Bundessozialgericht, Beschluss vom 21.09.2017, Az. B 13 R 230/17 B

13. Senat | REWIS RS 2017, 4984

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Ablehnung eines Befangenheitsantrags - Beurteilung von dem Endurteil vorausgegangenen unanfechtbaren Entscheidungen durch das Revisionsgericht - unrichtige Rechtsauffassung eines Richters


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 13. Juni 2017 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt [X.] aus O. beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Das [X.] hat mit Beschluss vom 13.6.2017 einen Anspruch des [X.] auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat der Kläger Beschwerde eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) sowie Beiordnung von Rechtsanwalt [X.] aus O. beantragt. Mit dem Vortrag, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei durch [X.]" ergangen, rügt er sinngemäß einen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]. Außerdem macht er geltend, das [X.] sei von Rechtsprechung des [X.] abgewichen (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]). Schließlich behauptet er, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 1 [X.]).

3

II. 1. Der PKH-Antrag des [X.] ist abzulehnen. Nach § 73a [X.] [X.] iVm § 114 [X.] ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem [X.] PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht liegt hier nicht vor (dazu [X.]). Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a [X.] [X.] iVm § 121 Abs 1 ZPO).

4

2. Die Beschwerde des [X.] ist unzulässig. Seine Begründung vom 16.8.2017 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.]), der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) und des [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 [X.]).

5

a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 [X.] nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl Senatsbeschluss vom 3.12.2013 - [X.] R 447/12 B - [X.] Rd[X.] 4, stRpr).

6

Der Beschwerdebegründung des [X.] ist - anders als notwendig - bereits keine Rechtsfrage zur Auslegung oder zum Anwendungsbereich einer revisiblen Norm des [X.]rechts (§ 162 [X.]) zu entnehmen. Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (vgl [X.] Beschluss vom 13.4.2015 - B 12 KR 109/13 B - [X.] Rd[X.]3, stRspr).

7

Wenn der Kläger zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung die mangelnde Nachvollziehbarkeit eines Gutachtens und dessen Bewertung durch das Berufungsgericht rügt, handelt es sich im [X.] um einen Angriff auf die Beweiswürdigung des [X.]. Ein solcher ist jedoch kraft gesetzlicher Anordnung (§ 160 Abs 2 [X.] Teils 2 iVm § 128 [X.] [X.]) von vornherein ausgeschlossen. Diese gesetzliche Beschränkung des Rechtsmittels der Nichtzulassungsbeschwerde kann nicht dadurch umgangen werden, dass die Rüge einer fehlerhaften Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht zusätzlich als eine grundlegende Verletzung des Rechtsstaatsprinzips bezeichnet wird (vgl Senatsbeschluss vom [X.] - [X.] R 40/16 B - [X.] Rd[X.] 6).

8

b) Divergenz iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.] liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das [X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.] aufgestellt hat. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Beschluss des [X.] enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl [X.] Beschluss vom [X.] - B 7 [X.] 142/02 B - [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]4 S 72 mwN, [X.] Rd[X.] 6).

9

Der Kläger behauptet zwar einen Widerspruch des angegriffenen Beschlusses zu Entscheidungen des [X.], deren Aktenzeichen bzw Fundstellen er nennt, legt aber nicht genau dar, welche abstrakten Rechtssätze in den allenfalls bruchstückhaft zitierten Entscheidungen enthalten sind. Soweit er ausführt, das [X.] beziehe die Arbeitsunfähigkeit auf die zuletzt ausgeübte Beschäftigung des [X.] und gehe trotz der seit 2001 andauernden Arbeitsunfähigkeit und der qualitativen Leistungseinschränkungen des [X.] ohne Benennung einer Verweisungstätigkeit von dessen voller Erwerbsfähigkeit aus, lässt sich auf dieser Grundlage kein Rechtssatzvergleich durchführen. Eine Divergenz kann nicht damit begründet werden, dass das [X.] nicht den Kriterien entsprochen hat, die das [X.] aufgestellt hat, sondern nur damit, dass das [X.] diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die vermeintliche Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung (vgl Senatsbeschluss vom 20.5.2014 - [X.] R 49/14 B - [X.] Rd[X.]0).

c) Zur formgerechten Bezeichnung eines [X.] (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]) müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten [X.] begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargetan werden (vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - [X.] RJ 179/03 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 4; [X.] Beschluss vom 19.11.2007 - [X.]/5 R 382/06 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.]1 Rd[X.] 4).

