Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.12.2010, Az. 2 WDB 3/10

2. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2010, 254

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Gegenstand

Einfache Disziplinarmaßnahme; weitere Beschwerde; anhörungspflichtige Stelle; Anhörung der Vertrauensperson


Leitsatz

1. Im Falle des § 42 Nr. 4 Satz 3 WDO (juris: WDO 2002) ist die weitere Beschwerde bei dem nächsten Disziplinarvorgesetzten oder bei dem Bundesverwaltungsgericht einzulegen, nicht aber bei der Stelle, die über die Beschwerde entschieden hat.

2. Bei Dienststellen, in denen Soldaten Personalvertretungen gewählt haben, ist auch bei Disziplinarmaßnahmen anhörungspflichtige Stelle allein der Dienststellenleiter und nicht der Disziplinarvorgesetzte oder die Einleitungsbehörde (wie 1. WD-Senat, Beschluss vom 31. Januar 2007 - BVerwG 1 WB 16.06 - Buchholz 449.7 § 52 SBG Nr. 3 = NZWehrR 2007, 162).

3. Eine Anhörung nach § 27 Abs. 1 SBG ist unzureichend, wenn der Disziplinarvorgesetzte der Vertrauensperson nicht die beabsichtigte Disziplinarmaßnahme nach Art und Höhe mitteilt.

4. Folge einer unterbliebenen oder unzureichenden Anhörung der Vertrauensperson ist die Rechtswidrigkeit der verhängten Disziplinarmaßnahme. Die Anhörung kann auch nicht in dem Beschwerdeverfahren ganz oder gegebenenfalls teilweise nachgeholt werden.

Tatbestand

1

Der Beschwerdeführer ist Berufssoldat.

2

Er wurde zur Teilnahme an der [X.]. Ostseeanrainerkonferenz der [X.] im Zeitraum vom 8. bis 11. Oktober 2009 in [X.]/[X.] eingeladen. Einen Antrag vom 8. September 2009 auf Genehmigung einer Dienstreise lehnte der amtierende Amtschef des ..., Oberst i.G. Dr. M..., mit der Begründung ab, er halte die Dienstreise im Hinblick auf die Arbeit des Soldaten nicht für unbedingt notwendig. Zudem liege zurzeit bei der Abteilung ... wegen eines Sonderauftrages eine Arbeitsspitze an, die die Kräfte binde.

3

In einem an Oberst i.G. Dr. M... am 16. September 2009 per E-Mail übermittelten längeren Schreiben führte der Soldat einleitend aus, er habe die Ablehnung des [X.] erhalten. Gerne würde er sich jedoch dazu äußern. Der Großauftrag sei bekannt, Arbeitsspitzen habe es in der Abteilung schon immer gegeben. Nach weiteren Ausführungen zu seinem bisherigen Einsatz und den von ihm übernommenen zusätzlichen Aufgaben heißt es weiter, das Ganze lasse sich natürlich nur dann durchziehen, wenn man morgens um 7:30 Uhr zum Dienst komme und ohne Kaffee- und Mittagspause bis 16:30 Uhr oder 17:00 Uhr durcharbeite. Zeit zum [X.] habe er leider nicht. Um so mehr ärgere es ihn, wenn über 5 Ecken an ihn weitergegeben werde, dass irgendwelche Vertreter der militärischen Führung sich darüber wundern würden, ihn auf verschiedenen Veranstaltungen in [X.] zu sehen - ob er denn nichts zu arbeiten hätte. Weiter heißt es in dem Schreiben wörtlich:

"Wenn ich von verschiedenen Gastgebern zu verschiedenen Veranstaltungen eingeladen werde, haben diese offensichtlich einen Grund dafür, dass sie [X.] dort gerne sehen. In diesem Fall ist es also meine Angelegenheit und geht andere einen Sch... an."

...

