Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.05.2021, Az. III R 50/19

3. Senat | REWIS RS 2021, 5519

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Gegenstand

(Berücksichtigung der Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG a.F. beim Familienleistungsausgleich)


Leitsatz

1. Wird ein noch nicht festsetzungsverjährter Kindergeldanspruch aufgrund der Anwendung der Frist des § 66 Abs. 3 EStG i.d.F. des StUmgBG vom 23. Juni 2017 (BGBl I 2017, 1682, BStBl I 2017, 865) ausgeschlossen, ist er auch bei der Günstigerrechnung und der Hinzurechnung nach § 31 Satz 4 EStG nur in Höhe von 0 € zu berücksichtigen.

2. Die Frage, ob der Kindergeldanspruch durch die Frist des § 66 Abs. 3 EStG ausgeschlossen wird, haben die Finanzämter und Finanzgerichte selbstständig und ohne Bindung an die Beurteilung im Kindergeldverfahren zu entscheiden.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17.09.2019 - 6 K 174/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, in welcher Höhe ein durch die Frist des § 66 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgeschlossener Anspruch auf Kindergeld die tarifliche Einkommensteuer erhöht.

2

Die Kläger und [X.] (Kläger) sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 2017 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie sind die Eltern eines 1995 geborenen [X.], der im Streitjahr 2017 ein Studium absolvierte.

3

Am 23.05.2018 beantragte der Kläger rückwirkend ab Januar 2017 Kindergeld für seinen [X.]. Die Familienkasse setzte mit Bescheid vom 02.07.2018 unter Hinweis auf die Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG jedoch nur Kindergeld ab November 2017 fest und zahlte entsprechend auch nur das Kindergeld für November und Dezember 2017 in Höhe von 384 € an den Kläger aus.

4

In ihrer Einkommensteuererklärung für 2017 beantragten die Kläger, den Kindergeldanspruch nur in Höhe von 384 € zu berücksichtigen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) folgte dem nicht, sondern berücksichtigte im Bescheid vom 24.07.2018 die kindbedingten Freibeträge in Höhe von 7.356 € und den Kindergeldanspruch in Höhe von 2.304 €. Aus anderen --unstreitigen-- Gründen wurde die Einkommensteuer durch Bescheid vom 06.08.2018 auf 96.818 € erhöht. Den gegen die volle Hinzurechnung des [X.] gerichteten Einspruch wies das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 14.01.2019 als unbegründet zurück und hob den bis dahin geltenden Vorbehalt der Nachprüfung auf.

5

Der dagegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht ([X.]) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2019, 1983 veröffentlichten Gründen statt. Die Einkommensteuer wurde auf den Betrag herabgesetzt, der sich bei einer Hinzurechnung eines [X.] in Höhe von 384 € anstatt 2.304 € ergibt.

6

Mit der dagegen gerichteten Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

7

Das [X.] beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat § 31 Satz 4 [X.] zutreffend ausgelegt (dazu unter 1. bis 3.) und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf den festgestellten Sachverhalt angewendet (dazu unter 4.).

1. Das [X.] hat § 31 Satz 4 [X.] in der im Streitjahr 2017 geltenden Fassung zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) und des [X.] ([X.]) ausgelegt.

a) Das [X.] ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass bei der Günstigerrechnung nach § 31 Satz 4 [X.] auf den Kindergeldanspruch abzustellen ist.

aa) § 31 [X.] verklammert als Grundnorm des sogenannten Familienleistungsausgleichs die Vorschriften über die [X.]n Freibeträge nach § 32 Abs. 6 [X.] mit den Vorschriften über das steuerliche Kindergeld nach §§ 62 ff. [X.]. Danach wird die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung im gesamten Veranlagungszeitraum entweder durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 [X.] oder durch Kindergeld nach §§ 62 ff. [X.] bewirkt (§ 31 Satz 1 [X.]). Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 [X.]). Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung monatlich gezahlt (§ 31 Satz 3 [X.]). Bewirkt der Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum die nach § 31 Satz 1 [X.] gebotene steuerliche Freistellung nicht vollständig und werden deshalb bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 [X.] vom Einkommen abgezogen, erhöht sich die unter Abzug dieser Freibeträge ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum (§ 31 Satz 4 Halbsatz 1 [X.]).

bb) Im Gegensatz zur früheren Rechtslage (§ 31 Satz 6 i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] in der bis zum Veranlagungszeitraum 2003 geltenden Fassung) wird nach der seit dem Veranlagungszeitraum 2004 geltenden Fassung des § 31 Satz 4 [X.] nicht mehr auf das gezahlte Kindergeld, sondern auf den Kindergeldanspruch abgestellt.

