Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.09.2014, Az. 5 AZR 265/13

5. Senat | REWIS RS 2014, 2662

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Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 29. November 2012 - 2 [X.] - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über [X.] unter dem Gesichtspunkt des „eq[X.]l pay“.

2

Der 1955 geborene Kläger ist seit dem 21. [X.]pril 2008 bei der [X.], die gewerblich [X.]rbeitnehmerüberlassung betreibt, beschäftigt und seither einem Unternehmen des [X.] als Stromableser überlassen.

3

Der zwischen den Parteien abgeschlossene [X.]rbeitsvertrag vom 16. [X.]pril 2008 enthält [X.]. folgende Regelungen:

        

„1. Gegenstand und Bezugnahme auf Tarifvertrag

        

…       

        

Die Rechte und Pflichten der Parteien dieses [X.]rbeitsvertrages bestimmen sich nach den nachstehenden Regelungen sowie nach den zwischen dem [X.]rbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister ([X.]) und der [X.] und [X.] ([X.]) geschlossenen Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung, derzeit bestehend aus Manteltarifvertrag ([X.]), Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV), Entgelttarifvertrag ([X.]) und Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BeschSiTV).

        

…       

        

6. Vergütung

        

…       

        

6.4 Zahlung

        

Die Vergütung wird nach [X.]bzug der gesetzlichen Beiträge, wie Steuern und Sozialversicherung, monatlich bis spätestens zum 20. des Folgemonats auf ein vom Mitarbeiter [X.] Konto überwiesen.

        

…“    

4

Im [X.]rbeitsvertrag ist weiter in Nr. 14 vereinbart:

        

„[X.]nsprüche aus dem [X.]rbeitsverhältnis und solche, die mit dem [X.]rbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sind ausgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind; dies gilt nicht, wenn die in 1. genannten Tarifverträge eine abweichende Regelung enthalten.

        

Unberührt hiervon bleiben [X.]nsprüche aus unerlaubter Handlung.

        

Lehnt die Gegenpartei die Erfüllung des [X.]nspruchs schriftlich ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von einem Monat nach der Geltendmachung des [X.]nspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von einem Monat nach [X.]blehnung oder Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird; dies gilt nicht, wenn die in 1. genannten Tarifverträge eine abweichende Regelung enthalten.

        

…“    

5

Die Parteien trafen unter dem 26. [X.]pril 2010 eine schriftliche, von der [X.] vorformulierte „Zusatzvereinbarung“, die wie folgt lautet:

        

„Zwischen den Vertragsparteien besteht Einigkeit, dass ab dem 01.01.2010 … auf das bestehende [X.]rbeitsverhältnis die Tarifverträge zwischen dem [X.]rbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister ([X.]) und den Einzelgewerkschaften des [X.] ([X.]) in der jeweils gültigen Fassung [X.]nwendung finden. Diese bestehen derzeit aus Manteltarifvertrag ([X.]), Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV), Entgelttarifvertrag ([X.]) und Beschäftigungssicherungstarifvertrag (BeschSiTV). Der Tarifvertragspartner [X.] tritt somit an die Stelle der unter Ziffer 1. des geschlossenen [X.]rbeitsvertrages genannten Tarifvertragspartei [X.] und [X.] ([X.]).

        

…“    

6

Der Kläger machte, erstmals mit Schreiben vom 25. Febr[X.]r 2011 rückwirkend ab Beginn des [X.]rbeitsverhältnisses Zahlungsansprüche aufgrund des bei der Entleiherin geltenden Tarifvertrags erfolglos geltend.

7

[X.]uf [X.]nfrage des [X.] erteilte ihm die [X.] mit Schreiben vom 16. [X.]ugust 2012 folgende [X.]uskunft:

        

„…    

        

in Erfüllung unserer [X.]uskunftsverpflichtung gem. § 13 [X.]ÜG übersenden wir Ihnen nachfolgende Informationen:

        

Herr E war in der [X.] vom 21.04.2008 bis 01.07.2011 im Wege der [X.]rbeitnehmerüberlassung als Stromableser bei der [X.] eingesetzt.

        

Die Eingruppierung seiner Tätigkeit wäre zunächst in [X.] 4 / Start nach [X.]nlage 1 zum Vergütungstarifvertrag der Tarifgruppe [X.] des [X.]GWE vom 28.11.2011 erfolgt.

        

…       

        

Die Grundvergütung wird 13mal je Jahr gezahlt, zudem gibt es eine Sonderzuwendung in Höhe von 363,00 [X.] ([X.]nlage 2 zum Vergütungstarifvertrag der Tarifgruppe [X.] des [X.]GWE vom 28.11.2011) einmalig je Jahr.

