Bundessozialgericht, Beschluss vom 03.11.2014, Az. B 12 KR 48/14 B

12. Senat | REWIS RS 2014, 1726

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Bezeichnung des Verfahrensmangels - Fehler der Niederschrift der mündlichen Verhandlung - Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 25. Februar 2014 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger in der [X.] vom [X.] bis 31.12.2012 als freiwilliges Mitglied der [X.] zu 1. zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur [X.] Pflegeversicherung verpflichtet oder als Opfer einer Gewalttat hiervon befreit ist.

2

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom [X.] ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 [X.] als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels trotz seines umfänglichen Vorbringens entgegen § 160a Abs 2 [X.] [X.] keinen [X.] hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 [X.] die Revision gegen eine Entscheidung des [X.] nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat ([X.]) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht ([X.]) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden ([X.] 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl [X.] § 160a [X.] 7).

4

Soweit ersichtlich beruft sich der Kläger in der Beschwerdebegründung vom 27.5.2014 sinngemäß auf alle drei Zulassungsgründe.

5

1. [X.] des [X.] ist größtenteils bereits unzulässig, weil er sich in der 21 Seiten umfassenden Begründung darauf beschränkt, eine Vielzahl von Einzelaspekten aufzuführen, ohne sie hinreichend zu systematisieren und zu strukturieren. Die Ausführungen zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde müssen aber ein Mindestmaß an Klarheit und Verständlichkeit aufweisen (vgl BSG Beschluss vom 3.11.2010 - B 6 [X.]/10 B - Juris mwN). Es ist nicht Aufgabe des [X.] aus einem Gemenge das herauszusuchen, was möglicherweise - bei wohlwollender Auslegung - zur Begründung der Beschwerde geeignet sein könnte (vgl [X.]-1500 § 160a [X.]6 mwN). Ist der Inhalt einer Beschwerdebegründung nicht oder nur sehr schwer verständlich, liegt eine ordnungsgemäße Begründung nicht vor; denn der in den Verfahren vor dem BSG nach § 73 Abs 4 [X.] bestehende [X.] soll gerade sicherstellen, dass der Inhalt der Beschwerdebegründung und das Begehren des Beschwerdeführers vom Beschwerdegericht ohne großen Aufwand zu ermitteln ist. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung überwiegend nicht gerecht.

6

2. Auch im Übrigen genügt die Beschwerdebegründung nicht den Zulässigkeitsanforderungen.

7

a) Unter [X.] I der Beschwerdebegründung macht der Kläger geltend, das [X.] habe "schwerwiegende und verfahrensentscheidende Fehler" begangen. Entgegen "der falschen Tatsachenbehauptung" im angefochtenen Urteil seien keineswegs die Bescheide der [X.] vom 18.4.2011 gegenständlich gewesen. "Überraschend" sei in der Niederschrift über die öffentliche mündliche Verhandlung vom [X.] in wörtlicher Rede eine angebliche Erklärung des [X.] "falsch behauptet" worden, welche der Kläger niemals abgegeben habe. Das [X.] behaupte im angefochtenen Urteil "falsch", dass die Klagen gegen die Bescheide vom 18.4.2011 abgewiesen worden seien, obwohl es niemals Klagen gegen die Bescheide vom 18.4.2011 gegeben habe. Gegenständlich sei ausschließlich die Klage vom [X.] gegen den Widerspruchsbescheid der [X.] vom [X.], [X.]/5251/09, gewesen. Das [X.] habe unzulässig nur einen der beiden Bescheide vom 18.4.2011 der [X.] erfasst.

8

Mit diesen Ausführungen zeigt der Kläger entgegen § 160a Abs 2 [X.] [X.] einen Verfahrensmangel nicht den Zulässigkeitsanforderungen entsprechend auf.

9

Um sich im [X.] vor dem BSG auf einen angeblichen Fehler der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] berufen zu können, muss der Beschwerdeführer zumindest vortragen, er habe die Berichtigung der Sitzungsniederschrift beantragt (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 122 Rd[X.] 9 [X.]). Dies trägt der Kläger aber nicht vor.

b) Unter [X.] II der Beschwerdebegründung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, der vom [X.] herangezogene § 96 [X.] sei nicht anwendbar, weil es an den beiden notwendigen Verwaltungsakten [X.], nämlich den [X.] über die beiden Widersprüche vom 23.5.2011.

Auch insoweit ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig, weil der Kläger im [X.] seines Vorbringens ersichtlich nur eine vermeintliche Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils rügt. Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

c) Unter [X.] III beruft sich der Kläger darauf, sechs Beweisanträge gestellt und dezidiert begründet zu haben. Das angefochtene Urteil beweise, dass ihm in schwerwiegend entscheidungserheblicher Weise das rechtliche Gehör verweigert worden sei und dass das [X.] nicht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht habe, sondern die tatsächliche Sach- und Rechtslage zum schwerwiegenden Nachteil des [X.] ausgeblendet habe. Das [X.] sei verpflichtet gewesen, entweder die beantragten Beweiserhebungen durchzuführen oder durch exakt begründete Beschlussfassungen die Beweisanträge zurückzuweisen.

