Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 17.02.2011, Az. IX ZR 91/10

9. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 9342

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Insolvenzanfechtung: Abtretbarkeit des Rückgewähranspruchs


Leitsatz

Der aus Insolvenzanfechtung folgende Rückgewähranspruch kann abgetreten werden .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 22. April 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Klage aus abgetretenem Recht des Verwalters im Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] betrifft.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (fortan: Schuldnerin). Eine der Gesellschafterinnen der Schuldnerin, die [X.] (fortan: Gesellschafterin), ist ebenfalls insolvent. Der Beklagte ist Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Gesellschafterin. Am 4. Mai 2009 trat der Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschafterin [X.] gegen den Beklagten an den Kläger ab, die ein Pfandrecht an zwei näher bezeichneten Konten betrafen.

2

Der Kläger hat aus eigenem, hilfsweise aus abgetretenem Recht des Verwalters im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschafterin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, der Aufhebung des Pfandrechts an den Konten zuzustimmen. Das [X.] hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt und die Aktivlegitimation des [X.] aus seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter sowie aus der Abtretung hergeleitet. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen bisherigen Klageantrag weiter, soweit er auf abgetretenem Recht beruht.

Entscheidungsgründe

3

Da der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war, ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht aber nicht auf der Säumnis, sondern auf einer umfassenden Sachprüfung (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 1962 - [X.], [X.]Z 37, 79, 82).

4

Die Revision führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

5

Das Berufungsgericht hat ausgeführt ([X.], 483): Die Abtretung des Insolvenzanfechtungsrechts sei aus Rechtsgründen unwirksam. [X.] und [X.] hätten vielfach entschieden, dass das Anfechtungsrecht untrennbar mit dem [X.] verbunden sei; dies entspreche auch der bisher herrschenden Meinung in der Literatur. Die Rückgewähr an einen Zessionar stehe im Widerspruch zum Zweck des [X.]. Die Abtretung [X.] überdies die Rechte von [X.] gemäß § 18 [X.].

II.

6

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

7

1. Der insolvenzrechtliche Anfechtungsanspruch ist als schuldrechtlicher Anspruch auf Rückführung des anfechtbar weggegebenen Vermögensgegenstandes zur Insolvenzmasse ausgestaltet ([X.], Urteil vom 21. September 2006 - [X.], [X.], 2176 Rn. 10, 14 ff; BT-Drucks. 12/2443, [X.]). Gemäß § 143 Abs. 1 [X.] ist dasjenige, was durch eine anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, zur Insolvenzmasse zurückzugewähren. Der Anfechtungsanspruch unterliegt dem Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters (§ 80 [X.]). Dieser kann den [X.] nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Verzug setzen (§§ 286 ff BGB), die geschuldete Leistung als Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) oder eine andere als die geschuldete Leistung an [X.] statt oder erfüllungshalber (§ 364 BGB) entgegennehmen, einen Vergleich über den Anfechtungsanspruch schließen (vgl. hierzu Kreft, [X.] S. 965 mwN) oder ihn erlassen (§ 397 BGB). Er kann ihn durch Klage oder im Wege der Einrede geltend machen oder den Schuldner ermächtigen, ihn als Prozessstandschafter einzuklagen (vgl. [X.], Urteil vom 19. März 1987 - [X.], [X.]Z 100, 217, 218).

8

2. Eine Forderung kann von dem Gläubiger durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden. Mit dem Abschluss des Vertrages tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers (§ 398 BGB). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (ebenso aber [X.], 71, 76; [X.], Urteil vom 10. Februar 1982 - [X.], [X.]Z 83, 102, 105; [X.]/[X.], [X.]. § 37 Rn. 83; [X.]/K.Schmidt, [X.] 17. Aufl. § 36 KO Anm. 2; FK-[X.]/[X.], 6. Aufl. § 143 Rn. 33; [X.], Insolvenzrecht 4. Aufl. Rn. 21.108 mit [X.]. 513; weitere Nachweise der älteren Rechtsprechung und Literatur bei [X.]/[X.], [X.] § 143 Rn. 101 [X.]. 240) ist die Abtretung des [X.] nicht gemäß § 399 Halbsatz 1 BGB ausgeschlossen ([X.]/[X.], [X.] § 143 Rn. 102; MünchKomm-[X.]/Kirchhof, 2. Aufl. § 129 Rn. 214 ff; HK-[X.]/Kreft, aaO § 129 Rn. 91; Graf-Schlicker/[X.], [X.] 2. Aufl. § 129 Rn. 29; [X.]/[X.], [X.] 13. Aufl. § 129 Rn. 18; [X.] in [X.], [X.] § 143 Rn. 8; HmbKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 143 Rn. 92 f; [X.], [X.] (1993), 585, 608 f). Die Rückgewähr eines anfechtbar aus dem Vermögen des Schuldners weggegebenen Vermögensgegenstandes durch dessen Übertragung an einen anderen Gläubiger als die Insolvenzmasse (vgl. § 143 [X.]) kann ohne Veränderung des [X.] erfolgen.

