Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.04.2013, Az. VIII ZR 225/12

8. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6552

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Gegenstand

Stromlieferungsvertrag: Auslegung einer Bonusklausel


Leitsatz

Zur Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung in einem Stromlieferungsvertrag über die Gewährung eines sogenannten "Aktionsbonus" für Neukunden.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 29. Juni 2012 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines "[X.]" aus einem Stromlieferungsvertrag.

2

Der Kläger bezog von der Beklagten Strom aufgrund eines Vertrages, der am 1. Mai 2010 begann. Die in das Vertragsverhältnis einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Stand: 2. Februar 2010) enthalten in Ziffer 7.3 folgende Regelung:

"Wenn Sie als Neukunde einen Vertrag mit [X.][Beklagte] schließen, gewährt Ihnen [X.]  einen einmaligen [X.]. Dieser wird nach 12 Monaten Belieferungszeit fällig und spätestens mit der ersten Jahresrechnung verrechnet. Neukunde ist, wer in den letzten 6 Monaten vor Vertragsschluss in seinem Haushalt nicht von [X.]beliefert wurde. Der [X.] entfällt bei Kündigung innerhalb des ersten Belieferungsjahres, es sei denn die Kündigung wird erst nach Ablauf des ersten Belieferungsjahres wirksam."

3

Das Vertragsverhältnis endete aufgrund fristgerechter Kündigung des [X.] nach einem Jahr Belieferung mit Ablauf des 30. April 2011. In der Schlussrechnung vom 19. September 2011 berücksichtigte die Beklagte nicht den der Höhe nach unstreitigen [X.] von 140 €.

4

Mit seiner Klage begehrt der Kläger Zahlung des [X.] sowie weiterer 102,18 €, insgesamt 242,18 € nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat der Klage - nach Anerkenntnis der Beklagten hinsichtlich des [X.] von 102,18 € nebst Zinsen - stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage hinsichtlich der [X.]zahlung abgewiesen. Der Kläger begehrt mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

7

Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zahlung des [X.] in Höhe von 140 € gegen die Beklagte nach deren [X.] nicht zu, weil er die Kündigung bereits zum Ablauf der [X.] von einem Jahr ausgesprochen habe. Entgegen der Auffassung des [X.] sei die Klausel bereits nach ihrem Wortlaut eindeutig. Unter Zugrundelegung des Empfängerhorizonts eines rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Vertragspartners ergebe die Auslegung der Klausel, dass der Kunde einen Anspruch auf Zahlung des [X.] erst dann erhalte, wenn er länger als zwölf Monate Strom von der [X.] bezogen habe. Dies folge aus der einschränkenden Formulierung in Ziffer 7.3 der [X.] der [X.] im Zusammenhang mit der Auswirkung einer Kündigung innerhalb des ersten Belieferungsjahres auf den [X.]anspruch: "… es sei denn, die Kündigung wird erst nach Ablauf des ersten Belieferungsjahres wirksam". Der eindeutige Wortlaut der Klausel besage, dass der [X.] bei einer Kündigung innerhalb des ersten Belieferungsjahres entfalle. Dies bedeute zunächst einmal, dass bei allen Kündigungen innerhalb des ersten Jahres der [X.] nicht gewährt werde. Anschließend werde eine Rückausnahme vom Entfallen des [X.] gemacht, wenn die - wie vorliegend - innerhalb des ersten Belieferungsjahres erklärte Kündigung erst nach und nicht zum Ablauf des ersten Belieferungsjahres wirksam werde. Entgegen der Auffassung des [X.] sei die unterschiedliche Bedeutung von "nach Ablauf" und "zum Ablauf" eindeutig erkenn- und begreifbar. Bei einem am 1. April beginnenden Vertrag bedeute "zum Ablauf" den 30. April des Folgejahres und "nach Ablauf" den 1. Mai des Folgejahres. Ebenso verhalte es sich mit dem Begriff der Wirksamkeit. Allein eine Mehrzahl unterschiedlicher Gerichtsentscheidungen vermöge den eindeutigen Wortlaut der Klausel nicht unklar zu machen.

II.

8

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

9

1. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Klauselauslegung unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung, da bei [X.] ungeachtet der Frage, ob sie über den räumlichen Bezirk des [X.] hinaus Verwendung finden, ein Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung besteht ([X.]surteile vom 9. Februar 2011 - [X.], NJW 2011, 1342 Rn. 29; vom 9. Juni 2010 - [X.], NJW 2010, 2877 Rn. 11 mwN). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind - ausgehend von den [X.] eines rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Vertragspartners - einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten [X.] verstanden werden ([X.]surteile vom 9. Februar 2011 - [X.], aaO, und 9. Juni 2010 - [X.], aaO Rn. 12). Dabei sind sie unabhängig von der Gestaltung des Einzelfalls sowie dem Willen und den Belangen der jeweils konkreten Vertragspartner nach ihrem typischen Sinn auszulegen. Ansatzpunkt für die bei einem Formularvertrag gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der [X.] (st. Rspr.; [X.]surteil vom 8. April 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 1021 Rn. 19 mwN).

2. Hieran gemessen hält die Auslegung der vorliegenden Klausel durch das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht rügt, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der [X.] teilt nicht die Auffassung des [X.] und einiger Instanzgerichte (vgl. [X.], Urteil vom 13. Januar 2012 - 56 S 58/11, juris; [X.], Urteil vom 6. Oktober 2011 - 15 C 1176/11, juris; [X.], Urteil vom 14. Dezember 2010 - 21 C 640/10, juris), wonach der Wortlaut der Klausel eindeutig in dem Sinne sei, dass ein Anspruch auf den [X.] nur bestehe, wenn der Stromlieferungsvertrag länger als ein Jahr bestanden habe. Vielmehr kann die Formulierung der vorliegenden Klausel für einen juristisch nicht vorgebildeten Kunden ohne weiteres dahin verstanden werden, dass ein Anspruch auf den [X.] bereits dann besteht, wenn der [X.] bestanden hat (vgl. [X.], Urteil vom 29. Dezember 2010 - 12 O 76/10 KfH, juris; [X.], Urteil vom 17. Januar 2011- 3 C 355/10, juris; [X.], Urteil vom 30. April 2012 - 111 [X.], juris). Die Klausel ist deshalb nach § 305c Abs. 2 BGB in diesem Sinne auszulegen. Das Vorbringen der [X.] in der Revisionserwiderung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Auslegung, nach der für den [X.]anspruch erforderlich sei, dass der [X.] als ein Jahr bestanden habe, mag auch möglich sein, beseitigt aber nicht die bestehenden Auslegungszweifel.

III.

Da die Revision begründet ist, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] entscheidet in der Sache selbst, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Da der Stromlieferungsvertrag zwischen den Parteien - wie von Ziffer 7.3 der [X.] der [X.] gefordert - ein volles Jahr bestand, hat der Kläger, wie das Amtsgericht zutreffend entschieden hat, Anspruch auf Zahlung des der Höhe nach unstreitigen [X.]. Die Berufung der [X.] gegen das der Klage stattgebende Urteil des Amtsgerichts ist daher zurückzuweisen.

[X.]                           Dr. Frellesen                             Dr. Achilles

           Dr. Fetzer                              Dr. Bünger

Meta

VIII ZR 225/12

17.04.2013

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Ravensburg, 29. Juni 2012, Az: 1 S 31/12

§ 305c Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.04.2013, Az. VIII ZR 225/12 (REWIS RS 2013, 6552)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6552

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