Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 02.03.2017, Az. 2 AZR 427/16

2. Senat | REWIS RS 2017, 14797

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Gegenstand

Ordentliche Kündigungen - Anwendbarkeit des Kündigungsschutz-gesetzes


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Schlussurteil des [X.] vom 28. April 2016 - 10 [X.] 887/15, 10 [X.] 2231/15 - aufgehoben.

2. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 23. April 2015 - 7 [X.]/14 - wird auch insoweit zurückgewiesen, wie über sie nicht durch das Teilurteil des [X.] vom 22. Oktober 2015 - 10 [X.] 887/15, 10 [X.] 932/15 - entschieden ist.

3. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Beklagte zu 61 % und der Kläger zu 39 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer ordentlicher Kündigungen.

2

Die Beklagte ist eine konzernunabhängige Fondsgesellschaft. Sie unterhält zwei Betriebsstätten in [X.] und [X.]. Der Kläger war bei ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit Juli 2011 als Vertriebsleiter beschäftigt.

3

Bei der Beklagten waren im Februar/[X.]ärz 2014 neben dem Kläger insgesamt acht [X.]itarbeiter in Vollzeit sowie ein [X.]itarbeiter mit neun Arbeitsstunden wöchentlich beschäftigt. Darüber hinaus war im [X.] Büro eine [X.]itarbeiterin als Leiterin Fondsmanagement tätig, deren Beschäftigungsumfang zwischen den Parteien streitig gewesen ist. [X.] war zwischen ihr und der Beklagten eine Arbeitszeit von 15 Stunden wöchentlich, mit Wirkung ab [X.]ärz 2014 von 18 Stunden wöchentlich vereinbart. [X.]it ihrem Gehalt sollten monatlich bis zu acht Überstunden abgegolten sein.

4

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 6. Februar, 21. Februar und 4. [X.]ärz 2014 jeweils außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. September 2014.

5

Gegen diese Kündigungen hat sich der Kläger mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt und weitere Ansprüche erhoben. Durch mittlerweile rechtskräftig gewordenes Teilurteil des [X.] steht ua. fest, dass die außerordentlichen Kündigungen das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst haben. Bezogen auf die von der Beklagten hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen hat der Kläger geltend gemacht, sie seien sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Das [X.] finde Anwendung. Die Beklagte betreibe einen einheitlichen Betrieb mit regelmäßig mehr als zehn Beschäftigten. Die Leiterin Fondsmanagement arbeite tatsächlich mehr als 20 Stunden wöchentlich.

6

Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 6. Februar 2014, 21. Februar 2014 und 4. [X.]ärz 2014 aufgelöst worden ist.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Sie hat gemeint, der betriebliche Geltungsbereich des [X.]es sei nicht eröffnet. Bei den beiden Betriebsstätten in [X.] und [X.] handele es sich um eigenständige Betriebe, in denen jeweils deutlich weniger als zehn Arbeitnehmer beschäftigt seien.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage in Bezug auf die ordentlichen Kündigungen abgewiesen. Das [X.] hat ihr stattgegeben und den [X.] der Beklagten zurückgewiesen. [X.]it ihrer vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Das [X.] hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Diese ist unbegründet. Das kann der [X.] selbst abschließend entscheiden.

I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Rechtswirksamkeit der von der [X.]eklagten hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen vom 6. Februar 2014, 21. Februar 2014 und 4. [X.]ärz 2014 sowie der darauf bezogene Auflösungsantrag der [X.]eklagten. Die Revision ist insoweit vom [X.], entgegen der Auffassung des [X.], ohne [X.]eschränkung auf einen abtrennbaren Teil des Streitgegenstandes zugelassen worden.

II. Der Kündigungsschutzantrag ist unbegründet. [X.]ereits die ordentliche Kündigung der [X.]eklagten vom 6. Februar 2014 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2014 aufgelöst. Der erste Abschnitt des [X.]es fand gem. § 23 Abs. 1 Satz 3 [X.] auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Andere Gründe für eine Unwirksamkeit der Kündigung als ihre mangelnde [X.] Rechtfertigung iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] hat der Kläger nicht geltend gemacht. Auf die Wirksamkeit der weiteren Kündigungen zum 30. September 2014 kommt es demnach nicht mehr an.

