Bundessozialgericht, Urteil vom 18.02.2010, Az. B 14 AS 53/08 R

14. Senat | REWIS RS 2010, 9199

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Absenkung bzw Wegfall des Arbeitslosengeld II - Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung - Zulässigkeit der Sprungrevision - Zustimmungserklärung - Revisionsbegründung - fehlender förmlicher Antrag


Leitsatz

Die Festsetzung von Sanktionen nach § 31 Abs 1 S 1 SGB 2 setzt voraus, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung konkret, verständlich, richtig und vollständig belehrt worden ist; dabei kommt es auf den objektiven Erklärungswert der Belehrung an.

Tatbestand

1

[X.] und eines damit in Zusammenhang stehenden [X.].

2

[X.]ie am 1986 geborene Klägerin stand seit Juni 2005 im laufenden Bezug von [X.] ([X.]) bei der [X.]. Für die [X.] von Jan[X.]r bis April 2007 wurden ihr mit Bescheid vom 13. [X.]ezember 2006 Leistungen in Höhe von monatlich 401,52 [X.] bewilligt. Am 13. Oktober 2006 schlossen Klägerin und Beklagte eine schriftliche Eingliederungsvereinbarung. Inhalt der Vereinbarung war das Angebot einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung im Rahmen des Projekts "[X.]" der [X.] in der [X.] vom 1. Oktober 2006 bis 31. Jan[X.]r 2007. [X.]ie Klägerin verpflichtete sich [X.], regelmäßig und zuverlässig an dem Projekt teilzunehmen. [X.]ie Vereinbarung enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung mit folgendem Inhalt:

3

"Rechtsfolgenbelehrung:
[X.] ist bekannt, dass ich nach dem [X.] ([X.]) zwar eine Förderung beanspruchen kann, daneben aber in erster Linie selbst gefordert bin, konkrete Schritte zur Beseitigung meiner Hilfebedürftigkeit zu unternehmen. Ich bin verpflichtet, [X.] selbständig zu bemühen, meine Erwerbslosigkeit zu beenden und aktiv an allen Maßnahmen mitzuwirken, die dieses Ziel unterstützen.

[X.]as Gesetz sieht bei pflichtwidrigem Verhalten unterschiedliche Leistungskürzungen vor. [X.]ie Leistung kann danach - auch mehrfach nacheinander oder überschneidend - gekürzt werden oder ganz entfallen.

Grundpflichten

1.   

Eine Verletzung Ihrer Grundpflichten liegt vor, wenn Sie sich weigern,

        

 eine Ihnen angebotene Eingliederungsvereinbarung nach § 15 [X.] abzuschließen,
 die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen,
 eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, ein [X.] oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen
oder
 Sie eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit abbrechen oder Anlass für den Abbruch geben.

2.   

Bei einer Verletzung der Grundpflichten wird das [X.] um 30% der für Sie maßgebenden Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 20 [X.] abgesenkt. Ein eventuell bezogener Zuschlag nach § 24 [X.] (Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld) entfällt für den [X.]raum der Minderung.

3.   

Haben Sie das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet, wird das [X.] im Fall der in Punkt 1 genannten Pflichtverletzungen auf die Leistungen nach § 22 [X.] (Leistungen für Unterkunft und Heizung) beschränkt. [X.]iese sollen direkt an den Vermieter oder sonstigen Empfangsberechtigten gezahlt werden.

Meldepflicht

4.   

Eine Verletzung der Meldepflicht nach § 59 [X.] i.V.m. § 309 [X.]I liegt vor, wenn Sie der Aufforderung Ihres zuständigen Trägers der Grundsicherung, sich persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommen.

5.   

Bei einer Verletzung der Meldepflicht wird das [X.] um 10 % der für Sie maßgebenden Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 20 [X.] abgesenkt. Ein eventuell bezogener Zuschlag nach § 24 [X.] (Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld) entfällt für den [X.]raum der Minderung.

6.   

Bei wiederholter Pflichtverletzung nach Punkt 4 von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, wird das [X.] um den Prozentsatz der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemindert, der sich aus der Summe des im vorliegenden Fall relevanten Prozentsatzes und des Prozentsatzes der vorangegangenen Absenkung ergibt.

Gemeinsame Vorschriften

7.   

Absenkung und Wegfall dauern drei Monate und beginnen mit dem Kalendermonat nach Zustellung des entsprechenden Bescheides über die Sanktionen. Während dieser [X.] besteht kein Anspruch auf ergänzende Hilfen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe). Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, können Absenkung und Wegfall der Regelleistung im Einzelfall auf sechs Wochen verkürzt werden.

