Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.12.2010, Az. 21 W (pat) 10/09

21. Senat | REWIS RS 2010, 757

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – "Vorrichtung zur Detektion von Wasser in Brennstofftanks von Flugzeugen" – Teilung der Patentanmeldung im Beschwerdeverfahren – Teilanmeldung fällt nicht im Beschwerdeverfahren an – keine Anwendung der Rechtsfigur der Prozesstrennung nach § 145 ZPO - Entstehung einer neuen Anmeldung - neuer Verfahrensgegenstand gegenüber Stammanmeldung – Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nur der Inhalt der Stammanmeldung – über Teilanmeldung wurde mangels Existenz im Zeitpunkt des Zurückweisungsbeschlusses nicht entschieden - Verweisung der Teilanmeldung an das zuständige DPMA


Leitsatz

Vorrichtung zur Detektion von Wasser in Brennstofftanks von Flugzeugen

1. Wird eine Patentanmeldung im Beschwerdeverfahren geteilt, führt dies nicht dazu, dass die Teilanmeldung im Beschwerdeverfahren anfällt. Die Rechtsfigur der Prozesstrennung nach § 145 ZPO kann auf diese Teilung nicht angewendet werden.

2. Aufgrund der Teilungserklärung entsteht gemäß § 39 Abs. 1 S. 3 PatG eine neue Anmeldung, für die Prüfungsantrag gestellt worden ist. Diese ist gegenüber der Stammanmeldung ein neuer Verfahrensgegenstand.

3. Da die Anfallwirkung (der Devolutiveffekt) einer Beschwerde alleine den Streitgegenstand der erstinstanziellen Entscheidung erfasst, kann Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens auch nur der Inhalt der Stammanmeldung sein, nicht die Teilanmeldung, über die mangels Existenz im Zeitpunkt des Zurückweisungsbeschlusses nicht entschieden worden ist.

4. Für eine derartige Teilungsanmeldung ist der Rechtsweg zum Deutschen Patent- und Markenamt eröffnet. Die Anmeldung muss daher gemäß §§ 13, 17a Abs. 2 S. 1 GVG zur weiteren Bearbeitung an das allein zuständige Deutsche Patent- und Markenamt verwiesen werden.

Tenor

BESCHLUSS

In der Beschwerdesache

 betreffend die Patentanmeldung 10 2004 064 100.5

hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] am 7. Dezember 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Dipl. Phys. [X.] und [X.], Dipl. Phys. [X.] und Dipl.-Phys. Dr. Müller

beschlossen:

Das [X.] ist für die Prüfung der Patentanmeldung 10 2004 064 100.5 nicht zuständig. Das Anmeldeverfahren wird zur weiteren Bearbeitung an das [X.] verwiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Anmelderin hat am 3. November 2004 beim [X.] Antrag auf Erteilung eines Patents mit der Bezeichnung "Vorrichtung und System zur Detektion von Wasser in [X.] von Flugzeugen sowie [X.]" gestellt. Die Anmeldung, die beim [X.] unter dem Aktenzeichen 10 2004 053 645.7 geführt wird, und die insgesamt 17 Patentansprüche aufwies, ist mit Beschluss der Prüfungsstelle für [X.] vom 11. Juni 2007 zurückgewiesen worden, da der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber [X.] 59135322 A nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Der der Zurückweisung zugrunde liegende Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

2

"Vorrichtung zur Detektion von Wasser in [X.] von Flugzeugen, die in einen Brennstofftank integrierbar oder integriert ist, gekennzeichnet durch einen vertikal verschiebbaren Schwimmkörper (11) zur Positionierung im Brennstofftank, der derart ausgestaltet ist, dass er in einer Grenzschicht zwischen Wasser und Brennstoff schwebt, eine Linse (13) für einen von außen einfallenden [X.] (14) und einen Spiegel (15), der an dem Schwimmkörper (11) angeordnet ist, wobei der [X.] (14) in Abhängigkeit von der vertikalen Position des Schwimmkörpers (11) unterschiedlich stark nach außen hinreflektiert wird."