5

Oberst i.G. Dr. M... meldete das Schreiben dem damaligen Amtschef ..., Oberst Dr. E..., weil er darin Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen sah. Dieser gab die Prüfung des Vorgangs wegen Befangenheit an den Amtschef [X.] ab.

...

7

Am 11. März 2010 verhängte der Amtschef [X.] gegen den Beschwerdeführer einen strengen Verweis, der am 21. Mai 2010 vollstreckt wurde. Der Tenor der Disziplinarverfügung lautet:

"Er hat am [X.], ..., als Reaktion auf die schriftliche Antwort des amtierenden Amtschefs ..., Oberst i.G. Dr. M..., vom 11.09.2009, mit der dieser einen Dienstreiseantrag des Soldaten vom [X.] zur Teilnahme an einer internationalen Konferenz der lettischen [X.] Militärseelsorge in [X.]/[X.] wegen des fehlenden dienstlichen Interesses für die Verwendung des Soldaten abgelehnt hatte, diesem eine E-Mail zugesandt, in der er unter anderem im Hinblick auf die zahlreichen Einladungen, die er nicht nur im Rahmen seiner ehrenamtlichen Betätigung als Vorsitzender des [X.] erhalte, ausführte:

'Wenn ich von verschiedenen Gastgebern zu verschiedenen Veranstaltungen eingeladen werde, haben diese offensichtlich einen Grund dafür, dass sie [X.] dort gerne sehen. In diesem Fall ist es also meine Angelegenheit und es geht andere einen Sch... an.'"

8

Gegen diese Disziplinarmaßnahme legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein. ...

9

Mit [X.] vom 27. April 2010 wies der Stellvertreter des [X.] und Inspekteur der Streitkräftebasis die Beschwerde des Soldaten als unbegründet zurück. Die Verhängung der Disziplinarmaßnahme durch den Amtschef [X.] sei formell fehlerfrei erfolgt und auch materiell nicht zu beanstanden. Mit der Äußerung gegenüber seinem Vorgesetzten, Oberst i.G. Dr. M..., habe der Soldat schuldhaft gegen die ihm obliegenden Pflichten aus §§ 7, 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßen und damit ein Dienstvergehen begangen. Die in der Disziplinarverfügung zitierte Äußerung in der E-Mail könne bei verständiger Würdigung und im Zusammenhang mit dem abgelehnten Dienstreiseantrag nur so aufgefasst werden, dass der Soldat beanspruche, etwaige Einladungen auch als Dienstreise wahrnehmen zu können, ohne dies vor den zuständigen Vorgesetzten rechtfertigen zu müssen, und dass der Zweck der jeweiligen Einladung die Vorgesetzten nichts anginge. Schon in Form und Stil sei die Äußerung einem Vorgesetzten gegenüber nicht akzeptabel und zeuge von mangelnder Achtung und fehlendem Respekt. Darin liege ein Verstoß gegen die Pflicht zum treuen Dienen.

In der dem [X.] beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung heißt es, dass gegen diesen [X.] die Entscheidung des [X.] beantragt werden könne. Der Antrag sei innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe des Bescheides bei dem Stellvertreter des [X.] und Inspekteur der Streitkräftebasis zu stellen. Er könne auch bei dem [X.] eingelegt werden.

Mit Schreiben vom 27. Mai 2010, das am selben Tage per Telefax beim Stellvertreter des [X.] und Inspekteur der Streitkräftebasis einging, beantragte der Soldat die Entscheidung des [X.]. ...

Diesen Antrag legte der Stellvertreter des [X.] und Inspekteur der Streitkräftebasis dem Senat mit Vorlageschreiben vom 24. Juni 2010, beim Gericht eingegangen am 20. Juli 2010, zur Entscheidung vor.

...

Entscheidungsgründe

...

Die zulässige weitere Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen [X.]nahme und des [X.].

