Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 28.09.2015, Az. 1 BvR 2656/14

1. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2015, 4759

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Mangelnde Rechtswegerschöpfung (§ 90 Abs 2 BVerfGG) bei Erfolglosigkeit eines fachgerichtlichen Rechtsmittels (hier: Nichtzulassungsbeschwerde gem § 72a ArbGG) wegen unzureichender Begründung - Zur Berücksichtigung der Freiheit von Forschung und Lehre bei der arbeitsrechtlichen Beurteilung von Kündigungen im ärztlichen Bereich eines verselbständigten Universitätskrankenhauses


Gründe

1

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde durch das [X.] und gegen das die Berufung abweisende Urteil des [X.]. Er ist beamteter Professor an der medizinischen Fakultät einer Hochschule und zugleich ärztlicher Direktor eines privatrechtlich organisierten städtischen [X.], die eine Zusammenarbeit vereinbart haben. Der Beschwerdeführer hat einen Arbeitsvertrag mit dem [X.], in dem eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen und das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis an das Ende im aktiven Dienst des [X.] geknüpft wurde. Das [X.] kündigte ihm außerordentlich fristlos wegen ehrverletzender Äußerungen gegenüber dem Geschäftsführer des [X.]; er dürfe das [X.] nur zu Forschungszwecken weiter aufsuchen. Das Arbeitsgericht gab seiner Klage statt; das [X.]arbeitsgericht entschied, dass das Arbeitsverhältnis nicht fristlos, sondern nach einer [X.] Auslauffrist endete und ließ die Revision nicht zu. Die Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das [X.] als unzulässig, denn es seien keine Fragen aufgeworfen, die sich mit "Ja/Nein" generell beantworten ließen. So hänge es vom Einzelfall ab, ob der Beamtenstatus einer Kündigung des [X.] im Wege stehe oder zumindest des Einvernehmens zwischen [X.] und Fakultät bedürfe.

2

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Urteil des [X.] und den Nichtzulassungsbeschluss des [X.]s. Verletzt seien Rechte auf effektiven Rechtsschutz, die Wissenschaftsfreiheit, Meinungsfreiheit und Berufsfreiheit sowie Rechte aus Art. 33 Abs. 4 und 5 GG.

3

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da die Annahmevoraussetzungen nach § 93a Abs. 2 [X.] nicht vorliegen. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg, denn sie ist unzulässig.

4

1. Der Beschwerdeführer hat den Rechtsweg nicht ordnungsgemäß erschöpft. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 90 Abs. 2 Satz 1 [X.]) muss er alle prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken (vgl. [X.] 84, 203 <208>; stRspr). Dazu gehört es, eine Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben und diese auch ausreichend zu begründen (vgl. [X.] 83, 216 <228>).

5

Daran fehlt es hier. Die Anforderung des [X.]s an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde entspricht der Funktion des Revisionsverfahrens zur Klärung abstrakter Rechtsfragen. Zwar hat sich das [X.]arbeitsgericht nicht mit der Wissenschaftsfreiheit befasst, der je nach Umständen auch dann Rechnung zu tragen ist, wenn ein [X.] nicht von der [X.] selbst betrieben und unmittelbar geleitet wird, sondern organisatorisch verselbständigt ist (vgl. [X.] 136, 338 <363 f., Rn. 58>). Entscheidungen eines [X.], die den Bereich von Forschung und Lehre betreffen, können dann an das Einvernehmen des Fachbereichs Medizin rückgebunden sein (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 1. Februar 2010 - 1 BvR 1165/08 -, juris, Rn. 28, m.w.N.). Doch wirft der Beschwerdeführer mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde keine insoweit klärungsfähige Frage auf, denn ob die hier vom [X.] ausgesprochene Kündigung die vorherige Beteiligung der [X.] oder einer ihrer Fakultäten voraussetzt, hängt von den konkreten Umständen wie dem Arbeitsvertrag, dem Zuschnitt des [X.] und den Vereinbarungen zwischen den Einrichtungen ab.

6

2. Mit Blick auf die Wissenschaftsfreiheit ist kein schwerer Nachteil im Sinne des § 93a Abs. 2b [X.] ersichtlich, da der Beschwerdeführer eine Zusage erhalten hat, das [X.] zu Forschungszwecken weiter aufsuchen zu dürfen.

7

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

8

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 2656/14

28.09.2015

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BAG, 20. August 2014, Az: 2 AZN 496/14, Beschluss

Art 5 Abs 3 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 72a ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 28.09.2015, Az. 1 BvR 2656/14 (REWIS RS 2015, 4759)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4759

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 BvR 1165/08 (Bundesverfassungsgericht)

Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Zur Gewichtung des Einvernehmens des Fachbereichs Medizin zur Entscheidung des Vorstandes eines …


1 BvR 1553/14 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Zum Ausgleich zwischen Wissenschaftsfreiheit (Art 5 Abs 3 S 1 GG) und Krankenversorgung bei …


1 BvR 748/06 (Bundesverfassungsgericht)

Zu den Anforderungen der Freiheit von Wissenschaft und Forschung an die Regelungen des Binnenverhältnisses der …


1 BvR 2862/16 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Neuregelungen zur Medizinischen Hochschule Hannover (Art 1 Nr 37 des niedersächsischen …


1 BvR 3217/07 (Bundesverfassungsgericht)

Hochschulorganisationsrechtliche Vorschriften für die Medizinische Hochschule Hannover - 63c Abs 2 S 1, 63c Abs …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvR 1165/08

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.