3

Gegen den ihr am 28. Juni 2007 zugestellten Zurückweisungsbeschluss hat die Anmelderin am 4. Juli 2007 beim [X.] Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr entrichtet. Mit der per Telefax am 20. Juli 2007 beim [X.] hierzu eingegangenen Beschwerdebegründung vom 18. Juli 2007 hat die Anmelderin neue Ansprüche 1 bis 14 vorgelegt.

4

Darüber hinaus hat sie in dieser Beschwerdebegründung die Teilung der Anmeldung erklärt und für die [X.] Patentansprüche 1 bis 17, eine Beschreibung mit den Seiten 1 bis 13 sowie 2 Blatt Zeichnungen mit den Figuren 1a, 1b und 2 bis 4 eingereicht. Zu dieser [X.] hat sie eine Beschwerdebegründung vorgelegt, in der sie ausführt, dass Gegenstand der [X.] entsprechend dem bisherigen Titel eine "Vorrichtung und System zur Detektion von Wasser in [X.] von Flugzeugen sowie [X.]" sei und die [X.] bis auf die Aufnahme des Standes der Technik nach den im Prüfungsverfahren (der [X.]) genannten [X.] mit der ursprünglichen Anmeldung übereinstimme, die in der Beschwerde einer Überprüfung unterzogen werden solle. Ausweislich des [X.] sind die Unterlagen für die [X.] im Original beim [X.] am 24. Juli 2007 eingegangen. Am 25. Juli 2007 hat die Anmelderin einen Antrag auf Erteilung eines Patents auf dem Formblatt [X.] mit der Erklärung eingereicht, dass es sich um eine Teilung aus der Anmeldung 10 2004 053 645.7-52 handle. Sie hat [X.] gestellt und für die Anmelde-, die Prüfungs- und die 3. Jahresgebühr in Höhe von insgesamt 480,-- € eine Einzugsermächtigung erteilt. Außerdem hat sie die Zusammenfassung vorgelegt.

5

Mit Verfügung vom 14. August 2007 hat die Prüfungsstelle für [X.] der Beschwerde nicht abgeholfen und die die Anmeldung 10 2004 053 645.7 betreffenden Akten dem [X.] vorgelegt.

6

In einem an das [X.] gerichteten Schreiben vom 24. September 2007 hat die Senatsrechtspflegerin ausgeführt, dass die Anmelderin mit ihrer Erklärung vom 18. Juli 2007, die am 20. Juli 2007 eingegangen sei, den Gegenstand der Anmeldung 10 2004 053 645.7 wirksam geteilt habe. Infolgedessen sei die Teilungserklärung beim [X.] anhängig geworden. Es werde gebeten, im Wege der Amtshilfe eine Trennakte anzulegen, den fristgerechten Eingang der Unterlagen und der Gebühren festzustellen und anschließend die Akten der Stamm- und die der [X.] zur Fortführung des Verfahrens an das [X.] zurückzusenden.

7

Mit Verfügung vom 8. Oktober 2007 hat die Prüfungsstelle für [X.] veranlasst, dass für die [X.] eine Akte angelegt und ein Aktenzeichen vergeben wird; die [X.] führt danach das Aktenzeichen 10 2004 064 100.5.

8

Am 13. Februar 2008 hat die Prüfungsstelle der Anmelderin mitgeteilt, dass die für die [X.] fällig gewordenen Gebühren nicht fristgemäß entrichtet worden seien, so dass die Teilungserklärung als nicht abgegeben gelte. Die Anmelderin ist dem in einem Schreiben vom 25. Februar 2008 mit dem Hinweis entgegen getreten, dass sämtliche Gebühren durch eine Einzugsermächtigung vom 25. Juli 2007 entrichtet worden seien und Kopien der Unterlagen vom 25. Juli 2007 beigefügt. Auf dem Schreiben der Anmelderin hat ein Mitarbeiter des [X.]s am 4. März 2008 vermerkt, dass dem Antragsteller empfohlen worden sei, einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen, weshalb das Schreiben als Wiedereinsetzungsantrag gewertet werde. Ein Beschluss über die Wiedereinsetzung ist nicht ergangen. Vielmehr wurden die Akten der [X.] dem [X.] aufgrund einer weiteren Anforderung vom 5. März 2008 übersandt.