Die Entscheidung des [X.]s ergeht in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern. Auf das Beschwerdeverfahren finden nach § 42 Satz 1 [X.] die Vorschriften der [X.] Anwendung. Abschließende Sachentscheidungen werden im [X.] in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern getroffen (vgl. Beschluss vom 31. Juli 2008 - BVerwG 2 [X.] 1.08 - [X.] 449 § 13 [X.] Nr. 10 = [X.], 261; [X.], [X.], 5. Aufl. 2009, § 18 Rn. 7 und Einführung Rn. 102). § 80 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 [X.] gilt, wie das Wort "Hauptverhandlung" zeigt, nur für das gerichtliche Disziplinarverfahren und nicht für Wehrbeschwerdesachen und damit auch nicht für Beschwerdeverfahren nach § 42 [X.].

Der [X.] entscheidet gemäß § 42 Satz 1 [X.] i.V.m. § 18 Abs. 2 Satz 3 [X.] durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung. Von einer mündlichen Verhandlung hat der [X.] abgesehen, weil der Sachverhalt - soweit entscheidungserheblich - geklärt ist und den Verfahrensbeteiligten hinreichend Gelegenheit gegeben worden ist, ihre unterschiedlichen Rechtsauffassungen darzulegen und dazu wechselseitig Stellung zu nehmen. Davon haben sie auch Gebrauch gemacht.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Nach § 42 Satz 1 [X.] sind auf Beschwerden des Soldaten gegen [X.]nahmen die Vorschriften der [X.] nach näherer Maßgabe der folgenden Nummern 1 bis 12 anzuwenden. Nach Nr. 4 Satz 1 der Vorschrift entscheidet über die weitere Beschwerde das Truppendienstgericht. Hat der [X.] oder einer der in § 22 [X.] genannten [X.] über die Beschwerde entschieden, ist das [X.] zuständig (§ 42 Nr. 4 Satz 3 [X.]). Da über die Beschwerde des Soldaten der Stellvertreter des [X.] und Inspekteur der Streitkräftebasis entschieden hat, ist demnach im vorliegenden Fall die Zuständigkeit des [X.]s gegeben.

Die Verweisung in § 42 Satz 1 [X.] auf die [X.] führt dazu, dass nach § 16 Abs. 4 i.V.m. § 5 Abs. 1 [X.] die weitere Beschwerde bei dem nächsten [X.] des Beschwerdeführers oder bei der für die Entscheidung über die weitere Beschwerde zuständigen Stelle - hier also bei dem [X.] - einzulegen ist. Innerhalb der Frist von einem Monat nach Zustellung des [X.] (§ 16 Abs. 1 [X.]) ist die weitere Beschwerde bei keiner der danach für die Entgegennahme der Beschwerde zuständigen Stellen eingegangen. Stattdessen ging sie bei der Stelle ein, die über die Beschwerde entschieden hat. Beim [X.] gingen die als weitere Beschwerde anzusehenden Anträge auf gerichtliche Entscheidung vom 27. Mai 2010 und vom 31. Mai 2010 erstmals mit dem Vorlageschreiben des Stellvertreters des [X.] und [X.] der Streitkräftebasis vom 24. Juni 2010 am 20. Juli 2010 und damit nach Ablauf der in § 16 Abs. 1 [X.] genannten Frist ein.

Allerdings bestimmt § 7 Abs. 1 [X.], dass die Frist erst zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses abläuft, wenn der Beschwerdeführer unter anderem durch unabwendbare Zufälle an der Einhaltung der Frist gehindert war. Als unabwendbarer Zufall ist es auch anzusehen, wenn eine vorgeschriebene Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig ist (§ 7 Abs. 2 [X.]). Da die in § 6 [X.] und in § 12 Abs. 1 Satz 4 [X.] vorgeschriebene Rechtsbehelfsbelehrung in dem Beschwerdebescheid - wie auch der Stellvertreter des [X.] und Inspekteur der Streitkräftebasis einräumt - unzutreffend war und da auch nicht nachträglich eine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung erteilt wurde, war die Frist des § 7 Abs. 1 [X.] bei Eingang des Vorlageschreibens bei Gericht noch nicht abgelaufen. Dass die weitere Beschwerde entsprechend der erteilten Rechtsbehelfsbelehrung als "Antrag auf gerichtliche Entscheidung" bezeichnet wurde, steht ihrer Wertung als weitere Beschwerde nicht entgegen (vgl. Beschluss vom 31. Juli 2008 - BVerwG 2 [X.] 1.08 - a.a.[X.]).