1. Das [X.] hat zu Unrecht angenommen, die [X.]itarbeiterin [X.] sei bei der Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer gem. § 23 Abs. 1 Satz 4 [X.] mit einem Wert von mehr als 0,5 zu zählen. Das [X.]erufungsgericht ist dabei von unzutreffenden Grundsätzen für die Verteilung der [X.]eweislast ausgegangen. Es hat dahinstehen lassen, wie viele Stunden wöchentlich Frau [X.] tatsächlich für die [X.]eklagte erbracht hat und es für ausreichend gehalten, dass die [X.]eklagte nicht bewiesen habe, dies seien regelmäßig nur 20 oder weniger Stunden gewesen. [X.]ereits dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des [X.]erufungsurteils. Für das Überschreiten des Schwellenwertes gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 bzw. Satz 3 [X.] trägt der Arbeitnehmer die [X.]eweislast. Einer größeren [X.] des Arbeitgebers und etwaigen [X.]eweisschwierigkeiten des Arbeitnehmers ist durch eine abgestufte Darlegungslast Rechnung zu tragen (im Einzelnen [X.]AG 23. Oktober 2008 - 2 [X.] - Rn. 29 f.; 26. Juni 2008 - 2 [X.] - Rn. 15 ff., [X.]AGE 127, 102). An dieser Auffassung hält der [X.] fest. Das angefochtene Urteil enthält keine Argumente, mit denen sich der [X.] nicht bereits auseinandergesetzt hat.

2. Es kann dahinstehen, ob der [X.] selbst abschließend entscheiden könnte, dass der Kläger auch nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen hat, die entgegen dem Vorbringen der [X.]eklagten für einen regelmäßigen [X.]eschäftigungsumfang von Frau [X.] von mehr als 20 Stunden wöchentlich sprachen. Der Kläger hat jedenfalls nicht in der erforderlichen Weise dargelegt, dass die [X.]etriebsstätten der [X.]eklagten in [X.] und [X.] einen einheitlichen [X.]etrieb iSd. § 23 Abs. 1 [X.] bildeten. Der Schwellenwert gem. § 23 Abs. 1 Satz 3 [X.] war in den [X.]etriebsstätten für sich genommen selbst bei voller [X.]erücksichtigung der [X.]itarbeiterin [X.] unstreitig jeweils nicht erreicht. [X.]it dem von ihm nicht in ausreichender Weise bestrittenen und damit gem. § 138 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO als zugestanden geltenden Vorbringen der [X.]eklagten ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich bei den [X.]etriebsstätten in [X.] und [X.] um eigenständige [X.]etriebe iSd. § 23 Abs. 1 [X.] handelte. [X.]esondere Umstände, die in verfassungskonformer Auslegung von § 23 Abs. 1 [X.] ausnahmsweise ein Abstellen auf die Unternehmensgröße erforderten, sind weder vorgetragen noch objektiv ersichtlich.

a) Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 [X.] gelten in [X.]etrieben, in denen in der Regel nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden, die Vorschriften des Ersten Abschnitts des [X.]es mit Ausnahme von dessen §§ 4 bis 7, § 13 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis - wie hier - nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat.

b) § 23 Abs. 1 [X.] enthält ebenso wie das gesamte [X.] keine eigene Definition des [X.]etriebsbegriffs. Es gilt daher im Wesentlichen derjenige des § 1 [X.]etrVG. Danach ist der [X.]etrieb die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren [X.]ilfe der Arbeitgeber allein oder in [X.] mit seinen Arbeitnehmern mit [X.]ilfe von technischen und immateriellen [X.]itteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht nur in der [X.]efriedigung von Eigenbedarf liegt (zuletzt [X.]AG 19. Juli 2016 - 2 [X.] - Rn. 12). Dies setzt einen einheitlichen organisatorischen Einsatz der Sachmittel und Personalressourcen voraus. Die einen [X.]etrieb konstituierende Leitungsmacht wird dabei dadurch bestimmt, dass [X.] der Arbeitgeberfunktionen in personellen und [X.]n Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbstständig ausgeübt wird. Entscheidend ist, wo schwerpunktmäßig über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen entschieden wird und in welcher Weise Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen werden ([X.]AG 7. Juli 2011 - 2 [X.] - Rn. 36; 28. Oktober 2010 - 2 [X.] - Rn. 16). Entsprechend der Unterscheidung zwischen „[X.]etrieb“ und „Unternehmen“ in § 1 Abs. 1 [X.] ist der [X.]etriebsbegriff auch in § 23 Abs. 1 [X.] nicht mit dem des Unternehmens gleichzusetzen ([X.]AG 19. Juli 2016 - 2 [X.] - Rn. 12; 17. Januar 2008 - 2 [X.] - Rn. 15 f., [X.]AGE 125, 274). Dies ist verfassungsrechtlich im Grundsatz nicht zu beanstanden ([X.]VerfG 27. Januar 1998 - 1 [X.]vL 15/87 - zu [X.] II 4 b bb der Gründe, [X.]VerfGE 97, 169).