9

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Das [X.] ist für die Prüfung der Patentanmeldung 10 2004 064 100.5 nicht zuständig. Sie ist als [X.] aufgrund der vor dem [X.] am 20. Juli 2007 eingegangenen Teilungserklärung wirksam entstanden. Die Teilungserklärung gilt nicht wegen fehlender Gebührenzahlung nach § 39 Abs. 3 [X.] als nicht abgegeben, da die Gebühren fristgemäß entrichtet worden sind. Ein Fall der Wiedereinsetzung liegt somit nicht vor.

Durch die Teilungserklärung vom 20. Juli 2007 ist die [X.] weder in der Beschwerde noch beim [X.] angefallen. Die Rechtsfigur der Prozesstrennung nach § 145 ZPO kann auf diese Teilung nicht angewendet werden.

Aufgrund der Erklärung ist gemäß § 39 Abs. 1 S. 3 [X.] eine neue Anmeldung entstanden, für die [X.] gestellt worden ist, nachdem in der [X.] [X.] gestellt worden war. Für eine derartige [X.] ist der Rechtsweg zum [X.] eröffnet. Die Anmeldung muss daher gemäß §§ 13, 17a Abs. 2 S. 1 [X.] zur weiteren Bearbeitung an das allein zuständige [X.] verwiesen werden.

1. Bereits mit Abgabe der Teilungserklärung hat die Anmelderin für die [X.] Ansprüche, eine Beschreibung und Zeichnungen vorgelegt. Am 25. Juli 2007 hat die Anmelderin dann den Antrag auf Erteilung eines Patents auf dem Formblatt [X.] mit der Erklärung eingereicht, dass es sich um eine Teilung aus der Anmeldung 10 2004 053 645.7-52 handle. Sie hat [X.] gestellt sowie die Zusammenfassung vorgelegt. Damit waren innerhalb der 3-Monatsfrist des § 39 Abs. 3 [X.] die nach dieser Vorschrift für die [X.] erforderlichen Unterlagen vollständig vorhanden. Außerdem hat die Anmelderin für die Anmelde-, die Prüfungs- und die 3. Jahresgebühr in Höhe von insgesamt 480,-- € eine Einzugsermächtigung erteilt. Dass dieser Betrag aus nicht ermittelbaren Gründen erst am 3. April 2008 eingezogen worden ist, wie sich aus der Stammakte ergibt, schadet nicht. Vielmehr gilt nach § 2 Nr. 4 PatKostZV als [X.] der 25. Juli 2007. Damit ist auch die Gebührenzahlung innerhalb der 3-Monatsfrist des § 39 Abs. 3 [X.] erfolgt. Mangels Fristversäumnis kommt daher eine – im Übrigen von der Anmelderin weder ausdrücklich noch konkludent beantragte – Wiedereinsetzung nicht in Betracht.

2. Das [X.] ist für die Entscheidung über die [X.] unter keinem Gesichtspunkt zuständig.

2.1. Entgegen der in der gerichtlichen Verfügung vom 24. September 2007 geäußerten Auffassung ist die [X.] nicht infolge der rechtswirksam abgegebenen Teilungserklärung beim [X.] "anhängig" geworden.

