Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.03.2021, Az. VIII ZR 200/18

8. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 8016

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Gegenstand

Langjähriger Energielieferungsvertrag: Ergänzende Vertragsauslegung bei Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel; Berücksichtigung von Widerspruchsgründen des Kunden gegen die Preiserhöhung


Leitsatz

1. Zur ergänzenden Vertragsauslegung bei Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel in einem langjährigen Energielieferungsvertrag (hier: Fernwärmelieferungsvertrag) (Bestätigung der Senatsurteile vom 24. September 2014 - VIII ZR 350/13, NJW 2014, 3639 Rn. 16; vom 18. Dezember 2019 - VIII ZR 209/18, NJW 2020, 1205 Rn. 40 [jeweils zu Fernwärme]; vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 Rn. 21 ff.; vom 15. April 2015 - VIII ZR 59/14, BGHZ 205, 43 Rn. 12 [jeweils zu Gas]; vom 15. Januar 2014 - VIII ZR 80/13, NJW 2014, 1877 Rn. 20, 23 [Strom] und vom 3. Dezember 2014 - VIII ZR 370/13, NJW 2015, 1167 Rn. 28 ff. [zur fehlenden Einbeziehung einer Preisanpassungsklausel]).

2. Auf die tatsächlichen oder von dem Energieversorger vermuteten Gründe für den Widerspruch des Kunden gegen die Preiserhöhung kommt es nicht an. Gründe müssen vom Kunden weder mitgeteilt werden, noch führte deren Nennung dazu, dass sich der Widerspruch auf diese beschränken würde. Auch sind Angaben dazu entbehrlich, ob und inwieweit der Kunde mit dem Widerspruch (auch) frühere Preiserhöhungen beanstanden will (Bestätigung von Senatsbeschlüsse vom 7. September 2011 - VIII ZR 14/11, juris Rn. 7; vom 27. September 2011 - VIII ZR 5/11 und VIII ZR 12/11, juris Rn. 6; vom 6. Dezember 2011 - VIII ZR 224/11, juris Rn. 6; Senatsurteile vom 22. Februar 2012 - VIII ZR 34/11, NJW-RR 2012, 690 Rn. 31 und vom 15. Januar 2014 - VIII ZR 80/13, NJW 2014, 1877 Rn. 22).

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Kläger und der Beklagten werden - unter deren Zurückweisung im Übrigen - das Urteil der 14. Zivilkammer des [X.] vom 23. Mai 2018 aufgehoben und das Urteil des [X.] vom 13. Januar 2017 im Kostenpunkt und insoweit - unter vollständiger Neufassung des Tenors - abgeändert, als die Beklagte verurteilt worden ist, den zuerkannten Betrag in Höhe von 644,20 € nebst Zinsen an die Kläger als Gesamtgläubiger zu zahlen und hinsichtlich eines weiteren Betrags in Höhe von 701,39 € nebst Zinsen zum Nachteil der Kläger entschieden worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Mitgläubiger 1.345,59 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Januar 2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Kläger jeweils 20 %, die Beklagte 60 % zu tragen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte, Rechtsnachfolgerin der [X.], ist ein Energieversorgungsunternehmen, das im [X.]       in A.          Kunden mit Fernwärme beliefert. Die Fernwärme wird in einem Blockheizkraftwerk erzeugt, das ausschließlich mit Erdgas betrieben wird, welches die Beklagte von einem Lieferanten bezieht. Die Rechtsvorgängerin der [X.] hatte mit der [X.]         einen Vertrag geschlossen, der ihr die Versorgung mit Fernwärme in dem Bebauungsplangebiet gestattete. Dem Vertrag war als Anlage ein Mustervertrag über die Bedingungen für die Fernwärmeversorgung der Endkunden beigefügt; dieser enthält in § 7 dieselben vorformulierten Preisbestimmungen für Arbeits-, Mess- und Grundpreise, die der Beurteilung des Senats im Urteil vom 18. Dezember 2019 ([X.], NJW 2020,1205; zum Wortlaut der Preisbestimmungen in § 7 des [X.] dort Seite 1206) unterlagen, das einen Rechtsstreit zwischen der hiesigen [X.] und einem anderen Fernwärmekunden betraf.

2

Die im Liefergebiet der [X.] wohnhaften Kläger nahmen seit dem 28. Oktober 2002 von der [X.] beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin Fernwärme ab. Zum Abschluss eines schriftlichen Vertrags über die Energielieferung kam es dabei nicht.

3

Die Abrechnungen für die von den Klägern abgenommene Fernwärme erstellte die Beklagte für den hier streitgegenständlichen Zeitraum von 2010 bis 2013 auf Grundlage von in § 7 des oben genannten [X.] vorformulierten Preisbestimmungen für Arbeits-, Grund- und Messpreise. Diese Preisbestimmungen hat der Senat in der oben zitierten Entscheidung vom 18. Dezember 2019 für unwirksam erachtet (Senatsurteil vom 18. Dezember 2019 - [X.], aaO Rn. 16, 19 ff., 28 ff.).

4

Die Kläger zahlten für die von ihnen abgenommene Fernwärme die ihnen von der [X.] in Rechnung gestellten Entgelte, welche die Beklagte nach Maßgabe der [X.] gemäß der (unwirksamen) Regelung in § 7 des [X.] alle sechs Monate angepasst hatte. Den mit der - den Klägern am 11. Februar 2010 zugegangenen - Jahresabrechnung für das [X.] zuletzt verlangten Arbeitspreis von 56,19 € netto/MWh erhöhte die Beklagte im [X.] schrittweise auf zuletzt 73,05 € netto/MWh. Diese Preiserhöhungen berücksichtigte die Beklagte in der Jahresabrechnung für das [X.], die den Klägern am 24. Januar 2011 zuging. In den Jahresabrechnungen für die Jahre 2011 bis 2013 berücksichtigte die Beklagte weitere Erhöhungen des [X.].

