Bundessozialgericht, Urteil vom 13.04.2011, Az. B 14 AS 98/10 R

14. Senat | REWIS RS 2011, 7577

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Eingliederungsleistung - 1-Euro-Job - Arbeitsleistung ohne Rechtsgrund - öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch - Wertersatz


Leitsatz

1. Fehlt es bei einer Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung (sog Ein-Euro-Job) am Merkmal der Zusätzlichkeit, kann der Teilnehmer für die rechtsgrundlos erbrachte Arbeitsleistung vom Träger der Grundsicherung Wertersatz auf Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs verlangen.

2. Der Wertersatz ist arbeitstäglich danach zu bestimmen, was sonst hätte aufgewendet werden müssen, um die Arbeitsleistung zu erhalten, und welche Aufwendungen des Trägers dem gegenüberstanden.

Tenor

Auf die Revision des [X.] werden das Urteil des [X.] vom 11. August 2009 und der Gerichtsbescheid des [X.] vom 11. Dezember 2006 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 149,28 Euro zu zahlen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des [X.] in allen [X.] zu drei Viertel.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Wertersatz für geleistete Arbeit im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung.

2

Der 1953 geborene, alleinstehende Kläger bezog von dem beklagten Träger der Grundsicherung in der [X.] vom 1.1.2005 bis zum 30.6.2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem [X.] ([X.]) in Höhe von monatlich 615,68 Euro. Nachdem eine Eingliederungsvereinbarung zwischen ihm und dem Beklagten Anfang 2005 nicht zustande gekommen war, erließ der Beklagte am [X.] einen Bescheid, mit dem der Kläger verpflichtet wurde, für die Dauer von sechs Monaten gegen eine Mehraufwandsentschädigung von einem Euro pro geleisteter Arbeitsstunde einen sogenannten Zusatzjob auszuüben. Dem Bescheid war ein Vermittlungsvorschlag für die Tätigkeit als Bürohilfskraft bei der [X.] beigefügt, auf die sich der Kläger bewarb. Die Stelle war jedoch bereits anderweitig vergeben. Daraufhin schlug der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom [X.] eine Arbeitsstelle als Umzugshelfer bei der [X.] - Fachbereich [X.] Sicherung - für vorbereitende Arbeiten für den Umzug des Fachbereichs Gesundheit vor.

3

Der Kläger legte gegen den Bescheid vom [X.] Widerspruch ein und beantragte zugleich beim [X.] ([X.]), die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Ab dem 25.4.2005 arbeitete er als Umzugshelfer und erhielt hierfür eine entsprechende Mehraufwandsentschädigung. Im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vor dem [X.] nahm der Beklagte den Bescheid "und das damit zusammenhängende Stellenangebot" mit Schreiben vom [X.] zurück und erklärte, dem Widerspruch sei damit abgeholfen. Der Kläger hielt zunächst an seinem Antrag fest, in der Folge lehnte das [X.] den Antrag wegen fehlenden [X.] ab. Nach Zustellung dieses Beschlusses stellte der Kläger die Arbeit am 18.5.2005 ein.

4

Im Juni 2005 erhob der Kläger beim [X.] Klage, mit der er die Verurteilung der dort beklagten [X.] zur Zahlung von 576 Euro zuzüglich Zinsen begehrte. Mit Urteil vom 22.9.2005 wies das Arbeitsgericht die Klage mit der Begründung ab, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts, da kein Arbeitsverhältnis bestanden habe.

5

Am [X.] erhob der Kläger beim [X.] Klage auf Zahlung einer angemessenen Vergütung durch den Beklagten mit der Begründung, mit der Rücknahme des Bescheides vom [X.] sei der Rechtsgrund für die von ihm geleistete Arbeit entfallen. Auch sei die Arbeitsgelegenheit rechtswidrig gewesen. Die beim [X.] zu verrichtende Arbeit habe aufgrund des Umzugs ohnehin erfolgen müssen. Aus diesem Grund habe der Beklagte ihm den Tariflohn zu erstatten. Der Bruttolohn belaufe sich danach auf 218 Euro für April 2005 und auf 479,60 Euro für Mai 2005. Damit zu verrechnen sei die Mehraufwandsentschädigung in Höhe von insgesamt 64 Euro. Der verbleibende Lohn solle dann als Einkommen bei der Berechnung der [X.]-Leistungen berücksichtigt werden.