cc) Zur Begründung dieser Gesetzesänderung verwies der Gesetzgeber darauf, dass die Günstigerrechnung auf der Basis des Anspruchs auf Kindergeld der Verwaltungsvereinfachung dienen soll (BTDrucks 15/1798, S. 2; BTDrucks 15/1945, S. 8 f.). Der [X.] wurde zum einen darin gesehen, dass geänderte Steuerfestsetzungen im Fall der nachträglichen Kindergeldgewährung entbehrlich werden. Zum anderen sollte bei Eltern mit mehreren Kindern (auch mit Zählkindern) ein fehlerträchtiger Ermittlungsschritt beim richtigen Ausfüllen der [X.] vermieden werden, da das Kindergeld üblicherweise auch beim Vorhandensein mehrerer Kinder in einer Summe gezahlt wird, die steuerliche Günstigerrechnung dagegen einen auf das einzelne Kind bezogenen Nachweis des Kindergeldbezugs notwendig macht. Für gerechtfertigt hielt der Gesetzgeber diese Änderung insbesondere deshalb, weil die frühere sechsmonatige Antragsfrist für das Kindergeld in § 66 [X.] durch das [X.] zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 16.12.1997 ([X.] 1997, 2970) entfallen war und der [X.] daher bis zur Grenze der Verjährung gestellt werden konnte (BTDrucks 15/1798, S. 2; BTDrucks 15/1945, S. 8 f.).

dd) Einfachrechtliche Konsequenz dieser gesetzlichen Änderung ist nach der Rechtsprechung des [X.], dass für die Hinzurechnung von Kindergeld nach § 31 Satz 4 [X.] der ursprüngliche, vor Erlöschen (z.B. durch Erfüllung) bestehende materiell-rechtliche Kindergeldanspruch maßgebend ist ([X.]surteile vom 15.03.2012 - III R 82/09, [X.]E 236, 539, [X.], 226, Rz 12, und vom 20.12.2012 - III R 29/12, [X.]/NV 2013, 723, Rz 13; [X.]-Urteil vom 13.09.2012 - V R 59/10, [X.]E 239, 59, [X.], 228, Rz 17). Wegen der vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollten Abkoppelung der Steuer- von der Kindergeldfestsetzung ist nicht entscheidend, ob der Anspruch tatsächlich durch Zahlung erfüllt worden ist. Der Kindergeldanspruch ist seit dem Veranlagungszeitraum 2004 unabhängig von der kindergeldrechtlichen Beurteilung durch die Familienkasse hinzuzurechnen, wenn die Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 [X.] rechnerisch günstiger ist als der Kindergeldanspruch ([X.]surteil in [X.]E 236, 539, [X.], 226, Rz 12). Da die Familienkasse im Verhältnis zum [X.] keine ressortfremde Behörde ist, hat der [X.] eine Tatbestandswirkung des [X.] verneint ([X.]surteile in [X.]E 236, 539, [X.], 226, Rz 13, und in [X.]/NV 2013, 723, Rz 14).

ee) In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist der [X.] davon ausgegangen, dass § 31 Satz 4 [X.] mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--), dem verfassungsrechtlichen Gebot der steuerlichen Freistellung des [X.] (Art. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG) und mit der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) vereinbar ist.

(1) Dabei stellte der [X.] mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zum einen darauf ab, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist, wenn der Steuerpflichtige diese durch Stellung eines [X.]s selbst hätte vermeiden können ([X.]-Urteil in [X.]E 239, 59, [X.], 228, Rz 20; [X.]surteil in [X.]/NV 2013, 723, Rz 26). Zum anderen wurde die mit der Änderung des § 31 Satz 4 [X.] angestrebte Verwaltungsvereinfachung, mit der die Einkommensteuerfestsetzung von Detailfragen der Kindergeldfestsetzung --wie z.B. dem Ablauf der Festsetzungsfrist für das [X.] freigehalten werden soll, als nachvollziehbarer sachlicher Grund für eine etwaige Ungleichbehandlung gewertet ([X.]-Urteil in [X.]E 239, 59, [X.], 228, Rz 20; [X.]surteil in [X.]/NV 2013, 723, Rz 27). Außerdem griff der [X.] auf die Rechtsprechung des [X.] zur früheren Methode des Familienleistungsausgleichs zurück. Danach wird dem einkommensteuerrechtlichen Prinzip der Besteuerung nach individueller Leistungsfähigkeit durch § 31 Satz 5, § 36 Abs. 2 [X.] a.[X.] hinreichend Rechnung getragen, wenn gezahltes Kindergeld der Einkommensteuer nur dann hinzugerechnet wird, wenn es dem Steuerpflichtigen zugeflossen ist, wobei ein Zufluss im Wege eines zivilrechtlichen Ausgleichs[X.] ausreicht ([X.]-Beschluss vom 13.10.2009 - 2 BvL 3/05, [X.]E 124, 282, [X.] 2009, 3785, unter [X.]). Diese Wertung hielt der [X.] auch auf den Fall für übertragbar, dass dem Steuerpflichtigen die Obliegenheit übertragen wird, für den Zufluss selbst Sorge zu tragen. Grundlage dieser Überlegung war jedoch, dass der Steuerpflichtige noch bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer einen entsprechenden Antrag mit den für die Bewilligung des Kindergeldes erforderlichen Angaben stellen kann ([X.]-Urteil in [X.]E 239, 59, [X.], 228, Rz 21).

