Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.02.2018, Az. 1 WNB 5/17

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2018, 13343

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Gegenstand

Sachentscheidungsvoraussetzungen eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung; Beifügen der Beschwerdebescheide; Verpflichtung zu disziplinarer Würdigung; Anfechtbarkeit von Kostenentscheidung


Leitsatz

1. Fügt der Beschwerdeführer bei Einlegung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung den Beschwerdebescheid sowie ggf. den Bescheid über die weitere Beschwerde nicht bei, so hat dies nicht die Unzulässigkeit des Antrags zur Folge.

2. Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann nicht allein verlangt werden, dass die Verpflichtung zu disziplinarer Behandlung eines Falls (§ 19 Abs. 2 WBO) isoliert ausgesprochen wird.

3. Kostenentscheidungen des Truppendienstgerichts können nur zusammen mit dem Rechtsmittel in der Hauptsache angefochten werden.

Gründe

1

Die zulässige [X.]eschwerde hat keinen Erfolg. Ist eine Entscheidung des [X.]s auf mehrere selbstständig tragende (prozess- oder materiell-rechtlich) [X.]egründungen gestützt, setzt der Erfolg der [X.]eschwerde voraus, dass hinsichtlich jeder [X.]egründung ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 11. November 1991 - 4 [X.] 190.91 - [X.]uchholz 310 § 113 VwGO Nr. 237 und vom 27. September 2017 - 10 [X.] 11.17 - juris Rn. 5). Wenn nur bezüglich einer [X.]egründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, scheitert die Zulassung daran, dass diese [X.]egründung hinweggedacht werden kann, ohne dass sich der Ausgang des Zulassungsverfahrens ändert (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 13. April 1989 - 1 [X.] 54.89 - [X.]uchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 37 m.w.N.) So liegen die Dinge hier.

2

1. Zwar ist es verfahrensfehlerhaft, dass das [X.] den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig behandelt hat.

3

a) Ein Verfahrensmangel im Sinne von § 22a Abs. 2 Nr. 3 W[X.]O kann in der fehlerhaften Handhabung von Sachentscheidungsvoraussetzungen liegen (vgl. zu § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO als entsprechender Vorschrift des allgemeinen Verwaltungsprozessrechts [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 20. Januar 1993 - 7 [X.] 158.92 - [X.]uchholz 310 § 91 VwGO Nr. 24 S. 4 m.w.N.). Der Antragsteller beanstandet insoweit zu Recht, dass das [X.] den Antrag auf gerichtliche Entscheidung für unzulässig erachtet hat, weil ihm nicht die [X.]escheide über die [X.]eschwerde und weitere [X.]eschwerde beigefügt waren.

4

§ 17 Abs. 4 Satz 2 W[X.]O, wonach der [X.]eschwerdeführer, wenn er den Antrag auf gerichtliche Entscheidung einlegt, unter [X.]eifügung des [X.]eschwerdebescheids sowie des [X.]escheids über die weitere [X.]eschwerde die zur [X.]egründung des Antrags dienenden Tatsachen und [X.]eweismittel angeben soll, ist ersichtlich der Vorschrift des § 82 Abs. 1 Satz 3 VwGO nachgebildet. [X.]ei dieser hat nach einhelliger Auffassung die Nichtbeifügung der angefochtenen [X.]escheide für sich genommen keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Klage, soweit das Klagebegehren im Übrigen erkennbar ist oder sich ggf. durch gerichtliche Aufklärung feststellen lässt (vgl. z.[X.]. [X.], in: [X.], VwGO, 14. Aufl. 2014, § 82 Rn. 13). Dies gilt auch für § 17 Abs. 4 Satz 2 W[X.]O, der demzufolge als bloße Ordnungsvorschrift zu verstehen ist (ebenso im Ergebnis [X.]achmann, in: [X.], Stand 2017, [X.], § 17 W[X.]O Rn. 153 ff.; unklar [X.], W[X.]O, 6. Aufl. 2013, § 17 Rn. 117 f.). Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber für Anträge auf gerichtliche Entscheidung nach der Wehrbeschwerdeordnung höhere Zulässigkeitshürden errichten wollte als für Klagen nach der Verwaltungsgerichtsordnung, als er mit der Neufassung des § 17 Abs. 4 W[X.]O durch Art. 5 Nr. 13 [X.]uchst. b des Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher und anderer Vorschriften vom 31. Juli 2008 ([X.]G[X.]l I S. 1629) beide [X.] weiter aneinander angeglichen und insbesondere die bis dahin geltende [X.]egründungspflicht für Anträge auf gerichtliche Entscheidung (§ 17 Abs. 4 Satz 1 W[X.]O a.F.) beseitigt hat.