6

Das [X.], das das Begehren des [X.] in dem Sinne auslegte, er wolle die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Betrages in Höhe von insgesamt 633,60 Euro erreichen, wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.12.2006 als unbegründet zurück. Insbesondere bestehe kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, denn dieser bezwecke den Ausgleich einer Vermögensverschiebung. Daran fehle es vorliegend aber, weil der Wert der geleisteten Arbeit den Wert der im fraglichen [X.]raum bezogenen Sozialleistung nicht erreiche.

7

Die gegen das Urteil des [X.] eingelegte Berufung, mit der der Kläger sein Ziel, die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Vergütung über die Mehraufwandsentschädigung hinaus zu erreichen, weiter verfolgte, blieb ohne Erfolg (Urteil des [X.] vom 11.8.2009). Zur Begründung führte das L[X.] aus, die als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz ([X.]G) zulässige Klage sei nicht begründet. Rechtsgrund für die verrichtete Tätigkeit als Umzugshelfer bilde der Bescheid vom [X.]. Soweit der Verwaltungsakt über die Heranziehung rechtswidrig gewesen und nicht bestandskräftig geworden sei, vollziehe sich die Rückabwicklung im Wege des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs (unter Hinweis auf BVerwG Urteil vom [X.] - 5 C 1/96 - und [X.] Urteil vom 14.12.1988 - 5 [X.]). Dies gelte auch im vorliegenden Fall, denn nach Aufhebung des [X.] sei die Tätigkeit als Umzugshelfer rechtsgrundlos erfolgt. Deswegen komme es nicht mehr darauf an, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung nach § 16 Abs 3 Satz 2 [X.] alter Fassung überhaupt vorgelegen hätten. Die Höhe der Erstattung richte sich nach dem Wert der geleisteten Arbeit, der sich vorrangig nach den einschlägigen Tarifverträgen, ggf nach den ortsüblichen Entgelten bemesse. Nach dem Tarifvertrag für das Speditionsgewerbe sei insoweit von einem Stundenlohn in Höhe von 10,90 Euro auszugehen. Insgesamt ergebe sich damit für die 20 Arbeitsstunden im April 2005 und für die 44 Arbeitsstunden im Mai 2005 ein übliches Entgelt in Höhe von 218 Euro und in Höhe von 479,60 Euro. Dabei könne an dieser Stelle dahinstehen, ob der Beklagte diese Leistung auch dann erlangt habe, wenn sie nicht bei ihm, sondern bei einem Dritten, nämlich dem Maßnahmeträger (hier der [X.]) verrichtet worden sei. Denn der Erstattungsanspruch bestehe nur insoweit, als der Grundsicherungsträger durch die Arbeit im Verhältnis zu den erbrachten Sozialleistungen noch bereichert sei (Hinweis auf BVerwG Urteil vom 16.12.2004 - 5 C 71/03). Daran fehle es hier, weil dem Kläger in den beiden Monaten insgesamt 1231,36 Euro an [X.] ([X.]) zuzüglich der Mehraufwandsentschädigung geleistet worden sei. Dem stehe ein Entgelt in Höhe von lediglich 697,60 Euro entgegen.

8

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision. Er macht neben einer Reihe von Verfahrensfehlern geltend, das Urteil verletze in materieller Hinsicht die Grundsätze des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Durch die von dem Beklagten erfolgte Zuweisung des [X.] an die [X.] liege im Ergebnis eine Leistung an den Beklagten vor. Insbesondere ein Vergleich mit regulär Beschäftigten ergebe zudem, dass dem Kläger zumindest die Erwerbstätigenfreibeträge verbleiben müssten. Der [X.] nach § 11 Abs 2 Nr 6 [X.] iVm § 30 [X.] (in der bis zum 30.9.2005 geltenden Fassung) aus dem vom L[X.] ermittelten Bruttolohn von 697,60 Euro betrage 149,28 Euro.