2. Die weitere Beschwerde ist auch begründet, weil die angefochtene [X.]nahme sowohl an formellen Mängeln leidet (a), als auch materiell fehlerhaft ist (b).

a) Nach § 27 Abs. 1 [X.] ist die Vertrauensperson zur Person des Soldaten, zum Sachverhalt und zum [X.] anzuhören, bevor der Disziplinarvorgesetzte eine [X.]nahme verhängt, sofern der Soldat nicht widerspricht. Diese Anhörung ist nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden.

aa) Allerdings ist entgegen der Ansicht des Soldaten nicht zu beanstanden, dass die Vertrauensperson von [X.]berst K... vom ... in [X.] angehört wurde. Nach der Rechtsprechung des [X.]s (Beschluss vom 31. Januar 2007 - BVerwG 1 [X.] 16.06 - [X.] 449.7 § 52 [X.] Nr. 3 = [X.], 162) ergibt sich aus der Vorschrift des § 52 Abs. 1 [X.], der die Beteiligungsrechte der Soldaten für Dienststellen regelt, in denen Soldaten [X.] gewählt haben, dass anhörungspflichtige Stelle allein der Dienststellenleiter und nicht die Einleitungsbehörde ist. Während Satz 1 der Vorschrift regelt, dass in "Angelegenheiten, die nur die Soldaten betreffen", die Soldatenvertreter die Befugnisse der Vertrauensperson haben, wird durch die in Satz 2 erfolgte Verweisung auf § 7 BPersVG bestimmt, dass für die Dienststelle ihr Leiter oder sein Vertreter handelt. Der Gesetzgeber hat mit § 52 Abs. 1 Satz 2 [X.] eine abschließende Zuständigkeitsregelung für die Anwendung des [X.]es in den Dienststellen getroffen, in denen - wie im vorliegenden Fall - Soldatenvertreter in die Personalräte gewählt werden. Durch die Vorgabe des § 52 Abs. 1 Satz 2 [X.] sind im Anwendungsbereich der Vorschrift die im [X.] sonst vorgesehenen Zuständigkeitsregelungen nach Maßgabe des § 7 BPersVG spezialgesetzlich derogiert.

Die Absicht des Amtschefs [X.], gegen den Soldaten eine einfache [X.]nahme zu verhängen, stellt eine Angelegenheit dar, die nur die Soldaten betrifft. Dazu zählen auch die in § 52 Abs. 2 [X.] erwähnten Angelegenheiten nach der Wehrdisziplinar- und [X.]. Denn dabei handelt es sich lediglich um einen Unterfall des Absatzes 1 (vgl. Beschlüsse vom 1. November 2001 - BVerwG 6 P 10.01 - BVerwGE 115, 223 <230> = [X.] 252 § 52 [X.] Nr. 2 und vom 31. Januar 2007 - BVerwG 1 [X.] 16.06 - a.a.[X.] Rn. 42). Während in allen anderen Fällen, die nur Angelegenheiten der Soldaten betreffen, gemäß § 52 Abs. 1 [X.] die Beteiligungsrechte der Vertrauensperson durch die Soldatenvertreter im Personalrat insgesamt als Gruppenangelegenheit wahrzunehmen sind, sieht § 52 Abs. 2 [X.] für Verfahren nach der [X.] und der [X.] eine besondere Zuständigkeit einzelner Mitglieder der [X.] vor. Der Gesetzgeber ging bei dieser Sonderregelung des § 52 Abs. 2 [X.] von der Annahme aus, dass [X.] einer besonderen Vertraulichkeit bedürfen und daher nicht im Plenum des Personalrates erörtert werden sollen (BTDrucks 13/5740 S. 22 zu § 52 Abs. 2 [X.]; vgl. dazu u.a. [X.], Die Beteiligungsrechte der Vertrauenspersonen in der [X.], 6. Aufl. 2009, § 52 Rn. 19).