(2) Hinsichtlich der Vereinbarkeit des § 31 Satz 4 [X.] mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der steuerlichen Freistellung des [X.] (Art. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG) berücksichtigte der [X.], dass die [X.] Minderung der Leistungsfähigkeit im Umfang des [X.] ausschließlich als Steuervergütung beansprucht werden kann und sich bei der Einkommensteuerveranlagung im Ergebnis nur noch die Differenz zwischen der [X.] durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 [X.] und dem Kindergeldanspruch auswirken kann ([X.]surteil in [X.]/NV 2013, 723, Rz 22). Das Kindergeld stellt dabei in seiner steuerrechtlichen Funktion einen --von der Mitwirkung des Berechtigten abhängigen-- Abschlag auf das steuerlich zu verschonende Existenzminimum eines Kindes dar. Dabei sah der [X.] die vom Gesetzgeber aufgestellte Erwartung als gerechtfertigt an, dass der Steuerpflichtige seinem mutmaßlichen Interesse folgt und den im laufenden Jahr bestehenden Anspruch auf Kindergeld auch tatsächlich realisiert. Diese Überlegung basierte aber wiederum auf der Grundannahme, dass der Steuerpflichtige nicht mit strukturellen --dem Gesetzgeber zuzurechnenden-- Problemen bei der Durchsetzung seines Anspruchs auf Kindergeld konfrontiert wird, wobei ausdrücklich auf die Abschaffung des § 66 Abs. 3 [X.] a.[X.] und die damit einhergehende Maßgeblichkeit der vierjährigen Festsetzungsfrist abgehoben wurde ([X.]surteil in [X.]/NV 2013, 723, Rz 23).

(3) Hinsichtlich der Vereinbarkeit mit der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) stellte der [X.] (Urteil in [X.]E 239, 59, [X.], 228, Rz 24 f.) darauf ab, dass es dem Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des [X.] zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Antragsfrist nach § 66 Abs. 3 [X.] a.[X.] ([X.]-Beschluss vom 06.11.2003 - 2 BvR 1240/02, [X.] --HFR-- 2004, 260, unter [X.], m.w.N.) grundsätzlich frei steht, die [X.] Minderung der Leistungsfähigkeit entweder im Steuerrecht zu berücksichtigen oder ihr stattdessen im Sozialrecht durch die Gewährung eines dafür ausreichenden Kindergeldes Rechnung zu tragen oder auch eine Entlastung im Steuerrecht und eine solche durch das Kindergeld miteinander zu kombinieren. Danach besteht kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf ein Wahlrecht zwischen Kindergeld und Kinderfreibetrag. Auch insoweit betonte der [X.] jedoch, dass die Kombination von Steuervergütung in Form eines [X.] und der lediglich ergänzenden Berücksichtigung einer dadurch nicht vollständig bewirkten [X.]n Minderung der Leistungsfähigkeit durch die Freibeträge in § 32 Abs. 6 [X.] deshalb keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, weil der Anspruch auf Kindergeld [X.] als nach § 66 Abs. 3 [X.] a.[X.]-- nicht mehr durch die Antragsfrist von sechs Monaten begrenzt ist, sondern bis zur Grenze der Festsetzungsfrist (s. dazu [X.]sbeschluss vom 31.01.2007 - III B 167/06, [X.]/NV 2007, 865) geltend gemacht werden kann ([X.]-Urteil in [X.]E 239, 59, [X.], 228, Rz 24).

b) Zutreffend hat das [X.] weiter angenommen, dass die sechsmonatige Ausschlussfrist nach § 66 Abs. 3 [X.] i.d.[X.] des Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz --[X.]--) vom 23.06.2017 ([X.], 1682, [X.], 865) dem Festsetzungsverfahren zuzuordnen ist.

aa) Nach § 66 Abs. 3 [X.] i.d.[X.] des [X.] wird das Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Die Regelung ist gemäß Art. 11 Abs. 2 [X.] am 01.01.2018 in [X.] getreten und gemäß § 52 Abs. 49a Satz 7 [X.] i.d.[X.] des Art. 7 Nr. 6 Buchst. c [X.] nur auf Anträge anzuwenden, die nach dem 31.12.2017 eingehen. Durch das Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch ([X.]) vom [X.] ([X.] 2019, 1066, BStBl I 2019, 814) wurde § 66 Abs. 3 [X.] mit Wirkung ab 18.07.2019 aufgehoben. Die Vorschrift ist deshalb nach § 52 Abs. 49a Satz 7 [X.] i.d.[X.] des [X.] auf [X.] anzuwenden, die nach dem 31.12.2017 und vor dem 18.07.2019 eingehen.