9

a) Die Rückgewähr des Vermögensgegenstandes an einen Dritten widerspricht nicht dem Zweck des [X.]. Aufgabe der Insolvenzanfechtung ist, den Bestand des den Gläubigern haftenden [X.] dadurch wiederherzustellen, dass bestimmte Vermögensverschiebungen rückgängig gemacht werden (BT-Drucks. 12/2443, [X.]). Dieser Zweck kann auch dann erreicht werden, wenn der Insolvenzverwalter nicht den anfechtbar weggegebenen Vermögensgegenstand zurückerhält, sondern den [X.] verwertet. Voraussetzung ist nur, dass eine gleichwertige Gegenleistung zur Masse gelangt. Die dem Insolvenzverwalter obliegende Verwertung der Masse (§ 159 [X.]) kann - etwa dann, wenn die Masse die Prozesskosten nicht aufbringen kann, die Gläubiger keinen Prozesskostenvorschuss leisten oder der Anfechtungsprozess schwierig und langwierig zu werden verspricht - durch die Abtretung des [X.] sogar erleichtert und beschleunigt werden.

Das [X.] ([X.], 71, 76) hat die Abtretung (auch) deshalb für unzulässig gehalten, weil "die Valuta der Abtretung", die zur Masse zu zahlende Gegenleistung also, regelmäßig hinter dem Wert des Anspruchs zurückbleiben müsse. Dieses Argument spricht jedoch nicht gegen eine Abtretung schlechthin, sondern nur gegen eine Abtretung ohne hinreichende Gegenleistung ([X.]/[X.], [X.]. § 37 Rn. 83). Der Schutz der Masse kann insoweit durch die allgemeinen Regeln bewirkt werden. Eine Abtretung ohne Gegenleistung wird in der Regel insolvenzzweckwidrig und damit nichtig sein; eine "Verschleuderung" zu einem in Anbetracht aller Umstände (Kosten der Rechtsverfolgung; Prozessrisiko) unangemessen niedrigen Preis eröffnet den Anwendungsbereich des § 60 [X.].

b) Die Rechte des [X.] werden durch die Abtretung nicht beeinträchtigt. Gemäß § 404 BGB kann er dem neuen Gläubiger diejenigen Einwendungen entgegensetzen, die zur [X.] der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Seine Ansprüche aus § 144 [X.] bleiben dem [X.] ebenfalls erhalten. Er kann sie auch nach der Abtretung gegen den Insolvenzverwalter geltend machen.

c) Das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters erlischt mit der vorbehaltlosen Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens (§§ 200, 207 ff, 258 ff [X.]; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 2. April 2009 - [X.], [X.], 825 Rn. 22). Ob dies auch nach einer Abtretung gilt, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird angenommen, jedenfalls dann, wenn eine vollwertige Gegenleistung in die Masse gelangt sei, erlösche das auf den Zessionar übergegangene Anfechtungsrecht durch die Verfahrensbeendigung nicht ([X.]/[X.], aaO § 143 Rn. 102; wohl auch [X.], aaO S. 606 f; [X.]/[X.], aaO § 129 Rn. 24). Nach anderer Ansicht ist die Rechtsstellung des Abtretungsempfängers ebenso wie diejenige des Insolvenzverwalters an die Dauer des Insolvenzverfahrens geknüpft (MünchKomm-[X.]/Kirchhof, aaO § 129 Rn. 221).

