Bundespatentgericht, Urteil vom 04.06.2019, Az. 4 Ni 71/17 (EP)

4. Senat | REWIS RS 2019, 6647

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Leitsatz

Feuerbeständiges System

Der zeitlich bestimmte Editionsvermerk auf einem Firmenprospekt rechtfertigt den Erfahrungssatz und Anscheinsbeweis, dass typischerweise bereits eine Fertigstellung des Prospekts erfolgt ist oder zumindest alsbald erfolgt und dass sich hieran zugleich typischer-weise eine jedenfalls alsbaldige Drucklegung und Verteilung bzw. Verbreitung des Prospekts in der Öffentlichkeit anschließt, jedenfalls innerhalb eines Zeitraums von mehr als sechs Monaten ab Editionsdatum (Fortführung BPatGE 32, 109 = BIPMZ 1991, 349).

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 2 116 280

([X.] 39 770)

hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juni 2019 durch den Vorsitzenden [X.], die [X.]in [X.], den [X.] [X.], die [X.]in Dipl.-Phys. Univ. Zimmerer und den [X.] Dipl.-Chem. Univ. Dr. Freudenreich

für Recht erkannt:

[X.] Das [X.] Patent 2 116 280 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] im Umfang der Patentansprüche 1 bis 6 für nichtig erklärt.

I[X.] Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 2 116 280, [X.] Aktenzeichen [X.] 602 39 770 (Streitpatent). Das Streitpatent wurde als Teilanmeldung zur EP-Anmeldung 02749452.5 (veröffentlicht als [X.]) mit Anmeldetag vom 6. August 2002 unter Beanspruchung der Priorität [X.] 1018722 vom 7. August 2001 eingereicht. Das Streitpatent betrifft ein flammenhemmendes System und Verfahren zur Durchführung mindestens eines Kabels, Rohres oder dergleichen durch eine Öffnung in der Wand. Das Streitpatent umfasst 9 Patentansprüche, von denen die Ansprüche 1 bis 6 angegriffen sind.

2

Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des [X.] gemäß den Patentansprüchen 1 bis 6 sei gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit a) EPÜ nicht patentfähig, nämlich nicht neu bzw. nicht erfinderisch.

3

Die angegriffenen Patentansprüche 1 bis 6 lauten in der [X.]:

Abbildung

Abbildung

4

In der [X.] Übersetzung lauten die Patentansprüche 1 bis 6:

Abbildung

Abbildung

5

Die Klägerin legt folgende Dokumente vor:

6

K1 Kopie des Antrags der [X.] an das [X.] auf einstweilige Verfügung gegen die Klägerin vom 6. September 2016

7

K2 Registerauszug des [X.], Stand 27. Juli 2017

8

K3 [X.] 116 280 B1

9

[X.] EP 0 534 563 A1

[X.] [X.] 41 03 009 C2

K6 Merkmalsanalyse des Patentanspruchs 1

K7 Auszug aus der Website adhesive.org/sealants.org

[X.] Produktbroschüre der [X.] / [X.], [X.] ([X.]): „Most flexible sealing system for metallic and plastic pipe penetrations“; Copyright 1997-2001, Edition Januar 2001

[X.]‘ Fotographie der letzten Seite der [X.] mit Aufkleber der Verkaufsagentur

K9 Registerauszug der [X.] Nr. 1 326 968 „[X.]“

[X.] Umschreibungsdokument der [X.] Nr. 1 326 968.

Sie vertritt die Auffassung, der Gegenstand von Patentanspruch (PA 1) sei nicht neu gegenüber [X.] Da Patentanspruch 1 offen lasse, wie, wann und durch welche Mittel die [X.] miteinander gebunden seien („are bonded together“) und [X.] auch explizit offenbare, dass ein verbleibender Raum in der Öffnung mit entsprechenden Hülsen aufgefüllt werde, sei auch dessen kennzeichnendes Merkmal erfüllt. Es komme nicht auf die Reihenfolge des [X.] und auf das Aufbringen des Materials an. Zudem sei Patentanspruch 1 des [X.] nicht neu gegenüber [X.], die sämtliche Merkmale des [X.] offenbare. Insbesondere zeige die [X.] klar und deutlich eine Einheit aus zehn vorab miteinander verbundenen Füllhülsen (vgl. [X.]. 4 auf Seite 4). Zudem beruhe die Lehre des [X.] entweder gegenüber [X.] allein oder [X.] in Kombination mit [X.] nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die von der [X.] veröffentlichte Produktbroschüre [X.], die von ihrer [X.] Verkaufsagentur, [X.], verbreitet worden sei, trage ein [X.]sdatum von Januar 2001 (vgl. 2. Blatt), das mehr als sechs Monate vor dem [X.] des [X.], dem 7. August 2001, liege. Zwar seien möglicherweise Kopien der Broschüre mit dem Firmennamen „[X.]“ bis Ende 2001 nicht

verbreitet worden, daraus lasse sich aber nicht direkt schlussfolgern, dass die Broschüre selbst erst nach diesem Zeitpunkt erhältlich gewesen sei. Wie die [X.]´ zeige, habe der [X.] Verteiler nach Erhalt des Prospekts einen Aufkleber auf der Rückseite aufgebracht. Hingegen gelte im Zusammenhang mit dem [X.] gemäß ständiger Rechtsprechung, dass der Lebenserfahrung zufolge gedruckte Unterlagen für gewöhnlich sofort nach der Fertigstellung verteilt würden, es sei denn die besonderen Umstände des konkreten Falles gäben Anlass zu Zweifeln. Die Vermutung, dass die Broschüre ab Januar 2001 öffentlich zugänglich gewesen sei, könne durch die Behauptungen der [X.], im Januar 2001 hätten die internen Arbeiten an der Broschüre begonnen und der Prospekt sei nicht vor dem [X.] öffentlich verteilt worden, nicht widerlegt werden. Die Zahl der aufgelegten Exemplare des Prospekts sei für die [X.] bedeutungslos, sofern das [X.]sdatum des Prospekts nachweislich vor dem [X.] des Patents liege. Die im von der [X.] in Bezug genommenen Video gezeigte Installation des [X.] und die Vor-Ort-Videoaufnahme müssten weit vor dem Mai 2000 stattgefunden haben und somit ein Jahr vor dem [X.] des [X.]. Zudem bestehe kein Grund für die Annahme, dass die Bilder im Prospekt [X.] aus dem von der [X.] überreichten Video stammten. Der Umstand, dass die Filmaufnahmen bereits 2000 oder sogar früher gemacht worden seien, spreche dafür, dass zeitnah eine [X.] erfolgt sei. Auch die Verweise der [X.] auf Patente und Marken in der [X.] hätten keinerlei Auswirkungen auf das [X.]sdatum des Prospekts. Schließlich spreche das Datum der Zertifizierung auf Seite 15 der [X.] ebenfalls nicht gegen die Richtigkeit des Editionsdatums, da ein entsprechend frei gehaltener Platzhalter mit dem Zertifikat im Nachhinein aufgefüllt worden sei; hierfür spreche auch, dass der Druck der Broschüre im Hause der [X.] stattgefunden habe. Für eine baldige öffentliche Zugänglichmachung nach dem Druck spreche, dass ein Prospekt mit Zertifikat ein wichtiges Marketing-Instrument sei, das der Herausgeber möglichst schnell der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hätte.

Auch die abhängigen angegriffenen Ansprüche 2 bis 5 seien gegenüber [X.] und [X.] nicht patentfähig. Patentanspruch 6, auf den die Klägerin die Nichtigkeitsklage mit Schriftsatz vom 3. Juli 2018 ausgedehnt hat, sei gegenüber [X.] sowie gegenüber [X.] nicht neu.