bb) Wie der [X.] in dem mittlerweile auch im BStBl veröffentlichten Urteil vom 19.02.2020 - III R 66/18 ([X.]E 268, 294, [X.] 2020, 704) entschieden hat, ist die Vorschrift nicht im Erhebungsverfahren, sondern bereits im Festsetzungsverfahren anzuwenden. Wegen der insoweit maßgeblichen Gründe verweist der [X.] zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter Rz 18 ff. des genannten [X.]surteils.

c) Weiter hält auch die Annahme des [X.], dass ein durch die Frist des § 66 Abs. 3 [X.] ausgeschlossener Anspruch bei der Günstigerrechnung und Hinzurechnung nach § 31 Satz 4 [X.] in Höhe von 0 € zu berücksichtigen ist, revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

aa) Zutreffend hat das [X.] angenommen, dass bei Anwendung des § 31 Satz 4 [X.] auch in den Fällen des Eingreifens der Ausschlussfrist nach § 66 Abs. 3 [X.] dem Grunde nach auf den Kindergeldanspruch und nicht etwa auf das gezahlte Kindergeld abzustellen ist. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Norm, wird aber auch durch den mit der Gesetzesänderung verfolgten Zweck der Vereinfachung der Steuererklärung und -festsetzung gefordert.

bb) Was die Höhe des anzusetzenden Anspruchs anbelangt, ist jedoch bei verfassungskonformer Auslegung des § 31 Satz 4 [X.] die materiell-rechtliche Wirkung der Ausschlussfrist auf den Kindergeldanspruch zu berücksichtigen und ein derart ausgeschlossener Kindergeldanspruch bei der Vergleichsrechnung und bei der Hinzurechnung nur in Höhe von 0 € zu berücksichtigen.

(1) Die Regelungen des Familienleistungsausgleichs sind unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen zuzuordnen. Zum einen geht es um die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Verschonung des [X.] (§ 31 Satz 1 [X.]), zum anderen dienen die Regelungen zum Kindergeld, soweit dieses für die steuerliche Freistellung nicht erforderlich ist, der Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 [X.]). Je nachdem, welcher dieser Bereiche betroffen ist, kommen unterschiedliche Maßstäbe für die verfassungsrechtliche Prüfung der Norm zur Anwendung ([X.]-Beschluss vom 08.06.2004 - 2 BvL 5/00, [X.]E 110, 412, Rz 64 ff., m.w.N.).

Insoweit ist der im Streitfall anzuwendende § 31 Satz 4 [X.] dem Regelungsbereich der steuerlichen Verschonung des [X.] zuzuordnen. Denn die Norm soll sicherstellen, dass auch bei Beziehern von höheren Einkommen, bei denen die Berücksichtigung der Freibeträge zu einer höheren steuerlichen Entlastung führt als sie durch den Anspruch auf Kindergeld bewirkt würde, jedenfalls die volle steuerliche Entlastung des [X.] (seit den Jahren 2000 bzw. 2002 einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung) gewährleistet ist.

Deshalb ist zu beachten, dass der Gesetzgeber bei der verfassungsrechtlich gebotenen einkommensteuerrechtlichen Freistellung des [X.] sowie bei der grundsätzlichen Ausrichtung der Steuerbelastung an der wirtschaftlichen bzw. finanziellen Leistungsfähigkeit tendenziell strikteren Bindungen unterliegt als bei sozialrechtlichen Regelungen zur Förderung der Familie ([X.]-Beschluss vom 11.01.2005 - 2 BvR 167/02, [X.]E 112, 164, Rz 34, m.w.N.). Auch wenn es dem Gesetzgeber freigestellt ist, wie in § 31 [X.] geschehen, eine Entlastung im Steuerrecht und eine solche durch das Kindergeld miteinander zu kombinieren, muss doch im Ergebnis das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum für alle Steuerpflichtigen --unabhängig von ihrem individuellen Grenzsteuersatz-- in voller Höhe von der Einkommensteuer freigestellt werden ([X.]-Beschluss in [X.]E 110, 412, Rz 69, m.w.N.). Ferner ist zu berücksichtigen, dass strukturelle, dem Gesetzgeber zuzurechnende Hindernisse bei der Durchsetzung des Steuer([X.])[X.] die Gleichheit im [X.] nicht gefährden dürfen ([X.]surteil in [X.]/NV 2013, 723, Rz 23; vgl. auch [X.]-Beschluss vom 27.06.1991 - 2 BvR 1493/89, [X.]E 84, 239, [X.] 1991, 654, Rz 108 ff.).

