Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.05.2013, Az. IX ZB 272/11

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5726

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 272/11

vom

16. Mai 2013

in dem [X.]

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 8 Abs. 2, § 9 Abs. 3, § 295 Abs. 1 Nr. 3
[X.], der entgegen seiner Auskunftsobliegenheit einen Wohnsitzwechsel nicht mitteilt, ist unbekannt; das Insolvenzgericht kann in diesem Fall Beschlüsse ohne weitere Ermittlungen öffentlich bekannt machen.
[X.], Beschluss vom 16. Mai 2013 -
IX ZB 272/11 -
LG [X.] II

AG [X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.]
Dr.
Kayser, [X.], Dr.
Fischer, Grupp und die Richterin Möh-ring

am 16. Mai 2013
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7.
Zivilkammer des [X.] [X.]
II vom
12. Oktober 2011 wird auf Kos-ten des Schuldners mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen [X.] der Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss
des Amtsgerichts [X.] vom 3.
September 2010 kostenpflichtig abgelehnt
wird.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 5.000

Gründe:

I.

Der damals in [X.] lebende Schuldner stellte im Februar
2004 einen
Insolvenzantrag und einen Antrag auf Restschuldbefreiung. Im Mai
2004 zog
er zur Arbeitsaufnahme nach [X.] um. Eine ladungsfähige Anschrift hinterließ er 1
-

3

-
nicht. Im Juli 2004 wurde in [X.] das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet und Rechtsanwältin

B.

zur Insolvenzverwalterin bestellt. Diese
konnte vom Schuldner nur ein Postfach in [X.] und eine
E-Mail-Anschrift in Erfahrung bringen.

Nach Durchführung des [X.], an dem der Schuldner nicht teilnahm, kündigte das
Insolvenzgericht ihm im Oktober
2007 die Restschuldbe-freiung an und bestellte die bisherige Insolvenzverwalterin zur Treuhänderin. Durch Beschluss vom 23.
November 2007 hob es das Insolvenzverfahren auf.
Im Januar
2009 forderte die Treuhänderin den Schuldner mit einem an seine Postfachanschrift in [X.] gerichteten
Schreiben unter Fristsetzung auf, die Mindestvergütung für das Jahr
2008 zu entrichten. Eine Reaktion des [X.] erfolgte nicht.

Im Mai
2009 kehrte der Schuldner nach [X.] zurück; seit dem 12.
Mai 2009 ist er unter einer Anschrift in [X.] gemeldet.
Seine neue [X.] verschickte er mittels E-Mail an die Treuhänderin und das Insolvenzge-richt.
Diese E-Mails kamen bei den Adressaten nicht an:
Die Treuhänderin hatte seit Anfang des Jahres 2009 eine neue dem Schuldner nicht bekannte E-Mail-Adresse, die alte war gelöscht; die E-Mail-Anschrift des [X.], die der Schuldner dem Internetportal der [X.] Justiz entnommen hatte, war falsch.

Sowohl die Treuhänderin wie auch das Insolvenzgericht schrieben in der Folgezeit wegen der Mindestvergütung der Treuhänderin an den Schuldner un-ter der letzten ihnen bekannten Anschrift in [X.]. Eine Reaktion erfolgte nicht. Im April
2010 forderte die Treuhänderin den Schuldner unter Fristsetzung auf, nunmehr auch die für das Jahr
2009 angefallene Vergütung zu begleichen. 2
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4

-
Wieder erfolgte keine Reaktion des Schuldners. In Folge beantragte die [X.]in, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen.
Daraufhin schrieb das Insolvenzgericht am 16.
Juli 2010 den Schuldner unter seiner Post-fachadresse in [X.] erneut an und forderte ihn unter Fristsetzung zur Stel-lungnahme zum Versagungsantrag
und zur Zahlung der Treuhändervergütung auf. Dieses Schreiben kam am 11.
August 2010 mit
dem Aufdruck zurück, das Postfach sei geschlossen worden.

