Bundessozialgericht, Urteil vom 10.06.2021, Az. B 9 BL 1/20 R

9. Senat | REWIS RS 2021, 5094

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sächsisches Landesblindengeld - Wohnsitz im EU-Ausland - in Österreich lebende deutsche Rentnerin - europäisches Koordinierungsrecht - soziale Sicherheit - Leistungsexport - Leistung bei Krankheit - Wohnsitzwechsel - letzter inländischer Wohnsitz als Anknüpfungspunkt - sozialgerichtliches Verfahren - Einvernehmensanwalt - Fortwirkung der Einvernehmenserklärung im Revisionsverfahren - Schriftform der Revisionsschrift - österreichische Rubrumsunterschrift keine Unterschrift - Ausschluss von Entwürfen - Annahme einer willentlichen Entäußerung


Leitsatz

1. Deutsches Landesblindengeld ist EU-rechtlich eine Geldleistung bei Krankheit.

2. Geldleistungen bei Krankheit an Rentner mit nur einer Rente aus einem Mitgliedstaat werden vom zuständigen Träger des Mitgliedstaats nach dessen nationalen Rechtsvorschriften erbracht, in dem der Träger der Sachleistungen bei Krankheit seinen Sitz hat.

Tenor

Der Gerichtsbescheid des [X.] vom 1. August 2018, das Urteil des [X.] vom 10. Oktober 2019 sowie der Bescheid des Beklagten vom 23. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2018 werden aufgehoben und der Beklagte verurteilt, unter Rücknahme des Bescheids vom 6. Januar 2017 der Klägerin ab 1. November 2016 Nachteilsausgleich wegen hochgradiger Sehschwäche und ab 1. März 2017 Blindengeld nach dem [X.] zu gewähren.

Der Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten für alle Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Leistungen nach dem [X.] über die Gewährung eines [X.]es und anderer Nachteilsausgleiche ([X.]gesetz - [X.]).

2

Die 1942 geborene Klägerin ist [X.] Staatsbürgerin und lebt seit über zwanzig Jahren in [X.]. Zuvor war sie in [X.] wohnhaft. Sie bezieht eine Rente von der [X.] und ist in [X.] krankenversichert ([X.]). Die Klägerin leidet an Makuladegeneration. Seit 2013 beträgt der [X.] auf ihrem rechten Auge 0,02 (1/50) und auf ihrem linkem Auge 0,025 (1/40) sowie binokular [X.] Zumindest seit dem 17.3.2017 hat die Klägerin einen [X.] auf jedem Auge und auch binokular von [X.] Ihr Antrag auf Pflegegeld nach dem [X.]ischen Bundespflegegeldgesetz war bei der [X.]ischen Pensionsversicherungsanstalt und den [X.] Gerichten unter Verweis auf die [X.] Rente und Krankenversicherung der Klägerin erfolglos.

3

Den Antrag der Klägerin vom 24.11.2016 auf Leistungen nach dem [X.] lehnte der Beklagte zunächst mit der Begründung ab, die Klägerin habe keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Freistaat [X.] (Bescheid vom [X.]). Ihr (Überprüfungs-)Antrag vom 1.12.2017 hatte ebenfalls keinen Erfolg. [X.] sei nicht einschlägig, da die Klägerin keiner Beschäftigung in [X.] nachgehe (Bescheid vom 23.1.2018; Widerspruchsbescheid vom 21.3.2018).

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 1.8.2018), das L[X.] die Berufung zurückgewiesen. Zwar liege bei der Klägerin Blindheit iS des [X.] vor. Sie erfülle aber nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 [X.]. Sie habe weder ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Freistaat [X.] noch sei sie nach der Verordnung - [X.] ([X.]) [X.] anspruchsberechtigt. Da die Klägerin wirtschaftlich inaktiv sei, [X.] sie der Regelung des Art 11 Abs 3 Buchst e [X.] ([X.]) [X.] und damit den Rechtsvorschriften ihres [X.]. Eine anderweitige Zuständigkeit ergebe sich auch nicht aus dem Bezug von Rentenleistungen aus [X.] und der daran anknüpfenden Krankenversicherung. Die anderslautende Entscheidung des [X.] vom [X.] ([X.]/10 ) zum [X.]n [X.] sei nicht einschlägig, da jene Entscheidung zu [X.] ergangen sei, die in [X.] arbeiteten, also im Streitzeitraum wirtschaftlich aktiv gewesen seien (Urteil vom 10.10.2019).

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 1 Abs 1 [X.] und der [X.] ([X.]) [X.], insbesondere deren Art 29 Abs 1 iVm Art 21 und Art 24 Abs 2 Buchst a. Die verletzte Landesnorm sei revisibel, da die Länder im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt eine [X.] Anpassung ihrer Blindengeldgesetze vorgenommen hätten. Die Klägerin sei trotz ihres Wohnsitzes in [X.] anspruchsberechtigt. Beim [X.]n [X.] handele es sich EU-rechtlich betrachtet um eine Geldleistung bei Krankheit, für die die [X.] Sonderkollisionsnormen vorsähe. Danach komme das Recht des Mitgliedstaats zur Anwendung, in welchem der Träger seinen Sitz habe, der die Kosten der im [X.] gewährten Sachleistungen zu tragen habe. Dies sei hier [X.] und in ihrem Fall wegen ihres letzten dortigen Wohnsitzes das Land [X.].