(2) Die verfassungskonforme Auslegung einer Norm ist dann geboten, wenn unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang und Zweck mehrere Deutungen möglich sind, von denen nicht alle, aber zumindest eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt ([X.]-Beschluss in [X.]E 112, 164, Rz 50, m.w.N.). Durch die Entstehungsgeschichte und den Gesetzeszweck werden der verfassungskonformen Auslegung Grenzen gezogen. Ein Normverständnis, das in Widerspruch zu dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers treten würde, kann auch im Wege verfassungskonformer Auslegung nicht begründet werden ([X.]-Beschluss in [X.]E 112, 164, Rz 50, m.w.N.).

(3) Dies zugrunde gelegt, bietet § 31 Satz 4 [X.] Raum für eine verfassungskonforme Auslegung.

Nach dem Wortlaut der Norm ist sowohl hinsichtlich der Günstigerrechnung als auch der Hinzurechnung im Falle der Freibetragslösung auf den "Anspruch auf Kindergeld" abzustellen. Zur Frage, wie dieser Anspruch ermittelt wird und in welcher Höhe der Anspruch anzusetzen ist, enthält § 31 Satz 4 [X.] keine Aussage. Vielmehr ist insoweit, wie sich auch aus § 31 Satz 1 [X.] ergibt, auf die materiell-rechtlichen Regelungen der §§ 62 ff. [X.] zurückzugreifen. Wie der [X.] bereits entschieden hat, gehört zu diesen materiell-rechtlichen Regelungen auch die bereits im Festsetzungsverfahren zu berücksichtigende Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 [X.] ([X.]surteil in [X.]E 268, 294, BStBl II 2020, 704, Rz 18 ff.). Diese Regelung ist zwar gemäß Art. 11 Abs. 2 [X.] erst am 01.01.2018 und mithin nach dem hier streitigen Veranlagungszeitraum in [X.] getreten. Da sie aber auf alle Anträge anzuwenden ist, die nach dem 31.12.2017 und vor dem 18.07.2019 eingehen, entfaltet sie ihre materiell-rechtliche Wirkung auch für Kindergeldansprüche des Veranlagungszeitraums 2017, die bei Geltung der regulären vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung --AO--) noch nicht ausgeschlossen wären. Würde man dagegen, wie das [X.] Köln im Urteil vom 05.02.2020 - 14 K 1612/19 (juris, Rz 15), materiell-rechtliche Regelungen nur insoweit berücksichtigen, als sie im betreffenden Veranlagungszeitraum bereits in [X.] waren, stünde es dem Gesetzgeber frei, den Kindergeldanspruch für einen Veranlagungszeitraum durch eine nach dessen Ablauf in [X.] tretende Regelung wieder zu entziehen, ohne dass sich dies auf die Günstigerrechnung und die Hinzurechnung auswirken würde.

Auch die Entstehungsgeschichte des § 31 Satz 4 [X.] lässt keine durchgreifenden Bedenken erkennen. Wie unter [X.] ausgeführt wurde, beruhte die Umstellung der Regelungen zur Günstigerrechnung und Hinzurechnung des Kindergeldes vom "gezahlten Kindergeld" zum "Kindergeldanspruch" maßgeblich auf dem angestrebten [X.]. Diese Vereinfachung kann auch bei Berücksichtigung der Ausschlussfrist erreicht werden. Denn auch in diesen Fällen muss die Einkommensteuerfestsetzung nicht von der --gegebenenfalls später wieder [X.] abhängig gemacht werden. Vielmehr kann das [X.] selbstständig und unabhängig von der rechtlichen Wertung der Familienkasse die Wirkung der Ausschlussfrist beurteilen, wenn es Kenntnis über den Zeitpunkt des Eingangs des [X.]s erlangt hat. Dass das [X.] insoweit nähere Angaben des Steuerpflichtigen zum Zeitpunkt der Stellung des [X.]s braucht oder hierzu im Rahmen der Amtsermittlungspflicht eigene Ermittlungen anstellen muss, stellt zwar eine Verfahrenskomplizierung dar. Diese ist aber notwendige Konsequenz der vom späteren Gesetzgeber getroffenen Entscheidung, mit der Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 [X.] eine zusätzliche materiell-rechtliche Voraussetzung für den Kindergeldanspruch einzuführen. Insoweit stellt sich die Lage nicht anders dar als in den Fällen, in denen der Gesetzgeber beispielsweise durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/[X.] und weiterer Vorschriften vom 02.12.2014 ([X.] 2014, 1922; [X.], 54) in § 62 Abs. 1 Satz 2 [X.] oder durch das [X.] vom [X.] ([X.] 2019, 1066; BStBl I 2019, 814) in § 62 Abs. 1a [X.] neue materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzungen eingefügt hat. Auch muss der Steuerpflichtige im Rahmen seiner Steuererklärung nicht selbst berechnen, welcher Kindergeldbetrag für welches Kind gezahlt wurde, sondern nur angeben, ob und wann er für welches Kind einen [X.] gestellt hat. Zudem wurde im Gesetzgebungsverfahren zur Schaffung des § 31 Satz 4 [X.] gerade vorausgesetzt, dass es dem Steuerpflichtigen nach Abschaffung des § 66 Abs. 3 [X.] in der bis zum Kalenderjahr 1997 geltenden Fassung möglich ist, das Kindergeld bis zur Grenze der Festsetzungsverjährung zu beantragen. Dann entspricht es aber auch dem im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen, ein nachträglich eingeführtes materielles Kriterium zu berücksichtigen, das diese Möglichkeit des Steuerpflichtigen massiv einschränkt. Nichts Gegenteiliges ergibt sich auch aus dem Gesetzgebungsverfahren zur Einführung des § 66 Abs. 3 [X.]. Denn insoweit hat sich der Gesetzgeber mit dem Verhältnis des § 66 Abs. 3 [X.] zu § 31 Satz 4 [X.] nicht näher auseinandergesetzt. Vielmehr hat er nur festgestellt, dass zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums eines Kindes eine mehrjährige Rückwirkung nicht erforderlich sei, da Anträge auf Kindergeld regelmäßig zeitnah gestellt werden. Zu der Frage, was in den Fällen zu geschehen habe, in denen der [X.] nicht zeitnah, aber noch innerhalb der Festsetzungsfrist gestellt wurde, findet sich keine Aussage (BTDrucks 18/12127, S. 62).