Durch Beschluss vom 3.
September 2010 hat das Insolvenzgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. In der Annahme, der Schuldner sei unbekannten Aufenthalts,
hat es die öffentliche Bekanntmachung angeordnet. Die [X.] ist am 9.
September 2010
erfolgt. [X.] will erst am 17.
März 2011 von der Versagung der Restschuldbefreiung
erfahren
haben; mit am 31.
März 2011 beim Insolvenzgericht eingegangenem Schriftsatz hat er sofortige Beschwerde eingelegt
und vorsorglich Wiedereinsetzung in den [X.] beantragt. Das [X.] hat den
Wiedereinsetzungsantrag
wie die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Restschuldbefreiung errei-chen möchte.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§
6, 7 aF, §
298 Abs.
3, §
296 Abs.
3 Satz
1 [X.], Art.
103f EG[X.], §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§
574 Abs.
2 Nr.
1 ZPO). Sie hat in der Sache keinen Erfolg.

5
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-

5

-

1.
Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die sofortige Beschwerde sei verfristet. Der Versagungsbeschluss sei mit den Wirkungen des §
9 Abs.
3 [X.] öffentlich bekannt gemacht worden. Die Beschwerdefrist sei deswegen Ende September
2010 abgelaufen. Darauf, ob die neue Anschrift des Schuldners in [X.] sich dem Insolvenzgericht nach genauerer
Lektüre der Akten er-schlossen hätte
und ob das Gericht den aktuellen Aufenthalt des Schuldners von Amts wegen hätte ermitteln müssen, komme es deswegen nicht an.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unzulässig, weil er nicht innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist bei Gericht eingegangen sei. Bestehe das Hindernis darin, dass eine [X.] keine Kenntnis von einem Beschluss habe, gegen den sie
Rechtsmittel einlegen wolle, sei das Hindernis behoben, sobald sie
Kenntnis von dem Beschluss erhalte. [X.] sei jedoch zwingend, dass diese Unkenntnis von dem Beschluss [X.] gewesen sei. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen. [X.] hätte die E-Mails nicht nur verschicken, sondern den Eingang bei den Adressaten kontrollieren müssen. Selbst wenn die Möglichkeit bestehe, dass bei dem Schuldner eine Fehlermeldung über den nicht erfolgten Zugang der E-Mails nicht eingegangen sei, hätte er nach Ablauf einer gewissen Zeit bei den Empfängern nachfragen müssen. Nur auf diese Weise hätte er im
anfälli-gen [X.] die Gewissheit erlangen können, dass seine E-Mails tat-sächlich angekommen seien. Er hätte nicht monatelang abwarten dürfen, ohne etwas von der Treuhänderin oder dem Insolvenzgericht zu hören, zumal die [X.] im Juli
2010 abgelaufen sei.

2.
Diese Ausführungen halten zumindest im Ergebnis rechtlicher Nach-prüfung stand.

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6

-

a)
Im Ergebnis mit Recht ist das Beschwerdegericht davon ausgegan-gen, dass die öffentliche Bekanntmachung des [X.] nach §
9 Abs.
3 [X.] die Wirkung einer Zustellung hatte, mithin das Rechtsmittel ge-gen den Versagungsbeschluss im März 2011 verfristet war.
Da der [X.] am 9.
September 2010, einem Donnerstag, veröffentlicht
wor-den ist, gilt die öffentliche Bekanntmachung nach §
9 Abs.
1 Satz
3 [X.] in Verbindung mit §
4 [X.], §
187 Abs.
1 BGB, §
222 ZPO am Dienstag, den 14.
September 2010,
0.00
Uhr als bewirkt. Die Beschwerdefrist endete [X.] am 28.
September 2010.
Denn das Insolvenzgericht durfte die Versa-gungsentscheidung öffentlich bekanntmachen, weil der Schuldner unbekannten Aufenthalts war
und deswegen an ihn jedenfalls nicht besonders zugestellt werden musste (§
8 Abs.
2 Satz
1 [X.]).

