Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.01.2017, Az. B 3 KR 44/16 B

3. Senat | REWIS RS 2017, 16409

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Verstoß gegen Grundsatz der freien Beweiswürdigung - kein Zulassungsgrund


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 22. Juni 2016 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Streitig war zuletzt noch ein Anspruch auf Gewährung weiteren Krankengeldes ([X.]) für die [X.] von Mitte Februar 2014 bis zum 30.4.2014.

2

Der 1958 geborene Kläger, der seit dem [X.] arbeitslos war und seit dem 1.5.2014 Rente wegen voller Erwerbsminderung bezog, erhielt zunächst Arbeitslosengeld [X.]) I und seit Eintritt der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ([X.]) am 16.5.2013 von der beklagten Krankenkasse [X.], das bis zum 28.10.2013 gezahlt wurde (Bescheid vom [X.], [X.] vom 16.1.2014). Während einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation erhielt der Kläger Übergangsgeld (29.10.2013 bis 20.11.2013). Den Antrag auf Weiterzahlung des [X.] ab 21.11.2013 lehnte die Beklagte ab, weil sie den Kläger wieder für arbeitsfähig hielt (Bescheid vom 16.1.2014, Widerspruchsbescheid vom 8.5.2014). Stattdessen bezog der Kläger ab 21.11.2013 wieder [X.], jedoch wegen der zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens nur in verringerter Höhe.

3

Das [X.] hat die Klage auf Gewährung von [X.] für die [X.] vom 21.11.2013 bis zum 30.4.2014 nach Beweisaufnahme abgewiesen (Urteil vom [X.]). Im Berufungsverfahren hat das L[X.] der Klage ab 21.11.2013 für weitere zwölf Wochen, also bis Mitte Februar 2014, stattgegeben, weil nach dem Entlassungsbericht des Rehabilitationsträgers vom 21.11.2013 mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit für täglich drei bis unter sechs Stunden erst nach einer Rekonvaleszenzzeit von weiteren zwölf Wochen gerechnet werden konnte und die behandelnden Ärzte laufend [X.] attestiert hätten. Für das Fortbestehen der [X.] ab Mitte Februar 2014 fehle es allerdings an entsprechenden Nachweisen, sodass die Klage insoweit unbegründet sei (Urteil vom 22.6.2016). Dazu hat das L[X.] ausgeführt: "Objektive Befunde für die [X.] von Februar bis einschließlich April 2014 liegen nicht vor. Besuche beim Orthopäden erfolgten offenbar jeweils nur zur Fortschreibung der [X.] mit Nennung der unveränderten Diagnosen. Als Diagnosen sind vermerkt M 16.2, Coxarthrose als Folge Dysplasie beidseits, sowie [X.] oder M 51.4, womit lumbale oder sonstige Bandscheibenschäden erfasst sind. Da weitere Untersuchungsbefunde aus dieser [X.] auch nicht in der Akte der [X.] vorliegen und eine Untersuchung dort erst 2015 stattfand, ist für den [X.]raum 12 Wochen nach der Entlassung aus der Reha nicht mit ausreichender Sicherheit nachgewiesen, dass durchgehend [X.] bestand. Insoweit kann den Ausführungen von [X.] (Gutachten vom 18.5.2015) und den Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes gefolgt werden, da zumindest zum [X.]punkt ihrer Untersuchung eine Leistungsfähigkeit von mehr als drei Stunden gegeben war, was auch in Einklang steht mit der Entscheidung des Rentenversicherungsträgers, Erwerbsunfähigkeitsrente auf [X.] wegen des verschlossenen Arbeitsmarkts zu bewilligen. Die ohne weitere Begründung und ohne den Nachweis von Befunden durch die behandelnden Ärzte ausgestellten [X.]-Bescheinigungen reichen als Nachweis der [X.] bis 30.4.2014 nach Auffassung des Senats nicht aus. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] beantragt hatte, ein weiteres Gutachten einzuholen, war diesem Antrag nicht zu entsprechen, da mangels objektivierbarer Befunde aus dieser [X.] und dem Ergebnis der Untersuchung durch [X.] zu einem späteren [X.]punkt kein Aufklärungsbedarf bestand."

4

Mit der Beschwerde [X.]det sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des L[X.].

5

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch § 160 Abs 2, § 160a Abs 2 [X.]G normierten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1, § 169 [X.]G). Der Kläger weist zwar auf gesetzliche Zulassungsgründe hin, nämlich auf die Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) sowie auf Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), jedoch sind die Zulassungsgründe nicht so dargelegt worden, wie § 160a Abs 2 [X.] [X.]G dies verlangt.

6

1. Als Verfahrensfehler rügt der Kläger in erster Linie die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 [X.]G). Das Vorbringen dazu genügt aber nicht den formellen Anforderungen des § 160a Abs 2 [X.] [X.]G.

7

a) Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des [X.] die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist darzulegen, dass und warum die Entscheidung des L[X.] - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.]G kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, [X.]n er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

8

Wird ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 [X.]G) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das L[X.] nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des L[X.], aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des L[X.] auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das L[X.] mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen könne (vgl B[X.] [X.]-1500 § 160a [X.] RdNr 5 mwN).

