Insolvenzverfahren auf. Im Januar 2009 forderte die Treuhänderin den Schuldner mit einem an seine Postfachanschrift in [X.] gerichteten Schreiben unter Fristsetzung auf, die Mindestvergütung für das [X.] zu entrichten. Eine Reaktion des Schuldners erfolgte nicht.

3

Im Mai 2009 kehrte der Schuldner nach [X.] zurück; seit dem 12. Mai 2009 ist er unter einer Anschrift in [X.] gemeldet. Seine neue Anschrift verschickte er mittels E-Mail an die Treuhänderin und das Insolvenzgericht. Diese E-Mails kamen bei den Adressaten nicht an: Die Treuhänderin hatte seit Anfang des Jahres 2009 eine neue dem Schuldner nicht bekannte E-Mail-Adresse, die alte war gelöscht; die E-Mail-Anschrift des Insolvenzgerichts, die der Schuldner dem Internetportal der [X.] Justiz entnommen hatte, war falsch.

4

Sowohl die Treuhänderin wie auch das Insolvenzgericht schrieben in der Folgezeit wegen der Mindestvergütung der Treuhänderin an den Schuldner unter der letzten ihnen bekannten Anschrift in [X.]. Eine Reaktion erfolgte nicht. Im April 2010 forderte die Treuhänderin den Schuldner unter Fristsetzung auf, nunmehr auch die für das [X.] angefallene Vergütung zu begleichen. Wieder erfolgte keine Reaktion des Schuldners. In Folge beantragte die Treuhänderin, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Daraufhin schrieb das Insolvenzgericht am 16. Juli 2010 den Schuldner unter seiner Postfachadresse in [X.] erneut an und forderte ihn unter Fristsetzung zur Stellungnahme zum [X.] und zur Zahlung der Treuhändervergütung auf. Dieses Schreiben kam am 11. August 2010 mit dem Aufdruck zurück, das Postfach sei geschlossen worden.

5

Durch Beschluss vom 3. September 2010 hat das Insolvenzgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. In der Annahme, der Schuldner sei unbekannten Aufenthalts, hat es die öffentliche Bekanntmachung angeordnet. Die [X.] ist am 9. September 2010 erfolgt. Der Schuldner will erst am 17. März 2011 von der Versagung der Restschuldbefreiung erfahren haben; mit am 31. März 2011 beim Insolvenzgericht eingegangenem Schriftsatz hat er sofortige Beschwerde eingelegt und vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das [X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag wie die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Restschuldbefreiung erreichen möchte.

II.

6

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 7 aF, § 298 Abs. 3, § 296 Abs. 3 Satz 1 [X.], Art. 103f EG[X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Sie hat in der Sache keinen Erfolg.

7

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die sofortige Beschwerde sei verfristet. Der Versagungsbeschluss sei mit den Wirkungen des § 9 Abs. 3 [X.] öffentlich bekannt gemacht worden. Die Beschwerdefrist sei deswegen Ende September 2010 abgelaufen. Darauf, ob die neue Anschrift des Schuldners in [X.] sich dem Insolvenzgericht nach genauerer Lektüre der Akten erschlossen hätte und ob das Gericht den aktuellen Aufenthalt des Schuldners von Amts wegen hätte ermitteln müssen, komme es deswegen nicht an.

8

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unzulässig, weil er nicht innerhalb der zweiwöchigen [X.] bei Gericht eingegangen sei. Bestehe das Hindernis darin, dass eine [X.] keine Kenntnis von einem Beschluss habe, gegen den sie Rechtsmittel einlegen wolle, sei das Hindernis behoben, sobald sie Kenntnis von dem Beschluss erhalte. Voraussetzung sei jedoch zwingend, dass diese Unkenntnis von dem Beschluss u[X.]erschuldet gewesen sei. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen. Der Schuldner hätte die E-Mails nicht nur verschicken, sondern den Eingang bei den Adressaten kontrollieren müssen. Selbst wenn die Möglichkeit bestehe, dass bei dem Schuldner eine Fehlermeldung über den nicht erfolgten Zugang der E-Mails nicht eingegangen sei, hätte er nach Ablauf einer gewissen Zeit bei den Empfängern nachfragen müssen. Nur auf diese Weise hätte er im anfälligen [X.] die Gewissheit erlangen können, dass seine E-Mails tatsächlich angekommen seien. Er hätte nicht monatelang abwarten dürfen, ohne etwas von der Treuhänderin oder dem Insolvenzgericht zu hören, zumal die [X.] im Juli 2010 abgelaufen sei.