Im vorliegenden Fall bedarf diese Frage keiner Entscheidung. Es ist weder festgestellt noch von den Parteien vorgetragen worden, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschafterin aufgehoben worden ist. Auch wenn man jedoch grundsätzlich an der Voraussetzung des eröffneten Insolvenzverfahrens festhalten möchte, spricht dies nicht entscheidend gegen die [X.] aus der Insolvenzanfechtung. Gemäß § 259 Abs. 3 [X.] kann der Insolvenzverwalter nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans und Aufhebung des Verfahrens einen anhängigen [X.]streit fortführen, wenn dies im gestaltenden Teil des Plans vorgesehen ist (vgl. hierzu BT-Drucks. 12/2443, [X.]; [X.], Urteil vom 6. Oktober 2005 - [X.], [X.], 39 Rn. 10). In entsprechender Anwendung dieser Vorschrift könnte in einen Insolvenzplan aufgenommen werden, dass ein von einem Zessionar geführter Anfechtungsprozess nach [X.] fortgesetzt werden darf. In den anderen Fällen der Aufhebung eines Insolvenzverfahrens bleibt der Insolvenzverwalter dann befugt, anhängige (Anfechtungs-) Prozesse fortzusetzen und neue einzuleiten, wenn insoweit eine Nachtragsverteilung angeordnet wird (§ 203 Abs. 1, 2 [X.]; vgl. [X.], Urteil vom 10. Dezember 2009 - [X.], [X.], 99 Rn. 8). Eine entsprechende Anordnung könnte zugunsten des Zessionars getroffen werden (HK-[X.]/Kreft, aaO § 129 Rn. 91; MünchKomm-[X.]/Kirchhof, aaO § 129 Rn. 221).

d) Die Abtretung des [X.] steht schließlich nicht im Widerspruch zu § 18 [X.]. Nach § 18 [X.] können Anfechtungsansprüche nach dem Anfechtungsgesetz, die während des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden konnten, nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens von den einzelnen Gläubigern geltend gemacht werden. Wird der Anspruch abgetreten, stellt dies jedoch nicht, wie das Berufungsgericht meint, eine Verfügung über aufschiebend bedingte Rechte Dritter dar. Während des Insolvenzverfahrens verdrängen die Rechte der Gläubigergesamtheit, die vom Verwalter geltend gemacht werden, die Ansprüche einzelner Gläubiger nach dem Anfechtungsgesetz. Der Insolvenzverwalter hat die Ansprüche gemäß §§ 129 ff, 143 [X.] durchzusetzen. Auf Ansprüche einzelner Gläubiger nach dem Anfechtungsgesetz, die nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens von diesen geltend gemacht werden könnten, kann und darf er hierbei keine Rücksicht nehmen. Mit der Rückgewähr des fraglichen Vermögensgegenstandes zur Insolvenzmasse (§ 143 Abs. 1 [X.]) erlischt zugleich jeder Einzelanfechtungsanspruch. Der Insolvenzverwalter hat in diesem Fall über ein eigenes Recht der Masse verfügt, nicht über ein fremdes Recht des zur Einzelanfechtung berechtigten Gläubigers. Für die Abtretung der Ansprüche gilt nichts anderes als für ihre Einziehung. Wie gezeigt, kann auch durch sie der Wert des anfechtbar weggegebenen Vermögensgegenstandes zur Masse gezogen und für die Befriedigung der Gläubigergesamtheit verwandt werden.

Ob der [X.] bereits mit der Abtretung des Insolvenzanfechtungsanspruchs erlischt, mit der (vorbehaltslosen) Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder erst mit der Einziehung des Anspruchs durch den Zessionar, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

III.

Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), das nunmehr die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des [X.] zu prüfen haben wird.

[X.]

                  Grupp                        [X.]

Meta

IX ZR 91/10

17.02.2011

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Zweibrücken, 22. April 2010, Az: 4 U 128/09, Urteil

§ 398 BGB, § 399 Alt 1 BGB, § 143 Abs 1 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 17.02.2011, Az. IX ZR 91/10 (REWIS RS 2011, 9342)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9342

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 91/10 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 173/09 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzanfechtung: Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters trotz bereits erfolgter erfolgreicher Inanspruchnahme des Anfechtungsschuldners vor der Insolvenzverfahrenseröffnung; Geltung …


IX ZR 173/09 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 171/14 (Bundesgerichtshof)

Globalzession des späteren Insolvenzschuldners und unwirksame Doppelabtretung: Bereicherungsrechtlicher Herausgabeanspruch des Sicherungszessionars gegen den Insolvenzverwalter nach …


IX ZR 29/08 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.