c) Der [X.]etriebsbegriff ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. [X.]ei der [X.]eurteilung, ob eine Organisationseinheit ein [X.]etrieb, ein selbständiger oder ein unselbständiger [X.]etriebsteil ist, steht dem Gericht der Tatsacheninstanz ein [X.]eurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des [X.]s ist nur daraufhin überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer [X.] gelassen hat ([X.]AG 13. Februar 2013 - 7 A[X.]R 36/11 - Rn. 31; 18. Januar 2012 - 7 A[X.]R 72/10 - Rn. 28).

d) Die angefochtene Entscheidung hält selbst diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab nicht stand. Das [X.] hat dem Erfordernis einer einheitlichen Leitungsmacht als Voraussetzung einer betrieblichen Einheit nicht die zutreffende [X.]edeutung beigemessen. Die von ihm gewürdigten Tatsachen rechtfertigen nicht die Annahme, die beiden [X.]etriebsstätten der [X.]eklagten in [X.] und [X.] hätten im Zeitpunkt der Kündigung unter einer einheitlichen institutionalisierten Leitung in [X.]ezug auf [X.] der Arbeitgeberfunktionen in personellen und [X.]n Angelegenheiten gestanden.

aa) Entgegen der Auffassung des [X.]erufungsgerichts lassen weder eine „gemeinsame Telefonanlage“ noch die in einem Fragebogen dargestellte enge Verbindung zwischen dem Fondsmanagement in [X.] und dem Fondsrechnungswesen in [X.] oder das Abhalten einer regelmäßigen montäglichen Telefonkonferenz zwischen beiden Standorten darauf schließen, die wesentlichen Entscheidungen in personellen oder [X.]n Angelegenheiten würden von einer einheitlichen Leitung getroffen.

bb) Soweit das [X.] darauf abgestellt hat, die „internen Angelegenheiten des [X.]“ wie Urlaubsanträge, Reisekostenabrechnungen und [X.]obilfunkrechnungen seien unmittelbar in [X.] „bearbeitet“ worden, ist nicht festgestellt, worin diese „[X.]earbeitung“ bestanden haben soll. Insbesondere hat das [X.] nicht etwa angenommen, über die Urlaubsanträge sei von einer einheitlichen Leitung in [X.] entschieden worden.

cc) Das [X.] hat auch sonst keine solchen „Verzahnungen“ der beiden [X.]etriebsstätten festgestellt, die auf die Ausübung des Kerns der Arbeitgeberfunktionen in personellen und [X.]n Angelegenheiten durch eine einheitliche Leitung schließen ließen.

e) Einer Zurückverweisung der Sache an das [X.] bedarf es nicht. Der [X.] kann selbst abschließend entscheiden, dass das Vorbringen der Parteien nicht die Annahme gestattet, die [X.]etriebsstätten der [X.]eklagten in [X.] und [X.] bildeten einen einheitlichen [X.]etrieb iSd. § 23 Abs. 1 [X.].

aa) Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und [X.]eweislast (dazu Rn. 12) dürfen an die Darlegungslast des Arbeitnehmers zur betrieblichen Organisation keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es reicht in der Regel aus, wenn dieser die äußeren Umstände schlüssig darlegt, die für die Annahme sprechen, dass die [X.]etriebsstätte, in der er beschäftigt ist, über keinen eigenständigen Leitungsapparat verfügt, diese vielmehr zentral gelenkt wird. [X.]at der Arbeitnehmer schlüssig derartige Umstände behauptet, hat der Arbeitgeber hierauf gem. § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu erklären, welche rechtserheblichen Umstände gegen die Annahme eines einheitlichen Leitungsapparates für mehrere [X.]etriebsstätten sprechen. Nach dem Prinzip der [X.] ist regelmäßig nur der Arbeitgeber in der Lage, nähere Auskunft über die betrieblichen Führungsstrukturen zu geben ([X.]AG 15. [X.]ärz 2001 - 2 [X.] 1 c der Gründe).