8.   

[X.]ie Absenkung des Arbeitslosengeldes II und der Wegfall des Zuschlags treten nicht ein, wenn Sie für die Pflichtverletzung einen wichtigen Grund nachweisen können.

9.   

Bei einer Minderung der Regelleistung um mehr als 30% können Ihnen ggf. ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden. [X.]iese werden in der Regel erbracht, wenn minderjährige Kinder in der Bedarfsgemeinschaft leben.

Hinweis: [X.]ie maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften können Sie bei Ihrem Träger der Grundsicherung einsehen."

4

[X.]ie Klägerin nahm die ihr angebotene Arbeitsgelegenheit im Rahmen des Projekts "[X.]" bei der [X.] zunächst auf, kündigte aber gegenüber der [X.] mit Schreiben vom 20. [X.]ezember 2006 an, bis zur Klärung ihrer Urlaubsansprüche nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen. [X.]araufhin wies die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 4. Jan[X.]r 2007 darauf hin, dass sie auf Grund der Eingliederungsvereinbarung verpflichtet sei, die ihr zugewiesene Arbeitsgelegenheit regelmäßig auszuführen. Weiter hieß es: "Eine Niederlegung der Arbeitsgelegenheit müsste hier als unentschuldigtes Fehlen gewertet werden und würde zur Kürzung Ihres Leistungsanspruchs führen."

5

Nachdem die Klägerin vom 8. Jan[X.]r 2007 bis zum 15. Jan[X.]r 2007 sowie vom 18. Jan[X.]r bis zum 31. Jan[X.]r 2007 bei der [X.] unentschuldigt gefehlt hatte, beschränkte die Beklagte zum einen mit Bescheid vom 21. Febr[X.]r 2007 unter Anrechnung ihres vorhandenen Einkommens und unter Aufhebung der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung das [X.] der Klägerin für die [X.] vom 1. März 2007 bis 31. Mai 2007 auf die Kosten der Unterkunft. Zum anderen bewilligte sie mit einem weiteren Bescheid vom 21. Febr[X.]r 2007 unter Aufhebung der "bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen insoweit" für die Monate März und April 2007 nur noch Leistungen in Höhe von 56,52 [X.]. [X.]ie Widersprüche hiergegen wies die Beklagte mit [X.] vom 18. und 19. Juni 2007 zurück.

6

Auf die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht ([X.]) [X.]üsseldorf die Bescheide der [X.] aufgehoben (Urteil vom 14. April 2008). [X.]ie Rechtswidrigkeit des Sanktionsbescheids ergebe sich schon daraus, dass die Beklagte die Klägerin nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise über die Rechtsfolgen informiert habe, die aus der Weigerung folgten, in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Verpflichtungen zu erfüllen. Eine solche Rechtsfolgenbelehrung müsse, um ihrer Warn- und [X.] zu genügen, konkret, eindeutig, verständlich, verbindlich und zutreffend sein. Abzustellen sei auf die zuletzt vor dem Eintritt der potentiellen Pflichtverletzung erteilte Rechtsfolgenbelehrung. [X.]ie Belehrung im Schreiben vom 4. Jan[X.]r 2007 sei zwar einzelfallbezogen, weise aber insoweit nicht die erforderliche Eindeutigkeit auf, als weder der genaue Absenkungszeitraum, noch die Höhe der drohenden Leistungsabsenkung benannt worden sei. [X.]ie (frühere) Belehrung, die die Beklagte der Klägerin in der Eingliederungsvereinbarung erteilt habe, erschöpfe sich dagegen in einer abstrakten und formelhaften Wiedergabe des Gesetzeswortlauts.

7

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte sinngemäß eine Verletzung des § 31 [X.]. [X.]ie im Zusammenhang mit der Eingliederungsvereinbarung erteilte Rechtsfolgenbelehrung sei zwar pauschal, für die Klägerin jedoch nachvollziehbar gewesen.

8

[X.]ie Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts [X.]üsseldorf vom 14. April 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

[X.]ie Klägerin beantragt,

die Revision der [X.] zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des [X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

[X.]ie Revision der Beklagten ist unbegründet und daher zurückzuweisen, § 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ([X.]). [X.]as [X.] hat zu Recht die angegriffenen Bescheide der Beklagten aufgehoben.