[X.])
Zu der
Frage, wann das Insolvenzgericht im Hinblick auf die sich aus §
5 Abs.
1 [X.] ergebende Amtsermittlungspflicht
davon
ausgehen darf, dass eine Person, an die zugestellt werden muss, unbekannten Aufenthalts ist, wird teils die Ansicht vertreten, dies sei nur unter den Voraussetzungen der Fall, un-ter denen nach §
185 Nr.
1 ZPO eine öffentliche Zustellung erfolgen könne (FK-[X.]/[X.], 7.
Aufl., §
8 Rn.
28; zu den Voraussetzungen
einer öffentli-chen Zustellung bei unbekanntem
Aufenthalt eines Beklagten vgl. [X.], Urteil
vom 4.
Juli 2012 -
XII
ZR 94/10, NJW
2012, 3582 Rn.
16
ff; Beschluss vom 6.
Dezember 2012 -
VII
ZR 74/12, RPfleger
2013, 223 Rn.
16 mwN). Nach an-derer Auffassung muss das Insolvenzgericht lediglich zumutbare Nachfor-schungen unternehmen, wobei einerseits es für ausreichend angesehen wird, dass es aktuelle Auskünfte des für den letzten bekannten Wohnort des [X.] zuständigen Einwohnermelde-
und Postamts einholt (MünchKomm-[X.]/
Ganter, 2.
Aufl., §
8 Rn.
27; HmbKomm-[X.]/[X.], 4.
Aufl., §
8 Rn.
10; [X.] in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], §
8 Rn.
24; vgl. für die öffentliche 10
11
-

7

-
Zustellung in der Einzelvollstreckung [X.], Beschluss vom 14.
Februar 2003
-
IXa
ZB 56/03, NJW
2003, 1530
f), andererseits zusätzlich eine Nachfrage et-wa beim Arbeitgeber
oder Vermieter
verlangt
wird (vgl. [X.]/Uhländer/Rost, [X.], §
8 Rn.
6; [X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
8 Rn.
5).

bb)
Das Insolvenzgericht ist im [X.] jedenfalls in der Wohlverhaltensperiode nicht verpflichtet, Nachforschungen nach dem Wohnsitz des Schuldners anzustellen. Im Eröffnungsverfahren, im eröffneten Verfahren und in der Wohlverhaltensperiode treffen diesen nach §
20 Abs.
1, §
97 Abs.
1, §
295 Abs.
1 Nr.
3
[X.] besondere Auskunfts-
und Mitwirkungs-pflichten.

Nach §
290 Abs.
1 Nr.
5
[X.] kann dem Schuldner
nach Durchführung des [X.] die Restschuldbefreiung versagt
werden, wenn er seinen
Auskunftspflichten
im Eröffnungsverfahren-
und im eröffneten Verfahren
nicht nachgekommen ist ([X.], Beschluss vom 16.
Dezember 2004 -
IX
ZB 72/03, [X.], 232
f; vom 15.
November 2007 -
IX
ZB 159/06, nv Rn.
8). [X.] muss er jeden Wohnsitzwechsel von sich aus mitteilen. Der [X.] ist in diesem Fall erfüllt, wenn sich ein Schuldner an einen un[X.]en Ort im Ausland absetzt. Allerdings muss er seinen Auskunftspflichten über einen längeren Zeitraum nicht nachkommen
und dies muss nennenswerte Auswirkungen auf das Verfahren haben ([X.], Beschluss vom 3.
Juli 2008 -
IX
ZB 181/07, Z[X.]
2008, 975 Rn.
9). Dabei setzt die Versagung der Rest-schuldbefreiung wegen Verletzung von Auskunfts-
und Mitwirkungspflichten eine konkrete Beeinträchtigung der [X.] der Gläubiger nicht voraus ([X.], Beschluss vom 8.
Januar 2009 -
IX
ZB 73/08, NZI
2009, 253 Rn.
10; vgl. auch D.
Fischer in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], §
290 12
13
-

8

-
Rn.
74; FK-[X.]/[X.], 7.
Aufl., §
290 Rn.
56; [X.] in [X.]/Uhländer, [X.] §
290 Rn.
61).

In der Wohlverhaltensperiode trifft den Schuldner die Obliegenheit, jeden Wohnsitzwechsel dem Insolvenzgericht unverzüglich, das heißt
etwa binnen zwei Wochen anzuzeigen (§
295 Abs.
1 Nr.
3 [X.]). Die monatelange [X.] einer Wohnsitzverlegung rechtfertigt die Versagung der Restschuldbefrei-ung ([X.], Beschluss vom 11.
Februar 2010 -
IX
ZA 46/09, NZI
2010, 489 Rn.
2). Nach der Gesetzesbegründung sollte die Anzeige jedes [X.] und dem Insolvenzgericht ermöglichen, das Verhalten des Schuldners ohne großen eigenen Untersuchungsaufwand zu überwachen und zu überprüfen (BT-Drucks. 12/2443, S.
192 zu §
244 RegE-[X.]). Mit der Mitteilungspflicht sollte sichergestellt werden, dass der Schuldner für den [X.] und das Insolvenzgericht jederzeit erreichbar ist. Entscheidend ist, wo sich der Schuldner tatsächlich aufhält und auf dem Postweg oder persönlich erreichbar ist ([X.], Beschluss vom 8.
Juni 2010 -
IX ZB 153/09, NZI
2010, 654 Rn.
12
ff; vgl. Weinland
in [X.]/[X.]/Ringstmeier, [X.], §
295 Rn.
32; FK-[X.]/[X.], [X.]O, §
295 Rn.
53
ff). Folge der Verletzung der [X.] ist, dass
der fehlende Zugang außer Betracht zu bleiben hat, wenn Auskunftsverlangen des Treuhänders einem Schuldner deswegen nicht zuge-hen ([X.], Beschluss vom 8.
Juni 2010, [X.]O Rn.
24).