9

b) Diesen Maßstäben entspricht das Beschwerdevorbringen nicht, weil es bereits an der Bezeichnung eines konkreten Beweisantrages fehlt, den das L[X.] zu Unrecht übergangen haben soll. Nach § 118 Abs 1 [X.]G iVm § 403 ZPO ist der Beweis durch die Bezeichnung der zu begutachtenden Punkte anzutreten, also durch die Aufführung der noch aufklärungsbedürftigen anspruchsbegründenden oder anspruchsvernichtenden Tatsachen. Der schlichte (Hilfs-)Antrag auf "Einholung eines weiteren Gutachtens" (vgl Sitzungsniederschrift vom 22.6.2016) reicht insoweit nicht aus. Die in der Beschwerdebegründung vom 31.10.2016 genannten fünf medizinischen Fragestellungen, die sich wortgleich auch in der Berufungsbegründung vom 31.8.2015 finden und auf die der Kläger in seinem (Hilfs-)Antrag auf Einholung eines "[X.]" vom 15.10.2015 Bezug genommen hat, sind im maßgeblichen Beweisantrag vom 22.6.2016 nicht aufgeführt. Daher kann diesem Beweisantrag nicht entnommen werden, zu welchem konkreten Beweisthema das Sachverständigengutachten erstellt werden sollte. Die Beschwerde legt auch nicht dar, weshalb sich das L[X.] zur weiteren Sachaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen, weil nach den getroffenen Feststellungen (vgl [X.] S 8/9) für die noch streitige [X.] von Mitte Februar bis 30.4.2014 keine objektivierbaren Befunde vorliegen und es in diesem [X.]raum auch keine ärztliche Untersuchung gegeben hat. Es wird auch nicht erläutert, zu welchem konkreten anderen Ergebnis das L[X.] im Falle der Einholung des gewünschten weiteren Gutachtens hätte kommen können.

2. Soweit der Kläger "Verstöße gegen die Logik" rügt, handelt es sich der Sache nach um die Geltendmachung einer Verletzung von Denkgesetzen. Damit greift der Kläger die Beweiswürdigung durch das L[X.] an. Mit diesem Angriff kann jedoch ein Verfahrensfehler nicht begründet werden, weil ein Verstoß gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 160 Abs 2 [X.] iVm § 128 Abs 1 S 1 [X.]G von vornherein nicht geeignet ist, zur Zulassung der Revision zu führen.

3. Der Vorwurf, das L[X.] habe angesichts der vom behandelnden Orthopäden Dr. H. fortlaufend ausgestellten [X.]-Bescheinigungen von einer Umkehr der Beweislast zugunsten des [X.] ausgehen müssen, ist ebenfalls nicht geeignet, einen Verfahrensfehler des L[X.] zu begründen. Die (objektive bzw materielle) Beweislast regelt, [X.] die Folgen treffen, [X.]n das Gericht eine bestimmte Tatsache trotz Ausschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellen kann (non liquet), und betrifft damit das materielle Recht (BVerwGE 45, 131, 132; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 103 RdNr 19a mwN). Es geht also nicht um einen Verfahrensfehler, sondern wiederum um die mit einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht angreifbare Beweiswürdigung.

4. Der Kläger legt auch eine Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) nicht formgerecht dar.

a) Divergenz liegt vor, [X.]n die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, [X.]n das L[X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des B[X.], des [X.] oder des [X.] aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, [X.]n das Urteil des L[X.] nicht den Kriterien entspricht, die das B[X.] aufgestellt hat, sondern erst, [X.]n das L[X.] diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G). Die Beschwerdebegründung muss also erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des L[X.] enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das B[X.] die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, vgl B[X.] [X.]-1500 § 160 [X.] RdNr 17; B[X.] [X.]-1500 § 160 [X.] RdNr 4; B[X.] SozR 1500 § 160a [X.] ff; B[X.] SozR 1500 § 160a [X.] S 22).

b) Der Kläger trägt vor, der Bezug von [X.] im fraglichen [X.]raum entsprechend einem reduzierten Leistungsvermögen von täglich drei Stunden schließe den Anspruch auf [X.] nicht aus, und macht dazu einen "möglichen" Widerspruch zum Urteil des B[X.] vom 2.11.2007 - B 1 KR 38/06 R - ([X.]-2500 § 44 [X.]) geltend. Die Rüge einer Divergenz kann diesem Vorbringen aber nicht entnommen werden, weil nicht dargelegt wird, dass das L[X.] überhaupt einen dem entgegenstehenden Rechtssatz aufgestellt hat. Im Gegenteil: das L[X.] hat dem Kläger für weitere zwölf Wochen nach dem 21.11.2013 [X.] zugesprochen, obgleich diesem ab 21.11.2013 bereits [X.] gezahlt worden war und das L[X.] diesen Umstand kannte. Die Abweisung der Klage für die [X.] ab Mitte Februar 2014 hat das L[X.] nicht mit dem Bezug von [X.] begründet.

5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]G).

6. [X.] basiert auf der entsprechenden An[X.]dung des § 193 [X.]G.

Meta

B 3 KR 44/16 B

31.01.2017

Bundessozialgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Augsburg, 28. Juli 2015, Az: S 6 KR 176/14, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 128 Abs 1 S 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.01.2017, Az. B 3 KR 44/16 B (REWIS RS 2017, 16409)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16409

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 1 KR 99/13 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Entscheidung über Krankengeldanspruch ohne obligatorisches Vorverfahren - Nachholung …


B 11 AL 77/11 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache bzw der Klärungsbedürftigkeit - Arbeitslosengeldanspruch - Beurteilung …


B 3 KR 33/20 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Rüge des Übergehens eines Beweisantrags in der Berufungsinstanz - Fragerecht dient der …


B 3 KR 47/16 B (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Krankengeldbemessung bei einem hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen


B 1 KR 13/14 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Zulässigkeit der Revision - Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.