bb) Selbst unterstellt, der Kläger sei auf der ersten Stufe seiner Darlegungslast für einen einheitlichen [X.]etrieb noch nachgekommen, ist die [X.]eklagte dem in erheblicher Weise entgegengetreten. Sie hat im Einzelnen Umstände vorgetragen, aus denen sich eine organisatorisch eigenständige Leitung der beiden [X.]etriebsstätten in den wesentlichen personellen und [X.]n Angelegenheiten ergibt. Die von der [X.]eklagten behaupteten Tatsachen hat der Kläger weder konkret bestritten noch hat er substantiierten [X.] zur Darlegung einer einheitlichen Leitungsmacht gehalten. Er hat sich auch nicht darauf berufen, ihm habe insofern die eigene Kenntnis gefehlt. Sein demnach gem. § 138 Abs. 2 ZPO nicht hinreichend substantiiertes [X.]estreiten führt dazu, dass das Vorbringen der [X.]eklagten nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Diese Würdigung kann der [X.] selbst vornehmen. Ob ein [X.]estreiten ausreichend ist, unterliegt selbst ohne Rüge der Überprüfung durch das Revisionsgericht (zu § 138 Abs. 4 ZPO vgl. [X.]G[X.] 10. Oktober 1994 - II [X.] - zu 3 d der Gründe).

(1) Die [X.]eklagte hat mit dem vom [X.] in [X.]ezug genommenen Schriftsatz vom 14. Dezember 2015 behauptet, die Entscheidungen über Einstellungen, Entlassungen, Versetzungen und Urlaubsgewährung treffe für die [X.]etriebsstätte in [X.] der für diese zuständige Geschäftsführer V und für den Standort [X.] der dortige Geschäftsführer [X.]. Auch [X.] und [X.] führe der jeweils zuständige Geschäftsführer durch. Ebenso werde über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen am jeweiligen Standort entschieden.

(2) Der Kläger ist diesem Vorbringen nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Er hat die von der [X.]eklagten behaupteten Zuständigkeiten der Geschäftsführer in den personellen und [X.]n Angelegenheiten des jeweiligen Standorts nicht konkret bestritten. Soweit er geltend gemacht hat, es gebe nicht zwei [X.]etriebe, es existierten auch nicht zwei klar getrennte Aufgabenbereiche, der Vortrag über die „gekünstelt dargestellte“ vorgebliche Aufgabenverteilung werde als unzutreffend in Abrede gestellt, liegt darin kein substantiiertes [X.]estreiten. Dies gilt auch, soweit der Kläger behauptet hat, der Geschäftsführer [X.] habe sich ebenso für Vertriebsaktivitäten verantwortlich gefühlt und beide Geschäftsführer hätten „auch parallele Aktionen“ durchgeführt, entsprechend hätten in der Vergangenheit seine Ansprechpartner in der Geschäftsführung gewechselt. Dies spricht zwar möglicherweise für eine unternehmerische [X.]efassung auch des Geschäftsführers [X.] mit Vertriebsaktivitäten, nicht aber gegen die von der [X.]eklagten behauptete eigenständige Leitungsmacht der beiden Geschäftsführer in den jeweiligen personellen und [X.]n Angelegenheiten „ihres“ Standorts. Der Kläger hat sich auch nicht darauf berufen, er könne sich hierzu mangels eigener Kenntnis nicht näher einlassen. Soweit er seine eigene organisatorische Anbindung an die [X.] [X.]etriebsstätte bestreitet, fehlt es an ausreichendem Tatsachenvortrag, woraus sich stattdessen seine Zuordnung zur [X.] [X.]etriebsstätte ergeben soll. Aus der Formulierung im Arbeitsvertrag, dass er am Sitz der Gesellschaft an zwei Tagen im [X.]onat persönlich verfügbar sein müsse, folgt dies jedenfalls nicht. Unerheblich ist auch sein Vorbringen zum Firmensitz der [X.]eklagten sowie ihrer Eintragung im [X.]andelsregister. Weshalb sich schließlich aus den gesetzlichen Vorgaben des [X.] ergeben soll, dass die von der [X.]eklagten behauptete Struktur mit zwei eigenständigen [X.]etrieben unzulässig sei, wird weder aus dem Vortrag des [X.] deutlich, noch ist dies objektiv ersichtlich.

f) Für eine vom Gesetzeswortlaut abweichende [X.]erechnung der regelmäßigen [X.]eschäftigtenzahl iSd. § 23 Abs. 1 [X.] besteht im Streitfall kein Anlass. Es ist nicht ausnahmsweise geboten, auf die Unternehmensgröße der [X.]eklagten abzustellen, weil anderenfalls eine mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr zu vereinbarende Ungleichbehandlung der [X.]itarbeiter ihrer [X.]etriebe mit den Arbeitnehmern in einem nicht in mehrere betriebliche Einheiten gegliederten Unternehmen vorläge.