Bei Abgabe der Teilungserklärung war das Verfahren über die [X.] noch beim [X.] anhängig. Wie sich aus § 73 Abs. 2 S. 1 [X.] ergibt, ist die Beschwerde beim [X.] einzulegen, d. h. dort anhängig zu machen. Anhängigkeit bedeutet lediglich, dass ein Vorgang bei einer Behörde oder einem Gericht aktenmäßig vorhanden ist und bearbeitet werden kann. Die in § 73 Abs. 3 S. 1 und S. 3 [X.] geregelte Entscheidungsbefugnis über eine (Nicht-)Abhilfe setzt erkennbar eine Anhängigkeit beim [X.] voraus. Sie endet erst, wenn die Akten dem [X.] gemäß § 73 Abs. 3 S. 3 [X.] vorgelegt worden sind. Bei Abgabe der Teilungserklärung waren die Akten dem [X.] noch nicht vorgelegt worden, ohne dass es darauf ankommt, ob die per Telefax am 20. Juli 2007 eingegangene Teilungserklärung mangels Schriftform unwirksam war, da die Teilungserklärung nicht fristgebunden ist. Denn die Originale sind am 24. Juli 2007 beim [X.] eingegangen und damit noch vor der Aktenvorlage an das [X.], die am 14. August 2007 verfügt worden ist.

2.2. Allerdings ist die verfahrensgegenständliche [X.] durch die Übersendung der Akten nunmehr beim [X.] anhängig geworden.

Weder dieser Umstand noch die Tatsache, dass die Teilung nach Einlegung der Beschwerde erklärt wurde, kann nach Auffassung des erkennenden Senats dazu führen, dass das Gericht für die Prüfung der [X.] zuständig ist. Die gegenteilige Auffassung beruht auf der Annahme, dass es sich bei der Teilung nach § 39 Abs. 1 [X.] um einen der Prozesstrennung nach § 145 ZPO vergleichbaren Vorgang handelt (vgl. [X.], 574 ff. - Mehrfachsteuersystem; [X.] 1998, 458, 460 - Textdatenwiedergabe; jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen; amtl. Begründung zu § 26d [X.] a. F., [X.] 1979, 284). Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr entsteht bei einer Teilung nach § 39 [X.] ein neuer Verfahrensgegenstand, der im bisherigen Erteilungsverfahren bis zur Erklärung der Teilung keine Rolle gespielt hat. Dementsprechend fällt der Gegenstand der [X.] auch nicht in der Beschwerde an. Denn der Beurteilung durch das Beschwerdegericht unterliegt ein Rechtsschutzbegehren nur insoweit, als darüber in der Vorinstanz entschieden wurde. Nur in diesem Umfang kommt einer Beschwerde Devolutiveffekt zu (sog. Anfallwirkung). Sie ist das Mittel, um angegriffene Entscheidungen in der höheren gerichtlichen Instanz nachprüfen zu lassen. Entscheidend ist, dass das Rechtsmittelgericht alleine über das prozessuale Schicksal des erstinstanziellen Streitgegenstandes entscheidet (vgl. [X.], 210 f. m. w. N.).

2.2.1. Zur Begründung der Annahme, dass bei einer Teilungserklärung im Beschwerdeverfahren auch die [X.] im Beschwerdeverfahren angefallen ist, kann nach Auffassung des erkennenden Senats nicht auf die in den genannten Entscheidungen "Mehrfachsteuersystem" und "Textdatenwiedergabe" in Bezug genommenen Entscheidungen des [X.], 472, 473 f. – Zurückverweisung; [X.] 1972, 474, 475 – [X.]; [X.] 1977, 209 – Tampon oder [X.] 1967, 413 ff. – [X.]zurückgegriffen werden. Diese Entscheidungen betreffen ausschließlich Ausscheidungen aufgrund Uneinheitlichkeit.

Teilung und Ausscheidung sind aber zwei verschiedene Institute mit unterschiedlichen Voraussetzungen und unterschiedlichem Ziel. Die Regelung in § 39 [X.] ist auf die freie Teilung zugeschnitten und passt nicht auf die Ausscheidung, die einen Sachverhalt betrifft, der der Weiterverfolgung in einer Anmeldung entgegensteht. [X.] als die Teilung setzt die Ausscheidung an der Grenzlinie der Einheitlichkeit abgrenzbare Teile der Anmeldung begrifflich voraus (vgl. Busse, [X.] 6. Aufl. 2003, § 39 Rn. 40).