Die jeweiligen Fassungen der Anspruchssätze gemäß den [X.] 1 bis 10 führten ebenfalls nicht zur Patentfähigkeit des [X.]. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 sei gegenüber [X.] nicht erfinderisch. Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 sei in [X.] offenbart, darüber hinaus jedenfalls nicht erfinderisch. Die Fassung des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 enthalte eine unzulässige Erweiterung. Selbst bei unterstellter Zulässigkeit wäre der Gegenstand des geänderten Patentanspruchs 1 nicht neu gegenüber [X.] und es fehlte ihm an erfinderischer Tätigkeit. Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 sei ebenfalls nicht neu und nicht erfinderisch. Der Gegenstand gemäß Hilfsantrag 5 lasse offen, was unter „Lage“ zu verstehen sei. Jedenfalls sei er nicht neu und nicht erfinderisch gegenüber [X.] und [X.] Außerdem liege in Hilfsantrag 5 eine nicht zulässige Verallgemeinerung der im Ausführungsbeispiel nur im Zusammenhang mit weiteren Merkmalen gelehrten Lehre vor. Auch die Kombination aus Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 5 in Hilfsantrag 6 sei nicht erfinderisch. Aus der Formulierung in Hilfsantrag 7, dass nur zumindest eines der [X.] mehr als zwei Kontaktoberflächen aufweise, ergebe sich, dass die zwei Lagen auch so gebildet sein könnten, dass eine Lage nur eine Hülse umfasse. Diese müsse in der Mitte der unteren drei Hülsen liegen. Diese Bedingung sei ursprünglich nicht offenbart. Aus [X.] (Seite 8) ergebe sich jedenfalls die Notwendigkeit der Forderung mehrerer Lagen, da dann zumindest eine Hülse mehr als zwei Kontaktflächen haben müsse. Dies begründe eine fehlende erfinderische Tätigkeit, möglicherweise sogar eine fehlende Neuheit. Zu Hilfsantrag 8 ergebe sich Entsprechendes. Bezüglich Hilfsantrag 9 sei wiederum auf Seite 8 der [X.] zu verweisen, aus der sich die Lehre naheliegend ergebe, da der Anspruch geschlitzte Hülsen voraussetze. Dies gelte auch für Hilfsantrag 10, der nur noch das Vorliegen im gebundenen Zustand fordere.

Die Klägerin beantragt,

das [X.] Patent 2 116 280 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] im Umfang der Patentansprüche 1 bis 6 für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit den [X.] 1 bis 10, eingereicht mit Schriftsatz vom 27. Mai 2019, verteidigt wird.

Sie legt ihrerseits folgende Dokumente vor:

[X.] Auszug aus der Webseite der Firma [X.] (http://www.marbiss.com/about/history.php)

[X.] Deckblätter der Patentschriften [X.], [X.] 3295140, [X.] 5 344 106 sowie Registerauszug [X.] 9101637

[X.] Deckblatt der [X.] Anmeldung 1018722

[X.] Registerauszug der [X.] „[X.]“

HE5 Registerauszug der internationalen Marke Nr. 775191 „[X.]“

[X.] Mitteilung Nr. 141 der [X.] über den Beitritt von [X.] zum Madrider Protokoll

HE7 Registerauszug der [X.] Marke Nr. 0582370 „[X.]“.

Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und erachtet das Streitpatent für patentfähig. Die Nichtigkeitsklage sei nicht begründet.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei neu gegenüber [X.], da dort die [X.] bzw. Hülsen einzeln und in loser Form in eine Wandöffnung eingeführt würden und nicht der Lösung der Aufgabe des [X.] folgend, die [X.] miteinander zu einer [X.]inheit verbunden seien, wie das kennzeichnende Merkmal fordere. Eine mangelnde Neuheit gegenüber [X.] sei bereits deshalb nicht gegeben, weil die Produktbroschüre kein vorveröffentlichter Stand der Technik sei. Insbesondere sei diese Broschüre nicht vor dem [X.] (also erheblich nach dem Prioritätsdatum des [X.], nämlich dem 7. August 2001) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Dies gehe bereits daraus hervor, dass [X.] durch die [X.] Verkaufsagentur [X.] verbreitet worden sei. Der Name dieser Agentur sei erst im [X.] zu „[X.]“ geändert worden (vgl. [X.]). Die Angabe „Edition: January 2001“ auf Seite 2 der [X.], kennzeichne entgegen der diesbezüglichen Behauptung der Klägerin nicht das [X.]sdatum dieser Anlage. Januar 2001 sei der Zeitpunkt, zu dem die interne Arbeit an der Broschüre bei der [X.] begonnen worden, aber noch nicht abgeschlossen worden sei. Der Begriff der „Edition“ bedeute nach dem Verständnis der [X.] nicht die Genehmigung des fertigen Dokuments, vielmehr könne auch eine vorläufige Fassung als editierter Entwurf verstanden werden. Eine Verteilung sei erst im [X.] erfolgt. Ein Anscheinsbeweis dahingehend, dass der Prospekt vor dem Anmeldetag an einen erheblichen Teil der interessierten Fachkreise verteilt worden sei, sei nur möglich, wenn der Prospekt längere Zeit vor dem Anmeldetag und in einer größeren Auflage gedruckt worden sei. Beides sei vorliegend nicht der Fall. Zudem sei ein Anscheinsbeweis widerleglich; es reiche zur Entkräftung aus, dass ein anderer Geschehensablauf ernsthaft in Betracht kommt. Es sei sogar ausgeschlossen, dass die [X.] vor dem Prioritätsdatum (7. August 2001) veröffentlicht worden sei. Auf Seite 40 der Anlage [X.] seien mehrere Bilder von der Installation des [X.]s auf dem Marineschiff [X.] gezeigt, die aus einem diesbezüglich aufgenommenen Video stammten. Das Video sei 2002 von [X.], den die Beklagte als Zeugen benennt, aufgenommen und editiert worden. Er könne bestätigen, dass vor der Fertigstellung der Endfassung des Videos im [X.] keine frühere Version bestanden habe bzw. verbreitet worden sei. Da die Installation und die Untersuchungen an Bord eines Marineschiffs stattgefunden hätten, habe höchste Geheimhaltung bestanden. Da in der Anlage [X.] somit auf ein Video aus dem [X.] Bezug genommen werde und überdies Bildmaterial aus diesem Video in der Anlage [X.] verwendet werde, sei ausgeschlossen, dass diese Anlage zu einem früheren Zeitpunkt veröffentlicht worden sei. Zudem habe es, als die Anlage [X.] erstellt worden sei, erteilte Patente auf das [X.] und mindestens eine weitere Patentanmeldung auf „[X.]“ gegeben, die damals noch nicht erteilt gewesen sei. Somit könne aber die Anlage [X.] auch aufgrund des Hinweises auf die Patente unmöglich vor dem Prioritätsdatum des [X.] erstellt worden sein. Soweit in der [X.] darauf hingewiesen werde, dass die Marke [X.] für die Beklagte nur wenige Tage vor der Prioritätsanmeldung des [X.] registriert worden sei (vgl. [X.]), belege dies auch, dass die Anlage [X.] nicht vor dem Prioritätsdatum des [X.] erstellt oder veröffentlicht worden sein konnte. In jedem Fall belegten die Bezugnahme auf das Video, die Verwendung des Bildmaterials aus dem Video sowie die Hinweise auf Patente und die Markenregistrierung, dass gegenüber dem von der Klägerin angeführten Anscheinsbeweis im Hinblick auf die Erstellung der Anlage [X.] im Januar 2001 ein anderer Geschehensablauf mindestens ernsthaft in Betracht komme. Damit könne die [X.] nicht zur Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 1 herangezogen werden.