9

Er beantragt,
das Urteil des [X.] vom 11. August 2009 sowie den Gerichtsbescheid des [X.] vom 11. Dezember 2006 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger 149,28 Euro zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, die Revision sei bereits unzulässig, weil die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel keinen Einfluss auf die Entscheidung des L[X.] gehabt hätten. Im Übrigen verhalte sich der Kläger widersprüchlich, indem er die Arbeitsgelegenheit angetreten habe, obwohl er von ihrer Rechtswidrigkeit überzeugt gewesen sei, um nunmehr im [X.] die Zahlung eines Tariflohns einzuklagen. Zudem sei der Beklagte nicht passivlegitimiert. Denn durch die Tätigkeit des [X.] im Rahmen der Arbeitsgelegenheit habe er keinerlei Vermögensvorteil erlangt, sodass der Kläger von ihm nichts erstattet verlangen kann.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] hat Erfolg. Zu Unrecht haben die Vorinstanzen einen Anspruch des [X.] auf Wertersatz nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs verneint.

1. Die Klage ist als reine Leistungsklage nach § 54 Abs 5 [X.]G zulässig (vgl [X.] vom [X.] - B 8 [X.] 11/08 R - [X.] 61, 385; juris RdNr 9). Über den vom Kläger geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch braucht vom in Anspruch genommenen Träger der Grundsicherung nicht zunächst durch Verwaltungsakt entschieden zu werden.

2. Als Anspruchsgrundlage für das klägerische Begehren kommt allein ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch als gewohnheitsrechtlich anerkanntes und aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut in Betracht. Der Anspruch gleicht eine mit der Rechtslage nicht übereinstimmende Vermögenslage aus und verschafft dem Anspruchsinhaber ein Recht auf Herausgabe des [X.], wenn eine Leistung ohne Rechtsgrund oder ohne eine sonstige [X.]e Vermögensverschiebung erfolgt ist (vgl zu allem nur [X.] aaO Rd[X.] sowie grundlegend [X.]E 16, 151 = [X.] zu § 28 [X.]; zu Arbeitsgelegenheiten nach § 19 Bundessozialhilfegesetz <[X.]> bereits [X.]E 105, 370; [X.] DVBl 2005, 781). Seine Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen entsprechen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen [X.] (vgl [X.] aaO [X.] 61, 385 unter Hinweis auf [X.]E 71, 85, 88; 87, 169, 172; 100, 56, 59; 112, 351, 353 f ). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

3. Der Beklagte hat vom Kläger eine Leistung ohne rechtlichen Grund erlangt, wie es der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zunächst voraussetzt.