Diesen Anforderungen wird die Rüge der sinngemäß behaupteten Verletzung von § 60 [X.] iVm § 42 ZPO sowie des Rechts auf [X.] nach Art 101 Abs 1 S 2 GG nicht gerecht.

Grundsätzlich unterliegen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind und - wie im Falle einer Ablehnung eines Befangenheitsantrags durch ein [X.] - unanfechtbar sind (§ 177 [X.]), nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts (§ 202 S 1 [X.] iVm § 557 Abs 2 ZPO). Ein Verstoß gegen Art 101 Abs 1 S 2 GG kommt insoweit nur bei willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften in Betracht (vgl [X.] Beschluss vom 5.8.2003 - B 3 P 8/03 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.], [X.] Rd[X.] 9) bzw wenn das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des gesetzlichen Richters nach Art 101 Abs 1 S 2 GG grundlegend verkannt hat (vgl [X.] Beschluss vom 2.11.2007 - B 1 KR 72/07 B - [X.] 4-1100 Art 101 [X.], [X.] Rd[X.] 5 mwN).

Der Besetzungsrüge wegen des Vorwurfs der Befangenheit müsste daher entnommen werden können, dass der vom Kläger zitierte Beschluss vom [X.] über die Zurückweisung des [X.] nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzeswidrig und damit willkürlich ist. Eine solche Beurteilung ist auf der Grundlage des nur rudimentär mitgeteilten Sachverhalts aber nicht möglich. Die vom Kläger zitierte Begründung des [X.], dass die [X.] kein geeignetes Mittel sei, sich gegen unrichtige bzw für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl [X.] Beschluss vom 2.11.2007 - B 1 KR 72/07 B - [X.] 4-1100 Art 101 [X.], [X.] Rd[X.]1). Danach begründet auch eine unrichtige Rechtsauffassung keine Befangenheit, wenn sie nicht auf einer unsachlichen Einstellung des Richters oder auf Willkür beruht (vgl [X.] in [X.]/ [X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 60 Rd[X.] 8j; [X.] Beschluss vom 2.11.2007 - B 1 KR 72/07 B - [X.] 4-1100 Art 101 [X.], [X.] Rd[X.]1 mwN).

Soweit der Kläger in der Beschwerdebegründung darauf abstellt, dass er seinen Ablehnungsantrag nicht mit der abweichenden Meinung des Berufungsgerichts begründet habe, sondern damit, dass das [X.] die mehrfach vorgetragene Entscheidung des [X.] ([X.] R 107/12 B) ignoriert habe und erstmals im Beschluss vom 13.6.2017 darauf eingegangen sei, ergeben sich aus diesem Vortrag keine Anhaltspunkte für willkürliches Verhalten. Wenn der Kläger gerade aus dem "Ignorieren" einer Entscheidung eine unsachliche Einstellung herleiten will, fehlen bereits Darlegungen dazu, warum das [X.] hier schon vor dem angegriffenen Beschluss auf die Entscheidung des [X.] hätte eingehen müssen. Denn es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe und Rechtsansichten zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 62 Rd[X.] 8a mwN; [X.] Urteil vom [X.] - B 12 KR 13/11 R - [X.] 4-2500 § 5 [X.]1, [X.] Rd[X.]5).

Soweit der Kläger den Vorwurf der Befangenheit weiter daraus ableiten will, dass sich das [X.] durch die Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung auf ein nicht nachvollziehbares Gutachten gestützt habe, geht auch dieser Vortrag nicht über den Vorwurf der unrichtigen Rechtsauffassung bzw Beweiswürdigung hinaus. Mit diesem können jedoch weder der Willkürvorwurf noch die Nichtzulassungsbeschwerde begründet werden.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 [X.] durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

3. [X.] beruht auf der Anwendung von § 193 [X.].

Meta

B 13 R 230/17 B

21.09.2017

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Dessau-Roßlau, 4. Dezember 2015, Az: S 1 R 551/13, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 177 SGG, § 202 S 1 SGG, § 557 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 21.09.2017, Az. B 13 R 230/17 B (REWIS RS 2017, 4984)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4984

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