Auch die Patentansprüche 2 bis 6 seien neu und erfinderisch. Patentanspruch 2 werde dem Fachmann bei einer Zusammenschau der [X.] mit [X.] nicht nahegelegt. Der Fachmann entnehme aus [X.] keinen Anreiz, die Kontaktoberflächen der Hülsen gemäß [X.] mit einem Haftmittel zu versehen. Den Ausführungen der Klägerin, wonach der feuerbeständige Gummi ein Elastomer sei, werde ausdrücklich widersprochen. [X.] beziehe sich nicht auf das Material der Hülsen. Es sei auch nicht dem allgemeinen Fachwissen zuzurechnen, ein Plastomer als feuerbeständigen Gummi für die in [X.] gelehrten Hülsen zu verwenden. Auch im Hinblick auf Patentanspruch 4 lehre die [X.] lediglich, dass der feuerbeständige Gummi sich vorzugsweise unter dem Einfluss von Wärme ausdehnen könne. Hierin könne weder eine Offenbarung i.S.d. Patentanspruchs 4 gesehen werden noch eine diesbezügliche Anregung für den Fachmann.

Jedenfalls seien die jeweiligen Anspruchssätze nach den [X.] 1 bis 10 gegenüber dem von der Klägerin zitierten Stand der Technik neu und erfinderisch. Die [X.] 5 bis 10 seien insbesondere nicht verspätet eingereicht worden.

Der Senat hat den Parteien einen frühen qualifizierten Hinweis vom 12. Dezember 2018 nach § 83 Abs. 1 [X.] zugeleitet (vgl. [X.] 126 ff. d. A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt allen Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. Juni 2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet, weil das Streitpatent in der erteilten Fassung wegen des Bestehens des [X.] der mangelnden Patentfähigkeit gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i.V.m. Art. 52, 56 EPÜ für nichtig zu erklären ist und auch der [X.] Verteidigung in den jeweiligen Fassungen nach den [X.] 1 bis 10 derselbe [X.] entgegensteht.

[X.]

Sämtliche hilfsweise geltend gemachten Anspruchsfassungen sind beachtlich und insbesondere nicht nach § 83 Abs. 4 [X.] präkludiert. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der erstmals mit Schriftsatz vom 27. Mai 2019 eingereichten [X.] bis 10, da es auch insoweit dem [X.] ohne weiteres möglich war, dieses erstmals geltend gemachte und damit möglicherweise nicht entschuldigt verspätete Verteidigungsmittel ([X.], 1143 – Photokatalytische Titandioxidschicht; GRUR 2016, 365 – Telekommunikationsverbindung) in die mündliche Verhandlung einzubeziehen und es auch keiner Vertagung nach § 227 ZPO zur weiteren Sachaufklärung bedurfte, so dass eine Präklusion nach § 83 Abs. 4 [X.] bereits aus diesem Grunde nicht in Betracht zu ziehen war. Soweit die Klägerin zu Beginn der mündlichen Verhandlung am 4. Juni 2019 die Einreichung der [X.] bis 10 durch die Beklagte gemäß § 83 Abs. 4 [X.] als verspätet gerügt hat, hat sie sich jedoch im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung in der Sache zu sämtlichen [X.] eingelassen und insbesondere auch keinen Antrag auf Vertagung der mündlichen Verhandlung gestellt, um zu den [X.] Stellung nehmen zu können.

I[X.]

1. Das Streitpatent betrifft ein flammenhemmendes System (fire-resistant System) für eine Durchführung eines Kabels, Rohres oder dgl. durch eine Wand, sowie ein entsprechendes Verfahren. Mit dem Begriff „Wand“ (wall) sollen auch andere räumliche Abtrennungen (partitions) wie z.B. [X.], Trennplatten oder ähnliches gemeint sein (vgl. [X.]chrift, Abs. [0001], Patentanspruch 1).

Gemäß Patentbeschreibung sei ein solches System bzw. Verfahren aus der EP 0 534 563 [X.] ([X.]) bekannt. Diese beschreibe ein [X.]system (bushing system) für eine feuerbeständige Kabeldurchführung, bei der jedes Kabel von einer Gummihülse (rubber sleeve member) umschlossen sei und die Kabel mit den [X.] durch eine in der Wandöffnung angebrachte [X.] ([X.]) geführt seien. Der verbleibende Raum sei mit einem geeigneten Dichtungskitt (sealing putty) verschlossen.

Nachteilig dabei sei, dass mehrere [X.] mit unterschiedlichen Durchmessern erforderlich seien, um Kabel mit unterschiedlichen Durchmessern durch die Wandöffnung zu führen. Dies erfordere die Herstellung und Lagerung von [X.] verschiedener Durchmesser was arbeitsaufwändig und ineffizient sei.

Außerdem müsse vor Ort bei der Installation bestimmt werden, welche Hülse zu welchem Kabel passe, was nicht effizient sei (vgl. Abs. [0002]-[0003]).

2. Davon ausgehend bezeichnet es das Streitpatent als Aufgabe der Erfindung, ein flammenhemmendes System anzugeben, zum Verfüllen des verbleibenden Raumes in der Öffnung einer Wand, durch die zumindest ein Kabel, Rohr oder ähnliches geführt ist (vgl. Abs. [0004]). Als weitere Aufgabe der Erfindung soll das aus der EP 0 534 563 [X.] bekannte System verbessert und dessen Nachteile überwunden werden (vgl. Abs. [0005]).

3. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in den angegriffenen erteilten Patentansprüchen 1 bis 6 (Hauptantrag) ein System mit folgenden Merkmalen vor:

Patentanspruch 1 (Merkmalsgliederung hinzugefügt)

Merkmal

Verfahrenssprache [X.]

[X.] Übersetzung

1       

A fire-resistant system for filling in a wall a remaining space in an [X.] (3), [X.] extends,

Feuerbeständiges System, um in einer Wand einen verbleibenden Raum in einer Öffnung aufzufüllen, durch welche sich zumindest ein Kabel (3), ein Rohr oder ähnliches erstreckt,

1.1     

wherein the system comprises a number of fire-resistant sleeve members (9)

bei dem das System eine Anzahl von feuerbeständigen Hülsenelementen (9) umfasst,

1.1.1 

which can be provided in [X.] so that the sleeve members (9) extend in [X.] (3), [X.],

welche so in der Öffnung vorgesehen werden können, dass die Hülsenelemente (9) sich in derselben Richtung erstrecken, wie das zumindest eine Kabel (3), Rohr oder ähnliches,

1.1.2 

and which are each made of a fire-resistant rubber, characterized in that

und welche aus einem feuerbeständigen Gummi hergestellt sind, dadurch gekennzeichnet, dass

1.1.3 

the fire-resistant sleeve members (9) are bonded together into one unit of sleeve members (9).

die feuerbeständigen Hülsenelemente (9) miteinander in eine Hülsenelementeinheit (9) gebunden sind.

Patentanspruch 2 (Merkmalsgliederung hinzugefügt)

Merkmal

Verfahrenssprache [X.]

[X.] Übersetzung

1‘    

A fire-resistant system according to claim 1,

Feuerbeständiges System nach Anspruch 1,

1.1.3’

wherein the sleeve members (9) are provided with an [X.] (8).

bei dem die Hülsenelemente (9) an ihren Kontaktoberflächen (8) mit einem Haftmittel versehen sind.

Patentanspruch 6 (Merkmalsgliederung hinzugefügt)

Merkmal

Verfahrenssprache [X.]