Die Beschwerdebegründung genügt auch insoweit nicht den Zulässigkeitsanforderungen, weil der Kläger schon nicht die Regelung in § 160 Abs 2 [X.] 3 Halbs 2 [X.] berücksichtigt und nicht darlegt, dementsprechend Beweisanträge gestellt und in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem [X.] ausdrücklich aufrechterhalten zu haben (stRspr, vgl [X.]-1500 § 160 [X.]3 Rd[X.]1 mwN; ferner [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 160 Rd[X.]8c mwN). Soweit der Kläger einen Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 128 Abs 2 [X.]) geltend machen will, hätte er zunächst alle Umstände darlegen müssen, aus denen sich nach seiner Auffassung die Nichtbeachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergibt. Außerdem muss die Beschwerdebegründung Ausführungen dazu enthalten, was der Beschwerdeführer bei ausreichender Gewährung des Rechts auf rechtliches Gehör noch vorgetragen hätte und inwieweit sein Vortrag geeignet gewesen wäre, das Gericht zu einer anderen Entscheidung zu führen (vgl [X.], [X.], 2. Aufl 2010, Rd[X.] 696 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

d) Unter [X.] IV macht der Kläger geltend, das [X.] habe keine Rechtsgrundlage gehabt, die Revision nicht zuzulassen. Es liege nicht in der Entscheidungsbefugnis des [X.], "abwegig" zu behaupten, Gewalttaten, wie die dem Kläger zugefügte, seien als allgemeines Lebensrisiko einzustufen. "Diese Haltung" des [X.] verstoße zudem gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung.

Auch insoweit genügt die Beschwerdebegründung nicht den Zulässigkeitsanforderungen, weil sich der Kläger schon nicht mit § 160 Abs 1 [X.] und den dortigen Regelungen über die Zulassung der Revision befasst. Soweit der Kläger eine entscheidungserhebliche Abweichung geltend machen will ([X.] nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]), genügt die Beschwerdebegründung nicht den Zulässigkeitsanforderungen, weil er schon nicht darlegt, dass das [X.] Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen hat, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, welcher abstrakte Rechtssatz in höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des [X.] enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und legt nicht dar, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann ([X.] § 160a [X.]4, 21, 29 und 67; [X.]-1500 § 160 [X.]6 mwN).

e) In [X.] V der Beschwerdebegründung führt der Kläger den [X.] der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) an. Das [X.] habe "nicht eine Entscheidung des BSG und/oder des [X.] bezogen, welche die abwegigen Auffassungen des [X.] … stützen könnte". Dem [X.] habe bekannt sein müssen, dass es nirgendwo im [X.] Regelungen für Opfer von Gewalttaten explizit gebe. Grundsätzliche Bedeutung bestehe auch, weil der Kläger von August 2007 bis Juni 2008 "falschen ärztlichen Diagnosen und den darauf gründenden falschen Therapien" ausgesetzt gewesen sei. Deren Folgen seien den Betroffenen, insbesondere den Opfern einer Gewalttat, keineswegs auferlegbar.

Die Beschwerdebegründung erfüllt die [X.] für eine Grundsatzrüge damit schon im Ansatz nicht (vgl hierzu exemplarisch [X.]-1500 § 160a [X.] 34 [X.] 70 mwN). Denn der Kläger hat schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen ([X.] (vgl § 162 [X.]) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl BSG vom [X.] - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 Rd[X.]0; BSG vom [X.] - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 Rd[X.]0; BSG vom 5.11.2008 - B 6 [X.]/07 B - BeckRS 2009, 50073 Rd[X.] 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ([X.], [X.] 2007, 261, 265; [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, [X.], Rd[X.]81).

f) Unter [X.] VI trägt der Kläger vor, sein Prozessbevollmächtigter habe bei seiner Recherche der höchstrichterlichen Rechtsprechungen keine Entscheidungen im [X.] aufgefunden, in welchen höchstrichterlich bestimmt worden sei, dass die Folgen einer Gewalttat als Krankheit einzustufen und demgemäß vom Sozialversicherungsträger wie eine Erkrankung zu behandeln seien. Das BSG habe sich zur Definition der Krankheit im Sozialversicherungsrecht dahingehend festgelegt, dass unter Krankheit ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf und/oder die Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat, verstanden würde, ohne explizit auf die Verursachung der eingetretenen Regelwidrigkeit abzustellen. Die [X.] sei reif, diese Definition neu zu überdenken und insbesondere der Verursachung der Regelwidrigkeit des Körper- oder Geisteszustandes konkrete Beachtung zuzuordnen, einhergehend mit konkreten Ableitungen von Folgebestimmungen in Abhängigkeit der eingetretenen Regelwidrigkeit.

Auch insoweit genügt die Beschwerdebegründung den oben unter [X.] e) dargestellten Zulässigkeitsanforderungen für eine Grundsatzrüge nicht. Der Kläger unterlässt im Übrigen jedwede Auseinandersetzung mit der Rechtslage (ua § 220 Abs 1 S 1, § 240 Abs 1, § 250 Abs 2, § 252 Abs 1 S 1 [X.]) und der hierzu ergangenen, umfangreichen Rechtsprechung.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen, § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.].

4. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 [X.].

Meta

B 12 KR 48/14 B

03.11.2014

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Gotha, 19. Juli 2010, Az: S 38 KR 675/10, Gerichtsbescheid

§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 122 SGG, § 128 Abs 2 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 03.11.2014, Az. B 12 KR 48/14 B (REWIS RS 2014, 1726)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1726

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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