6

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des [X.] vom 1. August 2018, das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. Oktober 2019 sowie den Bescheid des Beklagten vom 23. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2018 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Rücknahme des Bescheids vom 6. Januar 2017 der Klägerin ab 1. November 2016 Nachteilsausgleich wegen hochgradiger Sehschwäche und ab 1. März 2017 Blindengeld nach dem Sächsischen [X.]gesetz zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Der Beklagte hält die Entscheidung des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist zulässig und begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 [X.]).

A. Die Revision entspricht der gesetzlichen Form.

I. Sie wurde durch einen postulationsfähigen Bevollmächtigten iS des § 73 [X.] [X.] eingelegt und begründet (vgl § 164 [X.]).

Nach § 73 [X.] [X.] müssen sich die Beteiligten im Revisionsverfahren durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Rechtsanwälte sind grundsätzlich vertretungsberechtigt, wenn sie als solche in der [X.] zugelassen sind. Das trifft auf den in [X.] als Rechtsanwalt zugelassenen Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht zu. Denn er ist nicht zugleich als niedergelassener [X.] Rechtsanwalt in eine [X.] Rechtsanwaltskammer aufgenommen worden (vgl § 2 des Gesetzes über die Tätigkeit [X.] Rechtsanwälte in [X.] <[X.]> vom [X.], [X.], berichtigt 1349, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.2020, [X.] 3320; vgl auch [X.] vom [X.] R 172/10 B - [X.] 4-1500 § 73 [X.] Rd[X.] 5).

Der Prozessbevollmächtigte kann allerdings auch ohne eine solche Zulassung vorübergehend und gelegentlich als dienstleistender [X.] Rechtsanwalt die Tätigkeit eines Rechtsanwalts in [X.] ausüben (§ 25 Abs 1 iVm §§ 26 ff [X.]). In gerichtlichen Verfahren mit Anwaltszwang muss er im Einvernehmen mit einem zur Vertretung vor diesem Gericht befugten Einvernehmensanwalt handeln (§ 28 Abs 1 [X.]). Das Einvernehmen ist bereits bei der ersten Handlung gegenüber dem Gericht schriftlich nachzuweisen (§ 29 Abs 1 [X.]; vgl auch [X.] vom [X.], aaO Rd[X.] 6).

Hier hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Einvernehmenserklärung zeitgerecht vorgelegt. Der Nichtzulassungsbeschwerde war ein Schreiben eines [X.]n Rechtsanwalts beigefügt, mit dem dieser sein Einvernehmen mit der Nichtzulassungsbeschwerde und der nachfolgenden Revision erklärt hatte. Da das Einvernehmen nach § 29 Abs 2 Satz 2 [X.] zudem bis zum Widerruf fortgilt, liegt die nötige Einvernehmenserklärung für das Revisionsverfahren vor (vgl hierzu auch [X.] Beschluss vom [X.] - 11 CE 09.3150 - juris Rd[X.] 22).

II. Auch die Einlegung und die Begründung der Revision entsprechen der erforderlichen Schriftform (§ 164 Abs 1 Satz 1, Abs 2 [X.]).

Was unter dem Begriff "schriftlich" zu verstehen ist, regelt das [X.] nicht. Die Vorschrift des § 126 BGB, die zunächst nur für das bürgerliche Recht gilt, kann wegen der Eigenständigkeit des Prozessrechts weder unmittelbar noch entsprechend auf Prozesshandlungen angewendet werden ([X.] vom 16.11.2000 - [X.] [X.] R - [X.] 3-1500 § 151 [X.] = juris Rd[X.] 16 unter Verweis auf die Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes <[X.]> vom 30.4.1979 - GmS-OGB 1/78 - [X.], 340, 352 = juris Rd[X.] 30 mwN). Entscheidend für das Merkmal der Schriftlichkeit im Prozessrecht ist vielmehr, welcher Grad von [X.] nach den maßgeblichen verfahrensrechtlichen Vorschriften sinnvoll zu fordern ist ([X.] Beschluss vom 19.2.1963 - 1 BvR 610/62 - [X.]E 15, 288, 292 = juris Rd[X.] 12; [X.] vom 16.11.2000, aaO).

Durch das Schriftformerfordernis soll gewährleistet werden, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muss feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist ([X.] Beschluss vom [X.] - GmS-OGB 1/98 - [X.] 3-1750 § 130 [X.] 1 - juris Rd[X.] 10; [X.] vom 16.11.2000, aaO; BVerwG Urteil vom 6.12.1988 - 9 C 40/87 - juris Rd[X.] 6). Das Merkmal der Schriftlichkeit schließt bereits nach dem Sprachgebrauch nicht ohne weiteres notwendig die handschriftliche Unterzeichnung ein. Zwar wird dem Schriftformerfordernis grundsätzlich durch die eigenhändige Unterschrift Rechnung getragen ([X.] vom 16.11.2000, aaO mwN), da dies das typische Merkmal ist, um den Urheber eines Schriftstücks und seinen Willen festzustellen, die niedergeschriebene Erklärung in den Verkehr zu bringen ([X.] vom 15.10.1996 - 14 BEg 9/96 - [X.] 3-1500 § 151 [X.] 2 [X.] = juris Rd[X.] 6). Jedoch sind insoweit in der Rechtsprechung zahlreiche Ausnahmen anerkannt (zum Ganzen [X.] vom 16.11.2000, aaO mwN). Das Schriftformerfordernis ist danach etwa auch erfüllt, wenn der maßgebliche Schriftsatz keine eigenhändige Unterschrift enthält, sich indes aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, hinreichend sicher, dh ohne die Notwendigkeit einer Klärung durch Beweiserhebung, ergibt (stRspr; vgl [X.] vom 30.1.2020 - B 2 U 152/19 B - juris Rd[X.] 6; [X.] vom [X.] [X.]/16 B - juris Rd[X.] 4; [X.] vom 30.3.2015 - B 12 KR 102/13 B - juris Rd[X.] 8, jeweils mwN).