[X.] Übersetzung

1‘‘     

A fire-resistant system according to any one of claims 1-5,

Feuerbeständiges System nach einem der Ansprüche 1 -5,

1.2     

wherein the system further comprises a fire-resistant sleeve member (4), which can be arranged at least in part round said at least one cable (3), [X.]

bei dem das System ferner ein feuerbeständiges Hülsenelement (4) umfasst,

1.2.1 

which comprises a continuous slit (5).

welches einen fortlaufenden Schlitz (5) umfasst, der zumindest teilweise um das eine Kabel (3), Rohr oder ähnliches herum angeordnet werden kann.

Bezüglich der übrigen angegriffenen erteilten Ansprüche 3 bis 5 wird auf die [X.]chrift verwiesen.

Hilfsantrag 1 verteidigten Fassung weist Patentanspruch 1 gegenüber dem erteilten Anspruch 1 noch das folgende Merkmal auf:

1.1.4Hi[X.]

wherein the fire-resistant sleeve members (9) are in [X.] fire-resistant sleeve members (9) in [X.].

wobei die feuerbeständigen Hülsen-elemente (9) vor dem Vorsehen der feuerbeständigen Hülsenelemente (9) in der Öffnung in ihrem gebundenen Zustand sind.

Hilfsantrag 2 ist gegenüber dem erteilten Anspruch 1 das Merkmal 1.1.3 geändert in (Unterschiede zum Merkmal 1.1.3 gekennzeichnet):

1.1.3HiA2

the fire-resistant sleeve members (9) are bonded together at contact surfaces (8) thereof into one unit of sleeve members (9).

die feuerbeständigen Hülsenelemente (9) an Kontaktoberflächen (8) derselben miteinander in eine Hülsenelementeinheit (9) gebunden sind.

Hilfsantrag 3 weist gegenüber dem erteilten Anspruch 1 noch das folgende Merkmal auf:

1.1.5HiA3

wherein each fire-resistant sleeve member (9) has a hollow space extending through the entire sleeve member (9).

wobei jedes feuerbeständige Hülsenelement (9) einen Hohlraum aufweist, der sich durch das gesamte Hülsenelement (9) hindurch erstreckt.

Hilfsantrag 4 weist gegenüber dem erteilten Anspruch 1 noch das folgende, dem erteilten Anspruch 2 entnommene Merkmal auf:

1.1.6HiA4

wherein the sleeve members (9) are provided with an [X.] (8).

wobei die Hülsenelemente (9) an ihren Kontaktoberflächen (8) mit einem Haftmittel versehen sind.

Hilfsantrag 5 weist gegenüber dem erteilten Anspruch 1 noch das folgende Merkmal auf:

1.1.7HiA5

wherein the unit of sleeve members (9) comprises two layers of sleeve members (9) arranged on top of each other.

wobei die Hülsenelementeinheit (9) zwei Lagen von Hülsenelementen (9) umfasst, die übereinander angeordnet sind.

Hilfsantrag 6 weist gegenüber dem erteilten Anspruch 1 noch folgende Merkmale auf:

1.1.4Hi[X.]

wherein the fire-resistant sleeve members (9) are in [X.] fire-resistant sleeve members (9) in [X.],

wobei die feuerbeständigen Hülsen-elemente (9) vor dem Vorsehen der feuerbeständigen Hülsenelemente (9) in der Öffnung in ihrem gebundenen Zustand sind,

1.1.7HiA5

and wherein the unit of sleeve members (9) comprises two layers of sleeve members (9) arranged on top of each other.

und wobei die Hülsenelementeinheit (9) zwei Lagen von Hülsenelementen (9) umfasst, die übereinander angeordnet sind.

Hilfsantrag 7 ist gegenüber dem erteilten Anspruch 1 das Merkmal 1.1.3 analog dem Hilfsantrag 2 geändert (Unterschiede gekennzeichnet) sowie das Merkmal 1.1.8

1.1.3HiA2

the fire-resistant sleeve members (9) are bonded together at contact surfaces (8) thereof into one unit of sleeve members (9),

die feuerbeständigen Hülsenelemente (9) an Kontaktoberflächen (8) derselben miteinander in eine Hülsenelementeinheit (9) gebunden sind,

1.1.8HiA7

wherein at least one of the sleeve members (9) has more than two contact surfaces (8).

wobei zumindest eines der Hülsen-elemente (9) mehr als zwei Kontaktoberflächen (8) aufweist.

Hilfsantrag 8 weist gegenüber dem erteilten Anspruch 1 noch folgende Merkmale auf:

1.1.6HiA4

wherein the sleeve members (9) are provided with an [X.] (8),

wobei die Hülsenelemente (9) an ihren Kontaktoberflächen (8) mit einem Haftmittel versehen sind,

1.1.8HiA7

and wherein at least one of the sleeve members (9) has more than two contact surfaces (8).

und wobei zumindest eines der Hülsenelemente (9) mehr als zwei Kontaktoberflächen (8) aufweist.

Hilfsantrag 9 sind gegenüber dem erteilten Anspruch 1 die Merkmale 1.1 und 1.1.3 geändert (Unterschiede gekennzeichnet) sowie die Merkmale 1.1.9

1.1HiA9

wherein the system comprises a number of second fire-resistant sleeve members (9)

bei dem das System eine Anzahl von zweiten feuerbeständigen Hülsenelementen (9) umfasst,

... (Merkmale 1.1.1 u. 1.1.2) …

1.1.3HiA9

the second fire-resistant sleeve members (9) are bonded together into one unit of sleeve members (9),

die zweiten feuerbeständigen Hülsenelemente (9) miteinander in eine Hülsenelementeinheit (9) gebunden sind,

1.1.9HiA9

wherein the system further comprises a first fire-resistant sleeve member (4) which is provided with a continuous slit (5), which can be arranged at least in part round said at least one cable (3), [X.],

wobei das System ferner ein erstes feuerbeständiges Hülsenelement (4) umfasst, welches mit einem fortlaufenden Schlitz (5) versehen ist, das zumindest teilweise um das eine Kabel (3), Rohr oder ähnliches herum angeordnet werden kann,

1.1.10HiA9

and wherein the first and second fire-resistant sleeve members (4, 9) are identical.

und wobei das erste und die zweiten feuerbeständigen Hülsenelemente (4, 9) identisch sind.

Hilfsantrag 10 ist gegenüber dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 9 noch das Merkmal 1.1.4

1.1.4Hi[X.]

wherein the fire-resistant sleeve members (9) are in [X.] fire-resistant sleeve members (9) in [X.],

wobei die feuerbeständigen Hülsen-elemente (9) vor dem Vorsehen der feuerbeständigen Hülsenelemente (9) in der Öffnung in ihrem gebundenen Zustand sind,

Bezüglich der angegriffenen abhängigen Ansprüche der geltenden Fassungen wird auf die Akte verwiesen.

Fachmann sieht der [X.] einen berufserfahrenen Ingenieur der Fachrichtung Bautechnik oder Maschinen- bzw. Schiffsbau mit vertieften Kenntnissen in der Brandschutztechnik, der hinsichtlich der Zusammensetzung geeigneter feuerresistenter Materialien mit einem Chemiker zusammenarbeitet.