In den Fällen der Ausscheidung ist der Vergleich mit einer Verfahrenstrennung entsprechend § 145 ZPO daher zutreffend: Die zivilprozessuale Prozesstrennung setzt voraus, dass mehrere prozessuale Ansprüche in einer Klage erhoben worden sind. Bei einer uneinheitlichen Anmeldung werden Erfindungen beansprucht, die in keinem technischen Zusammenhang, in keiner technischen Wechselwirkung zueinander stehen und keiner Gesamtaufgabe untergeordnet werden können. Der übereinstimmende Erteilungsantrag ("Klageantrag") beruht daher auf unterschiedlichen "Lebenssachverhalten", so dass in den Fällen der Uneinheitlichkeit im Erteilungsbegehren bereits mehrere Streitgegenstände vorhanden sind, die einer "Prozesstrennung" zugänglich sind. Bei der Ausscheidung wird der Teil der ursprünglichen Anmeldung ("[X.]"), der sich auf eine im Sinne des § 34 Abs. 5 [X.] (= § 26 Abs. 1 Satz 2 a. F. [X.]) "andere" Erfindung bezieht, aus dieser herausgenommen ("ausgeschieden"), in ein selbständiges Erteilungsverfahren übergeleitet und es werden die erforderlichen Unterlagen eingereicht. Der mit der Abtrennung verbundene Vorgang stellt sich dann sachlich nicht als eine neue Anmeldung, sondern als Verselbständigung eines Teils der bereits erfolgten Anmeldung dar; der Anspruch auf Patenterteilung wird für diesen Teil nunmehr in einem besonderen Verfahren weiterverfolgt, das rechtlich insoweit als Fortsetzung des bereits anhängig gewordenen Erteilungsverfahrens erscheint (BGH [X.] 1971, 565 ff. - Funkpeiler). Dies setzt sich entsprechend auch in einem Beschwerdeverfahren fort, in dem die uneinheitlichen Erfindungen, also die unterschiedlichen Streitgegenstände, bereits in der ersten Instanz vorhanden und daher Inhalt der im Beschwerdeverfahren zur Überprüfung stehenden Entscheidung waren.

2.2.2. Demgegenüber liegt bei einer freien Teilung nach § 39 Abs. 1 [X.] zunächst eine (einheitliche) Anmeldung mit einem – unbeschadet bestehender Gestaltungsmöglichkeiten – einzigen Erteilungsbegehren vor. Der Begriff der Teilung ist nach der neueren Rechtsprechung des [X.] rein verfahrensbezogen und nicht materiell als Realteilung zu verstehen (Busse a. a. O., Rn. 16 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Bei einer Teilung nach § 39 Abs. 1 [X.] liegt damit eine rein verfahrensrechtliche Aufspaltung des bisher einheitlichen Anmeldeverfahrens in mehrere vor. Daher wird bei der Prüfung der Wirksamkeit der Teilung noch keine Prüfung vorgenommen, auf welches Rechtsschutzziel die Teilungserklärung über die Einleitung eines weiteren Verfahrens hinaus gerichtet ist. Damit besteht die Möglichkeit, in der aus der Teilung entstandenen Anmeldung (und sogar in mehreren) auf den gesamten ursprünglichen Offenbarungsgehalt zurückzugreifen, so, als ob dieselbe Erfindung vom Anmelder mit übereinstimmenden Unterlagen zeitgleich mehrfach angemeldet worden wäre (Busse a. a. O., Rn. 16). Mit Eingang einer formell wirksamen Teilungserklärung entsteht daher eine gegenüber der [X.] selbständige [X.]. Die Teilung der Anmeldung hat zur Folge, dass in einem weiteren, zweiten Prüfungsverfahren die vom Anmelder in diesem Verfahren zur Entscheidung gestellten Patentansprüche auf die Patentfähigkeit ihrer Gegenstände überprüft werden (vgl. BGH [X.] 2009, 657 ff. – [X.]). Damit wird (werden) durch die Teilungserklärung(en) aus dem ursprünglichen Erteilungsverfahren ein weiteres Erteilungsverfahren (oder mehrere) generiert. Dort ist jeweils für sich die Frage zu prüfen, ob den in ihnen gestellten [X.] zu entsprechen ist, weil sie durch die ursprünglichen Unterlagen der [X.] gedeckt sind und auch die übrigen [X.] erfüllen. Insofern liegt bei einer Teilung letztlich keine Aufspaltung des ursprünglichen [X.], sondern eine Vervielfältigung vor.