Die auf der Revisionsschrift vom [X.] angebrachte "[X.]" nach [X.] Gepflogenheit ist keine Unterschrift im engeren Sinne (vgl AG Hannover Urteil vom [X.] - 410 C 1120/19 - juris Rd[X.] 29 ff). Hierfür müsste sie sich am Ende des Textes befinden, auf den sie sich bezieht. Denn nur eine Unterschrift, die den zugehörigen Text räumlich abschließt, kann die ihr zukommende Funktion erfüllen, die Übernahme der Verantwortung für diesen Text durch den Unterzeichnenden zu dokumentieren. Da eine Unterschrift im Regelfall unter den fertigen Text gesetzt wird, bietet grundsätzlich nur ein an dieser Stelle angebrachter Namenszug, nicht aber eine dem Text vorausgehende "Oberschrift" die [X.] mit dem Willen des Ausstellers der Urkunde (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - 11 CE 09.3150 - juris Rd[X.] 18 f mwN unter Verweis auf [X.] Urteil vom [X.] - [X.]/68 - juris Rd[X.] 16 f).

Gleichwohl steht aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls für den Senat fest, dass es sich bei der Revisionsschrift um keinen Entwurf handelt, sondern der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für ihren Inhalt übernehmen und sie dem [X.] übermitteln wollte. Die Verfahrensweise entspricht der im vorangegangenen [X.]. Alle Schriftsätze wurden von demselben Anwalt in gleicher und in der in [X.] üblichen Weise abgezeichnet. Der [X.] iS des § 29 Abs 1 [X.] deckt ausdrücklich sowohl die Nichtzulassungsbeschwerde als auch die nachfolgende Revision durch den - konkreten bezeichneten - [X.] Anwalt ab. Ein versehentliches “Inverkehrbringen“ ist ausgeschlossen, weil der identische Schriftsatz per Fax und anschließend im Original beim [X.] eingegangen ist.

B. Gegenstand des Rechtsstreits in der Revision sind neben den Urteilen des [X.] und SG der Bescheid des [X.]n vom 23.1.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.3.2018 (§ 95 [X.]), mit dem dieser den Überprüfungsantrag der Klägerin auf Gewährung von Leistungen nach dem [X.] abgelehnt hat. [X.] hierfür ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 iVm § 56 [X.]; s zur statthaften Klageart Senatsurteil vom [X.] - B 9 V 16/98 R - juris Rd[X.] 13; Senatsurteil vom 5.11.1997 - 9 RV 4/96 - [X.]E 81, 150, 152 = [X.] 3-3100 § 30 [X.] 18 [X.] = juris Rd[X.] 18; [X.] vom 20.1.2021 - [X.] R 13/19 R - juris Rd[X.] 10, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Die Klage ist insoweit auch zulässigerweise auf den Erlass eines Grundurteils im Höhenstreit gerichtet (§ 130 Abs 1 [X.]). Auf der Basis der vom [X.] getroffenen Feststellungen kann mit Wahrscheinlichkeit von Geldleistungen nach § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 [X.] 1 [X.] ausgegangen werden (vgl zum Grundurteil im Höhenstreit zB [X.] vom [X.] - B 10 [X.] 2/19 R - [X.] 4-7837 § 2c [X.] 8 Rd[X.] 33 mwN).

C. Der Senat ist nicht an einer Sachentscheidung gehindert, obwohl in der Sache (auch) um die Auslegung [X.] und damit an sich irreversiblen Landesrechts gestritten wird.

Nach § 162 [X.] kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des [X.] geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des [X.] hinaus erstreckt. [X.] von Landesrecht ist auch gegeben, wenn inhaltsgleiche Vorschriften verschiedener Länder in den Bezirken verschiedener [X.] gelten und die Übereinstimmung nicht nur zufällig, sondern im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt ist (stRspr; vgl Senatsurteil vom [X.] - B 9 [X.] 1/17 R - [X.]E 126, 63 = [X.] 4-5921 Art 1 [X.] 4, Rd[X.] 10; Senatsurteil vom 11.8.2015 - B 9 [X.] 1/14 R - [X.]E 119, 224 = [X.] 4-5921 Art 1 [X.] 3, Rd[X.] 12).

