Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 16.09.2010, Az. 2 BvR 2349/08

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2010, 3296

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Keine Verletzung der Rechtsschutzgarantie (Art 19 Abs 4 S 1 GG) durch Ablehnung eines subjektiven Rechts eines Gemeindebürgers auf Durchsetzung eines Bürgerentscheids bzw auf Durchsetzung dessen Sperrwirkung nach sächsischem Kommunalrecht <§ 24 Abs 4 GemO SN>


Gründe

1

Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen zwei verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, mit denen ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO wegen Verletzung der Sperrfrist und entsprechenden Sperrwirkung eines Bürgerentscheids nach § 24 Abs. 4 Satz 2 der [X.]ordnung für den [X.] ([X.]) mangels Antragsbefugnis abgelehnt wurde.

2

1. Der Beschwerdeführer ist Bürger und Einwohner der [X.] [X.] [X.], der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens. Sein Wohngrundstück befindet sich in weniger als sechshundert Metern Entfernung zu dem im Industriegebiet [X.] befindlichen Betriebsgelände der [X.], der Beigeladenen des Ausgangsverfahrens. Ende 2006 wurde in der [X.] [X.] ein Bürgerentscheid zur Frage des Erlasses eines Bebauungsplans, mit dem der Bau eines Ersatzbrennstoffheizkraftwerks durch die Beigeladene des Ausgangsverfahrens in dem Industriegebiet [X.] ermöglicht werden sollte, durchgeführt. Dabei stimmte eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen gegen den Erlass eines solchen Bebauungsplans. In § 24 [X.] ist der Bürgerentscheid wie folgt geregelt:

3

§ 24

4

Bürgerentscheid

5

(1) In [X.]angelegenheiten können die Bürger und die nach § 16 Abs. 1 Satz 2 Wahlberechtigten über eine zur Abstimmung gestellte Frage entscheiden (Bürgerentscheid), wenn ein Bürgerbegehren Erfolg hat oder der [X.]rat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln die Durchführung eines Bürgerentscheides beschließt.

6

(2) Der Bürgerentscheid kann über alle Fragen durchgeführt werden, für die der [X.]rat zuständig ist. Ein Bürgerentscheid findet nicht statt über

7

1. Weisungsaufgaben,

8

2. Fragen der inneren Organisation der [X.]verwaltung,

9

3. Haushaltssatzungen und Wirtschaftspläne,

4. [X.]abgaben, Tarife und Entgelte,

5. Jahresabschlüsse und Gesamtabschlüsse sowie Jahresabschlüsse der Sondervermögen und Treuhandvermögen,

6. Rechtsverhältnisse der [X.]räte, des Bürgermeisters und der [X.]bediensteten,

7. Entscheidungen in Rechtsmittelverfahren,

8. Anträge, die gesetzwidrige Ziele verfolgen.

(3) Bei einem Bürgerentscheid ist die Frage in dem Sinne entschieden, in dem sie von der Mehrheit der gültigen Stimmen beantwortet wurde, sofern diese Mehrheit mindestens 25 vom Hundert der Stimmberechtigten beträgt. Ist die nach Satz 1 erforderliche Mehrheit nicht erreicht worden, hat der [X.]rat zu entscheiden.

(4) Der Bürgerentscheid steht einem Beschluss des [X.]rats gleich. Er kann innerhalb von drei Jahren nur durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden.

(5) Ein Bürgerentscheid entfällt, wenn der [X.]rat die Durchführung der mit dem Bürgerbegehren verlangten Maßnahme beschließt.

Im [X.] 2007 beschloss der [X.]rat auf Antrag der Beigeladenen die Einleitung eines Verfahrens zum Erlass eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans (§ 12 BauGB) zur Errichtung eines Ersatzbrennstoffheizkraftwerks auf einem in der Nähe des Betriebsgeländes der Beigeladenen aber außerhalb des Industriegebiets [X.] gelegenen Grundstück.

2. Der Beschwerdeführer suchte daraufhin bei dem [X.] um vorläufigen Rechtsschutz nach und beantragte, der [X.] im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu untersagen, weitere Planungsschritte zur Verwirklichung des ins Auge gefassten Vorhaben- und [X.] zur Errichtung eines Ersatzbrennstoffheizkraftwerkes der beigeladenen Molkerei durchzuführen. Darin führte er - soweit hier relevant - aus, der Aufstellungsbeschluss sei unwirksam, weil er gegen die Sperrwirkung des Bürgerentscheids nach § 24 Abs. 4 Satz 2 [X.] verstoße. Er werde bei der Aufstellung des beabsichtigten Bebauungsplans in seinen subjektiven Rechten verletzt.