2.2.3. Aufgrund der Teilungserklärung entsteht also ein neuer, weiterer Verfahrensgegenstand, der mit dem der [X.] nicht identisch ist, sondern neben ihn tritt, was auch daraus deutlich wird, dass erst am Ende des unabhängigen Prüfungsverfahrens der aus der Teilung entstandenen Anmeldung feststeht, welcher Gegenstand dort beansprucht wird. Einer weiteren Prüfung der [X.] durch die Prüfungsstelle steht vorliegend daher auch der Umstand, dass die Anmelderin mit ihr den ursprünglich mit der [X.] beanspruchten und von der Prüfungsstelle zurückgewiesenen Gegenstand unverändert weiterzuverfolgen scheint, weder unter dem Gesichtspunkt des fehlenden [X.] noch aus sonstigen Gründen entgegen. Der [X.] stellt zwar darauf ab, dass im Verfahren über die aus der Teilung entstandene Anmeldung kein Gegenstand beansprucht werden kann, über den in der [X.] bereits abschließend sachlich entschieden worden ist (BGH [X.] 2000, 688 - [X.]; [X.] 2003, 47 - [X.]). Dies lässt sich daraus ableiten, dass der [X.] des Anmelders bei einer abschließenden Entscheidung verbraucht ist. Eine solche abschließende Entscheidung über den Gegenstand der [X.] liegt aber bisher nicht vor, ebenso wenig eine Entscheidung der Prüfungsstelle über die [X.].

2.2.4. Die Anfallwirkung der Beschwerde erfasst alleine den Streitgegenstand der erstinstanziellen Entscheidung ([X.]). Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens kann danach alleine der Inhalt der [X.] sein (als "Lebenssachverhalt" im Sinne des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs), in Verbindung mit dem zurückgewiesenen konkreten Erteilungsantrag, wie er sich in den geltenden Patentansprüchen der [X.] widerspiegelt. Nur über ihn wurde in dem angegriffenen Zurückweisungsbeschluss entschieden. Dementsprechend kann aufgrund einer Teilungserklärung im Beschwerdeverfahren die [X.] nicht vom Devolutiveffekt der Beschwerde erfasst werden, da mangels Existenz der [X.] im Zeitpunkt des Zurückweisungsbeschlusses über sie nicht entschieden worden ist.

2.2.5. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gesetzeswortlaut unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung zu § 26d [X.] a. F. ([X.] 1979, 284). Zutreffend ist zwar insoweit, dass in der Gesetzesbegründung ausgeführt wird, dass die abgetrennte Anmeldung anknüpfend an den Zustand bei der zivilprozessualen Prozesstrennung und in Übereinstimmung mit der bestehenden Rechtspraxis in dem Verfahrensstadium weiterbehandelt werden soll, das vor der Teilung für die ursprüngliche Anmeldung erreicht war. Um den objektiven Willen des Gesetzgebers zu erfassen, können die Gesetzesmaterialien herangezogen werden, jedenfalls soweit sie auf den objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen. Nach der Rechtsprechung des [X.] sind die Vorarbeiten eines Gesetzes für dessen Auslegung aber mit einer gewissen Zurückhaltung, in der Regel bloß unterstützend, zu verwerten ([X.] 11, 126 ff. m. w. N.). Sie dürfen nicht dazu verleiten, die Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen. Der Wille des Gesetzgebers kann bei der Auslegung des Gesetzes nur insoweit berücksichtigt werden, als er in dem Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat ([X.] a. a. [X.]).