a) Der Kläger hat vom 25.4.2005 bis zum 18.5.2005 eine Tätigkeit im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs 3 Satz 2 [X.] (in der bis zum 31.7.2006 geltenden Fassung des [X.] von Kommunen nach dem [X.], [X.]) erbracht. Solche Arbeitsgelegenheiten, deren Voraussetzungen seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (vom [X.], [X.]) zum 1.1.2009 in § 16d Satz 2 [X.] geregelt sind, gehören systematisch zum Katalog der Eingliederungsleistungen, deren Aufgabe die umfassende Unterstützung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit ist (Grundsatz des Förderns, vgl § 14 [X.]). Arbeitsgelegenheiten sollen nach § 16 Abs 3 Satz 1 [X.] für erwerbsfähige Hilfebedürftige geschaffen werden, die keine Arbeit finden können. Eine besondere Regelung gilt nach § 16 Abs 3 Satz 2 [X.] hinsichtlich der Gelegenheiten für im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten, die nicht nach § 16 Abs 1 [X.] als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gefördert werden: Bei Ausübung einer derartigen Arbeitsgelegenheit wird dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zusätzlich zum [X.] eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen gezahlt. Die Arbeiten begründen zwar kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts (vgl dazu [X.] Urteil vom 26.9.2007 - 5 AZR 857/06 - [X.], 1422 = [X.] zu § 16 [X.]), jedoch sind die Vorschriften über den Arbeitsschutz und das [X.] mit Ausnahme der Regelung über das Urlaubsgeld entsprechend anwendbar. Schließlich haften die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen für Schäden bei der Ausübung der Tätigkeiten wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Auch mit der Ausübung einer Tätigkeit im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit erbringt der Hilfeempfänger - unabhängig von den damit verbundenen Eingliederungszielen - eine Leistung im anspruchsbegründenden Sinne, die als eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens definiert ist (stRspr seit BGHZ 40, 272, 277 = NJW 1964, 399). Die Ausübung der Tätigkeit im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit hat zwar in erster Linie die Funktion, dass sie erwerbsfähige Hilfebedürftige, die regelmäßig bereits über einen längeren Zeitraum keine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr ausgeübt haben, wieder an eine regelmäßige Arbeitstätigkeit gewöhnen und zugleich erproben, ob der Leistungsempfänger den sich daraus ergebenden Belastungen gewachsen ist. Sie erfolgt in Erfüllung einer Obliegenheit des Hilfebedürftigen zur Teilnahme an einer Eingliederungsmaßnahme und bedeutet keine Gegenleistung für den Erhalt der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (vgl Urteil des 4. Senats vom 16.12.2008 - [X.] AS 60/07 R - [X.]E 102, 201 = [X.]-4200 § 16 [X.], RdNr 22 f; teilweise kritisch hierzu [X.], Sozialrecht aktuell 2009, 205). Das allein führt jedoch nicht dazu, dass der Hilfebedürftige bei Ausübung einer Arbeitsgelegenheit keine Leistung für einen anderen erbringt. Auch bei Wahrnehmung einer Arbeitsgelegenheit geht es um eine wertschöpfende, fremdnützige Tätigkeit ("Arbeit") des Hilfebedürftigen, auch wenn diese nicht auf privatrechtlichem Arbeitsvertrag gründet. Es sollen im Wege der Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs 3 Satz 2 [X.] Arbeiten geschaffen werden, die "im öffentlichen Interesse" liegen, die mithin ein bestimmtes, nämlich allgemeinwohlförderndes Arbeitsergebnis erreichen (vgl Voelzke in [X.]/[X.], [X.], § 16d Rd[X.]0; [X.] in LPK-[X.], 3. Aufl 2009, § 16d Rd[X.]3). Nach den Feststellungen des [X.] hat der Kläger bei der [X.] als Umzugshelfer gearbeitet und mithin eine Tätigkeit ausgeübt, deren Qualifizierung als "wertschöpfende" Tätigkeit in dem dargestellten Sinne nicht zweifelhaft ist. Auf die weitergehenden Vorstellungen über den Rechtsgrund dieser Leistung im Zeitpunkt der Ausübung der Tätigkeit kommt es bei der Prüfung einer bewussten und zweckgerichteten Leistung im Sinne des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nicht an.

b) Jedenfalls wenn es an der "Zusätzlichkeit" der Arbeitsgelegenheit fehlt, bedeutet die Arbeitsleistung durch den Hilfebedürftigen immer auch eine Mehrung fremden Vermögens. In Anlehnung an § 261 Abs 2 Satz 1 [X.] ([X.]I) sind Arbeiten zusätzlich, wenn sie ohne die Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden ([X.] 16.12.2008 - [X.] AS 60/07 R - [X.]E 102, 201 = [X.]-4200 § 16 [X.], RdNr 27). Fehlt es an der Zusätzlichkeit in diesem Sinne, ist die Arbeit mithin in Erfüllung einer Aufgabe erbracht, die in jedem Fall hätte durchgeführt werden müssen, ist beim Begünstigten durch die ersparten, aber notwendig gewesenen Aufwendungen zur Erfüllung dieser Aufgabe ein Vermögensvorteil entstanden. Das [X.] hat - wie bereits das [X.] - auf eine Beweisaufnahme zu diesem Punkt verzichtet und es als wahr unterstellt, dass es vorliegend an der Zusätzlichkeit der Arbeitsgelegenheit gefehlt hat. Zu einer [X.] war es ausgehend von seiner Rechtsmeinung auch berechtigt, da ein Anspruch des [X.] aus seiner Sicht unabhängig vom Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals ausschied (zur Zulässigkeit einer [X.] in solchen Fällen [X.]E 98, 48 = [X.]-5075 § 1 [X.], RdNr 78 unter Hinweis auf [X.], 150, 155; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 9. Aufl 2008, § 103 RdNr 8). Die auf der [X.] beruhende tatrichterliche Würdigung des [X.], es habe sich bei Arbeiten im Rahmen eines [X.] nicht um eine "zusätzliche" Tätigkeit gehandelt, hat der Beklagte nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen.