3. Das [X.] lehnte den Antrag mit angegriffenem Beschluss vom 18. Dezember 2007 ab. In den Gründen führte es Folgendes aus:

Der Antrag sei unzulässig, da dem Beschwerdeführer die analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis fehle. Es seien keine ihm zukommenden subjektiven Rechte ersichtlich, die durch die strittige Nichtbeachtung der Sperrwirkung des Bürgerentscheids möglicherweise verletzt sein könnten. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf ihm als Teil eines außerordentlichen Organs innerhalb der [X.]organisation zustehende quasiorganschaftliche Rechte berufen. Auch in der Vergangenheit sei von dem [X.] eine solche Stellung allenfalls den Vertretern des Bürgerbegehrens eingeräumt worden. Eine ausdrückliche Regelung, die dem Beschwerdeführer als [X.]einwohner ein Recht zur gerichtlichen Durchsetzung der Einhaltung der aus § 24 Abs. 4 Satz 2 [X.] folgenden Sperrwirkung eines Bürgerentscheids einräume, enthalte die [X.]ordnung für den [X.] nicht. Ein subjektives Recht auf Einhaltung der Sperrwirkung des Bürgerentscheids folge nicht aus dem aus § 24 Abs. 1 Satz 1 [X.] folgenden Recht auf Mitentscheidung über die zur Abstimmung gestellte Frage. Trotz des hohen Stellenwertes von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid erschöpfe sich das Instrument unmittelbarer Mitwirkung und Abstimmung in der Wahrnehmung des Stimmrechts. Denn mit der Durchführung des Bürgerentscheids sei das ihm zugrunde liegende Verfahren (Bürgerbegehren oder Mehrheitsentscheidung des [X.]rats) erledigt.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers werde das Instrument des Bürgerentscheids ohne die Möglichkeit des einzelnen [X.]bürgers, das Handeln der [X.] gerichtlich überprüfen zu lassen, auch nicht wertlos oder unverbindlich. Die Kontrolle des Vollzugs oder der Beachtung des Bürgerentscheids, das heißt die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, obliege nach Art. 89 Abs. 1 der [X.] ([X.]) dem [X.] im Rahmen der [X.]. Eine andere Auffassung führe in mehrerlei Hinsicht zu systemwidrigen Ergebnissen. Zum einen gebe das Ergebnis des Bürgerentscheids die Entscheidung der [X.] in ihrer Gesamtheit wieder, so dass [X.] eines Anspruchs auf Beachtung des Bürgerentscheids auch nur die Gesamtheit der Bürger sein könne und nicht ein Einzelner. Zum anderen führe die Einräumung eines individuellen Klagerechts zu einer - auch mit dem Stellenwert des Bürgerentscheids nicht zu rechtfertigenden - Besserstellung des einzelnen Bürgers im Vergleich zum einzelnen [X.]ratsmitglied, das ebenfalls keinen gerichtlich verfolgbaren Anspruch auf Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Beschlüsse des [X.]rats habe.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sei die Betroffenheit in eigenen Rechten bei der Geltendmachung der Sperrwirkung des Bürgerentscheids auch nicht wegen einer Vergleichbarkeit mit der Situation der Wahlanfechtung ausnahmsweise entbehrlich. Die entsprechende Regelung in § 26 Abs. 3 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im [X.] ([X.]) sei wegen der entgegenstehenden Regelung in § 42 Abs. 2 VwGO gerade nicht verallgemeinerungsfähig. Im Übrigen fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke, da der Bürgerentscheid gemäß § 24 Abs. 4 Satz 1 [X.] einem [X.]ratsbeschluss gleichstehe und daher allein den hierfür in der [X.]ordnung vorgesehenen Prüfungsmöglichkeiten unterworfen sei.

4. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das [X.] mit dem gleichfalls angegriffenen Beschluss vom 12. Februar 2008 zurück. In den Gründen führte das Oberverwaltungsgericht aus:

Die Beschwerde sei unbegründet. Die vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe gäben zur Änderung des angefochtenen Beschlusses keine Veranlassung. Ein Bürger und Einwohner könne durch Planungen oder sonstige Maßnahmen von [X.]organen nicht allein deshalb in seinen subjektiven Rechten verletzt werden, weil diese mit einem Bürgerentscheid nicht vereinbar seien. Ein Bürgerentscheid vermittle einzelnen Bürgern oder Einwohnern der [X.] auch dann kein subjektives Recht, wenn sie durch diesen begünstigt würden. Aus der Rechtsstellung als Bürger oder Einwohner resultiere ebenfalls kein subjektives Recht, das für einen Anspruch auf Beachtung eines Bürgerentscheids fruchtbar gemacht werden könne.

5. In seiner daraufhin erhobenen [X.] beanstandete der Beschwerdeführer insbesondere, dass sich das [X.] nicht mit zwei in der Beschwerdeschrift argumentativ herangezogenen Entscheidungen des [X.] für das [X.] (Urteil vom 21. Juni 1995 - 2 L 121/94 -, juris) und des Verwaltungsgerichtshofs [X.] (Urteil vom 14. November 1974 - I 453/74 -, DVBl 1975, S. 552) auseinandergesetzt habe.

6. Mit dem hier nicht angegriffenen Beschluss vom 16. September 2008 wies das [X.] die Anhörungsrüge zurück. Das Vorbringen des Beschwerdeführers lasse eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht erkennen. In dem Umstand, dass die beiden von ihm angeführten oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen im Beschluss des Senats vom 12. Februar 2008 nicht erwähnt worden seien, liege keine Gehörsverletzung. Das Gericht habe in knapper Form ausgeführt, warum es die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen habe. Ein Eingehen auf alle von dem Beschwerdeführer vorgetragenen Gesichtspunkte gebiete der Gehörsgrundsatz nicht.

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Gebots der Gewährung effektiven Rechtsschutzes, da die Verwaltungsgerichte ihm die Klagebefugnis gegen eine Entscheidung des [X.]rats abgesprochen hätten, welche der Sperrfrist und der entsprechenden Sperrwirkung des Bürgerentscheids nach § 24 Abs. 4 Satz 2 [X.] zuwider laufe. Die Auffassung der Verwaltungsgerichte habe zur Folge, dass der Bürger kein subjektives Recht auf Befolgung des Bürgerentscheids und Einhaltung der dreijährigen Sperrfrist habe. Dem könne nicht gefolgt werden:

Der subjektivrechtliche Charakter folge schon daraus, dass der Bürgerentscheid in dem 2. Teil der [X.]ordnung für den [X.] geregelt sei, der zahlreiche Vorschriften die individuellen Rechte der Einwohner und Bürger betreffend enthalte. Ferner ergebe sich ein subjektives Recht aus der Ausgestaltung der Vorschriften über die Durchführung und die Wirkung des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheids. Der Gesetzgeber habe in § 24 Abs. 1 Satz 1 [X.] den Kreis der abstimmungsberechtigten Bürger definiert. Er habe weiter dem Bürgerentscheid in § 24 Abs. 4 [X.] bestimmte Rechtswirkungen, unter anderem die Sperrfrist, beigemessen. Somit ergebe sich aus § 24 Abs. 1 [X.] das Recht auf Teilnahme am Bürgerentscheid und aus § 24 Abs. 4 [X.] das subjektive Recht auf dessen Beachtung durch die Organe der [X.].

Nur durch die Zuerkennung einer individuellen Klagebefugnis könne die Sperrwirkung sowohl gegenüber der [X.] als auch gegenüber der Rechtsaufsichtsbehörde gesichert werden, denn die "Aktivbürgerschaft" der [X.] habe nicht die Möglichkeit, sich als solche mit einer Klage gegen [X.]organe und Aufsichtsbehörde zu wenden. Ein [X.]rat, der einen Bürgerentscheid missachte, löse eine "kommunale Verfassungskrise" aus, weil er sich über den unmittelbar geäußerten Willen des [X.]volks hinwegsetze und damit das Demokratieprinzip in Frage stelle. Es könne nicht sein, dass die [X.] es tatenlos hinnehmen müsse, wenn ein [X.]rat innerhalb der fünfjährigen Wahlperiode gegebenenfalls mehrfach Bürgerentscheide missachte. Die Möglichkeit, den [X.]rat bei der nächsten Wahl "abzustrafen" könne schwerlich als ausreichendes demokratisches Korrektiv angesehen werden. Die Verwehrung des Klagerechts bedeute letztlich, den Bürgerentscheid auf die Qualität einer unverbindlichen Bürgerbefragung herabzustufen.