Hieran fehlt es aber vorliegend, der Gesetzeswortlaut regelt nämlich abweichend von den Ausführungen in der Begründung nur, dass die [X.] als Anmeldung gilt, für die [X.] gestellt worden ist, wenn die Teilung erklärt werde, nachdem in der [X.] [X.] gestellt worden ist. Von einem über die Situation nach Stellung des [X.]s hinausgehenden Erhalt der Verfahrenssituation in dem Sinn, dass jedes Verfahrensstadium der [X.] auch für die [X.] gelten solle, ist im Gesetz an keiner Stelle die Rede.

Unabhängig davon sind aber die Vorstellungen des Gesetzgebers bei Abfassung der Begründung vorliegend auch deshalb mit Zurückhaltung zu betrachten, weil sich die in der Gesetzesbegründung als Anknüpfungspunkt angesprochene Rechtspraxis im Jahr 1979 nur auf die Ausscheidungsproblematik bezogen hat. Insofern konnte der Gesetzgeber die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Unterschiede zwischen der freien Teilung und der Ausscheidung nicht berücksichtigten, wonach es sich bei der Teilung nicht um eine Realteilung im Sinne der Ausscheidung handelt, bei der konkret formuliert beanspruchte, nicht kompatible Erfindungen in verschiedenen Verfahren behandelt werden. Dass der Gesetzgeber bei Einführung der freien Teilung vor dem Hintergrund der bisherigen Praxis grundsätzlich eine Realteilung im Auge hatte, ergibt sich im Übrigen auch aus den Ausführungen zu § 35b Abs. 1 S. 4 [X.] a. F. (= § 60 Abs. 1 S. 4 [X.], aufgehoben) wonach die Wirkungen des abgetrennten und in das Prüfungsverfahren zurückfallenden Teils des Patents als nicht eingetreten fingiert wurden ([X.] 1979, 287) und dies durch einen ausdrücklichen Widerruf des Patents insoweit auszusprechen gewesen wäre § 12a Abs. 3 S. 2, 2. Halbsatz [X.] a. F. (= § 21 Abs. 3 S. 2, 2. Halbsatz, aufgehoben): "In den Fällen der Teilung des Patents im Einspruchsverfahren wird das Patent teilweise widerrufen, da ein Teil herausgenommen und Gegenstand einer gesonderten Anmeldung wird" ([X.] a. a. O., 281).

Abgesehen von diesem für die freie Teilung nicht zutreffenden Ausgangspunkt der Realteilung kann darüber hinaus ohne Stütze im Gesetz nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber beispielsweise beabsichtigt hat, bei einer Teilung nach Erteilung, aber vor Rechtskraft eines [X.] innerhalb der Beschwerdefrist und ohne dass Beschwerde eingelegt wird (vgl. BGH [X.] 2000, 688 f. – [X.]), die [X.] in das Stadium eines erteilten Patents zu überführen. Insoweit bliebe im Übrigen unklar, in welchem Verfahrensstadium sich eine [X.] befindet, wenn die Erteilung nicht nach Haupt-, sondern nach Hilfsantrag erfolgt ist. Auch kann nicht gewollt gewesen sein, nach Zurückweisung einer Anmeldung bei Teilung vor Rechtskraft des Zurückweisungsbeschlusses innerhalb der Beschwerdefrist, und ohne dass Beschwerde eingelegt wird, die [X.] in das Stadium einer zurückgewiesenen Anmeldung oder nach Zurückweisung der Beschwerde bei einer Teilung vor Rechtskraft des Beschlusses innerhalb der Rechtsbeschwerdefrist die [X.] in das Stadium einer zurückgewiesenen Beschwerde zu überführen (siehe auch [X.], [X.] 2009, 200 ff., 203).