5. Der [X.] legt der Lehre des [X.] folgendes Verständnis zugrunde:

5.1. Der Fokus der [X.]chrift ist hinsichtlich des erfindungsgemäßen Systems bzw. Verfahrens auf mehrere Aspekte gerichtet; nämlich einerseits auf die Ausgestaltung erster Hülsenelemente mit einem Schlitz zur Ummantelung eines Kabels, Rohres oder dgl., sowie der in Abs. [0006] beschriebenen besonderen Ausbildung des Schlitzes mit überlappenden Kanten zur Anpassung an variable Kabeldurchmesser. Einen weiteren Aspekt bildet das für die Hülsen ver[X.]dete feuerfeste Material (Abs. [0008]), das sich unter Hitzeeinfluss ausdehnen kann. Als einen dritten wesentlichen Aspekt beschreibt das Streitpatent die Vorteile von zweiten Hülsenelementen zum Verfüllen des nach dem Durchführen der ummantelten Kabel bzw. Rohre verbleibenden Raumes in einer Wandöffnung (Abs. [0009]), wobei die zweiten und ersten Hülsenelemente identisch sein können, was die Installation erleichtern und vereinfachen soll. Außerdem sollen die zweiten Hülsenelemente miteinander verbunden und als Einheit (unit) bereitgestellt werden, womit der in der Öffnung verbliebene freie Raum mit einer oder [X.]igen solchen Einheiten aufgefüllt werden kann, was die Installation gegenüber einer Auffüllung mit einer einzelnen Hülse nach der anderen effizienter gestalten soll (Abs. [0010]). Schließlich verweist das Streitpatent noch auf die Vorteile eines feuerbeständigen und/oder flüssigkeitsabweisenden Versiegelungskitts, der sich vorteilhaft unter Hitzeeinfluss ausdehnen soll (Abs. [0011]).

In [X.]. 1 des [X.] ist als Ausführungsbeispiel ein Rahmen (frame 1) gezeigt, der in einer Öffnung in bspw. einer Schottwand montiert werden soll, und durch den elektrische Leitungen (electric lines 3) unterschiedlichen Durchmessers hindurchgeführt sein sollen. Die elektrischen Leitungen sollen mit feuerbeständigen geschlitzten [X.] (sleeve 4) ummantelt sein, die aufgrund von überlappenden Schlitzrändern an unterschiedliche Leitungsdurchmesser angepasst werden können ([X.]uren 2a u. 2b).

Abbildung

Abbildung

Der nach Durchführung der ummantelten Leitungen (3, 4) verbleibende freie Raum in der Wandöffnung soll mit weiteren [X.] (sleeve 9) aufgefüllt werden. Schließlich sollen beide offenen Seiten des [X.] mit einem feuerbeständigen bzw. flüssigkeitsabweisenden Versiegelungskitt ([X.]) verfüllt werden, der sich unter Hitzeeinfluss ausdehnen kann (vgl. Abs. [0015]).

Um den nach Durchführung der Leitungen 3 im Rahmen 1 verbliebenen freien Raum schneller und einfacher auffüllen zu können, sollen die weiteren [X.] 9 miteinander zu einer Einheit (unit) verbunden bereitgestellt werden ([X.]. 3).

5.2. Der Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung bezieht sich gemäß Merkmal 1 auf ein feuerbeständiges System, welches als einzigen Bestandteil die in Merkmal 1.1 genannten Hülsenelemente 9 umfasst, die gemäß Merkmal 1.1.3 miteinander in eine Hülsenelementeinheit gebunden sind („… sleeve members are bonded together into one unit of sleeve members“). Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 wird somit durch ein offenes System gebildet, bei dem jedenfalls nur eine Anzahl Hülsenelemente vorhanden sein muss.

[X.] im Merkmal 1 (

Merkmal 1.1.2), und so in der Öffnung vorgesehen werden können, dass sie sich in derselben Richtung erstrecken, wie das Kabel bzw. Rohr oder dgl., wobei die Art und Weise der Anordnung der Hülsenelemente 9 diese gegenständlich nicht zu kennzeichnen vermag.

Die Möglichkeit einer Ummantelung der Kabel 3 mit längsgeschlitzten [X.] 4, wie im Ausführungsbeispiel beschrieben, wird erst in Patentanspruch 6 beansprucht, der das System um ein weiteres [X.]element – richtiges Bezugszeichen 4 nicht 6 – mit fortlaufendem Schlitz erweitert, wobei die in der Beschreibung als besonders vorteilhaft beschriebene Ausgestaltung eines Schlitzes mit überlappenden Längskanten erst in den Patentansprüchen 7 und 8 beansprucht wird. Patentanspruch 6 legt weder die Breite noch den Verlauf des Schlitzes fest, und lässt auch offen, ob die eine [X.]inheit bildenden [X.] 9 nicht auch alle geschlitzt sein dürfen und damit nicht auch jedes einzelne geschlitzt sein darf.

Merkmal 1.1.3 des Patentanspruchs 1 lässt offen, auf welche Weise bzw. durch welche Mittel die Hülsenelemente 9 miteinander verbunden sind. Es geht aus dem Wortlaut des Merkmals 1.1.3 auch nicht eindeutig hervor, zu welchem Zeitpunkt die Verbindung zu einer Einheit geschaffen wird, d.h. ob dies vor dem Einsetzen der Hülsen in die Wandöffnung, oder erst dann erfolgt, [X.]n die Hülsen bereits in die Wandöffnung eingesetzt sind.

Hilfsantrag 1 kommt im Merkmal 1.1.4

Hilfsantrag 2 ist im Merkmal 1.1.3

Merkmal 1.1.5 Hilfsantrag 3 hinzu, dass jedes Hülsenelement einen sich durch die gesamte Hülse erstreckenden Hohlraum (hollow space) aufweisen soll. Der Begriff „Hohlraum“ (hollow space) kommt im Streitpatent nicht vor. Da eine Hülse in der Regel röhrenförmig ist und daher zwangsläufig einen Hohlraum aufweist, könnte durch das Merkmal 1.1.5

Merkmal 1.1.6

Hilfsantrag 5 ist im Merkmal 1.1.7 en.

Merkmal 1.1.8 Hilfsantrag 7 soll zumindest eines der Hülsenelemente 9 mehr als zwei Kontaktoberflächen (contact surfaces 8) aufweisen. Dies ist zwangsläufig bei einer z.B. in der Mitte einer Lage angeordneten Hülse einer mindestens zweilagigen Einheit mit mindestens drei Hülsen pro Lage der Fall. Beim Ausführungsbeispiel der [X.]. 3 verfügen bspw. die beiden mittleren Hülsen 9 über jeweils zwei seitliche Kontaktoberflächen 8 zu den in horizontaler Richtung benachbarten Hülsen und jeweils eine Kontaktoberfläche 8 zu der in vertikaler Richtung benachbarten Hülse, somit über insgesamt jeweils drei Kontaktoberflächen 8.

Hilfsantrag 9 sind erstmals neben den bereits im erteilten Patentanspruch 1 genannten Hülsenelementen 9 - nunmehr als zweite Hülsenelemente 9 bezeichnet (Merkmale 1.1 1.1.3 erste Hülsenelemente 4 beansprucht, die mit einem fortlaufenden Schlitz 5 (continuous slit) versehen sind, um zumindest teilweise ein Kabel bzw. Rohr zu ummanteln (Merkmal 1.1.9 identisch sein sollen (Merkmal 1.1.10

II[X.]

[X.] zur Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 1 als Stand der Technik nach Art. 54 Abs. 2 EPÜ heranzuziehen, da nach freier Überzeugung des [X.]s davon auszugehen ist, dass sie vor dem Prioritätstag des [X.], dem 7. August 2001, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.