Wenn Sinn
der Auskunftsobliegenheit nach §
295 Abs.
1 Nr.
3 [X.] die jederzeitige Erreichbarkeit des Schuldners ist,
sind dem Insolvenzgericht dann, wenn der Schuldner seinen Mitteilungsobliegenheiten nicht nachkommt, beson-dere Ermittlungspflichten nach dem Aufenthaltsort des Schuldners nicht aufzu-erlegen. Bei Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen (mit dem Ziel der Restschuldbefreiung) handelt es sich um Massenverfahren. Ein 14
15
-

9

-
reibungsloser Ablauf ist hier nur gewährleistet, wenn der Schuldner mindestens seiner Obliegenheit
nachkommt, jederzeit erreichbar zu sein, ohne dass Ein-wohnermeldeamtsanfragen und sonstige Nachforschungen erfolgen müssen (vgl. AG
Göttingen, NZI
2010, 115, 116).

[X.])
Im Streitfall ist der Schuldner seiner Auskunftsobliegenheit
weder im Eröffnungsverfahren, im eröffneten Verfahren noch in der Wohlverhaltensperio-de
nachgekommen.

[X.] hat der späteren Insolvenzverwalterin
im Eröffnungsver-fahren nur mitgeteilt, zur Arbeitsaufnahme nach [X.] ausgereist zu sein. Eine Wohnanschrift im Ausland hat
er nicht bekannt
gegeben. Die spätere Insol-venzverwalterin
hat
nur eine Postfachanschrift beziehungsweise E-Mail-Adressen in Erfahrung bringen können. Im eröffneten Verfahren hat sich der Schuldner nur im Dezember 2005 mit der Insolvenzverwalterin in Verbindung gesetzt; zu weiteren Kontakten ist es weder im eröffneten Verfahren noch in der Treuhandperiode
gekommen.

Die Verbindungsaufnahme mit dem Schuldner gestaltete sich schwierig. An das Postfach gerichtete Schreiben blieben unbeantwortet. Dass diese Schreiben sämtlich nicht ankamen
oder der Schuldner von ihnen keine Kennt-nis erhielt, war für die Insolvenzverwalterin und spätere Treuhänderin und das Insolvenzgericht nicht erkennbar, weil die mit einfacher Post verschickten Schreiben bis zum Jahr
2010 nicht zurückkamen. Die Treuhänderin erhielt im Jahr
2009 ein Einschreiben als nicht zustellbar
zurück,
das Insolvenzgericht das letzte Schreiben im Jahr
2010 mit dem Vermerk, das Postfach sei geschlossen worden. Wenn es zutrifft, dass der Schuldner, wie er eidesstattlich versichert hat, keine Schreiben erhielt, hätte ihm auffallen müssen, dass ihn Post über das 16
17
18
-

10

-
Postfach nicht sicher erreichte. Er hätte aber
dafür Sorge tragen müssen, dass er für das Insolvenzgericht und die Treuhänderin erreichbar war. Dies ergibt sich sowohl aus §
97 [X.] als
auch aus §
295 [X.].