Die Absicht des Gesetzgebers, eine Beratung der in § 52 Abs. 2 [X.] genannten Angelegenheiten im [X.] aus Gründen eines wirksamen Persönlichkeits- und Datenschutzes durch die ausschließliche Übertragung der Befugnisse der Vertrauensperson an den zuständigen [X.] auszuschließen, berührt nicht die Frage, wer anhörungspflichtige Stelle ist. Die in § 52 Abs. 2 [X.] getroffene Sonderregelung hinsichtlich der Bestimmung der anzuhörenden Stelle ändert nichts an den in § 52 Abs. 1 [X.] getroffenen Regelungen hinsichtlich der Befugnisse der anhörungsberechtigten Stelle (Satz 1) sowie hinsichtlich der anhörungspflichtigen Stelle (Satz 2 i.V.m § 7 BPersVG). Denn § 52 Abs. 2 [X.] trifft, wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt, keine Sonderregelung dazu, welche Stelle zur Anhörung des Soldatenvertreters in Angelegenheiten nach der [X.] und der [X.] verpflichtet ist. Es bleibt damit bei der in § 52 Abs. 1 Satz 2 [X.] i.V.m. § 7 BPersVG normierten Verantwortlichkeit des Dienststellenleiters.

Im vorliegenden Fall war daher der Amtschef des ... - in eigener Zuständigkeit und nicht im Wege einer Delegierung von Seiten des Amtschefs [X.] - anhörungspflichtige Stelle. Dass wegen unterschiedlicher Verhinderungsgründe anstelle des Amtschefs letztlich [X.]berst Dr. K... die Anhörung durchgeführt hat, hat der Stellvertreter des [X.] und Inspekteur der Streitkräftebasis in seinem Vorlageschreiben im Einzelnen dargelegt. Dem ist der Soldat nicht entgegengetreten.

Unter diesen Umständen kommt es im vorliegenden Fall nicht auf die Frage an, ob der für die Verhängung der [X.]nahme zuständige Disziplinarvorgesetzte die Anhörung persönlich hätte vornehmen müssen ([X.]) oder ob hier ausnahmsweise nach Satz 2 der genannten Regelung die Anhörung einem unterstellten [X.]ffizier übertragen werden durfte.

bb) Schon aus dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 [X.] folgt, dass die, sofern der Soldat einer Anhörung nicht insgesamt widerspricht (vgl. dazu Urteil vom 8. Dezember 2010 - BVerwG 2 WD 24.09 - ), zwingend vorgeschriebene Anhörung der Vertrauensperson vor Verhängung einer [X.]nahme durch den [X.] auch auf die Frage des [X.]es zu erstrecken ist (vgl. Beschluss vom 25. November 2004 - BVerwG 1 [X.] 3.04 - und Urteil vom 12. Juni 2007 - 2 WD 11.06 - [X.] 449.7 § 27 [X.] Nr. 3 = [X.], 256). Der Disziplinarvorgesetzte hat hierzu der Vertrauensperson die beabsichtigte [X.]nahme nach Art und Höhe mitzuteilen ([X.], Beschluss vom 18. Januar 1994 - N 4 ASL 22/94 - [X.], 260; [X.] in [X.], [X.], 51. Aufl. 2010, § 27 Rn. 8; [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Peiseler, BPersVG, 6. Aufl. 2008, § 27 [X.] Rn. 3; [X.], [X.], 5. Aufl. 2009, § 4 Rn. 17; [X.]). Ausweislich der Niederschrift über die Anhörung der Vertrauensperson vom 8. Februar 2010 sind Art und Höhe der beabsichtigten [X.]nahme jedoch nicht Gegenstand der Anhörung gewesen (vgl. zum Erfordernis der Dokumentation der Anhörung in einer Niederschrift § 27 Abs. 4 [X.] sowie TDG Süd, Beschluss vom 17. [X.]ktober 1996 - [X.] Blc 7/96; [X.] a.a.[X.] Rn. 15; [X.]). Auch eine telefonische Rückfrage des Leitenden Rechtsberaters [X.] vom 8. Juni 2010 bei der Vertrauensperson hat ergeben, dass der Vertrauensperson das beabsichtigte [X.] nicht bekannt gegeben worden ist. Dementsprechend hat der Stellvertreter des [X.] und Inspekteur der Streitkräftebasis in seinem Vorlageschreiben ausdrücklich eingeräumt, dass die Frage der beabsichtigten [X.]nahme nicht Gegenstand der Anhörung gewesen ist. Die Anhörung war daher in einem entscheidenden Punkt unzureichend.