Der in § 1 Abs 1 [X.] und auch in anderen [X.] verwendete hier streitbefangene Verweis auf die [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 wurde vom [X.] Landesgesetzgeber - wie in anderen Bundesländern auch - durch das [X.] 2011/2012 vom 15.12.2010 ([X.]) eingefügt. Hintergrund war das im Jahr 2002 eingeleitete und letztlich erfolgreiche Vertragsverletzungsverfahren der [X.] gegen [X.] wegen der Koppelung des [X.]n [X.] an die Wohnsitznahme im betreffenden Bundesland ([X.] Urteil vom [X.] - [X.]/10 ; vgl auch Begründung der [X.] zum Entwurf eines [X.]es 2011/2012, [X.] - Drucks 5/3195, [X.]; s zur Historie ausführlich die Begründung der Nieder[X.] Landesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das [X.], [X.] - Drucks 16/4094, [X.] f). Die Regelung stimmt folglich bewusst und gewollt mit den Regelungen der [X.]gesetze in den Bezirken anderer [X.] überein (zB § 1 Abs 1 Satz 1 des Gesetzes über die Landesblindenhilfe Baden-Württemberg; Art 1 Abs 1 des [X.]; § 1 Abs 2 des Nieder[X.] Gesetzes über das [X.]; § 1 Abs 1 Satz 1 des Gesetzes über das [X.]en- und Gehörlosengeld im [X.]; § 1 Abs 1 des Gesetzes [X.]61 über die Gewährung einer [X.]heitshilfe im [X.]). Auch wenn der Verweis in den einzelnen [X.]engeldgesetzen der Länder nicht überall wortgleich formuliert ist, reicht es für die [X.] aus, wenn mehrere - nicht notwendig alle - Länder inhaltsgleiche Vorschriften haben (Senatsurteil vom [X.], aaO). Dessen unbeschadet ist die [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 ohnehin unmittelbar geltendes Bundesrecht (vgl Art 288 Abs 2 Vertrag über die Arbeitsweise der [X.] ) und vollumfänglich revisibel.

D. Die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage der Klägerin hat Erfolg. Der ihren Überprüfungsantrag ablehnende Bescheid vom 23.1.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.3.2018 (§ 95 [X.]) sowie die Entscheidungen der Vorinstanzen vom [X.] und 10.10.2019 sind aufzuheben. Der [X.] ist verpflichtet, unter Rücknahme des Bescheids vom [X.] der Klägerin ab dem 1.11.2016 Nachteilsausgleich für hochgradig Sehschwache und ab dem 1.3.2017 [X.]engeld nach § 1 Abs 1 Alt 3 iVm Abs 2 Satz 2 [X.] 1 und Abs 3 [X.] 1, § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 [X.] 1 [X.] vom 14.12.2001 idF des [X.]es 2011/2012 vom 15.12.2010 ([X.]) zu gewähren.

I. Die Pflicht zur Rücknahme des ursprünglichen Bescheids vom [X.] ergibt sich aus § 44 [X.], der im [X.] [X.]engeldrecht entsprechend gilt (§ 8 Abs 1 Satz 1 [X.]). Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist und Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (§ 44 Abs 1 Satz 1 [X.]).

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist der Bescheid vom [X.] rechtswidrig, da die Klägerin ab November 2016 Anspruch auf Nachteilsausgleich und ab März 2017 Anspruch auf [X.]engeld hat.

II. Nach dem [X.] erhalten Leistungen zum Ausgleich ihrer behinderungsbedingten Mehraufwendungen ua [X.]e und hochgradig Sehschwache, die im [X.] ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 1 Abs 1 Alt 1 und 2 [X.]). Wer seinen Wohnsitz von [X.]/[X.] in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] verlegt, ist nach § 1 Abs 1 Alt 3 [X.] trotzdem anspruchsberechtigt, wenn er nach der [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 des [X.] und des Rates vom [X.] zur Koordinierung der Systeme der [X.] Sicherheit ([X.] vom 30.4.2004, L 166 S 1, [X.], [X.] vom 4.8.2007, [X.]0, geändert durch die [X.] <[X.]> [X.] 988/2009, [X.] 284 vom [X.], [X.]), in der jeweils maßgeblichen Fassung, weiterhin [X.]m und hieran anknüpfend [X.] Recht unterliegt. Der [X.] ist danach zur Erbringung von Nachteilsausgleich und nachfolgend [X.]engeld an die in [X.] lebende Klägerin nach Maßgabe seines Landesrechts verpflichtet. Die Klägerin ist zumindest seit dem 17.3.2017 blind, nachdem sie zuvor bereits hochgradig [X.] (sehbehindert) war (dazu unter 1.). Ihr Wohnsitz in [X.] steht der Leistungsgewährung nicht entgegen. Denn nach der [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 unterliegt sie hinsichtlich der von ihr begehrten Leistungen wegen [X.]heit den Rechtsvorschriften der [X.], weil dort der Träger seinen Sitz hat, der die Kosten für die einem Rentner in dessen [X.] gewährten Sachleistungen bei Krankheit zu tragen hat (dazu unter 2.).

1. Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) besitzt die Klägerin die für die Gewährung von Leistungen nach § 1 Abs 1 iVm Abs 2 Satz 2 [X.] 1 und Abs 3 [X.] 1 [X.] erforderliche Sehbehinderung. [X.] ist, wem das Augenlicht vollständig fehlt (§ 1 Abs 2 Satz 1 [X.]). Als (faktisch) blind gelten darüber hinaus ua Personen, deren Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht bei beidäugiger Prüfung mehr als 1/50 (= 0,02) beträgt (§ 1 Abs 2 Satz 2 [X.] 1 [X.]). Hochgradig [X.] (ab 1.1.2017 hochgradig sehbehindert) sind ua Personen, deren Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht bei beidäugiger Prüfung mehr als 1/20 (= 0,05) beträgt (§ 1 Abs 3 [X.] 1 [X.]). Hiernach gilt die Klägerin nach den Feststellungen des [X.] zum Visus zumindest seit 17.3.2017 als blind iS des § 1 Abs 2 Satz 2 [X.] 1 [X.]. Zuvor bestand bei ihr bereits seit 2013 eine hochgradige Sehschwäche/Sehbehinderung iS des § 1 Abs 3 [X.] 1 [X.].