        

Die Spesen und Fahrtkosten werden entsprechend der individuellen [X.]ufwendungen nach der gültigen Reisekostenregelung der [X.] vergütet.

        

Die fiktive Gehaltsentwicklung von [X.] entnehmen Sie bitte der [X.]nlage 1 zum Vergütungstarifvertrag der Tarifgruppe [X.] des [X.]GWE vom 28.11.2011; der Verbleib in Start ist maximal zwei Jahre, in Basis und Erfahrungsstufen jeweils maximal drei Jahre vorgesehen.“

8

Mit der am 16. September 2011 eingereichten Klage hat der Kläger geltend gemacht, er habe angesichts der von ihm auszuübenden Tätigkeit [X.]nspruch auf Vergütung als Stromableser nach der Vergütungsgruppe B 1 (anfangs abgesenkte Lohnstufe). [X.]uf [X.]usschlussfristen könne sich die Beklagte nicht berufen.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 39.354,21 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der Kläger habe nicht vorgetragen, warum er in die Vergütungsgruppe B 1 einzustufen sei. Er habe auch nicht dargelegt, weshalb er aus der abgesenkten Lohnstufe eine Höherstufung nach zwei Jahren nicht in die Basisstufe, sondern direkt in die Erfahrungsstufe beanspruchen könne. Im Übrigen seien die [X.]nsprüche verfallen.

Das [X.]rbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Zahlungsansprüche in verminderter Höhe weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist begründet. Die Beklagte ist nach § 10 Abs. 4 [X.] verpflichtet, dem Kläger für die streitgegenständliche [X.] der Überlassung an ein Unternehmen des [X.] das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen, wie es die Entleiherin vergleichbaren [X.]n gewährte ([X.]). Der Kläger musste keine Ausschlussfristen einhalten (I[X.]). In welcher Höhe dem Kläger [X.] zusteht, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des [X.] nicht entscheiden (II[X.]). Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

[X.] Der Kläger hat für die streitgegenständliche [X.] der Überlassung an ein Unternehmen des [X.] Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 [X.]. Eine nach § 9 Nr. 2 [X.] zur Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigende Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen. Nr. 1 Arbeitsvertrag verweist auf wegen der fehlenden Tariffähigkeit der [X.] unwirksame Tarifverträge. Die Zusatzvereinbarung vom 26. April 2010 könnte die Beklagte allenfalls für die [X.] ab dem 1. Januar 2010 von der Pflicht zur Gleichbehandlung entbinden. Sie ist aber mit dem von der Beklagten gewollten Inhalt intransparent und nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam (vgl. [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 11 ff., 18).

I[X.] Der Anspruch des [X.] auf gleiches Arbeitsentgelt ist nicht verfallen.

1. Der Kläger war nicht gehalten, Ausschlussfristen aus unwirksamen Tarifverträgen der [X.] oder aus den nicht wirksam in das Arbeitsverhältnis einbezogenen Tarifverträgen zwischen dem [X.] ([X.]) und Einzelgewerkschaften des [X.] vom 15. März 2010 (fortan: [X.]-TV 2010) einzuhalten. Derartige „tarifliche“ Ausschlussfristenregelungen sind auch nicht kraft Bezugnahme als Allgemeine Geschäftsbedingung Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden (vgl. [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 21 f.). Etwas anderes ergibt sich nicht aus Nr. 14 Arbeitsvertrag. Diese Klausel regelt lediglich eine mögliche Kollision von arbeitsvertraglicher und tarifvertraglicher Ausschlussfrist ([X.] 19. Februar 2014 - 5 [X.] - Rn. 12).

2. Ob Nr. 14 Arbeitsvertrag eine eigenständige, bei Unwirksamkeit der in Bezug genommenen „Tarifverträge“ oder bei einer unwirksamen Bezugnahme auf Tarifverträge zum Tragen kommende vertragliche Ausschlussfristenregelung enthält, kann dahingestellt bleiben. Als solche würde sie einer [X.] nicht standhalten. Die Kürze der Fristen auf beiden Stufen benachteiligte den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. [X.] 25. Mai 2005 - 5 [X.] - [X.]E 115, 19; 28. September 2005 - 5 [X.] - [X.]E 116, 66).