9

2. Diese Ausführungen halten zumindest im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Im Ergebnis mit Recht ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die öffentliche Bekanntmachung des [X.] nach § 9 Abs. 3 [X.] die Wirkung einer Zustellung hatte, mithin das Rechtsmittel gegen den Versagungsbeschluss im März 2011 verfristet war. Da der Versagungsbeschluss am 9. September 2010, einem Donnerstag, veröffentlicht worden ist, gilt die öffentliche Bekanntmachung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 [X.] in Verbindung mit § 4 [X.], § 187 Abs. 1 BGB, § 222 ZPO am Dienstag, den 14. September 2010, 0.00 Uhr als bewirkt. Die Beschwerdefrist endete deswegen am 28. September 2010. Denn das Insolvenzgericht durfte die Versagungsentscheidung öffentlich bekanntmachen, weil der Schuldner unbekannten Aufenthalts war und deswegen an ihn jedenfalls nicht besonders zugestellt werden musste (§ 8 Abs. 2 Satz 1 [X.]).

aa) Zu der Frage, wann das Insolvenzgericht im Hinblick auf die sich aus § 5 Abs. 1 [X.] ergebende Amtsermittlungspflicht davon ausgehen darf, dass eine Person, an die zugestellt werden muss, unbekannten Aufenthalts ist, wird teils die Ansicht vertreten, dies sei nur unter den Voraussetzungen der Fall, unter denen nach § 185 Nr. 1 ZPO eine öffentliche Zustellung erfolgen könne (FK-[X.]/[X.], 7. Aufl., § 8 Rn. 28; zu den Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung bei unbekanntem Aufenthalt eines Beklagten vgl. [X.], Urteil vom 4. Juli 2012 - [X.], NJW 2012, 3582 Rn. 16 ff; Beschluss vom 6. Dezember 2012 - [X.]/12, [X.] 2013, 223 Rn. 16 mwN). Nach anderer Auffassung muss das Insolvenzgericht lediglich zumutbare Nachforschungen unternehmen, wobei einerseits es für ausreichend angesehen wird, dass es aktuelle Auskünfte des für den letzten bekannten Wohnort des Schuldners zuständigen Einwohnermelde- und Postamts einholt (MünchKomm-[X.]/Ganter, 2. Aufl., § 8 Rn. 27; HmbKomm-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 8 Rn. 10; [X.] in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], § 8 Rn. 24; vgl. für die öffentliche Zustellung in der Einzelvollstreckung [X.], Beschluss vom 14. Februar 2003 - [X.], NJW 2003, 1530 f), andererseits zusätzlich eine Nachfrage etwa beim Arbeitgeber oder Vermieter verlangt wird (vgl. [X.]/Uhländer/Rost, [X.], § 8 Rn. 6; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 8 Rn. 5).

bb) Das Insolvenzgericht ist im [X.] jedenfalls in der Wohlverhaltensperiode nicht verpflichtet, Nachforschungen nach dem Wohnsitz des Schuldners anzustellen. Im Eröffnungsverfahren, im eröffneten Verfahren und in der Wohlverhaltensperiode treffen diesen nach § 20 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 295 Abs. 1 Nr. 3 [X.] besondere Auskunfts- und Mitwirkungspflichten.

Nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 [X.] kann dem Schuldner nach Durchführung des [X.] die Restschuldbefreiung versagt werden, wenn er seinen Auskunftspflichten im Eröffnungsverfahren- und im eröffneten Verfahren nicht nachgekommen ist ([X.], Beschluss vom 16. Dezember 2004 - [X.], [X.], 232 f; vom 15. November 2007 - [X.], [X.] Rn. 8). Insbesondere muss er jeden Wohnsitzwechsel von sich aus mitteilen. Der [X.] ist in diesem Fall erfüllt, wenn sich ein Schuldner an einen unbekannten Ort im Ausland absetzt. Allerdings muss er seinen Auskunftspflichten über einen längeren Zeitraum nicht nachkommen und dies muss nennenswerte Auswirkungen auf das Verfahren haben ([X.], Beschluss vom 3. Juli 2008 - [X.], Z[X.] 2008, 975 Rn. 9). Dabei setzt die Versagung der Restschuldbefreiung wegen Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten eine konkrete Beeinträchtigung der [X.] der Gläubiger nicht voraus ([X.], Beschluss vom 8. Januar 2009 - [X.], [X.], 253 Rn. 10; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], § 290 Rn. 74; FK-[X.]/[X.], 7. Aufl., § 290 Rn. 56; [X.] in [X.]/Uhländer, [X.] § 290 Rn. 61).