1. Soweit es zwischen den Parteien streitig ist, ob und wann die Broschüre [X.] der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist und sich deshalb die Frage eines entsprechenden Nachweises durch die beweisbelastete Klägerin stellt, knüpft der [X.] an seiner Auffassung an, dass bei Firmenprospekten der typische Geschehensablauf die alsbaldige Verteilung an interessierte Kunden ist (vgl B[X.]E 32, 109 = [X.] 1991, 349) und aufgrund dieses Erfahrungssatzes einen entsprechenden Anscheinsbeweis (prima facie) auslöst. Danach kann ein Druckdatum, das längere Zeit vor dem Anmeldetag der [X.]chrift liegt, vorbehaltlich entgegenstehender Anhaltspunkte den Anscheinsbeweis dahingehend begründen, dass die Schrift vor dem Anmeldetag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist und damit weiteren Tatsachenvortrag entbehrlich machen. Auch der [X.] hat entsprechendes für den auf einem Copyright-Vermerk gegründeten Erfahrungssatz angenommen, dass ein solcher Vermerk auf ein Erscheinen des Werks alsbald nach Drucklegung hindeutet ([X.]. v. 07.11.2017, [X.] Rn. 22 = [X.], 228).

[X.] handelt es sich um eine Produktbroschüre der [X.]…

B.V. mit dem Titel „Most flexible sealing system for metallic and

© 1997-2001“ ein [X.] „Edition January 2001“. Unbestritten wurde der Werbeprospekt bereits auch in dem angeführten vorangegangenen Zeitraum vor 2001 hergestellt und angeboten. Vorauflagen des Prospekts wie auch der Prospekt aus dem [X.], oder Unterlagen über den firmenintern erfolgten Druck existieren nach Angaben der [X.] nicht mehr bzw. sind für sie nicht mehr verfügbar, wobei die Beklagte die Existenz eines Firmenprospektes entsprechend dem Exemplar [X.] ebenso [X.]ig in Abrede gestellt hat wie die Echtheit der Originalurkunde [X.].

2. Die An[X.]dung geltender Grundsätze zur Annahme eines Anscheinsbeweises führt nach Ansicht des [X.]s auch vorliegend für die Bedeutung des [X.] auf einem Firmenprospekt und daraus zu folgender typischer Geschehnisabläufe dazu, dass ein solcher zeitlich bestimmter Vermerk den Erfahrungssatz rechtfertigt, dass typischerweise bereits eine Fertigstellung des Prospekts erfolgt ist oder zumindest alsbald erfolgt und dass sich hieran typischerweise eine jedenfalls alsbaldige Drucklegung und Verteilung bzw. Verbreitung des Prospekts in der Öffentlichkeit anschließt, jedenfalls innerhalb eines Zeitraums von mehr als sechs Monaten ab [X.]; hier bis zum Prioritätstag des [X.], dem 7. August 2001.

2.1. Richtig ist zwar der Einwand der [X.], dass das [X.] eines [X.] nicht zugleich dem Druckdatum gleichgesetzt werden kann. Gleichwohl ergibt sich auch aus dem dargelegten Begriffsverständnis und der Bedeutung einer „Edition“ nach der allgemeinen Lebenserfahrung typischerweise – selbst bei einem Verständnis, welches die Vorbereitung zur Publikation und eine noch erforderliche redigierende Tätigkeit einbezieht –, dass im Januar 2001 zumindest eine im Wesentlichen vollständige Ausgabe der Broschüre vorlag, die alsbald, d.h. jedenfalls innerhalb eines Zeitraums von mehr als sechs Monaten, gedruckt und an tatsächliche oder potentielle Kunden, Agenturen, Auslegestellen usw. verteilt und so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.

Der [X.] sieht insoweit insbesondere weder die Richtigkeit des im maßgeblichen Dokument genannten [X.]s in Frage gestellt, was abgesehen von einer bewussten Täuschung, irrtümlich falsch gewählt worden sein müsste, noch sieht der [X.] die hieraus resultierende Vermutung in Frage gestellt, dass nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge der Firmenprospekt zeitnah zum Datum der Edition gedruckt und verteilt bzw. öffentlich zugänglich gemacht worden ist. Weder sind insoweit Umstände ersichtlich, welche im Hinblick auf den [X.] in einem Firmenprospekt eine andere Sichtweise rechtfertigen, wie sie in der Rechtsprechung anerkannt ist für die mit dem Copyrightvermerk oder dem Druckdatum verbundene Annahme eines daraus herzuleitenden typischen Geschehnisablaufs und Anscheinsbeweises für die Herausgabe und Öffentlichmachung von Firmenprospekten, noch hat die Beklagte solche Umstände eines ernsthaft in Betracht zu ziehenden atypischen Geschehensablaufs dargetan.

2.2. Denn derartige tatsächliche Anhaltspunkte, die einen vom gewöhnlichen Verlauf abweichenden Gang der Geschehnisse nahelegen und damit den Anschein entkräften können (vgl. [X.], NJW 1978, 2033; allgemein [X.]/Zöller ZPO, 32. Aufl., 2018, § 284 Rn. 29; [X.] in [X.]/[X.] ZPO, 37. Aufl., § 286 Rn 12), setzen einen substantiierten Tatsachenvortrag voraus (vgl. u.a. zum Einspruchsverfahren [X.] 1988, 289, 290 - Meßdatenregistrierung; [X.] 1972, 173 - Sortiergerät; [X.] 1985, 142 - Sicherheitsvorrichtung; [X.] 1987, 203 - Streichgarn; [X.] 1988, 185 - Alkyldiarylphosphin; [X.] 1988, 250 - Epoxidation), der unter Beachtung der sich aus § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO ergebenden Wahrheits- und Erklärungspflicht zu erfolgen hat und dessen Umfang vom Vortrag der [X.] abhängt ([X.] NJW 2015, 468; [X.]/Zöller ZPO, 32. Aufl., § 138 Rn. 8) und bei Tatsachen eigener Handlungen und Wahrnehmungen nach § 138 Abs. 4 ZPO nicht nur ein Bestreiten mit Nichtwissen verbietet, sondern zugleich auch eine Erkundigungspflicht für Vorgänge im eigenen Geschäfts- oder Verantwortungsbereich umfasst ([X.]Z 109, 205, 209; NJW 1987, 3123; [X.]/Zöller ZPO, 32. Aufl., § 138 Rn. 16).

Es kommt deshalb nicht nur darauf an, dass eine ernsthafte Möglichkeit eines Verlaufs einge[X.]det wird, der vom Gewöhnlichen abweicht. Es muss auch dargetan werden, dass er ernsthaft in Betracht kommt (vgl. [X.] NJW 1978, 2032); die bloße Behauptung eines atypischen Verlaufs reicht dafür nicht aus (vgl. B[X.]E 32, 109 = [X.] 1991, 349 – Hochspannungstransformator), wie auch die insoweit substantiierten Tatsachen und besonderen Umstände des vollen Beweises bedürfen ([X.]Z 6, 169, 170; [X.] NJW 91, 230, 231), d.h. der [X.] muss aufgrund gesonderter Beweiswürdigung zur vollen Überzeugung von der ernsthaften Möglichkeit eines atypischen Ablaufs gelangen ([X.]/[X.] ZPO, 32. Aufl., 2018, § 284 Rn. 29).

3. Die Annahme eines solchen atypischen Geschehensablaufs, welcher die sich aus der [X.] ergebende Vermutung eines korrekt angegebenen [X.]s einschließlich eines jedenfalls alsbaldigen Drucks und öffentlichen Zugänglichmachung des [X.] ernsthaft in Frage stellen könnte, rechtfertigt sich weder aufgrund eines einzelnen Aspekts noch in deren Zusammenschau.