1. [X.]ie Revision der Beklagten ist zulässig.

a) [X.]as [X.] hat die Sprungrevision gemäß § 161 Abs 1 Satz 1 [X.] im Urteil zugelassen. [X.]ie Beklagte hat ihrer Revisionsschrift die Zustimmungserklärung der Klägerin in Kopie beigefügt. [X.]ies reicht zur Wahrung der Anforderungen des § 161 Abs 1 Satz 3 [X.] aus (vgl [X.] , Urteil vom 19. März 1997 - 6 [X.] 36/95 - [X.] 3-1500 § 161 [X.]; s auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl 2008, § 161 Rd[X.]0a, 4a mwN).

b) [X.]ie Revisionsbegründung genügt noch den Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 [X.]. [X.]en Ausführungen kann noch entnommen werden, dass die Beklagte die Beurteilung der Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B II durch das [X.] angreift. [X.]a das prozessuale Ziel der Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils erkennbar ist, ist dem Erfordernis des § 164 Abs 2 Satz 3 [X.] hier in gerade noch ausreichender Weise Rechnung getragen, obwohl weder die Revisionsschrift noch die [X.] einen förmlichen Antrag enthalten (vgl B[X.], Urteil vom 4. Juli 1995 - 2 RU 33/94 - [X.] 3-2200 § 571 [X.].

c) Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 21. Februar 2007 jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 18. und 19. Juni 2007. Mit dem einen Bescheid hat die Beklagte die Leistungen der Klägerin wegen eines in § 31 [X.]B II geregelten Sanktionstatbestandes für die Monate März bis Mai 2007 auf die Leistungen für die Unterkunft beschränkt (Sanktionsbescheid), mit dem anderen hat sie die sich aus dieser Leistungsbeschränkung für die bestehenden Bewilligungsentscheidungen ergebenden Änderungen leistungsrechtlich nachvollzogen und die konkrete Leistungshöhe festgesetzt (Änderungsbescheid).

2. [X.]as [X.] hat zu Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Es kann offen bleiben, ob es bei der Absenkung des [X.] nach § 31 [X.]B II eines gesonderten Bescheides über die Feststellung der Sanktion bedarf oder ob der Erlass eines Aufhebungsbescheides ausreicht (so B[X.], Urteil vom 17. [X.]ezember 2009 - [X.] AS 30/09 R - Rd[X.]4, 15). [X.]ie Voraussetzungen für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 13. [X.]ezember 2006 nach § 40 Abs 1 Satz 2 [X.]B II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 [X.] iVm § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltung und Sozialdatenschutz ([X.]B X) wegen der Verwirklichung eines Sanktionstatbestandes nach § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B II liegen jedenfalls nicht vor. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dem Erlass des Bewilligungsbescheides vorgelegen haben, ist nicht eingetreten, weil die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 [X.]B II für eine Absenkung des [X.] nicht erfüllt waren. Sowohl der Sanktionsbescheid als auch der Änderungsbescheid sind rechtswidrig.

a) [X.]er Bescheid über die Absenkung des [X.] wegen des Eintritts einer Sanktion ist rechtswidrig, weil es an einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung iS des § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B II (in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 ) fehlt. Nach § 31 Abs 1 Satz 1 [X.]B II wird das [X.] unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn entweder ([X.]) der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen (lit a), in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang [X.] nachzuweisen (lit b), eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, ein zumutbares Angebot nach § 15a oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen ([X.]) oder zumutbare Arbeit nach § 16 Abs 3 Satz 2 auszuführen (lit d), oder ([X.]) der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit abgebrochen oder Anlass für den Abbruch gegeben hat. [X.]ies gilt nach § 31 Abs 1 Satz 2 [X.]B II nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist. Nach § 31 Abs 5 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]B II wird bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, das [X.] ua unter den in Abs 1 genannten Voraussetzungen auf die Leistungen nach § 22 beschränkt. [X.]ie nach § 22 Abs 1 angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung sollen an den Vermieter oder andere [X.] gezahlt werden.