In der Wohlverhaltensperiode trifft den Schuldner die Obliegenheit, jeden Wohnsitzwechsel dem Insolvenzgericht u[X.]erzüglich, das heißt etwa binnen zwei Wochen anzuzeigen (§ 295 Abs. 1 Nr. 3 [X.]). Die monatelange Nichtanzeige einer Wohnsitzverlegung rechtfertigt die Versagung der Restschuldbefreiung ([X.], Beschluss vom 11. Februar 2010 - [X.] 46/09, [X.], 489 Rn. 2). Nach der Gesetzesbegründung sollte die Anzeige jedes Wohnsitzwechsels dem Treuhänder und dem Insolvenzgericht ermöglichen, das Verhalten des Schuldners ohne großen eigenen Untersuchungsaufwand zu überwachen und zu überprüfen (BT-Drucks. 12/2443, [X.] zu § 244 RegE-[X.]). Mit der Mitteilungspflicht sollte sichergestellt werden, dass der Schuldner für den Treuhänder und das Insolvenzgericht jederzeit erreichbar ist. Entscheidend ist, wo sich der Schuldner tatsächlich aufhält und auf dem Postweg oder persönlich erreichbar ist ([X.], Beschluss vom 8. Juni 2010 - [X.], [X.], 654 Rn. 12 ff; vgl. Weinland in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], § 295 Rn. 32; FK-[X.]/[X.], aaO, § 295 Rn. 53 ff). Folge der Verletzung der [X.] ist, dass der fehlende Zugang außer Betracht zu bleiben hat, wenn Auskunftsverlangen des Treuhänders einem Schuldner deswegen nicht zugehen ([X.], Beschluss vom 8. Juni 2010, aaO Rn. 24).

Wenn Sinn der [X.] nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 [X.] die jederzeitige Erreichbarkeit des Schuldners ist, sind dem Insolvenzgericht dann, wenn der Schuldner seinen Mitteilungsobliegenheiten nicht nachkommt, besondere Ermittlungspflichten nach dem Aufenthaltsort des Schuldners nicht aufzuerlegen. Bei Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen (mit dem Ziel der Restschuldbefreiung) handelt es sich um Masse[X.]erfahren. Ein reibungsloser Ablauf ist hier nur gewährleistet, wenn der Schuldner mindestens seiner Obliegenheit nachkommt, jederzeit erreichbar zu sein, ohne dass Einwohnermeldeamtsanfragen und sonstige Nachforschungen erfolgen müssen (vgl. [X.], [X.], 115, 116).

cc) Im Streitfall ist der Schuldner seiner [X.] weder im Eröffnungsverfahren, im eröffneten Verfahren noch in der Wohlverhaltensperiode nachgekommen.

Der Schuldner hat der späteren Insolvenzverwalterin im Eröffnungsverfahren nur mitgeteilt, zur Arbeitsaufnahme nach [X.] ausgereist zu sein. Eine Wohnanschrift im Ausland hat er nicht bekannt gegeben. Die spätere Insolvenzverwalterin hat nur eine Postfachanschrift beziehungsweise E-Mail-Adressen in Erfahrung bringen können. Im eröffneten Verfahren hat sich der Schuldner nur im Dezember 2005 mit der Insolvenzverwalterin in Verbindung gesetzt; zu weiteren Kontakten ist es weder im eröffneten Verfahren noch in der Treuhandperiode gekommen.

Die Verbindungsaufnahme mit dem Schuldner gestaltete sich schwierig. An das Postfach gerichtete Schreiben blieben unbeantwortet. Dass diese Schreiben sämtlich nicht ankamen oder der Schuldner von ihnen keine Kenntnis erhielt, war für die Insolvenzverwalterin und spätere Treuhänderin und das Insolvenzgericht nicht erkennbar, weil die mit einfacher Post verschickten Schreiben bis zum [X.] nicht zurückkamen. Die Treuhänderin erhielt im [X.] ein Einschreiben als nicht zustellbar zurück, das Insolvenzgericht das letzte Schreiben im [X.] mit dem Vermerk, das Postfach sei geschlossen worden. Wenn es zutrifft, dass der Schuldner, wie er eidesstattlich versichert hat, keine Schreiben erhielt, hätte ihm auffallen müssen, dass ihn Post über das Postfach nicht sicher erreichte. Er hätte aber dafür Sorge tragen müssen, dass er für das Insolvenzgericht und die Treuhänderin erreichbar war. Dies ergibt sich sowohl aus § 97 [X.] als auch aus § 295 [X.].