3.1. In diesem Zusammenhang verkennt der [X.] nicht, dass der Begriff der „Edition“ (oder Ausgabe) einer Publikation die Vorbereitung zur Veröffentlichung oder diese Veröffentlichung bezeichnet (vgl. http://de.[X.].org/wiki/Edition), dass also mit dem Datum der Editierung „Januar 2001“ noch nicht die endgültige Version des [X.] zur Drucklegung vorliegen musste oder bereits gedruckt sein musste. Vielmehr impliziert der Begriff der „Edition“, dass es nicht auszuschließen ist, dass auch über den Januar 2001 hinaus noch z.B. textliche, orthografische usw. Änderungen vorgenommen worden sind bzw. vorgenommen werden konnten, der Prospekt also noch redigiert werden musste, und sich eine Drucklegung und vor allem eine Veröffentlichung der [X.] erst daran anschloss, diese also durchaus nicht zwingend im Januar 2001 erfolgt sein musste. Diese nicht auszuschließende Möglichkeit begründet aber für sich genommen keine ernsthaft in Betracht zu ziehende Annahme eines atypischen Geschehensablaufs, insbesondere auch nicht die Annahme – wie von der [X.] behauptet – im Januar 2001 sei erst mit den Arbeiten zur Broschüre [X.] begonnen worden und deren Fertigstellung müsse keineswegs zeitnah zum [X.] erfolgt sein. Denn nach dem Verkehrsverständnis (vgl. [X.], a. a. O.) liegt zu Beginn der Arbeiten an einem Druckwerk eine Edition begriffsmäßig noch nicht vor.

3.2. Zum anderen konnte die Beklagte weder Anhaltspunkte dafür darlegen, dass dies vorliegend ausnahmsweise und atypisch dennoch der Fall war, wie die Beklagte auch keine Anhaltspunkte dafür darlegen konnte, dass die Edition, wäre mit ihr erst im Januar 2001 begonnen worden, so spät hätte abgeschlossen werden können – bzw. tatsächlich so spät abgeschlossen wurde – dass es zur Drucklegung und vor allem zur Verteilung der Broschüre nicht mehr vor dem 7. August 2001 kommen konnte. Selbst [X.]n danach zugunsten der [X.] davon auszugehen wäre, dass im Januar 2001 erst mit den Arbeiten an der Edition der [X.] begonnen wurde, erscheint deshalb der Zeitraum von Januar 2001 bis zum Anmeldetag des [X.] am 7. August 2001 (mehr als sechs Monate) aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung und mangels entgegenstehender Anhaltspunkte immer ausreichend lang für eine Fertigstellung der Edition sowie für eine nachfolgende Drucklegung und Verteilung in der Öffentlichkeit vor dem 7. August 2001. Insoweit kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beklagte insbesondere keinerlei Umstände oder Anhaltspunkte dafür vortragen konnte, warum etwa die Konzipierung der Edition der [X.] oder der Druck der Broschüre besonders lange gedauert hat oder weshalb man etwa von einer Verteilung der Broschüre an potentielle Interessenten, Agenturen und Kunden nach Fertigstellung zunächst Abstand genommen haben sollte und wann diese denn ihrer Kenntnis nach überhaupt tatsächlich erfolgt sei. Die Beklagte konnte hierzu trotz eingehender Erörterung in der mündlichen Verhandlung und trotz vorterminlichen Hinweises und Auflage zu einer entsprechenden Substantiierung und etwaigen Vorlagen von Dokumenten keinen Beitrag leisten, da nach ihren Angaben weder Unterlagen noch Informationen einholbar waren. Die zugunsten der Klägerin sprechende Beweisvermutung eines insoweit rechtzeitigen öffentlichen Zugänglichmachens der Produktbroschüre sieht der [X.] deshalb als nicht widerlegt an.

3.3. Darüber hinaus können auch aus dem in der [X.] enthaltenen bloß allgemeinen Hinweis auf Patentrechte

Abbildung

wie auch entsprechend allgemeine Hinweise auf Design- und Urheberrechte

Abbildung

keine Indizien begründen, welche eine zeitliche Zuordnung des [X.] in der [X.] und die hieraus folgende weitere Beweisvermutung einer öffentlichen Zugänglichmachung vor dem 7. August 2001 ernsthaft in Frage stellen. Insoweit geben auch die von der [X.] erwähnten einzelnen Schutzrechte bereits keinen Aufschluss darüber, ob diese gemeint waren, wie auch im Übrigen ein eindeutiger zeitlicher Ausschlusstatbestand hieraus nicht zu begründen ist.

3.4. Dies gilt auch für die von der [X.] eingewandte Bezugsmöglichkeit eines Videos, welches allenfalls im weitesten Sinn als indizielle Tatsache für atypischen Geschehensverlauf gewertet werden könnte, und weder für sich noch im Zusammenhang mit weiteren Umständen eine in tatsächlicher Hinsicht ernsthaft in Betracht kommende Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs rechtfertigt.

Selbst dann, [X.]n mit dem in der [X.] angesprochenen Video nachweislich ein ganz bestimmtes Video gemeint gewesen wäre, spricht aus einem solchen Hinweis (vgl. Seite 39 sowie die Bilder auf Seite 40) nichts dafür, dass dieses bereits 2001 existierende und unbestritten Aufnahmen auf dem Marineschiff [X.] ab dem [X.] betreffende Video nicht bereits im [X.] zur Gestaltung des Prospekts ver[X.]det worden sein kann. Dass das Video selbst ein [X.] oder einen entsprechenden Copyright-Vermerk erst aus dem [X.] enthält, steht dem nicht entgegen und würde der Argumentation der [X.] folgend sich ebenso den Einwand entgegenhalten lassen müssen, dass ein [X.] gerade nicht eine zumindest unmittelbar bevorstehende Fertigstellung des Werks indiziert.

3.5. Die fehlende Eignung des Vortrags der [X.] als substantiierte Darlegung eines atypischen Geschehensablaufs gilt insbesondere auch für den angebotenen Zeugenbeweis, der auf die Tatsache gerichtet ist, dass der Zeuge anhand seiner Unterlagen nicht feststellen könne, dass ein Video früher als 2002 editiert worden sei. Dies mag so sein, besagt aber nichts zur maßgeblichen Tatsachenfrage des Entstehens des Bildmaterials wie auch insbesondere zur Richtigkeit des [X.]s der [X.], weil – wie allgemein bekannt und nachvollziehbar – aufbewahrte Unterlagen nicht vollständig sämtliche Geschehnisse in der Vergangenheit dokumentieren müssen, sondern auch lückenhaft sein können.

3.6. Der von der [X.] darüber hinaus geltend gemachte Umstand, dass gemäß der Angabe auf der letzten Seite die Broschüre [X.] durch die [X.] Verkaufsagentur M… verbreitet worden sei, die jedoch erst seit dem

Jahre 2002 unter dem Namen „[X.]“ firmiere (vgl. http://www.marbiss.com/about/history.php), steht der Annahme, die Broschüre sei vor dem [X.] der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, nicht entgegen, da sich – von der [X.] unbestritten – auf der [X.] nur der Vermerk „distributed by“ befindet, nicht aber ein Aufkleber für den Verteiler durch die Firma [X.]. Es ist daher davon auszugehen, dass der Aufkleber des Verteilers erst später aufgebracht wurde (vgl. Anlage [X.]´), was aber der Annahme, dass eine frühere Verteilung des Prospekts durch die Beklagte selbst oder einen anderen Verteiler stattgefunden hat, nicht entgegensteht. Gleiches gilt im Hinblick auf die später datierende Zertifizierung auf Seite 15 der [X.], bei der nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie nach Erhalt in den dort vorgesehenen Platzhalter eingefügt wurde. Die von der [X.] beantragte Einvernahme des [X.] war damit entbehrlich.