c) Die vom Kläger erbrachte Leistung muss sich der Träger der Grundsicherung zurechnen lassen, auch wenn vorliegend die Arbeitsgelegenheit von der [X.] als Maßnahmeträger durchgeführt und mit den durchgeführten Umzugsarbeiten eine Aufgabe der [X.] erfüllt worden ist. Mit der Schaffung der Arbeitsgelegenheit und der Zuweisung des Hilfebedürftigen in die Maßnahme hat der Beklagte die Arbeitsleistung im öffentlichen Interesse veranlasst und an den Maßnahmeträger "vermittelt". Alle wesentlichen Entscheidungen, die das Rechtsverhältnis zwischen Maßnahmeträger und Hilfebedürftigen betreffen, sind vom Träger der Grundsicherung zu treffen, während dem Maßnahmeträger nur die Entscheidung darüber verbleibt, ob er den Hilfebedürftigen zu den vom Träger der Grundsicherung festgesetzten Konditionen einsetzen will (vgl [X.] Urteil vom 19.11.2008 - 10 [X.], [X.], 269 = AP [X.] zu § 67 [X.] = juris RdNr 22) und die hier bestehenden Rechtsbeziehungen damit von untergeordneter Bedeutung für die Erbringung der Arbeitsleistung sind. Die Arbeitsleistung wird vom Hilfebedürftigen in Erfüllung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsmaßnahme dem Träger der Grundsicherung zugewandt, der auch die Kosten für die Mehraufwandsentschädigung trägt ([X.] in LPK-[X.], 3. Aufl 2009, § 16d Rd[X.]5; Voelzke in [X.]/[X.], [X.], Stand Dezember 2010, § 16d RdNr 63; Gehrken, Die Arbeitsgelegenheiten gegen Mehraufwandsentschädigung gemäß § 16d Satz 2 [X.], 2010, [X.]; Jenak, [X.]b 2010, 8, 11; [X.]/[X.], NJW 2005, 2177, 2180). Ob (auch) beim Maßnahmeträger durch eine rechtswidrige Schaffung einer Arbeitsgelegenheit ein Vermögensvorteil entstanden ist, der auszugleichen wäre, bleibt innerhalb der Rechtsbeziehungen zwischen Träger der Grundsicherung und Maßnahmeträger zu klären.

d) Die Vermögensverschiebung ist vorliegend ohne Rechtsgrund erfolgt. Mit dem Bescheid vom [X.] ist eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt ersetzt worden (vgl § 15 Abs 1 Satz 5 [X.]), der den Rechtsgrund für die Durchführung der Maßnahme darstellte. Zutreffend geht das [X.] davon aus, dass die Aufhebung des Bescheides vom [X.] durch den Beklagten im Wege der Abhilfe im Widerspruchsverfahren (§ 85 Abs 1 [X.]G) dazu führt, dass die Arbeitsgelegenheit und damit auch die in Rede stehende Vermögensverschiebung ohne Rechtsgrund durchgeführt worden ist. Dabei kann die Abhilfeentscheidung vorliegend nur dahin ausgelegt werden, dass eine vollständige Abhilfe erfolgt ist, mithin der Verwaltungsakt wegen seiner Rechtswidrigkeit von Anfang an aufgehoben worden ist. Offen bleiben kann, ob dem Schreiben vom [X.] (Zuweisung in eine andere Arbeitsgelegenheit als ursprünglich geplant) gegenüber dem [X.] ein selbstständiger Regelungsgehalt zukommt und mit der Erklärung des Beklagten im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes auch die Aufhebung dieser Regelung verbunden war. Denn jedenfalls bauen die Regelungen aufeinander auf, sodass schon der Fortfall des Bescheides vom [X.] den darauf aufbauenden Arbeitsgelegenheiten den Rechtsgrund entzieht.