Schließlich entspricht es dem Sinn und Zweck des § 31 Satz 4 [X.], durch § 66 Abs. 3 [X.] ausgeschlossene Kindergeldansprüche in Höhe von 0 € zu berücksichtigen. Wie unter [X.] ausgeführt wurde, hat der [X.] den mit der Norm verfolgten [X.] mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) insoweit für gerechtfertigt gehalten, als der Steuerpflichtige der ihm auferlegten Obliegenheit zur Beantragung des Kindergeldes innerhalb der regulären Festsetzungsfrist genügen kann. Gleiches gilt, soweit der mit § 31 Satz 4 [X.] bezweckte [X.] das verfassungsrechtliche Gebot der steuerlichen Freistellung des [X.] (Art. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG) berührt. Obgleich der Kindergeldanspruch nach § 66 Abs. 2 [X.] dem Monatsprinzip folgt, ist er vielfach von Voraussetzungen abhängig, die eine Betrachtung eines mehrmonatigen Zeitraums erfordern oder erst mit erheblichem zeitlichen Abstand zum Anspruchsmonat beurteilt werden können. So verlangt bereits der von § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] vorausgesetzte Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt nach § 8 und § 9 AO regelmäßig die Betrachtung eines mehrmonatigen Zeitraums. Ebenso lässt sich die Frage, ob der Anspruchsteller nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b [X.] nach § 1 Abs. 3 [X.] als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird, abschließend erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums und nach Durchführung des Veranlagungsverfahrens beurteilen. Gleiches gilt etwa für die Frage, ob die maximal viermonatige Übergangszeit des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b [X.] eingehalten wurde, ob einer längerdauernden Erkrankung des Kindes bereits Behinderungscharakter i.S. des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 [X.] zukommt oder ob der vorübergehende Aufenthalt des Kindes bei einem Elternteil eine Haushaltsaufnahme i.S. des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 [X.] begründet. Insoweit stellt es ein strukturelles --dem Gesetzgeber zuzurechnendes-- Hindernis bei der Durchsetzung des Anspruchs auf Kindergeld dar, wenn der Anspruch innerhalb eines sechsmonatigen Zeitraums geltend gemacht werden muss. Daher erfordert es das verfassungsrechtliche Gebot der steuerlichen Freistellung des [X.], dass durch die Ausschlussfrist betroffene Kindergeldansprüche mit 0 € berücksichtigt werden, wenn sich bei der Festsetzung der Einkommensteuer herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der [X.]n Freibeträge vorliegen. Schließlich hat der [X.] auch die Vereinbarkeit des [X.]s des § 31 Satz 4 [X.] mit der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) mit Rücksicht darauf bejaht, dass der Anspruch auf Kindergeld bis zur Grenze der Festsetzungsfrist geltend gemacht werden kann ([X.]-Urteil in [X.]E 239, 59, [X.], 228, Rz 24).