3.7. Sind danach die angeführten Argumente und Tatsachen der Beklagte aus den genannten Gründen nicht ausreichend, einen ernsthaft in Betracht zu ziehenden atypischen Geschehnisablauf zu begründen und damit den für die Klägerin sprechenden Anscheinsbeweis zu entkräften, so ist dieses Ergebnis auch nicht dadurch in Frage zu stellen, dass der [X.] die Anforderungen an die Substantiierungspflicht der [X.] etwa im Hinblick auf eine bestehende Darlegungs- und Beweisnot der [X.] in einem milderen Maßstab beurteilen müsste. Dies trifft schon deshalb nicht zu, weil, wie angeführt, für die hier im wesentlichen maßgeblichen Tatsachen eigener Wahrnehmung der [X.] nach § 138 Abs. 4 ZPO nicht nur eine erhöhte Substantiierungspflicht gilt, sondern zugleich auch eine Erkundigungspflicht. Dieser ist die Beklagte aus Sicht des [X.] aber trotz vorterminlichen Hinweises nicht nachgekommen. Der [X.] hält es insoweit für nahezu ausgeschlossen, dass die Beklagte insoweit auf keinerlei ihr zugängliche oder jedenfalls beschaffbare Dokumente und Kenntnisse aus ihrem eigenen Unternehmen als Auftraggeber der Firmenprospekte oder auf solche ihrer Kunden zurückgreifen kann, welche entscheidungs- und beweiserhebliche Indizien begründen könnten. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Besonderheiten der ihr bekannten und nicht permanent wechselnden potentiellen Abnehmer aus der Schiffsindustrie und der Tatsache, dass das Dokument [X.] oder ein Vorgängerdokument – wie der Copyrightvermerk belegt – bereits seit 1997 existiert haben muss – einen Versuch solcher Erkundigungen hat die Beklagte auch nicht behauptet. Es hätte der [X.] deshalb ein Vortrag und Beleg von Vorgängerprospekten möglich bzw. beschaffbar sein müssen, der auch z.B. Auskunft darüber geben könnte, seit wann welche Prospekte mit welchem Inhalt von wem an [X.] in Auftrag gegeben wurden, wann sie gefertigt wurden, wann die Beklagte diese in welcher Stückzahl erhalten hat und wann diese an welche Kunden weitergegeben wurden, um so ein nachvollziehbares und vollständiges Bild über die konkreten Geschehensabläufe zu vermitteln. Damit hätte sie zugleich ausschließen oder in Frage stellen können, dass das Veröffentlichungsdatum zutrifft und die Offenkundigkeit der für die Patentfähigkeit des [X.] relevanten Informationen auf Seite 4 der [X.] fehlen, wie auch die Prospekte aus den Vorjahren entsprechend patentrelevante technische Informationen noch nicht enthielten.

IV.

Der Gegenstand des [X.] erweist sich in sowohl in der Anspruchsfassung nach Hauptantrag als auch in den Fassungen der [X.] bis 10 als nicht patentfähig in Anbetracht der Druckschriften [X.], [X.] sowie dem allgemeinen Fachwissen des zuständigen Fachmanns.

1.Hauptantrag und Hilfsantrag 1

[X.]) als nicht neu.

Merkmale 1 u. 1.1].

Merkmal 1.1.1].

Abbildung

Abbildung

fire resistant rubber / low grade of expansion, halogen free).“) [= Merkmal 1.1.2].

Merkmal 1.1.3].

Merkmal 1.1.4

Abbildung

Abbildung

Somit sind alle Merkmale des Patentanspruchs 1 sowohl in der erteilten Fassung, als auch in der Fassung nach Hilfsantrag 1 aus dem Prospekt [X.] bekannt.

2. Hilfsanträge 2 bis 4

[X.].

Abbildung

glued together“).

Merkmal 1.1.3 Merkmal 1.1.6

Merkmal 1.1.5

Somit sind auch alle Merkmale der Patentansprüche 1 nach den [X.] 2 bis 4 aus dem Prospekt [X.] bekannt.

3. Hilfsantrag 5

[X.] nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Merkmals 1.1.7

[X.] zeigt in der [X.]ur auf Seite 4 oben rechts eine Einheit von Füllhülsen (filler sleeves), die aus einer einzigen Lage von vorliegend 10 Stück miteinander verklebten Hülsen besteht. Mit diesen einlagigen Einheiten von Füllhülsen, kann – wie in der [X.]ur auf Seite 17 zweite Reihe Mitte gezeigt (nachfolgend abgebildet) – der bspw. in einer Schottöffnung nach Durchführung eines Rohres verbleibende Raum aufgefüllt werden.

Abbildung

Merkmal 1.1.7

[X.]) die An[X.]dung von Füllhülsen im mehrlagigen Bündel (vgl. [X.]. 7). Dabei spielt es keine Rolle, dass die gezeigten Hülsenbündel für einen Lüftungsschacht ver[X.]det werden sollen (vgl. [X.]. 5, [X.]. 4 Z. 29-55). Denn auch dort handelt es sich um eine – möglichst effizient durchzuführende – Verfüllung eines freien Raumes mit Hülsen, um im Brandfall diesen Raum abzudichten.

Merkmal 1.1.7

4. Hilfsantrag 6

Merkmale 1.1.4 1.1.7

5. Hilfsantrag 7

Merkmal 1.1.8

[X.] eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Denn bei mehrlagig übereinandergestapelten und miteinander verbundenen Hülsenelementen weisen einige der innen liegenden Elemente zwangsläufig mehr als zwei Kontaktstellen mit benachbarten Elementen auf. Zwar sind in der [X.] nur einlagige Hülsenelementeinheiten gezeigt (vgl. [X.]ur auf Seite 4 oben rechts). Wie aber bereits zum Hilfsantrag 5 ausgeführt, lag es für den Fachmann nahe, ausgehend von der [X.] auch mehrlagige Füllhülsen-Einheiten für die Verfüllung größerer Räume vorzusehen, wodurch sich Hülsenelemente mit mehr als zwei Kontaktoberflächen zwangsläufig ergaben [= Merkmal 1.1.8

Der Einwand der Klägerin, dass das Merkmal 1.1.8

6. Hilfsantrag 8

Merkmale 1.1.6 1.1.8

7. Hilfsantrag 9

[X.] nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Merkmalen 1.1 1.1.3 Merkmalen 1.1.9 1.1.10

Zwar zeigt der Prospekt [X.] für die Ummantelung von Kabeln und Rohren die Ver[X.]dung von Wickelstreifen (insert strips; Seite 4 [X.]ur oben links) bzw. geschlitzten [X.] (insert sleeves; Seite 4 [X.]ur unten rechts), wohingegen für die zu einer Einheit verbundenen [X.] (filler sleeves; Seite 4 [X.]ur oben rechts) ungeschlitzte [X.] eingesetzt werden (vgl. auch den Text auf Seite 4).

Merkmale 1.1 1.1.3 1.1.9 Merkmal 1.1.10

Der Fachmann gelangte somit, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 9.

8. Hilfsantrag 10

Merkmal 1.1.4

[X.] ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

9. Die Beklagte hat die abhängigen Unteransprüche nicht isoliert verteidigt. Wie der [X.] bereits im qualifizierten Hinweis vom 12. Dezember 2018 mit Verweis auf die aktuelle Rechtsprechung des [X.]s (GRUR 2016, 1143 – Photokatalytische Titandioxidschicht; GRUR 2016, 365 – Telekommunikationsverbindung; GRUR 2017, 57 – Datengenerator) dargelegt hat, bedürfen diese daher keiner gesonderten Prüfung.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Meta

4 Ni 71/17 (EP)

04.06.2019

Bundespatentgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

§ 284 ZPO § 286 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 04.06.2019, Az. 4 Ni 71/17 (EP) (REWIS RS 2019, 6647)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6647

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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