[X.] ist seiner Auskunftsobliegenheit aus §
295 Abs.
1 Nr.
3 [X.] auch nicht durch die Versendung der E-Mails an nicht vorhandene E-Mail-Adressen nachgekommen, wie die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf eine Kommentarstelle meint
(MünchKomm-[X.]/Ehricke, 2.
Aufl., §
295 Rn.
75; vgl. auch FK-[X.]/[X.], [X.]O, §
295 Rn.
53; [X.] in [X.]/Uhländer, [X.], §
295 Rn.
23). Ein Schuldner kommt der Obliegenheit
aus §
295 Abs.
1 Nr.
3 [X.], jeden Wohnsitzwechsel unverzüglich mitzuteilen, nicht dadurch nach, dass er die Erklärungshandlung vornimmt, sondern
die Erklärung muss der [X.] oder dem Insolvenzgericht auch zugegangen sein
(vgl. für §§
121, 130 BGB [X.], Urteil vom 11.
Oktober 1974 -
V
ZR 25/73, NJW
1975, 39). Dies war hier nicht der Fall.

dd)
Mithin musste das Insolvenzgericht -
im Hinblick auf den letzten ihm bekannten Wohnort des Schuldners in [X.] ([X.]/[X.])
-
keine Aus-künfte bei dem in [X.] seit dem Jahr
2007 installierten Behördeninformati-onssystem
einholen, durch das Daten der bei einer [X.] Gemeinde ge-meldeten Einwohner
zentral gesammelt werden,
um den Wohnsitz des [X.] zu ermitteln. Gegen die Anwendung des §
8 Abs.
2 [X.] spricht auch nicht, dass sich aus den Anlagen zu einem Schriftsatz
eines Gläubigers des Schuldners
ergab, dass dieser im Jahr
2010 gegen
den Schuldner unter seiner aktuellen Anschrift vollstreckt und der Gerichtsvollzieher
Kontakt zu ihm
hatte. Die Anlagen zu diesem Schriftsatz hat das Insolvenzgericht ersichtlich nicht zur Kenntnis genommen und musste es auch nicht zur Kenntnis nehmen. Denn aus dem Schriftsatz selbst war nicht ersichtlich, dass der Gläubiger im Jahr 2010 19
20
-

11

-
gegen den Schuldner vollstreckt hatte
und ihm dessen aktuelle Anschrift [X.] war. Mit dem Schriftsatz hatte der
Gläubiger, der am Insolvenzverfahren nicht beteiligt war, einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung ge-stellt. Da dieser Versagungsantrag von vornherein unstatthaft war (vgl. [X.], Beschluss vom 9.
Oktober 2008 -
IX
ZB 16/08, Z[X.]
2009, 52 Rn.
2), hatte das Insolvenzgericht keinen Anlass, die Anlagen zu
überprüfen.

b)
Mit Recht hat das Beschwerdegericht dem Schuldner keine Wieder-einsetzung in den vorigen Stand wegen Nichteinhaltung der Beschwerdefrist gewährt (§
4 [X.], §
233 ZPO).

Allerdings war der Wiedereinsetzungsantrag nach §
234 Abs.
1 ZPO zu-lässig, weil er innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist gestellt
wor-den ist. [X.] hat glaubhaft gemacht, dass er von dem [X.] erst am 17.
März 2011 erfahren hat; dann aber lief die [X.] bis zum 31.
März 2011. Innerhalb der Frist hat er die sofortige Be-schwerde eingelegt
und
Wiedereinsetzung beantragt.
Hiergegen spricht nicht
die ständige Rechtsprechung des [X.], dass das Hindernis nach §
234 Abs.
2 ZPO behoben ist, sobald die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt oder ihr Fortbestehen nicht mehr unverschuldet ist ([X.], Beschluss vom 16.
Februar 1987 -
II
ZB 2/87, VersR
1987, 764; vom 18.
September 1991
-
XII
ZB 51/91, FamRZ
1992, 48,
49; vom 30.
April 1997 -
XII
ZB 36/96,
FamRZ
1997, 997, 998).
Aus dieser Rechtsprechung
ergibt sich entgegen den Ausführungen der angefochtenen Entscheidung jedoch nicht, dass nur bei [X.]er Unkenntnis von der anzufechtenden Entscheidung ein zulässiger Wiedereinsetzungsantrag gestellt werden könnte (vgl. [X.], Beschluss vom 30.
April 1997, [X.]O).