e) Der Beklagte kann gegenüber dem Kläger auch nicht einwenden, dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch stehe der Rechtsgedanke des § 814 Bürgerliches Gesetzbuch ( Kenntnis von der Nichtschuld) entgegen. In der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte wird ohnehin überwiegend davon ausgegangen, dass dieser Gesichtspunkt bei einem öffentlich-rechtlichen Anspruch nicht zum Tragen kommen kann. Die Anwendung dieser Bestimmung widerspricht nach dieser Auffassung dem das öffentliche Recht prägenden Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, da sie den durch gesetzeswidrige Vermögensverschiebung erreichten Zustand festschreibt ([X.] Urteil vom [X.] - NVwZ 2003, 993 = juris Rd[X.]9 unter Hinweis auf [X.], Urteil vom 18.10.1990 - 2 S 2098/89 - [X.] 1991, 263, 268; [X.], Urteil vom 17.7.1990 - 11 UE 1487/89 - NJW 1991, 510; [X.], Urteil vom 28.11.1991 - 1 A 10312/89 - NVwZ 1992, 796). Eine Entscheidung kann insoweit offen bleiben. Der vom [X.] mitgeteilte Sachverhalt gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass positive Kenntnis über die Nichtschuld bestand. Es bestand bei dem Kläger vielmehr Unklarheit über die Reichweite der Erklärung des Beklagten vom 27.4.2005. Bloße Zweifel an der Nichtschuld (und seien sie auch objektiv nicht begründet) stehen der positiven Kenntnis aber nicht gleich.

4. a) Der Erstattungsanspruch für [X.] erbrachte Arbeit ist der Höhe nach auf den Ersatz ihres Wertes gerichtet, da die erlangte Arbeitsleistung selbst nicht herausgegeben werden kann (vgl § 818 Abs 2 BGB). Dieser Wert ist in einem ersten Schritt danach zu bemessen, was sonst hätte aufgewendet werden müssen, um diese Arbeitsleistung zu erhalten. Das [X.] ist mit dem Vortrag des [X.] bei seiner Wertermittlung davon ausgegangen, dass die [X.] durch die Arbeit des [X.] eine Arbeitskraft, nämlich einen Packer, eingespart habe, der ein übliches Arbeitsentgelt nach dem Tarifvertrag für das Speditionsgewerbe und der dortigen Lohntafel "Spedition, Güternahverkehr, [X.]" (gültig ab dem 1.10.2004) zugestanden hätte. Gegen diese Feststellungen im Berufungsurteil zur Höhe der üblichen Vergütung für eine solche Tätigkeit (10,90 Euro brutto pro Stunde) sind [X.] nicht erhoben. Der Kläger hat täglich vier Stunden gearbeitet, und zwar an fünf Arbeitstagen im April und elf Arbeitstagen im Mai. Daraus ergibt sich eine tägliche Arbeitsleistung, die mit einem Bruttoarbeitslohn in Höhe von 43,60 Euro hätte abgegolten werden müssen.

b) Ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten besteht allerdings nur insoweit, als er durch die ihm erbrachte Arbeitsleistung im Verhältnis zu den von ihm erbrachten Aufwendungen zur Sicherung des laufenden Lebensunterhalts bereichert ist. Insoweit schließt sich der Senat der Rechtsprechung des [X.] an, wonach ein Erstattungsanspruch nur in dem Umfang besteht, in dem es per saldo zu einem ([X.]en) Vermögenszuwachs gekommen ist (vgl [X.] Urteil vom 16.12.2004 - 5 C 71/03 - [X.] 436.0 § 19 [X.] [X.] = DVBl 2005, 781; kritisch dazu Gehrken, aaO, [X.]). Ob und inwieweit dabei auch geleistete Aufwendungen zum Lebensunterhalt an weitere Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft einzubeziehen sind, kann vorliegend offen bleiben.

Zu Unrecht hat das [X.] bei der auf Grundlage dieser Rechtsprechung vorgenommenen Saldierung die erbrachten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dem Wert der erbrachten Arbeitsleistungen monatsweise gegenübergestellt. Bei dem Bereicherungsanspruch handelt es sich nicht um aktuell im Bewilligungszeitraum erzieltes laufendes Einkommen, das nach den Regelungen des § 11 [X.] iVm § 2 Abs 2 der [X.]-Verordnung bei der Ermittlung des Bedarfs monatsweise zu berücksichtigen wäre. Ein Zufluss ist im Monat der Arbeitsleistung nicht erfolgt, sodass diese Regelungen, die allein den Zufluss von Einkommen normativ einem bestimmten Zeitraum zuordnen, nicht anwendbar sind. Es ist vielmehr arbeitstäglich zu berücksichtigen, welche Aufwendungen der Beklagte hatte und welcher Vermögensvorteil diesem gegenüberstand.