cc) Folge einer unterbliebenen oder unzureichenden Anhörung der Vertrauensperson ist die Rechtswidrigkeit der verhängten [X.]nahme. Die Anhörung kann auch nicht in dem Beschwerdeverfahren ganz oder gegebenenfalls teilweise nachgeholt werden ([X.], Beschluss vom 27. September 1996 - [X.] 8/96 - [X.]>; [X.] a.a.[X.] Rn. 12; [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Peiseler, a.a.[X.] Rn. 3; [X.], [X.], 11 <12>; a. A. [X.], [X.], a.a.[X.] Rn. 21 unter Hinweis auf den Beschluss vom 27. April 1983 - BVerwG 2 [X.] 2.83 - BVerwGE 76, 82 <87>, der allerdings zu der früheren Rechtslage nach § 28 Abs. 6 Satz 1 [X.] a.F. ergangen ist, in der im Unterschied zur jetzigen Regelung des § 27 Abs. 1 [X.] die Anhörung der Vertrauensperson nicht zwingend vorgeschrieben war; die weiter von [X.] angeführten Beschlüsse vom 8. Januar 1992 - BVerwG 2 [X.] 17.91 - BVerwGE 93, 222 und vom 9. Januar 1992 - BVerwG 2 [X.] 20.91 - [X.], 167 betreffen jeweils die Frage der unterbliebenen Anhörung der Vertrauensperson vor Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens <§ 27 Abs. 2 [X.]> und sind auf den Fall des § 27 Abs. 1 [X.] nicht übertragbar).

Der Ansicht des [X.]disziplinaranwaltes, aus der Regelung des § 46 Abs. 2 [X.] folge, dass eine unterbliebene oder mangelhafte Anhörung der Vertrauensperson nicht dazu führe, dass die [X.]nahme an einem nicht heilbaren Mangel leide, vermag sich der [X.] nicht anzuschließen. Die Vorschrift regelt ausschließlich, unter welchen Voraussetzungen eine [X.]nahme im Wege der Dienstaufsicht zwingend aufgehoben werden muss. Dies schließt nicht aus, dass auch sonstige formelle Mängel der [X.]nahme im Beschwerdeverfahren nach § 42 [X.] zu deren Aufhebung führen können (vgl. auch [X.] a.a.[X.] Rn. 12 und [X.] a.a.[X.]).