5

Da sich aus der Antragsschrift vom 20. Februar 2017 Verfahrensgegenstand und Rechtsschutzbegehren des Antragstellers zweifelsfrei ergaben, durfte das [X.] den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht, wie geschehen, allein deshalb als unzulässig behandeln, weil ihm der [X.]eschwerdebescheid und der [X.]escheid über die weitere [X.]eschwerde nicht beigefügt waren.

6

b) Im Hinblick darauf, dass bereits die vorstehende Rüge begründet ist, kommt es auf die vom Antragsteller außerdem als Verfahrensmangel (§ 22a Abs. 2 Nr. 3 W[X.]O) geltend gemachte Rüge einer nicht ausreichenden gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung (§ 18 Abs. 2 Satz 1 W[X.]O, § 23a Abs. 2 Satz 1 W[X.]O i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO), die sich auf die Zurückweisung des Antrags als unzulässig ausgewirkt haben soll, nicht an.

7

2. Die Rechtsbeschwerde ist gleichwohl nicht zuzulassen oder der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen, weil das [X.] den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hilfsweise als unbegründet zurückgewiesen hat. Insoweit bleibt die [X.]eschwerde ohne Erfolg.

8

a) Die [X.]eschwerdesache hat nicht die vom Antragsteller geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung (§ 22a Abs. 2 Nr. 1 W[X.]O). Die von ihm aufgeworfene Frage, ob im Rahmen eines Verfahrens nach § 17 S[X.]G ein Ausspruch entsprechend § 13 Abs. 2 und § 19 Abs. 2 W[X.]O veranlasst ist, wenn sich auf die [X.]eschwerde einer Vertrauensperson ergibt, dass eine festzustellende Rechtsverletzung mit einer Verletzung von Dienstpflichten des Vorgesetzten einhergeht, rechtfertigt nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde, weil sie sich im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht stellen würde.

9

Ist der [X.]eschwerdeführer durch ein Dienstvergehen verletzt worden, so spricht das [X.] gemäß § 19 Abs. 2 W[X.]O auch die Verpflichtung aus, nach Maßgabe der [X.] zu verfahren. Wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ("auch") ergibt, kann die Verpflichtung, nach Maßgabe der [X.] zu verfahren, nur zusätzlich ausgesprochen werden; mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann nicht allein verlangt werden, dass die Verpflichtung zu [X.]r [X.]ehandlung eines Falls isoliert ausgesprochen wird (vgl. [X.], W[X.]O, 6. Aufl. 2013, § 19 Rn. 20). Die Vorschrift des § 19 Abs. 2 W[X.]O ist deshalb akzessorischer Natur, d.h. sie eröffnet den zusätzlichen Ausspruch einer Verpflichtung zu [X.]r Würdigung nur dann, wenn das [X.] gleichzeitig eine materielle Entscheidung in einem Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung trifft (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 10. April 1980 - 1 W[X.] 118.79 - [X.]VerwGE 73, 1 <4> und vom 9. November 1982 - 1 W[X.] 85.81 - [X.]A S. 11 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall hatte der Kommandeur des Kommandos ... mit seinem [X.]escheid vom 16. Januar 2017 bereits der weiteren (Untätigkeits-)[X.]eschwerde des Antragstellers vollständig stattgegeben und für Abhilfe gesorgt (§ 16 Abs. 2, § 13 Abs. 1 Satz 1 W[X.]O). Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung ging es dem Antragsteller - neben [X.] - ausschließlich um die Feststellung eines Dienstvergehens und die Verpflichtung, nach Maßgabe der [X.] zu verfahren (§ 19 Abs. 2 W[X.]O). Ein solches isoliertes [X.]egehren, eine Verpflichtung nach § 19 Abs. 2 W[X.]O auszusprechen, ist nicht zulässig. Der angefochtene [X.]eschluss stellt sich damit insoweit jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dar (§ 23a Abs. 2 Satz 1 W[X.]O i.V.m. § 144 Abs. 4 VwGO), sodass die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen wäre, ohne dass es hierfür auf die vom Antragsteller aufgeworfene Rechtsfrage ankäme.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass § 13 Abs. 2 Satz 1 W[X.]O lediglich eine Prüfungspflicht für den nach § 9 Abs. 1 W[X.]O zuständigen Disziplinarvorgesetzten statuiert, für den beschwerdeführenden Soldaten aber keinen Rechtsanspruch darauf begründet, dass ein Dritter oder der [X.]etroffene der [X.]eschwerde gemaßregelt wird (vgl. - auch zum Folgenden - [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 23. Februar 2010 - 1 W[X.] 63.09 - [X.]uchholz 450.1 § 13 W[X.]O Nr. 2 Rn. 27 m.w.N.). Ein Soldat hat auch dann keinen Anspruch auf ein [X.]s Tätigwerden im Rahmen des § 13 Abs. 2 Satz 1 W[X.]O, wenn sich die Tatsache, dass ein Dienstvergehen vorliegt, im Zusammenhang mit einer begründeten Wehrbeschwerde ergibt. Die Verpflichtung aus dieser Vorschrift, nach der [X.] zu verfahren, ändert nichts daran, dass [X.] Ermittlungen allein im öffentlichen Interesse stattfinden und es im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Disziplinarvorgesetzten, der über die [X.]eschwerde entscheidet, liegt, zu bestimmen, ob und ggf. wie wegen eines Dienstvergehens einzuschreiten ist (§ 15 Abs. 2 Halbs. 1 [X.]).