2. Die hiergegen vom [X.] mit der Revision vorgetragenen Argumente führen zu keiner anderen Beurteilung.

a) Soweit das [X.] meint, für die vom [X.] vertretene Gesetzesauslegung bestehe erst ab dem [X.] durch den neu eingefügten § 31 Satz 5 [X.] eine gesetzliche Grundlage, ist zwar zu berücksichtigen, dass diese Regelung erst durch das [X.] vom [X.] ([X.] 2019, 1066, BStBl I 2019, 814) eingefügt wurde, am 18.07.2019 in [X.] getreten und somit nach § 52 Abs. 1 Satz 1 [X.] erstmals im Veranlagungszeitraum 2019 anzuwenden ist. Auch betrifft diese Regelung nach ihrem klaren Wortlaut nur die ebenfalls neu eingefügte Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Allerdings ergibt sich daraus kein Hindernis für die vom [X.] und der Vorinstanz vertretene Auslegung des § 31 Satz 4 [X.]. Diese Auslegung stützt sich [X.] als auch das [X.] Köln im Urteil vom 05.02.2020 - 14 K 1612/19 (juris, Rz 19) meint-- nicht auf eine Lückenfüllung, die durch eine Analogie zu § 31 Satz 5 [X.] erfolgt. Vielmehr geht es um eine verfassungskonforme Auslegung des in § 31 Satz 4 [X.] verwendeten Begriffes "Anspruch auf Kindergeld". Allerdings lässt sich die Entwurfsbegründung zur Einführung des § 31 Satz 5 [X.] durchaus als Bestätigung der vom [X.] vertretenen Auslegung verstehen. Denn insoweit erkennt der Gesetzgeber ausdrücklich an, dass das Gebot der steuerlichen Verschonung des [X.] es erfordert, die neu geregelte Ausschlussfrist bei der Günstigerrechnung zu berücksichtigen. Die Revision lässt dagegen unbeantwortet, weshalb dieser verfassungsrechtliche Maßstab in Bezug auf § 66 Abs. 3 [X.] nicht zur Anwendung gelangen soll oder eines besonderen einfachrechtlichen Anwendungsbefehls bedarf.

b) Die vom [X.] geforderte Abkoppelung des Besteuerungsverfahrens vom Kindergeldfestsetzungsverfahren ist nach der hier vertretenen Auslegung gewährleistet, weil das [X.] nicht an das tatsächlich ausgezahlte Kindergeld anzuknüpfen, sondern die Wirkung der Ausschlussfrist unter Berücksichtigung des Zeitpunkts des [X.] selbst zu beurteilen hat.

c) Nicht zuzustimmen vermag der [X.] der vom [X.] vertretenen These, dass sich aus der Aufzählungsreihenfolge des § 31 Satz 4 [X.] die Nachrangigkeit der [X.]n Freibeträge gegenüber dem Kindergeld ergebe. Vielmehr folgt aus § 31 Satz 4 [X.], dass den [X.]n Freibeträgen mit Blick auf die steuerliche Freistellung des [X.] die ausschlaggebende Bedeutung zukommt.

d) Soweit das [X.] meint, die von der Vorinstanz und vom [X.] gebilligte Auslegung des § 31 Satz 4 [X.] bewirke selbst eine Ungleichbehandlung, da einkommensschwache Eltern die Entlastung nur durch die rechtzeitige Beantragung des Kindergeldes erhalten könnten, während [X.] Eltern bis zu sieben [X.] hätten, die steuerliche Entlastung geltend zu machen, ist dem ebenfalls nicht zuzustimmen. Hinsichtlich der steuerlichen Entlastung des [X.] werden beide Gruppen gleich behandelt. Sie können die letztlich ausschlaggebenden [X.]n Freibeträge --vorbehaltlich einer bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung-- bis zur Grenze der Festsetzungsverjährung geltend machen. Der Kindergeldanspruch wird nach § 31 Satz 4 [X.] bei beiden Gruppen in gleicher Weise berücksichtigt, unabhängig davon, ob er von der Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 [X.] betroffen ist oder nicht. Unterschiede zwischen beiden Gruppen gibt es nur, soweit die Sozialleistungsfunktion des Kindergeldes betroffen ist. Insoweit müssen einkommensschwache Eltern ihren Kindergeldanspruch in der Tat innerhalb der Ausschlussfrist geltend machen. Dadurch werden sie aber gegenüber [X.]n Eltern nicht benachteiligt, weil diese schon gar nicht in den Genuss der Sozialleistungsfunktion des Kindergeldes kommen.