Schließlich kann auch der Umstand, dass sich die Vertrauensperson hier bei ihrer Anhörung gegen jede Form einer disziplinarischen Ahndung ausgesprochen hat, das Unterbleiben der Anhörung zur beabsichtigten [X.]nahme nicht rechtfertigen. Abgesehen davon, dass der anhörende Disziplinarvorgesetzte oder Dienststellenleiter der Vertrauensperson als Grundlage der Anhörung den Sachverhalt und die beabsichtigte [X.]nahme zu eröffnen hat, bevor die Vertrauensperson dazu Stellung nehmen kann, ist im Übrigen die Angabe des beabsichtigten [X.]es auch dann nicht bedeutungslos, wenn sich die Vertrauensperson dafür ausspricht, von einer [X.]nahme vollständig abzusehen. Denn auch in diesem Fall kann es durchaus geboten sein, dass die Vertrauensperson hilfsweise Ausführungen dazu macht, dass die beabsichtigte [X.]nahme, wenn denn überhaupt eine disziplinarrechtliche Ahndung erfolgen solle, jedenfalls in der angegebenen Art und Höhe unangemessen erscheine. Auch diese Frage wäre gegebenenfalls mit der Vertrauensperson zu erörtern (§ 20 Abs. 3 [X.]). [X.]b hier eine Erörterung mit der Vertrauensperson im Sinne des § 20 Abs. 3 [X.] stattgefunden hat und ob außer der Vertrauensperson gegebenenfalls auch der Soldat das Fehlen einer solchen Erörterung rügen könnte, bedarf wegen der ohnehin fehlerhaften Anhörung keiner Entscheidung.

Für die Entscheidung unerheblich ist weiter die Frage, ob die am 8. Februar 2010 durchgeführte Anhörung noch zeitnah zu der verhängten [X.]nahme war (vgl. dazu [X.] und [X.] a.a.[X.] Rn. 3).

b) Die [X.]nahme ist darüber hinaus auch materiell fehlerhaft. Die in der Disziplinarverfügung beanstandete Formulierung in der E-Mail des Soldaten erfüllt nicht den Tatbestand eines Dienstvergehens nach § 23 Abs. 1 [X.].

aa) Ein Verstoß gegen § 10 Abs. 6 [X.] liegt entgegen der Ansicht des [X.]disziplinaranwaltes schon deshalb nicht vor, weil nach der Rechtsprechung des [X.]s wegen des Schutzzwecks der Norm, Unteroffizieren und [X.]ffizieren das Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten, nur solche Äußerungen einen Verstoß gegen die Vorschrift darstellen, die Untergebenen "zu Gehör kommen" oder "in die Öffentlichkeit dringen" können (Urteile vom 10. [X.]ktober 1985 - BVerwG 2 WD 19.85 - BVerwGE 83, 60 <68 f.> m.w.[X.], vom 20. Mai 1983 - BVerwG 2 WD 11.82 - BVerwGE 83, 136 <149>, vom 10. [X.]ktober 1989 - BVerwG 2 [X.] 4.89 - BVerwGE 86, 188 <199> und vom 22. [X.]ktober 2008 - BVerwG 2 WD 1.08 - BVerwGE 132, 179 = [X.] 449 § 10 [X.] Nr. 60; vgl. auch [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl. 2008 § 10 Rn. 62 m.w.[X.]). Dafür ist hier aber nichts dargetan.

bb) Unabhängig davon erfordert nach der Rechtsprechung des [X.]s (vgl. u.a. Urteil vom 22. [X.]ktober 2008 - BVerwG 2 WD 1.08 - a.a.[X.]) die für die Demokratie konstitutive Funktion der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) - ebenso wie das Grundrecht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) - bei Meinungsäußerungen von Soldaten, dass der Inhalt und der [X.] der in Rede stehenden Äußerung unter Heranziehung des gesamten Kontextes objektiv und sachlich vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen, [X.] und politischen Geschehens, in dem sie gefallen ist, ermittelt und der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Bei der Auslegung der festgestellten Äußerung ist von deren objektivem Sinngehalt auszugehen, wie ihn ein unbefangener verständiger Dritter verstehen musste (vgl. [X.], Urteil vom 18. Februar 1964 - 1 StR 572/63 - [X.]St 19, 235 <237> m.w.[X.]; [X.]LG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Juli 1989 - 5 Ss 250/89 - 101/89 I - NJW 1989, 3030; Bay[X.]bLG, Urteil vom 17. Dezember 1996 - 2 St RR 178/96 - NStZ 1997, 283 m.w.[X.]; [X.] in: [X.] Kommentar, StGB, 10. Aufl. 1985, § 185 Rn. 17 ff.; [X.], StGB, 57. Aufl. 2010, § 185 Rn. 8). Gehalt und Sinn der Äußerung sind nach dem jeweiligen Kommunikationszusammenhang zu ermitteln ([X.], Beschluss vom 9. [X.]ktober 1991 - 1 BvR 1555/88 - [X.]E 85, 1 <19>; [X.], NJW 1995, 1697 <1700>).