Bei der Ermittlung dieser Aufwendungen sind nicht nur die auf einen Tag entfallenden Leistungen nach §§ 19, 22 [X.] und die bereits geleistete Mehraufwandsentschädigung anzusetzen. Der Beklagte hat zur Existenzsicherung des [X.] auch die Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung unmittelbar gezahlt und endgültig getragen (vgl § 251 Abs 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch <[X.]B V> idF des [X.], [X.] 2954; § 59 Abs 1 Satz 1 [X.] <[X.]B XI> idF des [X.], [X.] 3013 iVm § 251 [X.]B V und § 170 Abs 1 [X.] Sozialgesetzbuch Sechstes Buch <[X.]B VI> idF des [X.], [X.] 2954). Die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung sind bei Empfängern von [X.] auf der Grundlage des dreißigsten Teils des 0,3620fachen der monatlichen Bezugsgröße (vgl § 18 [X.]) zu bemessen (§ 232a Abs 1 Satz 1 Nr 2 [X.]B V, § 57 Abs 1 [X.]B XI), was für das [X.] eine beitragspflichtige Einnahme von 874,23 Euro im Monat ergab. Dabei galt für die gesetzliche Krankenversicherung im [X.] der durchschnittliche ermäßigte Beitragssatz der Krankenkassen (vgl § 246 [X.]B V), der vom [X.] auf 13,2 % festgesetzt war, und für die [X.] Pflegeversicherung der bundeseinheitliche Beitragssatz von 1,7 %. Für April und Mai 2005 hat der Beklagte also jeweils einen Beitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 115,40 Euro und in der [X.]n Pflegeversicherung in Höhe von 14,86 Euro gezahlt. In der gesetzlichen Rentenversicherung waren bei Beziehern von [X.] beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von 400 Euro zugrunde zu legen (§ 166 Abs 1 Nr 2a [X.]B VI idF des Gesetzes vom 21.7.2004, [X.] 1791), was bei einem Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung im [X.] von 19,5 % einen monatlichen Beitrag iHv 78 Euro ergab. Der Beklagte hat damit neben einer Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 20,52 Euro und einer Mehraufwandentschädigung von 4 Euro täglich Beiträge zu den genannten [X.]n Sicherungssystemen in Höhe von 6,94 Euro aufgewandt.

Der täglichen Arbeitsleistung im Wert von 43,60 Euro stehen bereits erbrachte Aufwendungen für den Kläger in Höhe von 31,46 Euro gegenüber. Die Differenz in Höhe von 12,14 Euro steht dem Kläger für insgesamt 16 Tage einer [X.] erbrachten Arbeitsleistung zu. Die Verurteilung des Beklagten zur Leistung von nur 149,28 Euro ergibt sich aus dem Antrag des [X.].

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G. Die Kostenquote berücksichtigt, dass der Kläger im Laufe des Verfahrens an seiner ursprünglich geltend gemachten Forderung nur noch zum Teil festgehalten hat.

Meta

B 14 AS 98/10 R

13.04.2011

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Mannheim, 11. Dezember 2006, Az: S 7 AS 952/06, Gerichtsbescheid

§ 16 Abs 3 S 1 SGB 2 vom 30.07.2004, § 16 Abs 3 S 2 SGB 2 vom 30.07.2004, § 16d S 2 SGB 2 vom 21.12.2008, § 15 Abs 1 S 5 SGB 2 vom 30.07.2004, § 261 Abs 2 S 1 SGB 3, § 612 Abs 2 BGB, § 814 BGB vom 02.01.2002, § 818 Abs 2 BGB vom 02.01.2002

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 13.04.2011, Az. B 14 AS 98/10 R (REWIS RS 2011, 7577)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7577

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