aa) Der [X.]etriebsbezug des § 23 Abs. 1 [X.] ist verfassungsrechtlich unbedenklich, solange dadurch nicht angesichts der vom Arbeitgeber geschaffenen konkreten Organisation die gesetzgeberischen Erwägungen für die Privilegierung von Kleinbetrieben bei verständiger [X.]etrachtung ins Leere gehen und die [X.]estimmung des [X.]etriebsbegriffs nach herkömmlicher Definition zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung betroffener Arbeitnehmer führt ([X.]VerfG 27. Januar 1998 - 1 [X.]vL 15/87 - zu [X.] II 4 b bb der Gründe, [X.]VerfGE 97, 169; [X.]AG 19. Juli 2016 - 2 [X.] - Rn. 20; 28. Oktober 2010 - 2 [X.] - Rn. 25). Die Durchbrechung des [X.]etriebsbezugs des Schwellenwerts ist demnach nicht schon immer dann geboten, wenn sich das Unternehmen zwar in mehrere kleine, organisatorisch verselbständigte Einheiten gliedert, insgesamt aber mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Das liefe auf eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte generelle Gleichsetzung von [X.]etrieb und Unternehmen hinaus und berücksichtigte nicht, dass auch das [X.]undesverfassungsgericht lediglich von Einzelfällen ausgegangen ist, die dem gesetzgeberischen Leitbild nicht entsprächen ([X.]AG 19. Juli 2016 - 2 [X.] - aaO; 28. Oktober 2010 - 2 [X.] - Rn. 24). Die Anwendung der [X.] ist auch nicht schon dann ausgeschlossen, wenn die als „[X.]etrieb“ im kündigungsschutzrechtlichen Sinne zu verstehende Einheit nicht sämtliche vom [X.]undesverfassungsgericht als charakteristisch benannten [X.]erkmale eines Kleinbetriebs erfüllt. Dieses hat lediglich typologisch Gesichtspunkte angeführt, die für einen Kleinbetrieb bezeichnend sind ([X.]VerfG 27. Januar 1998 - 1 [X.]vL 15/87 - zu [X.] I 3 b bb der Gründe, [X.]VerfGE 97, 169), ohne dass diese wie tatbestandliche Voraussetzungen einer Norm zu behandeln wären. [X.]aßgeblich ist vielmehr eine alle Umstände des Einzelfalls einbeziehende, wertende Gesamtbetrachtung dahingehend, ob die Anwendung der [X.] nach [X.]aßgabe des allgemeinen [X.]etriebsbegriffs unter [X.]erücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse dem mit ihr verbundenen Sinn und Zweck (noch) gerecht wird ([X.]AG 19. Juli 2016 - 2 [X.] - aaO; 28. Oktober 2010 - 2 [X.] - aaO).

bb) Danach sind Umstände weder vorgetragen noch objektiv ersichtlich, die die Annahme rechtfertigten, dass sich die enge Zusammenarbeit der am jeweiligen Standort beschäftigten Arbeitnehmer wesentlich von der in einem typischen Kleinbetrieb unterschiede, dass sich also etwa die Persönlichkeit und der Leistungsbeitrag eines jeden einzelnen [X.]eschäftigten nicht in einer solchen Weise unmittelbar auf das [X.]etriebsklima und die Funktionsfähigkeit der jeweils in [X.] und [X.] gelegenen betrieblichen Einheiten auswirkte, wie dies für einen Kleinbetrieb typischerweise anzunehmen ist. Auch für eine missbräuchliche, allein auf die Verhinderung des Entstehens allgemeinen Kündigungsschutzes der [X.]eschäftigten gerichtete willkürliche Zersplitterung des Unternehmens der [X.]eklagten in mehrere eigenständige Einheiten gibt es keine Anhaltspunkte.

III. Der Auflösungsantrag der [X.]eklagten fällt nicht zur Entscheidung an. Er ist nur hilfsweise für den Fall des Unterliegens der [X.]eklagten mit dem Klageabweisungsantrag gestellt.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 ZPO.

        

    Koch     

        

    [X.]erger     

        

    Rachor     

        

        

        

    Alex     

        

    Sieg     

                 

Meta

2 AZR 427/16

02.03.2017

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Potsdam, 23. April 2015, Az: 7 Ca 300/14, Urteil

§ 23 Abs 1 S 2 KSchG, § 23 Abs 1 S 3 KSchG, § 23 Abs 1 S 4 KSchG, § 138 Abs 2 ZPO, § 138 Abs 3 ZPO, § 1 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 02.03.2017, Az. 2 AZR 427/16 (REWIS RS 2017, 14797)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14797

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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