aa) Es kann offen bleiben, welche Anforderungen an die Eingliederungsvereinbarung und das Angebot einer Arbeitsgelegenheit zu stellen sind (vgl hierzu B[X.]E 102, 201, 209 = [X.] 4-4200 § 16 [X.], jeweils RdNr 31 ff). Ebenso kann dahinstehen, ob als Rechtsgrundlage für eine Sanktion hier die im Bescheid vom 21. Februar 2007 genannte Vorschrift des § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] Buchst b [X.]B II (Weigerung, in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen) oder die im Widerspruchsbescheid genannte Vorschrift des § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] Buchst c [X.]B II (Weigerung, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit … oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen) in Betracht kommt. In beiden Fällen werden jedenfalls Verstöße gegen in einer Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten erfasst (vgl Spellbrink in [X.]/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht 2009, § 31 [X.]B II Rd[X.]3). [X.]ie Klägerin hat sich in der Eingliederungsvereinbarung zur regelmäßigen Wahrnehmung einer Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs 3 [X.]B II ausdrücklich verpflichtet. Ob sie für ihr pflichtwidriges Verhalten einen wichtigen Grund iS des § 31 Abs 1 Satz 2 [X.]B II hatte, ist hier ebenso wenig entscheidungserheblich wie das Verhältnis der Sanktionstatbestände des § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] Buchst b und c [X.]B II zueinander. [X.]er Sanktionsbescheid ist jedenfalls ungeachtet der Pflichtverletzung deshalb rechtswidrig, weil der Klägerin keine Rechtsfolgenbelehrung erteilt wurde, die den gesetzlichen Anforderungen genügt.

bb) [X.]ie in § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B II genannten Sanktionstatbestände setzen sämtlich voraus, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung belehrt worden ist (B[X.], Urteil vom 17. [X.]ezember 2009 - [X.] AS 30/09 R - Rd[X.]2). [X.]er 4. Senat des B[X.] hat bereits entschieden, dass [X.] nach § 31 Abs 1 Satz 1 [X.]B II konkret, verständlich, richtig und vollständig sein müssen (B[X.]E 102, 201, 211 = [X.] 4-4200 § 16 [X.], jeweils RdNr 36-37; Urteil vom 17. [X.]ezember 2009 - [X.] AS 30/09 R - Rd[X.]2). [X.]as entspricht der ganz überwiegend vertretenen Auffassung in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (vgl Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Juli 2009 - L 5 AS 131/08; L[X.] Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. Juni 2009 - L 5 AS 79/08; L[X.] Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Juli 2009 - L 19 [X.]/09 AS) und in der Literatur (vgl [X.] in Eicher/Spellbrink, [X.]B II, 2. Aufl 2008, § 31 Rd[X.]4; [X.] in [X.], [X.]B II, 3. Aufl 2009, § 31 RdNr 68; [X.] in [X.], [X.]B II, Stand Januar 2010, § 31 RdNr 65; [X.] in [X.], [X.]B II, Stand [X.]ezember 2009, § 31 RdNr 78; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B II, Stand November 2009, § 31 RdNr 70; [X.] in jurisPK-[X.]B II, 2. Aufl 2007, § 31 Rd[X.]39; [X.], [X.] 2008, 241, 244; Spellbrink in [X.]/Spellbrink/Waltermann, aaO, § 31 RdNr 32). Auch der erkennende Senat schließt sich dem an. Zu fordern ist insbesondere eine konkrete Umsetzung auf den Einzelfall, so dass die Aushändigung eines Merkblatts mit abstrakt generellem Inhalt nicht ausreicht (B[X.]E 102, 201, 211 = [X.], aaO, jeweils RdNr 36-37). [X.]iese strengen Anforderungen sind insbesondere im Hinblick auf die gravierenden Folgen des § 31 Abs 1 [X.]B II im Bereich der existenzsichernden Leistungen zu stellen (vgl B[X.], Urteil vom 17. [X.]ezember 2009 - [X.] AS 30/09 R - Rd[X.]2).

[X.]ie Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung orientieren sich an den vom B[X.] zum Arbeitsförderungsrecht entwickelten Grundsätzen (vgl B[X.]E 102, 201, 211 = [X.] 4-4200 § 16 [X.], jeweils RdNr 36-37; Spellbrink, aaO, RdNr 32 ff). Schon die Gesetzesbegründung knüpft hieran an, indem sie darauf hinweist, dass die Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs 1 [X.]B II die Funktion haben soll, dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch die in § 31 Abs 1 [X.]B II genannten Pflichtverletzungen haben werden. [X.]ie Belehrung soll zeitlich vor der Pflichtverletzung liegen (BT-[X.]rucks 15/1516 [X.] ). Im Hinblick auf die [X.] hat das B[X.] entschieden, dass die Rechtsfolgenbelehrung als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit konkret, richtig, vollständig und verständlich sein und dem Arbeitslosen zeitnah im Zusammenhang mit einem Arbeitsangebot zutreffend erläutern muss, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch eine unbegründete Arbeitsablehnung haben kann. [X.]abei hat das B[X.] den zwingenden formalen Charakter der Rechtsfolgenbelehrung betont und dies aus dem übergeordneten [X.] Schutzzweck abgeleitet, den Arbeitslosen vor den Folgen einer Pflichtverletzung (insbesondere einer sperrzeitbegründenden Arbeitsablehnung) zu warnen (vgl B[X.]E 53, 13, 15 = [X.] 4100 § 119 [X.]8 S 87 mwN). [X.]er Warnfunktion der Rechtsfolgenbelehrung kommt im Bereich des [X.]B II noch eine größere Bedeutung zu als im Bereich der Arbeitsförderung. [X.]er [X.] Schutzzweck, aus dem das B[X.] die Anforderungen an die Rechtsfolgenbelehrung herleitet, spielt bei existenzsichernden Sozialleistungen, wie denen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, typischerweise eine noch größere Rolle als bei den klassischen Leistungen des Arbeitsförderungsrechts.