Nach diesen Maßstäben kann die beanstandete Formulierung bei Berücksichtigung des gesamten Inhalts der E-Mail nicht so verstanden werden, dass sie sich auf [X.]berst i.G. Dr. M... oder andere Vorgesetzte des Soldaten im [X.] bezieht. Zwar ist [X.]berst i.G. Dr. M... der Empfänger der E-Mail. Der Soldat geht auch mit den einleitenden Worten auf die vorherige Ablehnung seines [X.] ein. Er leitet dann aber zu einem anderen Thema über, nämlich den angeblichen Vorwürfen nicht namentlich genannter Vertreter der militärischen Führung, die sich angeblich darüber wunderten, dass der Soldat genügend Zeit habe, um an verschiedenen Veranstaltungen in [X.] teilnehmen zu können. Diese Vorwürfe versucht der Soldat mit seinen Ausführungen zu seinen dienstlichen Leistungen und dem von ihm erbrachten Arbeitsumfang zu widerlegen. In diesem Zusammenhang findet sich dann auch die beanstandete Formulierung. Die Einlassung des Soldaten, der Satz habe sich nicht auf [X.]berst i.G. Dr. M... bezogen und stehe auch in keinem Zusammenhang mit der Ablehnung des konkreten [X.], kann dem Soldaten daher nicht widerlegt werden; sie erscheint vielmehr naheliegend. Denn der Soldat hat erst einen späteren Absatz des Schreibens mit den Worten eingeleitet "Nun zum Thema Reise nach [X.]". Diese Formulierung erschiene unverständlich, wenn sich die vorangegangenen Äußerungen ebenfalls auf den [X.] und dessen Ablehnung durch [X.]berst i.G. Dr. M... beziehen sollten.

Enthielt demnach die beanstandete Formulierung keine despektierliche Äußerung gegenüber seinem Vorgesetzten [X.]berst i.G. Dr. M... und war sie auch nicht so zu verstehen, dass der Soldat nicht bereit wäre, sich weiterhin in die militärische Hierarchie einzuordnen, ist der gegen ihn erhobene Vorwurf eines Verstoßes gegen die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 [X.]) und zur Kameradschaft (§ 12 [X.]) ebenso wie der Vorwurf eines Verstoßes gegen § 17 Abs. 1 und 2 [X.] unbegründet.

Liegt deshalb ein Dienstvergehen des Soldaten nicht vor, waren der Beschwerdebescheid und der verhängte strenge Verweis mit der Rechtsfolge des § 42 Nr. 9 [X.] aufzuheben.

...

Meta

2 WDB 3/10

16.12.2010

Bundesverwaltungsgericht 2. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WDB

§ 5 Abs 1 WBO, § 7 Abs 1 WBO, § 7 Abs 2 WBO, § 16 Abs 1 WBO, § 16 Abs 4 WBO, § 42 Nr 4 S 3 WDO 2002, § 46 Abs 2 WDO 2002, § 27 Abs 1 SBG, § 52 Abs 1 SBG, § 52 Abs 2 SBG, § 7 BPersVG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.12.2010, Az. 2 WDB 3/10 (REWIS RS 2010, 254)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 254

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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