Schließlich gebiete Art. 19 Abs. 4 GG sowie das Rechtsstaatsprinzip, dass jeder, der durch einen hoheitlichen Akt in seinen Rechten verletzt werde, die Möglichkeit haben müsse, ein Gericht anzurufen. Der Bürger, der sich an einem Bürgerentscheid beteiligt habe, der unmittelbar ein bestimmtes Ergebnis mit bindender Wirkung eines [X.]ratsbeschlusses gezeitigt habe, werde in seinen Rechten verletzt, wenn dieser Beschluss nicht umgesetzt werde. Bei der Ablehnung der Klagebefugnis des einzelnen Bürgers und Einwohners wäre überhaupt niemand klagebefugt, stattdessen könnte lediglich die Rechtsaufsichtsbehörde tätig werden.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen nach § 93a Abs. 2 [X.] sind nicht erfüllt. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, weil die aufgeworfenen Fragen in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung geklärt sind oder sich ohne weiteres anhand der bisherigen Rechtsprechung lösen lassen (vgl. [X.] 15, 275 <281>; 61, 82 <110>; 69, 1 <49>; 83, 182 <194 f.>; 84, 34 <49>; 103, 142 <156>; stRspr). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.] genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt; sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. [X.] 90, 22 <25 f.>).

Es kann insoweit offen bleiben, ob die Verfassungsbeschwerde den sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] ergebenden gesetzlichen Begründungsanforderungen genügt. Denn sie ist jedenfalls unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen des [X.] und des [X.]s sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die geltend gemachte Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG ist nicht feststellbar.

1. Die Verfassungsnorm des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert den Rechtsweg, wenn jemand behauptet, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein (vgl. [X.] 13, 132 <151>; 83, 182 <194>). Sie gewährleistet indes nicht selbst den sachlichen Bestand oder Inhalt einer als verletzt behaupteten Rechtsstellung; diese richtet sich vielmehr nach der Rechtsordnung im Übrigen. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG setzt mithin subjektive Rechte voraus und begründet sie nicht (vgl. [X.] 15, 275 <281>; 61, 82 <110>; 69, 1 <49>; 83, 182 <194 f.>; 84, 34 <49>; 103, 142 <156>; stRspr). Außerhalb verfassungsrechtlicher Gewährleistungen obliegt es damit dem Gesetzgeber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Einzelnen ein subjektives Recht zustehen soll und welchen Inhalt es hat (vgl. [X.] 78, 214 <226>; 83, 182 <195>). Es stellt folglich eine Frage der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts dar, ob und in welchem Umfang ein solches im Einzelfall besteht. Ihre Beantwortung obliegt allein den zuständigen Fachgerichten und ist der Nachprüfung durch das [X.] entzogen. Es ist nicht dessen Aufgabe, in der Art einer Revisionsinstanz über die Richtigkeit der Auslegung des einfachen Rechts durch die Fachgerichte zu befinden (vgl. [X.] 18, 85 <92>; 32, 319 <325 f.>; 83, 182 <197>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 6. Juli 1989 - 1 BvR 290/87 -, NJW 1990, [X.], stRspr). Deshalb hat das [X.] die vorliegend angegriffenen Entscheidungen nur daraufhin zu kontrollieren, ob die Fachgerichte bei ihrer Auslegung von § 123, § 42 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 24 Abs. 4 Satz 2 [X.] die Bedeutung der Rechtsschutzgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG erkannt und berücksichtigt haben und ob sie bei der Feststellung des [X.] willkürlich verfahren sind.

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze begegnen die beiden angefochtenen Entscheidungen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