2. Die an die Sehbehinderung geknüpften Leistungen nach dem [X.] kann die Klägerin auch nach der Verlegung ihres Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat der [X.] beanspruchen. Zwar sind die Leistungen grundsätzlich an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in [X.]/[X.] gekoppelt (vgl auch § 8 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 30 Abs 1 SGB I). Nach der [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 bleibt indes in den Grenzen ihres hier gegebenen persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs bei Leistungen wegen Krankheit einschließlich des [X.]n [X.]engelds (dazu unter a) [X.]s Recht und damit [X.] [X.]engeldrecht auch nach der Verlegung des Wohnsitzes nach [X.] und damit in einen anderen Mitgliedstaat der [X.] anwendbar (vgl auch § 8 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 30 Abs 2 SGB I). Die [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 koordiniert für den Bereich der [X.] Sicherheit innerhalb der [X.] das Recht der Mitgliedstaaten in der Weise, dass Grenzüberschreitungen als solche nicht zum Verlust von Geldleistungen führen (Art 7; dazu unter b), Personen aber nur dem Recht eines Mitgliedstaats unterstellt werden (Art 11 Abs 1). Für Geldleistungen bei Krankheit (Art 3 Abs 1 Buchst a) gilt danach entweder das Recht des [X.]s oder - wie hier - das des anderen Mitgliedstaats, in dem der für Sachleistungen bei Krankheit zuständige Träger seinen Sitz hat (dazu unter c).

a) Die [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 kommt im Streitfall zur Anwendung, da deren persönlicher und sachlicher Geltungsbereich gegeben ist.

Die Klägerin wird vom persönlichen Geltungsbereich der [X.] erfasst. Nach Art 2 Abs 1 [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 gilt die [X.] für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten. Sie erfasst damit ua Personen, die in das System [X.] Sicherheit eines Mitgliedstaats einbezogen und damit "Versicherte" iS der [X.] sind (vgl Art 1 Buchst c). Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin. Sie ist [X.] Staatsangehörige mit Wohnsitz in [X.]. Sie bezieht eine [X.] Rente und ist in [X.] krankenversichert (vgl [X.] in [X.]/Wunder/[X.], [X.] <[X.]> [X.] 883/2004, 2012, Art 2 Rd[X.] 2).

Auch der sachliche Geltungsbereich der [X.] ist eröffnet. Sie gilt für alle Rechtsvorschriften, die die dort enumerativ benannten Zweige und Leistungen der [X.] Sicherheit betreffen (Art 3 Abs 1). Eine Leistung der [X.] Sicherheit ist eine Leistung dann, wenn sie aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands gewährt wird, ohne dass eine individuelle und ermessensgeleitete Prüfung des persönlichen Bedarfs erfolgt, und wenn sie sich auf eines der in Art 3 Abs 1 [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht (stRspr; vgl [X.] Urteil vom [X.] [X.]/16 - juris Rd[X.] 32 mwN). Für die Einstufung als Leistung der [X.] Sicherheit ist dabei die Art der Finanzierung ohne Belang; insbesondere ist es für die Einordnung nicht erforderlich, dass die Gewährung von einer Beitragszahlung abhängt (stRspr; [X.] Urteil vom 21.6.2017 - [X.]/16 - juris Rd[X.] 21; [X.] Urteil vom [X.] - [X.]/03 - juris Rd[X.] 38; [X.] Urteil vom 16.7.1992 - [X.]/91 - juris Rd[X.] 21).

Das [X.] [X.] ist eine Leistung bei Krankheit iS des Art 3 Abs 1 Buchst a [X.] ([X.]) [X.] 883/2004. Dies entspricht der Spruchpraxis des [X.]. Danach bezweckt das [X.] [X.] die durch die Behinderung im Alltag bedingten Mehraufwendungen in Form eines pauschalen Betrags abzudecken und zielt somit darauf ab, - in Ergänzung der Krankenversicherungsleistungen - den Gesundheitszustand und die Lebensbedingungen Pflegebedürftiger zu verbessern ([X.] Urteil vom [X.] - [X.]/10 - juris Rd[X.] 27 - 30 mwN). Zwar ist diese Rechtsprechung des [X.] noch ergangen zur Vorgängerregelung des Art 4 Abs 1 Buchst a [X.] ([X.]) [X.] 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 zur Anwendung der Systeme der [X.] Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familie, die innerhalb der [X.] zu- und abwandern. Sie gilt aber auch für die gleichlautende Nachfolgebestimmung des Art 3 Abs 1 Buchst a [X.] ([X.]) [X.] 883/2004. Unerheblich für ihre Fortgeltung ist, dass das der vorgenannten Entscheidung des [X.] vom [X.] zugrunde liegende Vertragsverletzungsverfahren Arbeitnehmer betraf (aaO, juris Rd[X.] 8 f). Ohne Belang ist hierfür auch, dass der persönliche Geltungsbereich der [X.] ([X.]) [X.] 1408/71 in Art 2 Abs 1 enger auf Arbeitnehmer, Selbstständige und Studierende zugeschnitten war (vgl zum Ganzen [X.] Beschluss vom [X.] - 12 [X.]/19 - juris Rd[X.] 22 ff; [X.], Eu[X.], 7. Aufl 2018, [X.] <[X.]> [X.] 883/2004, Art 3 Rd[X.] 9; [X.] [X.]/[X.], [X.]-SozialR, [X.]: Juli 2015, [X.] 3 - [X.] 883/04 Rd[X.] 17 f und Art 70 Rd[X.] 6; [X.] in [X.]/Wunder/[X.], [X.] <[X.]> [X.] 883/2004, 2012, Art 70 Rd[X.] 38; [X.] in [X.], Krankenversicherung und grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen in [X.], 2010, [X.], 65 f).