e) Es ist zutreffend, dass der [X.] die bis zum Kalenderjahr 1997 geltende Ausschlussfrist in § 66 Abs. 3 [X.] im Urteil vom 14.05.2002 - VIII R 68/00 ([X.]/NV 2002, 1293) und zuvor schon das [X.] (Urteil vom 22.11.1979 - 8b [X.] 3/79, [X.], 154) entsprechende Ausschlussfristen im Bundeskindergeldgesetz als verfassungsgemäß beurteilt haben. Im vorliegenden Verfahren geht es aber nicht um die Verfassungsmäßigkeit des § 66 Abs. 3 [X.], sondern um die Frage, inwieweit ein von dieser Ausschlussfrist betroffener Kindergeldanspruch im Rahmen des § 31 Satz 4 [X.] zu berücksichtigen ist. Ebenso geht der Hinweis auf den Nichtannahmebeschluss des [X.] in HFR 2004, 260 fehl. Denn in diesem Beschluss hat das [X.] ausdrücklich betont, dass der Schutz vor einem einkommensteuerlichen Zugriff auf das [X.] bereits durch die Freibetragsregelungen gewährleistet wird und es in diesem Verfahren ausschließlich um die Sozialleistungsfunktion des Kindergeldes ging. Ebenso hat das [X.] darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber bei der Gewährung einer staatlichen Sozialleistung eine größere Gestaltungsfreiheit hat als bei der steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen. Im vorliegenden Verfahren geht es aber nicht um eine Sozialleistung, sondern darum, dass die Freibetragsregelungen ihre existenzsichernde Wirkung entfalten können. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob es auch bei anderen Sozialleistungen Ausschlussfristen gibt.

f) Schließlich reicht es auch nicht aus, dass die Kläger durch die vom [X.] vorgenommene Berechnungsmethode eine Teilverschonung des [X.] in Höhe von 1.168 € erhalten haben. Bereits aus § 31 Satz 4 Halbsatz 1 [X.] ergibt sich, dass das Gesetz eine vollständige Entlastung des durch das [X.] gebundenen Einkommens fordert. Zudem wurde bereits ausgeführt, dass es dem Gesetzgeber zwar freigestellt ist, wie in § 31 [X.] geschehen, eine Entlastung im Steuerrecht und eine solche durch das Kindergeld miteinander zu kombinieren. Jedenfalls muss aber im Ergebnis das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum für alle Steuerpflichtigen --unabhängig von ihrem individuellen Grenzsteuersatz-- in voller Höhe von der Einkommensteuer freigestellt werden ([X.]-Beschluss in [X.]E 110, 412, Rz 69, m.w.N.).

3. Die vom [X.] vorgenommene Auslegung entspricht im Übrigen auch der herrschenden Meinung in der Literatur (Avvento in Kirchhof, 18. Aufl., § 66 Rz 11; [X.]/[X.], [X.], 40. Aufl., § 31 Rz 11; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 66 Rz 73; [X.] in [X.]/[X.], § 66 [X.] Rz 42; ähnlich [X.]/[X.], § 31 [X.] Rz 54; [X.] [X.]/[X.], 9. [X.]. [01.01.2021], [X.] § 66 Rz 58; verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf das Verhältnis zwischen § 66 Abs. 3 [X.] und § 31 Satz 4 [X.] auch bei [X.] in [X.], § 66 [X.] Rz 15).

4. Bei Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ist das [X.] zu Recht davon ausgegangen, dass der Kindergeldanspruch der Kläger bei der Günstigerrechnung und der Hinzurechnung nur in Höhe von 384 € zu berücksichtigen ist.

a) Der Kläger erfüllte die Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a [X.], da sich der volljährige [X.] während des gesamten [X.] in einer Berufsausbildung befand.

b) Da der Kläger den [X.] erst am 23.05.2018 und somit nach dem 31.12.2017, aber noch vor dem 18.07.2019 stellte, wird sein Kindergeldanspruch durch die Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 [X.] begrenzt. Ein Kindergeldanspruch besteht daher rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Für den Veranlagungszeitraum 2017 besteht der Kindergeldanspruch daher nur für die Monate November und Dezember und mithin in Höhe von 384 €.

c) Bei der Günstigerrechnung nach § 31 Satz 4 Halbsatz 1 [X.] ist der durch § 66 Abs. 3 [X.] für die Monate Januar bis Oktober 2017 ausgeschlossene Kindergeldanspruch in Höhe von 0 € anzusetzen, da er noch innerhalb der regulären Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. [X.] geltend gemacht wurde. Nachdem die im Einkommensteuerbescheid 2017 vom 24.07.2018 durchgeführte Günstigerrechnung bereits unter Ansatz eines [X.] in Höhe von 2.304 € ergab, dass die [X.]n Freibeträge günstiger sind als der Anspruch auf Kindergeld, gilt dies erst recht bei Ansatz eines [X.] in Höhe von 384 €.

d) Das [X.] hat daher dem [X.] zu Recht aufgegeben, bei der Hinzurechnung nach § 31 Satz 4 Halbsatz 1 [X.] den Kindergeldanspruch nur in Höhe von 384 € zu berücksichtigen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III R 50/19

26.05.2021

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 17. September 2019, Az: 6 K 174/19, Urteil

§ 31 S 1 EStG 2009, § 31 S 4 EStG 2009, § 32 Abs 6 EStG 2009, § 66 Abs 3 EStG 2009 vom 23.06.2017, Art 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG, EStG VZ 2017

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.05.2021, Az. III R 50/19 (REWIS RS 2021, 5519)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5519

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