21
22
-

12

-

Zutreffend ist jedoch die Ansicht des Beschwerdegerichts, dass
der Schuldner nicht ohne Verschulden gehindert war, die [X.] zur Einlegung der Rechtsbeschwerde einzuhalten (§
233 Abs.
1 ZPO); deswegen ist
sein Wieder-einsetzungsantrag unbegründet.
Denn es gereicht ihm zum Verschulden, dass er von der Zustellung des [X.] keine Kenntnis hatte. Er hat das Insolvenzverfahren und das [X.] durch eigene Anträge eingeleitet. Er wusste nach eigenem Vortrag zumindest, dass das [X.] das Insolvenzverfahren im Jahr
2004 eröffnet hatte. Weitere Kenntnisse vom Stand des Verfahrens besaß er nicht, weil er nach seiner
Aus-reise nach [X.] sich um die Verfahren nicht gekümmert und er nicht hinrei-chend dafür Sorge getragen hat, dass ihn die Post der Treuhänderin und des [X.] in [X.] erreichen konnte. Mit der Angabe eines Postfaches kam er seinen Obliegenheiten nicht nach, weil ihn nach eigenen Angaben die an das Postfach geschickten Sendungen nicht erreicht haben. Es musste ihm
deswegen klar sein, dass er für die Insolvenzverwalterin und das Insolvenzge-richt nicht sicher postalisch erreichbar war
(vgl.
[X.], Beschluss vom 4.
Oktober 1990 -
V
ZB 7/90, NJW
1991, 109; [X.], NJW
1994, 1672
f). Dennoch hat er sich nicht bemüht, Verbindung zu diesen aufzunehmen und eine sichere ladungsfähige Anschrift mitzuteilen. Nachdem er im Jahr
2009 nach [X.] zurückgekehrt ist, hat er nur zwei
E-Mails an die [X.] und das Gericht gerichtet, die ihre Empfänger nicht erreicht
haben. Von Mai 2009 bis zum Versagungsbeschluss aus dem Monat September
2010 hat sich der Schuldner um sein Insolvenz-
und [X.] weiterhin nicht gekümmert. Dazu hätte umso mehr Anlass bestanden, als er Anfang 2010 die Vollstreckung eines Gläubigers unter Hinweis auf das bestehende Insol-venzverfahren verhinderte und im [X.] 2010 die Laufzeit der Abtretungser-klärung abgelaufen war
(vgl. BayObLG, NJW-RR
1988, 509; [X.]
-

13

-
ZPO/[X.], 4.
Aufl., §
233 Rn.
30).
Ohne Rechtsfehler verweist das Be-schwerdegericht den Schuldner daher darauf, dieser hätte sich jedenfalls [X.] bis zum [X.]
2010 bei der Treuhänderin oder dem Insolvenzgericht nach dem Stand des Verfahrens und dem Eingang seiner E-Mails erkundigen müssen, zumal die Korrespondenz mittels E-Mails nicht in jeder Hinsicht zuver-lässig erscheint.

Den Schuldner entlastet es nicht, dass ihm die neue E-Mail-Adresse der Treuhänderin nicht bekannt
war. Er durfte nach einer fünfjährigen Verfahrens-dauer nicht darauf vertrauen, dass sich deren Kontaktdaten zwischenzeitlich nicht geändert hatten. Die Treuhänderin selbst konnte den Schuldner über die geänderten Kontaktdaten nicht informieren, weil ihre Schreiben an die [X.] in [X.] ihn nicht erreichten. Ebenso wenig entschuldigt es ihn, dass er die nicht zutreffende E-Mail-Adresse des [X.]
dem Inter-netportal der [X.] Justiz entnommen hat. Allerdings hat ein Schuldner nur für eigenes
Verschulden und das seines Vertreters (§
51 Abs.
2, §
85 Abs.
2 ZPO) einzustehen. Insbesondere ist ihm Wiedereinsetzung zu gewäh-ren, wenn [X.] für die Fristversäumung mitursächlich geworden sind (MünchKomm-ZPO/[X.], [X.]O, §
233 Rn.
26 mwN). Dem Schuldner wird in

24
-

14

-
diesem Zusammenhang jedoch nicht die Versendung der E-Mail an die unzu-treffende
E-Mail-Adresse des [X.] zur
Last gelegt, sondern sein späteres [X.].

Kayser
Raebel
Fischer

Grupp
Möhring

Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 03.09.2010 -
2 IN 61/04 -

LG [X.] II, Entscheidung vom 12.10.2011 -
7 [X.] und 7 T 2762/11 -

Meta

IX ZB 272/11

16.05.2013

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.05.2013, Az. IX ZB 272/11 (REWIS RS 2013, 5726)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5726

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