Folgerichtig hat die [X.] das [X.] als Leistung bei Krankheit iS des Art 3 Abs 1 Buchst a [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 nach Art 9 [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 notifiziert (vgl Punkt [X.] [X.]s; abgedruckt auch in [X.]/[X.], [X.]-SozialR, [X.]: Juli 2015, [X.] 9 - [X.] 883/04 Rd[X.] 8; vgl hierzu [X.] [X.]/[X.], [X.]-SozialR, [X.]: Juli 2015, [X.] 70 - [X.] 883/04 Rd[X.] 6; [X.] in [X.]/Wunder/[X.], [X.] <[X.]> [X.] 883/2004, 2012, Art 70 Rd[X.] 38).

b) Das [X.]engeld nach dem [X.] ist als Geldleistung bei Krankheit für die Klägerin nicht allein durch die Verlegung ihres Wohnsitzes nach [X.] ausgeschlossen. Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder der [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 zu zahlen sind, dürfen nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat (Art 7). Aus der Einordnung als Geldleistung bei Krankheit folgt somit die Aufhebung der sogenannten [X.] nach nationalem Recht (vgl § 30 Abs 1 SGB I, § 1 Abs 1 Alt 1 [X.]). Nationale Leistungen dürfen insoweit nicht mehr vom [X.] abhängig gemacht werden, wenn der Berechtigte nicht (mehr) in dem Hoheitsgebiet wohnt, in dem der verpflichtete Träger seinen Sitz hat (Gebot des [X.]). Dies schließt mit Blick auf den weitergehenden persönlichen Geltungsbereich Geldleistungen an Rentner in gleichem Maße ein wie Leistungen an Erwerbstätige. Die [X.]-rechtlichen Vorgaben lassen keinen Raum für die - vom [X.]n vertretene - einschränkende Auslegung des zur Anpassung an [X.]-Vorgaben eingefügten Verweises in § 1 Abs 1 [X.] (vgl Begründung der [X.] zum Entwurf eines [X.]es 2011/2012, [X.] - Drucks 5/3195, [X.]; zur zutreffenden Umsetzung der Vorgaben s insoweit § 1 Abs 2 Satz 2 [X.] 4 Nieder[X.] Gesetz über das [X.], wonach mit dieser Ergänzung ausweislich der Gesetzesmaterialien ua auch sichergestellt werden soll, dass eine blinde [X.] Rentnerin nach [X.] umziehen können soll, ohne ihren Anspruch auf [X.]engeld zu verlieren ).

Eine Einschränkung der Exportierbarkeit des [X.] ergibt sich nicht aus der Tatsache, dass die Sehschwäche und nachfolgende Erblindung der Klägerin erst nach ihrem Wegzug aus [X.] eingetreten sind. Art 7 [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 setzt nicht voraus, dass der konkrete Anspruch auf Geldleistung bei einem Wohnsitzwechsel bereits besteht. Die Regelung soll vielmehr verhindern, dass der Erwerb oder die Entstehung eines Anspruchs auf eine Geldleistung nur deshalb ausgeschlossen wird, weil der Berechtigte nicht im Hoheitsgebiet wohnt, in dem der verpflichtete Träger seinen Sitz hat (zur Vorgängerregelung in Art 10 Abs 1 [X.] <[X.]> [X.] 1408/71 vgl [X.] Urteil vom 21.7.2011 - [X.]/09 - juris Rd[X.] 18, 21, 69; [X.] Beschluss vom [X.] - 12 [X.]/19 - juris Rd[X.] 45 ff; [X.] in [X.]/Voelzke, [X.], Art 7 [X.] <[X.]> 883/2004 Rd[X.] 18, Stand der Einzelkommentierung: 15.3.2018; [X.] [X.]/[X.], [X.]-SozialR, [X.]: Juli 2015, [X.] 7 - [X.] 883/04 Rd[X.] 8).