(1) [X.]ie der Klägerin bei Abschluss der Eingliederungsvereinbarung erteilte Rechtsfolgenbelehrung genügt diesen Anforderungen nicht. [X.]ie Rechtsfolgenbelehrung erfolgte zwar nicht lediglich mittels eines gesondert ausgehändigten Merkblatts, sondern war Bestandteil der Vereinbarung. [X.]ie Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung wurden jedoch nicht hinreichend konkret aufgezeigt. [X.]ie Belehrung erschöpfte sich vielmehr im Wesentlichen in der Wiedergabe des Gesetzestextes. [X.]amit nannte sie eine Vielzahl von Sachverhaltsvarianten, die keinen Bezug zu den konkreten Pflichten der Klägerin aufwiesen. So hatte sich die Klägerin weder geweigert, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, noch bezog sie einen Zuschlag nach § 24 [X.]B II. Meldepflichten waren nicht Gegenstand der Eingliederungsvereinbarung. Infolge der undifferenzierten Auflistung - fast - aller Sanktionstatbestände und einer Vielzahl der möglichen Rechtsfolgen war die Rechtsfolgenbelehrung nicht nur unübersichtlich, sondern in keiner Weise individualisiert. [X.]ie Beklagte hat im Widerspruchsbescheid und in der Revisionsbegründung selbst eingeräumt, dass in der Rechtsfolgenbelehrung pauschaliert alle Möglichkeiten der Pflichtverletzungen sowie die daraus resultierenden Konsequenzen aufgeführt seien. Sie war damit nicht geeignet, der Klägerin in verständlicher Form zu erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus einem unentschuldigten Fernbleiben von der Arbeitsgelegenheit bei der [X.] ergeben würden.

Ausreichend, aber auch erforderlich wäre es gewesen, wenn die Beklagte darauf hingewiesen hätte, dass bei einem Verstoß gegen die in Punkt 2 der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Teilnahmepflicht ohne einen wichtigen Grund das [X.] auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 31 Abs 5 Satz 1 [X.]B II beschränkt wird und dass diese Leistungen im Regelfall an den Vermieter gezahlt werden. [X.]er Benennung eines konkreten Betrages, um den die Leistung abgesenkt wird, hätte es entgegen der Auffassung des [X.] an dieser Stelle grundsätzlich noch nicht bedurft, zumal die Höhe der Regelleistung zweifelsfrei aus dem Bewilligungsbescheid zu ersehen ist und weitere Rechenschritte im Fall des § 31 Abs 5 Satz 1 [X.]B II nicht erforderlich sind. Erforderlich war aber weiter der Hinweis auf den Beginn und die [X.]auer der Leistungsbeschränkung sowie die mögliche Verkürzung des Zeitraums nach § 31 Abs 6 Satz 3 [X.]B II. Schließlich musste der Klägerin mitgeteilt werden, dass sie während der Leistungsbeschränkung keinen Anspruch auf ergänzende Sozialhilfeleistungen haben würde, die Beklagte aber in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts erbringen könnte, § 31 Abs 6 Satz 4 und Abs 3 Satz 6 [X.]B II.