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber durch die Normierung des freien und jederzeit - also auch im Beschwerdeverfahren - ausübbaren Teilungsrechts für die im Beschwerdeverfahren entstandenen Neuanmeldungen eine "erstinstanzielle" Prüfungs- und Erteilungskompetenz des [X.]s schaffen wollte. Einer solchen Annahme stünden verfassungsrechtliche Bedenken jedenfalls im Hinblick auf Art. 20 Absatz 2 GG entgegen (a. [X.] 6. Aufl. 2003, § 39 Rn. 20, unter Bezugnahme auf die allerdings auf der Ausscheidung basierenden Rechtsprechung).

3. Die erstmalige Prüfung von Patentanmeldungen ist grundsätzlich Sache des [X.]s als Verwaltungsbehörde, also der Exekutive. Etwas anderes folgt auch nicht aus der im Rahmen von § 79 [X.] anerkannten Befugnis des [X.]s, Patente zu erteilen. Diese Regelung beinhaltet zwar eine Durchbrechung des Gewaltenteilungsprinzips. Sie besteht aber nur im Rahmen eines gerichtlichen Beschwerdeverfahrens, also im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle von Verwaltungshandeln. Aus dem Prinzip der Gewaltenteilung folgt, dass keine Gewalt der für die Erfüllung ihrer verfassungsgemäßen Aufgaben erforderlichen Zuständigkeiten beraubt werden darf ([X.] 9, 268 ff., 279). Diese liegen für Patentanmeldungen aber beim [X.]. Eine originäre Zuständigkeit des [X.]s zur Prüfung von im Beschwerdeverfahren durch Teilungserklärung entstandener Anmeldungen, die in ihrem konkreten Schutzbegehren noch nicht Gegenstand einer patentamtlichen Prüfung waren, würde darüber hinaus das Verfahrensgrundrecht des Artikels 19 Absatz 4 GG unterlaufen.

Da die Frage, ob das [X.] oder das [X.] als Verwaltungsbehörde für die Bearbeitung eines Antrags auf Patenterteilung zuständig ist, nicht die sachliche Zuständigkeit betrifft, sondern die Entscheidung über den hierfür gegebenen Rechtsweg, ist eine Verweisung durch Beschluss gemäß § 17 a Abs. 2 i. V. m. § 13 [X.], 39 Abs. 1 S. 3 [X.] auszusprechen.

§ 17 Abs. 1 S. 1 [X.] steht dem nach dem oben Gesagten nicht entgegen. Unabhängig davon, dass der Begriff der Rechtshängigkeit im patentrechtlichen Anmeldeverfahren nicht einschlägig ist – insbesondere zeigt die Vorschrift des § 39 [X.], dass durch ein Anmeldeverfahren keine § 17 Abs. 1 S. 2 [X.], § 261 Abs. 3 ZPO vergleichbare Sperrwirkung bezüglich weiterer Anmeldungen eintritt – findet bezüglich der [X.] nach Beschwerdeeinlegung, wie dargestellt, kein Veränderung "nach Rechtshängigkeit" statt, die sich auf die Zulässigkeit des Rechtswegs i. S. v. § 17 Abs. 1 [X.] auswirken könnte. Außerdem hindert die Vorschrift das Gericht aber nicht, bei einer Mehrheit prozessualer Ansprüche für einen dieser Ansprüche die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges zu verneinen (vgl. [X.], 1 ff., [X.]).

III.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nach § 100 Abs. 2 Nr. 2 [X.] erforderlich, da der Senat von der bisherigen Rechtsprechung insbesondere des [X.] abweicht (vgl. [X.], [X.], 8. Aufl. 2008, § 100 Rn. 24).

Meta

21 W (pat) 10/09

07.12.2010

Bundespatentgericht 21. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 145 ZPO § 13 GVG § 17a Abs 2 GVG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.12.2010, Az. 21 W (pat) 10/09 (REWIS RS 2010, 757)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 757

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
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X ZB 9/18

20 W (pat) 7/16

18 W (pat) 36/14

21 W (pat) 1/09

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