b) Soweit der Antragsteller beanstandet, dass der angefochtene [X.]eschluss ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, hat er damit keinen Verfahrensmangel geltend gemacht, der vorliegt und auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 22a Abs. 2 Nr. 3 W[X.]O).

Gemäß § 18 Abs. 2 Satz 3 W[X.]O entscheidet das [X.] ohne mündliche Verhandlung, kann jedoch mündliche Verhandlung anberaumen, wenn es dies für erforderlich hält. Die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist deshalb nach der gesetzlichen Konstruktion der Regelfall (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 24. März 2014 - 1 WR[X.] 1.14 und 2.14 - [X.]uchholz 450.1 § 18 W[X.]O Nr. 6 Rn. 16). Der Antragsteller hat im Verfahren vor dem [X.] weder unter Anführung von Gründen eine mündliche Verhandlung beantragt oder angeregt noch hat er einen [X.]eweisantrag gestellt, der dem Gericht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "erforderlich" im Sinne von § 18 Abs. 2 Satz 3 W[X.]O nahegelegt hätte (vgl. hierzu [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 24. März 2014 - 1 WR[X.] 1.14 und 2.14 - [X.]uchholz 450.1 § 18 W[X.]O Nr. 6 Rn. 17). Soweit der Antragsteller mit der [X.]eschwerde darauf verweist, dass das [X.] am selben Tag und in derselben [X.]esetzung aufgrund mündlicher Verhandlung über einen gegen ihn gerichteten Antrag auf Abberufung als Vertrauensperson entschieden hat ([X.]eschluss vom 10. Juli 2017 - N 6 SL 5/17 -), besagt dies schon für sich genommen nichts für das vorliegende Verfahren, weil die Erforderlichkeit einer mündlichen Verhandlung eine Frage des jeweiligen Einzelfalls ist; dies zeigt sich auch daran, dass das [X.] im genannten Verfahren, wie dem Senat aus den Akten des (abgeschlossenen) Rechtsbeschwerdeverfahrens [X.]VerwG 1 WR[X.] 2.17 bekannt ist, eine umfangreiche [X.]eweisaufnahme durchgeführt hat.

3. Soweit sich der Antragsteller speziell gegen die [X.] in Nr. 2 und 3 des angefochtenen [X.]eschlusses wendet, ist die [X.]eschwerde unzulässig, weil [X.] nur zusammen mit dem Rechtsmittel in der Hauptsache angefochten werden können (§ 23a Abs. 2 Satz 1 W[X.]O i.V.m. § 158 Abs. 1 VwGO). Eine Rechtsbeschwerde kann auch nicht allein wegen der grundsätzlichen [X.]edeutung einer Kostenfrage zugelassen werden, weil dies eine Umgehung des § 158 Abs. 1 VwGO bedeutete (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 28. Februar 1996 - 6 [X.] 65.95 - NVwZ-RR 1996, 505 <507> und vom 29. Juli 2009 - 5 [X.] 46.09 - [X.]eck RS 2009, 38085 Rn. 5). Die Unzulässigkeit einer isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung im Wehrbeschwerdeverfahren ergibt sich auch aus § 20 Abs. 4 W[X.]O, der nur die entsprechende Anwendung von § 141 Abs. 1 und 2 [X.], nicht jedoch von § 141 Abs. 5 [X.] (Kostenbeschwerde) anordnet, sowie aus § 16a Abs. 5 Satz 3 W[X.]O, wonach die Entscheidung des [X.]s über die Erstattung der notwendigen Aufwendungen sowie die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines [X.]evollmächtigten "endgültig" ist.

Meta

1 WNB 5/17

26.02.2018

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WNB

vorgehend Truppendienstgericht Nord, 10. Juli 2017, Az: N 6 SL 9/17, N 6 RL 2/17, Beschluss

§ 17 Abs 4 S 2 WBO, § 13 Abs 2 S 1 WBO, § 18 Abs 2 S 3 WBO, § 19 Abs 2 WBO, § 20 Abs 4 WBO, § 22a Abs 2 Nr 3 WBO, § 158 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.02.2018, Az. 1 WNB 5/17 (REWIS RS 2018, 13343)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13343

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