Als Geldleistung bei Krankheit ist das [X.] auch keine besondere beitragsunabhängige Geldleistung iS des Art 70 [X.] ([X.]) [X.] 883/2004, die vom [X.] ausgenommen ist und lediglich in dem Mitgliedstaat gewährt wird, in dem die betreffenden Personen wohnen (Art 70 Abs 3 und [X.]). Denn eine Leistung, die die Voraussetzungen einer “Leistung der [X.] Sicherheit“ iS von Art 3 Abs 1 [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 erfüllt, kann nicht als “beitragsunabhängige Sonderleistung“ angesehen werden (vgl Art 3 Abs 3 iVm Art 70). Beide Leistungsformen schließen sich gegenseitig aus (zu den Vorgängerregelungen in Art 4 Abs 1 und Art 4 Abs 2a und 2b [X.] <[X.]> [X.] 1408/71 vgl [X.] Urteil vom [X.] - [X.]/03 - juris Rd[X.] 36; [X.], Eu[X.], 7. Aufl 2018, [X.] <[X.]> [X.] 883/2004, Art 70 Rd[X.]). Folgerichtig ist das [X.] auch nicht entsprechend den Vorgaben für Sonderleistungen iS des Art 70 [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 (vgl Art 70 Abs 2 Buchst c) in den zugehörigen [X.] aufgenommen worden ([X.] [X.]/[X.], [X.]-SozialR, [X.]: Juli 2015, [X.] 70 - [X.] 883/04 Rd[X.] 6; [X.] in [X.]/Wunder/[X.], [X.] <[X.]> [X.] 883/2004, 2012, Art 70 Rd[X.] 38).

c) Die [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 unterstellt die Klägerin wegen ([X.]en-)Geldleistungen bei Krankheit [X.]m Recht. Die Klägerin unterliegt trotz ihres Wohnsitzes in [X.] als Rentnerin wegen ihrer [X.]n Rente und einer [X.]n Krankenversicherung ausschließlich [X.]m Recht und insoweit weiterhin dem [X.].

Rentner unterfallen zwar grundsätzlich unter die kollisionsrechtliche Auffangnorm des Art 11 Abs 3 Buchst e [X.] ([X.]) [X.] 883/2004, der für Nichterwerbstätige die Anwendung der Rechtsvorschriften des [X.]s vorsieht. Art 11 Abs 3 Buchst e [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 ist indes Teil der Regelungen zur Bestimmung des anwendbaren Rechts (Titel II, Art 11 bis 16) und gilt nur "vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16“ sowie zudem nur "unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung“, die eine andere Anknüpfung vorsehen (vgl [X.] in [X.], Eu[X.], 7. Aufl 2018, [X.] <[X.]> [X.] 883/2004, Art 11 Rd[X.] 33). [X.] zur Bestimmung des anwendbaren Rechts regelt die [X.] deshalb nicht nur tätigkeits- bzw statusbezogen in Titel II, sondern auch bereichsspezifisch leistungsbezogen in Titel [X.] (Art 17 ff; vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/Meßling/[X.], [X.] Sozialrecht, Art 11 [X.] <[X.]> [X.] 883/2004 Rd[X.] 12, Stand der [X.]). Eine solche Sonderregelung, die eine abweichende kollisionsrechtliche Zuordnung zum nationalen Recht bewirkt, enthält Art 29 [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 (zur Vorgängerregelung des Art 28 [X.] <[X.]> [X.] 1408/71 vgl [X.] Urteil vom 14.10.2010 - [X.]/09 - juris Rd[X.] 56; vgl auch [X.] Beschluss vom [X.] - 12 [X.]/19 - juris Rd[X.] 61; [X.] in [X.], Eu[X.], 7. Aufl 2018, [X.] <[X.]> [X.] 883/2004, Vorbemerkungen zu Art 23 ff Rd[X.] 2 ff; [X.] in [X.]/Voelzke, [X.], Art 11 [X.] <[X.]> [X.] 883/2004 Rd[X.] 30, Stand der Einzelkommentierung: 15.3.2018; [X.] Urteil vom [X.] [X.] 27/12 - juris Rd[X.] 32 ff). Sein Standort in Titel [X.] ("Besondere Bestimmungen über die verschiedenen Arten von Leistungen") Kapitel I ("Leistungen bei Krankheit …") Abschnitt 2 ("Rentner …") trägt der Erwägung des [X.]-Gebers Rechnung, dass die besondere Lage von [X.] Bestimmungen auf dem Gebiet der Krankenversicherung erfordern, die dieser Situation gerecht werden (vgl Erwägung [X.] 22 der [X.] <[X.]> [X.] 883/2004).