Der Schuldner ist seiner [X.] aus § 295 Abs. 1 Nr. 3 [X.] auch nicht durch die Versendung der E-Mails an nicht vorhandene E-Mail-Adressen nachgekommen, wie die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf eine Kommentarstelle meint (MünchKomm-[X.]/Ehricke, 2. Aufl., § 295 Rn. 75; vgl. auch FK-[X.]/[X.], aaO, § 295 Rn. 53; [X.] in [X.]/Uhländer, [X.], § 295 Rn. 23). Ein Schuldner kommt der Obliegenheit aus § 295 Abs. 1 Nr. 3 [X.], jeden Wohnsitzwechsel u[X.]erzüglich mitzuteilen, nicht dadurch nach, dass er die Erklärungshandlung vornimmt, sondern die Erklärung muss der Treuhänderin oder dem Insolvenzgericht auch zugegangen sein (vgl. für §§ 121, 130 BGB [X.], Urteil vom 11. Oktober 1974 - [X.], NJW 1975, 39). Dies war hier nicht der Fall.

dd) Mithin musste das Insolvenzgericht - im Hinblick auf den letzten ihm bekannten Wohnort des Schuldners in [X.] ([X.]/[X.]) - keine Auskünfte bei dem in [X.] seit dem Jahr 2007 installierten Behördeninformationssystem einholen, durch das Daten der bei einer [X.] Gemeinde gemeldeten Einwohner zentral gesammelt werden, um den Wohnsitz des Schuldners zu ermitteln. Gegen die Anwendung des § 8 Abs. 2 [X.] spricht auch nicht, dass sich aus den Anlagen zu einem Schriftsatz eines Gläubigers des Schuldners ergab, dass dieser im [X.] gegen den Schuldner unter seiner aktuellen Anschrift vollstreckt und der Gerichtsvollzieher Kontakt zu ihm hatte. Die Anlagen zu diesem Schriftsatz hat das Insolvenzgericht ersichtlich nicht zur Kenntnis genommen und musste es auch nicht zur Kenntnis nehmen. Denn aus dem Schriftsatz selbst war nicht ersichtlich, dass der Gläubiger im [X.] gegen den Schuldner vollstreckt hatte und ihm dessen aktuelle Anschrift bekannt war. Mit dem Schriftsatz hatte der Gläubiger, der am Insolvenzverfahren nicht beteiligt war, einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt. Da dieser [X.] von vornherein unstatthaft war (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Oktober 2008 - [X.], Z[X.] 2009, 52 Rn. 2), hatte das Insolvenzgericht keinen Anlass, die Anlagen zu überprüfen.

b) Mit Recht hat das Beschwerdegericht dem Schuldner keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Nichteinhaltung der Beschwerdefrist gewährt (§ 4 [X.], § 233 ZPO).

Allerdings war der Wiedereinsetzungsantrag nach § 234 Abs. 1 ZPO zulässig, weil er innerhalb der zweiwöchigen [X.] gestellt worden ist. Der Schuldner hat glaubhaft gemacht, dass er von dem Versagungsbeschluss erst am 17. März 2011 erfahren hat; dann aber lief die [X.] bis zum 31. März 2011. Innerhalb der Frist hat er die sofortige Beschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung beantragt. Hiergegen spricht nicht die ständige Rechtsprechung des [X.], dass das Hindernis nach § 234 Abs. 2 ZPO behoben ist, sobald die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt oder ihr Fortbestehen nicht mehr u[X.]erschuldet ist ([X.], Beschluss vom 16. Februar 1987 - [X.], [X.], 764; vom 18. September 1991 - [X.], [X.], 48, 49; vom 30. April 1997 - [X.], [X.], 997, 998). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich entgegen den Ausführungen der angefochtenen Entscheidung jedoch nicht, dass nur bei u[X.]erschuldeter Unkenntnis von der anzufechtenden Entscheidung ein zulässiger Wiedereinsetzungsantrag gestellt werden könnte (vgl. [X.], Beschluss vom 30. April 1997, aaO).