a) Das [X.] hat sich in seinem Beschluss vom 18. Dezember 2007 eingehend und umfassend mit der Frage der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen der [X.]ordnung für den [X.] auseinandergesetzt. Es ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass der [X.]ordnung ein subjektives Recht auf gerichtliche Durchsetzung des Bürgerentscheids respektive dessen Sperrwirkung nicht entnommen werden könne. Es seien keine dem einzelnen Einwohner und Bürger zugeordneten subjektiven Rechte ersichtlich, die durch die umstrittene Nichtbeachtung der Sperrwirkung des Bürgerentscheids verletzt sein könnten. Das Verwaltungsgericht hat seine Auffassung unter anderem darauf gestützt, dass weder eine diesbezügliche ausdrückliche Regelung existiere noch ein derartiges subjektives Recht des einzelnen [X.]bürgers aus seinem Recht aus § 24 Abs. 1 [X.] auf (Mit-)Entscheidung über eine zur Abstimmung gestellte Frage folge. Auch aus der vom Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des [X.] für das [X.] (Urteil vom 21. Juni 1995 - 2 L 121/94 -, juris) angeführten Überlegung, dass nur "durch die Zuerkennung eines subjektiven Individualrechts - und damit einer individuellen Klagebefugnis - (…) die grundsätzliche 'Sperrwirkung' eines Bürgerentscheids gegenüber den [X.]organen wie auch gegenüber der Aufsichtsbehörde gesichert und durchgesetzt werden" kann, folge kein subjektives öffentliches Recht. Das Instrument des Bürgerentscheids erschöpfe sich in der unmittelbaren Mitwirkung und Abstimmung in der Wahrnehmung des Stimmrechts. Die Kontrolle des Vollzugs oder der Beachtung der Sperrwirkung eines Bürgerentscheids obliege dem [X.] im Rahmen der [X.] (Art. 89 Abs. 1 [X.]). [X.] eine [X.] erkennbar die Sperrwirkung eines Bürgerentscheids zu missachten, gebiete schon das öffentliche Interesse am Schutz plebiszitärer Elemente den Erlass einer Aufsichtsmaßnahme.

b) Das [X.] hat sich dieser Auffassung angeschlossen und sie bestätigt. Das Gericht hat dabei seine Auffassung, weder § 24 [X.] noch sonstige Vorschriften der [X.]ordnung für den [X.] gewährten dem Beschwerdeführer ein die Klagebefugnis begründendes subjektives Recht, darauf gestützt, dass ein Bürgerentscheid einzelnen Bürgern oder Einwohnern der [X.] auch dann kein subjektives Recht vermittle, wenn sie durch den Bürgerentscheid begünstigt würden. Aus der Rechtsstellung als Bürger oder Einwohner resultiere ebenfalls kein subjektives Recht, das für einen Anspruch auf Beachtung eines Bürgerentscheids fruchtbar gemacht werden könne.

c) Angesichts dieser Darlegungen besteht kein Anlass zu der Befürchtung, das [X.] und das [X.] könnten die Bedeutung der Rechtsschutzgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG bei der von ihnen vorgenommenen Auslegung und Anwendung der Vorschriften der [X.]ordnung für den [X.] und insbesondere von § 24 [X.] von vornherein übersehen oder aber jedenfalls zu Unrecht als unerheblich angesehen haben. Diesbezügliche Anhaltspunkte hat weder der Beschwerdeführer vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Im Übrigen beschränkt sich das Vorbringen des Beschwerdeführers letztlich auf die Darlegung seiner abweichenden Auffassung von der vorgenommenen Auslegung des einfachen Rechts, deren Beurteilung allein dem Fachgericht obliegt, dessen Entscheidung das [X.] insoweit nicht nachzuprüfen hat.

d) Die Begründung, mit der die Fachgerichte vorliegend der Vorschrift des § 24 Abs. 4 [X.] den Charakter einer den Beschwerdeführer begünstigenden Schutznorm abgesprochen haben, kann von Verfassungs wegen nicht beanstandet werden. Die Gerichte haben ausführlich dargelegt, dass und aus welchen Gründen die einschlägigen Vorschriften der [X.]ordnung vorliegend dem einzelnen Bürger und Einwohner keine ihm zugeordneten subjektiven Rechte zum Schutz seiner Individualinteressen zuweisen. Diese Darlegungen sind nachvollziehbar und vertretbar. Sie lassen keine sachfremden oder sonst willkürlichen Erwägungen erkennen.

3. Da die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wird, erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 2349/08

16.09.2010

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 12. Februar 2008, Az: 4 B 117/08, Beschluss

Art 19 Abs 4 S 1 GG, § 12 BauGB, BVerfGG, § 24 Abs 1 S 1 GemO SN, § 24 Abs 4 S 2 GemO SN, § 123 VwGO, § 42 Abs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 16.09.2010, Az. 2 BvR 2349/08 (REWIS RS 2010, 3296)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3296

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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7 B 68/10

8 C 51/09

5 P 10/20

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