Nach Art 29 Abs 1 Satz 1 [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 werden Geldleistungen (bei Krankheit) einer Person, die eine Rente oder Renten nach den Rechtsvorschriften eines oder mehreren Mitgliedstaaten erhält, vom zuständigen Träger des Mitgliedstaats gewährt, in dem der zuständige Träger seinen Sitz hat, der die Kosten für die dem Rentner in dessen [X.] gewährten Sachleistungen zu tragen hat. Die Regelung knüpft an den Sitz des zuständigen Kostenträgers für Sachleistungen an, der sich für Rentner und ihre Familienangehörigen nach den Art 23 bis 25 [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 bestimmt (Wolf in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] Sozialrecht, Art 29 [X.] <[X.]> [X.] 883/2004 Rd[X.] 2 , Stand der Einzelkommentierung: 1.6.2021; [X.] in [X.], Eu[X.], 7. Aufl 2018, [X.] <[X.]> [X.] 883/2004, Art 29 Rd[X.] 1). Dabei konkretisiert die Regelung das Prinzip des [X.] (Art 7) dahingehend, dass grundsätzlich der zuständige ([X.] selbst die Geldleistung nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften in den anderen Mitgliedstaat zu exportieren und direkt an den Versicherten auszuzahlen hat (vgl Art 29 Abs 1 Satz 2 iVm Art 21 Abs 1 Satz 1 [X.] <[X.]> [X.] 883/2004). Zuständig für Rentner, die keinen Sachleistungsanspruch im [X.] haben (vgl Art 24 Abs 1) und Rente nach den Vorschriften nur eines einzigen Mitgliedstaates beziehen (Einfachrentner), ist nach Art 24 Abs 2 Buchst a [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 der zuständige Sachleistungskostenträger dieses Mitgliedstaats (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.]-SozialR, [X.]: Juli 2015, [X.] 24 - [X.] 883/04 Rd[X.] 17). Hieran knüpft Art 29 Abs 1 Satz 1 und 2 iVm Art 21 Abs 1 Satz 1 [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 wiederum die Zuständigkeit des Trägers der Geldleistungen nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften. Die umständliche Formulierung ist der Tatsache geschuldet, dass in verschiedenen Mitgliedstaaten die Träger von Geldleistungen und Sachleistungen im Krankheitsfall auseinanderfallen, während es sich in [X.] jedenfalls für Versicherungsleistungen bei Krankheit regelmäßig um einen einheitlichen Träger handelt ([X.] Beschluss vom [X.] - 12 [X.]/19 - juris Rd[X.] 63 mwN).

Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des nationalen Rechts ist danach im Streitfall der Sitz der für Sachleistungen im Krankheitsfall zuständigen [X.] in [X.]. Deren Sitz in [X.] entscheidet darüber, dass für Geldleistungen wegen [X.]heit [X.]s Recht Anwendung findet.

3. Als Anspruch aus einem beitragsfreien System wird das [X.] gegenüber demjenigen Anspruchsgegner eingeräumt, zu dem die Klägerin als Berechtigte die größte Nähe aufweist. Im Hinblick auf die föderale Struktur der [X.] bildet der letzte inländische Wohnsitz der Klägerin den örtlichen Anknüpfungspunkt an das [X.] Landesrecht (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - 12 [X.]/19 - juris Rd[X.] 68; [X.] [X.]/[X.], [X.]-SozialR, [X.]: Juli 2015, [X.] 3 - [X.] 883/04 Rd[X.] 18, jeweils mwN).

4. Der Anspruch auf Nachteilsausgleich für hochgradig Sehschwache ist mit dem ersten [X.] (hier: November 2016) und der Anspruch auf [X.]engeld mit dem ersten [X.], in dem die Klägerin als blind gilt (hier: März 2017), entstanden (§ 6 Abs 1 Satz 3 [X.]).

E. Für ein Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] nach Art 267 A[X.]V besteht kein Anlass.

Die [X.]-rechtliche Einordnung der Leistungen wegen [X.]heit und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Bestimmung des anwendbaren nationalen Rechts sind durch die Rechtsprechung des [X.] in einer Weise geklärt, dass hier für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum mehr verbleibt (vgl [X.] vom [X.] - [X.]E 121, 275 = [X.] 4-2400 § 28e [X.] 5, Rd[X.] 25; [X.] vom 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R - [X.]E 120, 209 = [X.] 4-2400 § 28p [X.] 6, Rd[X.] 43).

F. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 [X.].

Meta

B 9 BL 1/20 R

10.06.2021

Bundessozialgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: BL

vorgehend SG Chemnitz, 1. August 2018, Az: S 16 BL 8/18, Gerichtsbescheid

§ 1 Abs 1 Alt 3 BliGG SN 2001 vom 15.12.2010, § 1 Abs 1 Alt 1 BliGG SN 2001 vom 15.12.2010, § 1 Abs 2 S 2 Nr 1 BliGG SN 2001, § 1 Abs 3 Nr 1 BliGG SN 2001 vom 15.12.2010, § 2 Abs 1 S 1 BliGG SN 2001 vom 14.12.2001, § 2 Abs 1 S 2 Nr 1 BliGG SN 2001 vom 14.12.2001, § 8 Abs 1 S 1 BliGG SN 2001, § 44 Abs 1 S 1 SGB 10, § 30 Abs 1 SGB 1, § 30 Abs 2 SGB 1, Art 267 AEUV, § 25 Abs 1 EuRAG, § 28 Abs 1 EuRAG, § 29 Abs 1 EuRAG, § 29 Abs 2 S 2 EuRAG, § 73 Abs 4 S 1 SGG, § 130 SGG, § 162 SGG, § 164 SGG, Art 3 Abs 1 Buchst a EGV 883/2004, Art 3 Abs 3 EGV 883/2004, Art 7 EGV 883/2004, Art 11 Abs 3 Buchst e EGV 883/2004, Art 21 Abs 1 S 1 EGV 883/2004, Art 24 Abs 1 EGV 883/2004, Art 24 Abs 2 Buchst a EGV 883/2004, Art 29 Abs 1 S 1 EGV 883/2004, Art 29 Abs 1 S 2 EGV 883/2004, Art 70 Abs 3 EGV 883/2004, Art 70 Abs 4 S 1 EGV 883/2004, Art 4 Abs 1 Buchst a EWGV 1408/71

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 10.06.2021, Az. B 9 BL 1/20 R (REWIS RS 2021, 5094)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5094

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