3. Die Ansprüche des [X.] sind nicht nach § 16 [X.][X.] verfallen. Die Klausel erfasst (nur) Ansprüche, die nach Änderung der [X.] fällig geworden sind. Die von der Beklagten intendierte Rückwirkung der Ausschlussfristenregelung wäre - als Vertragsbestandteil gedacht - nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Kläger durch die nachträgliche zeitliche Begrenzung eines bereits entstandenen Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligte (vgl. [X.] 19. Februar 2014 - 5 [X.] 1046/12 - Rn. 23; 19. Februar 2014 - 5 [X.] 920/12 - Rn. 16 ff., 25).

II[X.] In welcher Höhe dem Kläger Ansprüche auf [X.] zustehen, kann der Senat wegen fehlender Feststellungen des [X.] nicht entscheiden. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es unerheblich, ob die Entleiherin tatsächlich vergleichbare [X.] beschäftigt. Wendet der Entleiher in seinem Betrieb ein allgemeines [X.] an, kann auf die fiktive Eingruppierung des Leiharbeitnehmers in dieses [X.] abgestellt werden. Maßstab ist in diesem Fall das Arbeitsentgelt, das der Leiharbeitnehmer erhalten hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit beim Entleiher eingestellt worden wäre. Das gebietet schon die unionsrechtskonforme Auslegung des § 10 Abs. 4 [X.] im Lichte des Art. 5 Abs. 1 [X.] 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit . Es fehlt zudem jeglicher Anhaltspunkt, dass nach nationalem Recht der Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt entfallen soll, wenn der Entleiher für eine bestimmte Tätigkeit nur noch Leih-, aber keine [X.] mehr beschäftigt ([X.] 19. Februar 2014 - 5 [X.] - Rn. 15).

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass - entsprechend der von der [X.] erteilten [X.] - im R-Konzern ein allgemeines [X.], nämlich die Tarifverträge der Tarifgruppe [X.], Anwendung findet. Maßgeblich ist damit das Entgelt, das der Kläger erhalten hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit bei der Entleiherin angestellt worden wäre.

2. Der Kläger kann sich für die Darlegung des Entgelts vergleichbarer [X.] auf die [X.] der [X.] vom 16. August 2012 stützen, die diese - auch wenn nicht sie, sondern die [X.] gewesen sein sollte - „zuständigkeitshalber“ erteilt hat. Die [X.] ist ordnungsgemäß. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger der [X.] zur Arbeitsleistung überlassen war und die [X.] von der [X.] erteilt wurde. Denn § 13 [X.] hindert den Entleiher nicht, zur Erstellung und Bekanntgabe der [X.] Hilfspersonen hinzuzuziehen, sofern diese über das für eine ordnungsgemäße [X.] erforderliche Wissen verfügen ([X.] 19. Februar 2014 - 5 [X.] 1048/12 - Rn. 27 mwN).

3. Das [X.] wird festzustellen haben, ob der Kläger als [X.] die tariflichen Voraussetzungen einer Vergütung nach Vergütungsgruppe B 1 erfüllt hätte. Dabei kann sich der Kläger für die Darlegung des Entgelts vergleichbarer [X.] auf die [X.] der [X.] vom 16. August 2012 insoweit stützen, als sie seine Tätigkeit und eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe A 4 betrifft.

4. Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs nach § 10 Abs. 4 [X.] ist ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen.

a) Zutreffend hat der Kläger als Ausgangspunkt für die Berechnung der [X.] zuletzt ein Monatsgehalt angesetzt.

Im erneuten Berufungsverfahren wird festzustellen sein, ob der Kläger für die bei der Entleiherin zu beanspruchende Monatsvergütung die dort geschuldete regelmäßige Arbeitszeit (§ 4 [X.] [X.]) erbracht bzw. durch gesetzliche Entgeltfortzahlungstatbestände „abgedeckt“ hat.

b) Hat der Kläger nach den von der Beklagten abgerechneten und damit [X.] gestellten Stunden Mehrarbeit iSv. § 5 [X.] [X.] geleistet - was bislang allerdings nicht ausreichend substantiiert dargelegt ist -, kann er dafür [X.] nach den tariflich vorgesehenen Regeln beanspruchen. Der Abgeltung von Mehrarbeit kann die Beklagte nicht den Vorrang von Freizeitausgleich (§ 5 Nr. 4 [X.] [X.]) entgegenhalten, wenn sie keinen Freizeitausgleich gewährt, sondern die [X.] - wenn auch zu niedrig - vergütet hat.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Dittrich    

        

    Dombrowsky    

                 

Meta

5 AZR 265/13

24.09.2014

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Trier, 14. Februar 2012, Az: 3 Ca 1219/11, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.09.2014, Az. 5 AZR 265/13 (REWIS RS 2014, 2662)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2662

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