Zutreffend ist jedoch die Ansicht des Beschwerdegerichts, dass der Schuldner nicht ohne Verschulden gehindert war, die [X.] zur Einlegung der Rechtsbeschwerde einzuhalten (§ 233 Abs. 1 ZPO); deswegen ist sein Wiedereinsetzungsantrag unbegründet. Denn es gereicht ihm zum Verschulden, dass er von der Zustellung des [X.] keine Kenntnis hatte. Er hat das Insolvenzverfahren und das [X.] durch eigene Anträge eingeleitet. Er wusste nach eigenem Vortrag zumindest, dass das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren im Jahr 2004 eröffnet hatte. Weitere Kenntnisse vom Stand des Verfahrens besaß er nicht, weil er nach seiner Ausreise nach [X.] sich um die Verfahren nicht gekümmert und er nicht hinreichend dafür Sorge getragen hat, dass ihn die Post der Treuhänderin und des Insolvenzgerichts in [X.] erreichen konnte. Mit der Angabe eines Postfaches kam er seinen Obliegenheiten nicht nach, weil ihn nach eigenen Angaben die an das Postfach geschickten Sendungen nicht erreicht haben. Es musste ihm deswegen klar sein, dass er für die Insolvenzverwalterin und das Insolvenzgericht nicht sicher postalisch erreichbar war (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Oktober 1990 - [X.], NJW 1991, 109; BVerwG, NJW 1994, 1672 f). Dennoch hat er sich nicht bemüht, Verbindung zu diesen aufzunehmen und eine sichere ladungsfähige Anschrift mitzuteilen. Nachdem er im [X.] nach [X.] zurückgekehrt ist, hat er nur zwei E-Mails an die Treuhänderin und das Gericht gerichtet, die ihre Empfänger nicht erreicht haben. Von Mai 2009 bis zum Versagungsbeschluss aus dem Monat September 2010 hat sich der Schuldner um sein Insolvenz- und [X.] weiterhin nicht gekümmert. Dazu hätte umso mehr Anlass bestanden, als er Anfang 2010 die Vollstreckung eines Gläubigers unter Hinweis auf das bestehende Insolvenzverfahren verhinderte und im [X.] 2010 die Laufzeit der Abtretungserklärung abgelaufen war (vgl. BayObLG, NJW-RR 1988, 509; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 233 Rn. 30). Ohne Rechtsfehler verweist das Beschwerdegericht den Schuldner daher darauf, dieser hätte sich jedenfalls spätestens bis zum [X.] 2010 bei der Treuhänderin oder dem Insolvenzgericht nach dem Stand des Verfahrens und dem Eingang seiner E-Mails erkundigen müssen, zumal die Korrespondenz mittels E-Mails nicht in jeder Hinsicht zuverlässig erscheint.

Den Schuldner entlastet es nicht, dass ihm die neue E-Mail-Adresse der Treuhänderin nicht bekannt war. Er durfte nach einer fünfjährigen Verfahrensdauer nicht darauf vertrauen, dass sich deren Kontaktdaten zwischenzeitlich nicht geändert hatten. Die Treuhänderin selbst konnte den Schuldner über die geänderten Kontaktdaten nicht informieren, weil ihre Schreiben an die Postfachanschrift in [X.] ihn nicht erreichten. Ebenso wenig entschuldigt es ihn, dass er die nicht zutreffende E-Mail-Adresse des Insolvenzgerichts dem Internetportal der [X.] Justiz entnommen hat. Allerdings hat ein Schuldner nur für eigenes Verschulden und das seines Vertreters (§ 51 Abs. 2, § 85 Abs. 2 ZPO) einzustehen. Insbesondere ist ihm Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn [X.] für die Fristversäumung mitursächlich geworden sind ([X.]/[X.], aaO, § 233 Rn. 26 mwN). Dem Schuldner wird in diesem Zusammenhang jedoch nicht die Versendung der E-Mail an die unzutreffende E-Mail-Adresse des Insolvenzgerichts zur Last gelegt, sondern sein späteres [X.].

[X.]                          Fischer

               Grupp                        [X.]

Meta

IX ZB 272/11

16.05.2013

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG München II, 12. Oktober 2011, Az: 7 T 2331/11

§ 8 Abs 2 InsO, § 9 Abs 3 InsO, § 295 Abs 1 Nr 3 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.05.2013, Az. IX ZB 272/11 (REWIS RS 2013, 5707)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5707

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