[X.]er Senat folgt der Rechtsprechung des 4. Senats auch darin, dass maßgeblich für eine hinreichende Belehrung nicht das Kennen oder Kennenmüssen der Rechtsfolgen ist, sondern dass es allein auf den objektiven Erklärungswert ankommt (B[X.], Urteil vom 17. [X.]ezember 2009 - [X.] AS 30/09 R - Rd[X.]4). Entgegen dem [X.] der Beklagten ist es daher unerheblich, ob gerade die Klägerin unter Zuhilfenahme der bei Abschluss der Eingliederungsvereinbarung abstrakt erteilten Rechtsfolgenbelehrung hätte erkennen können, dass ihr Verhalten eine Pflichtverletzung darstellt und welche Rechtsfolgen diese Pflichtverletzung bezogen auf ihre Person auslöst. [X.]ie ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung ist in jedem Einzelfall zwingende Voraussetzung für die Absenkung des [X.] nach § 31 Abs 1 [X.]B II. Entsprechend dem formalen Ordnungscharakter der Rechtsfolgenbelehrung kommt es nicht auf das Kennen oder Kennenmüssen der Rechtsfolgen beim Leistungsberechtigten an, sondern nur auf das formell ordnungsgemäße Handeln der Behörde (B[X.]E 53, 13, 16 = [X.] 4100 § 119 [X.]8 S 88 f).

(2) Auch im Schreiben vom 4. Januar 2007 findet sich keine diesen Anforderungen genügende Rechtsfolgenbelehrung. Zu diesem Zeitpunkt hätte noch nachträglich eine den Anforderungen des § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B II entsprechende Rechtsfolgenbelehrung erfolgen können, weil die Klägerin ihr zukünftiges pflichtwidriges Verhalten angekündigt hat und eine Belehrung zu diesem Zeitpunkt ihr noch die Möglichkeit gegeben hätte, ihr Verhalten danach einzurichten. Neben dem erneuten Hinweis auf ihre Pflicht, die zugewiesene Arbeitsgelegenheit regelmäßig auszuführen, enthält das Schreiben aber lediglich eine undifferenzierte Ankündigung einer Leistungskürzung. Bereits die Formulierung im Konjunktiv - eine Niederlegung der Arbeitsgelegenheit müsste als unentschuldigtes Fehlen gewertet werden und würde zur Kürzung des Leistungsanspruchs führen - verweist die Rechtsfolge lediglich in den Bereich des Möglichen. [X.]ie Rechtsfolge wird darüber hinaus aber auch nicht so konkret benannt, wie das erforderlich gewesen wäre. Insbesondere wurde der Klägerin nicht konkret vor Augen geführt, in welchem Umfang eine Leistungsabsenkung erfolgen würde.

(3) [X.]as [X.] hat zu Recht ausgeführt, dass es auf eine etwaige mündliche Rechtsfolgenbelehrung vor Abschluss der Eingliederungsvereinbarung hier nicht ankommt. Zwar stimmt der Senat insofern mit der Rechtsprechung des 4. Senats überein, dass grundsätzlich auch eine mündliche Belehrung in Betracht kommt. [X.]as ist jedoch nur dann der Fall, wenn die mündliche Belehrung in engem zeitlichen Zusammenhang vor dem sanktionsbewehrten Verhalten erfolgt ist (vgl B[X.]E 102, 201, 210 = [X.] 4-4200 § 16 [X.], jeweils RdNr 35). [X.]avon kann aber nicht mehr die Rede sein, wenn eine - mündliche - Belehrung vor dem Beginn der Maßnahme erfolgt und das die Sanktion auslösende Verhalten drei Monate später eintritt.

b) Auch der Änderungsbescheid der Beklagten vom 21. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juni 2007, mit dem die Beklagte die in dem Sanktionsbescheid verfügte Absenkung leistungsrechtlich nachvollzogen und die konkret verbleibende Leistung festgesetzt hat, ist rechtswidrig und beschwert die Klägerin. [X.]a die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B II für die Absenkung des [X.] nicht vorgelegen haben und damit auch keine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 1 [X.]B X eingetreten ist, bestand kein Raum für eine vom Bescheid vom 13. [X.]ezember 2006 abweichende Leistungsbewilligung.

[X.]ie Kostenentscheidung folgt aus § 193 [X.].

Meta

B 14 AS 53/08 R

18.02.2010

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Düsseldorf, 14. April 2008, Az: S 43 AS 282/07, Urteil

§ 31 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 2 vom 20.07.2006, § 31 Abs 3 S 6 SGB 2 vom 20.07.2006, § 31 Abs 5 S 1 SGB 2 vom 20.07.2006, § 31 Abs 6 SGB 2 vom 20.07.2006, § 161 Abs 1 S 1 SGG, § 161 Abs 1 S 3 SGG, § 164 Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.02.2010, Az. B 14 AS 53/08 R (REWIS RS 2010, 9199)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9199

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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