5

Mit Schreiben vom 15. Juni 2013 erklärte der Kläger zu 2, er widerspreche der Festsetzung des "aktuellen" [X.] der [X.] und leiste bis auf weiteres die geforderten Abschläge unter Vorbehalt und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Die Koppelung der [X.] an die Preisentwicklung für leichtes Heizöl sei für ihn nicht begründbar; er halte sie für unbillig im Sinne des § 315 BGB. Mit weiteren Schreiben vom 15. Februar 2014 widersprachen die Kläger [X.] seit dem [X.] von der [X.] beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin vorgenommenen Preisanpassungen. Die Beklagte hat sich gegenüber den für das [X.] geltend gemachten Ansprüchen auf Verjährung berufen.

6

Mit der vorliegenden Klage haben die Kläger die Beklagte zuletzt als Gesamtgläubiger auf Rückzahlung für die Jahre 2010 bis 2013 geleisteter Fernwärmeentgelte in Höhe von 1.345,59 € nebst Zinsen - unter Zugrundelegung des mit der Jahresabrechnung für das [X.] zuletzt geforderten [X.] von 56,19 €/MWh netto (66,87 €/MWh brutto) - in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Beklagte - für den Zeitraum von 2011 bis 2013 unter Zugrundelegung des letzten mit der Jahresabrechnung für das [X.] geltend gemachten [X.] von 73,05 €/MWh netto (86,93 €/MWh brutto) - verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 655,56 € nebst Zinsen zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels und der Berufung der Kläger - den zuerkannten Betrag auf 644,20 € nebst Zinsen verringert.

7

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr auf vollständige Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter. Die Kläger wollen mit ihrer Revision die Verurteilung der [X.] zur Zahlung weiterer 701,39 € erreichen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der [X.] ist überwiegend unbegründet, die Revision der Kläger hat Erfolg.

A.

9

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Den Klägern stehe nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Anspruch auf Rückzahlung der auf die [X.] entfallenden Entgeltanteile zu, da die [X.] in § 7 Abs. 2 des zwischen den Parteien bestehenden [X.], auf die sich die Beklagte zur Begründung ihrer [X.] stütze, unwirksam sei; die Klausel verstoße gegen das Gebot der Kostenorientierung des § 24 Abs. 3 Satz 1 [X.] 24 Abs. 4 Satz 1 [X.].

Der Höhe nach bestimme sich der den Klägern zustehende Rückzahlungsanspruch unter Zugrundelegung des mit der Jahresabrechnung für das [X.] zuletzt geforderten [X.] von 73,05 €/MWh netto (86,93 €/MWh brutto). Denn hierbei handele es sich um die letzte Preiserhöhung, der die Kläger nicht binnen drei Jahren ab Zugang der maßgeblichen Jahresabrechnung widersprochen hätten.

Wie der [X.] wiederholt zu unwirksamen [X.]n in Gas- beziehungsweise Fernwärmelieferungsverträgen entschieden habe, sei die in [X.] durch die Unwirksamkeit einer [X.] eingetretene Lücke im Regelungsplan der Parteien im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB zu schließen, wenn es sich um ein langjähriges Versorgungsverhältnis handele, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen habe und er nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend mache. In diesen Fällen führe eine ergänzende Vertragsauslegung dazu, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen könne, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden sei, beanstandet habe.

Danach könne im Streitfall offenbleiben, ob [X.] für das [X.] verjährt seien. Erstattungsansprüche der Kläger für das [X.] scheiterten schon daran, dass es für den Lieferzeitraum 2010 mangels rechtzeitigen Widerspruchs gegen die Preiserhöhungen in der [X.] an einer Überzahlung fehle.

Die Kläger hätten erstmals mit Schreiben vom 15. Februar 2014 allen seit dem [X.] erfolgten [X.] widersprochen. Dieser Widerspruch sei jedoch über drei Jahre nach Zugang der Jahresabrechnung für das [X.] erfolgt. Den in der am 22. Januar 2012 zugegangenen Jahresabrechnung für das [X.] berücksichtigten - sowie allen nachfolgenden - [X.] hätten die Kläger jedoch mit ihrem Schreiben vom 15. Februar 2014 rechtzeitig widersprochen.

In dem Schreiben des [X.] zu 2 vom 15. Juni 2013 sei ein wirksamer Widerspruch der Kläger gegen die in der Jahresabrechnung für das [X.] berücksichtigten Preiserhöhungen - mit der Folge, dass der mit der Jahresabrechnung für das [X.] zuletzt geforderte Arbeitspreis von 56,19 €/MWh netto (66,87 €/MWh brutto) maßgeblich wäre - nicht zu sehen. Zwar sei dieses Schreiben der [X.] binnen drei Jahren ab dem Zugang der [X.] bei den Klägern zugegangen. Es könne jedoch deshalb nicht als Widerspruch gegen die im [X.] erfolgten Preiserhöhungen gewertet werden, da in dem Schreiben nur dem "aktuellen" Arbeitspreis, nicht aber den Jahre zurückliegenden Erhöhungen des Jahres 2010 widersprochen worden sei.

Damit stünden den Klägern im Wesentlichen die ihnen bereits durch das Amtsgericht zuerkannten Beträge zu. Insgesamt hätten die Kläger daher einen Anspruch auf Zahlung von 644,20 € nebst Zinsen.

B.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

Das Berufungsgericht hat allerdings rechtsfehlerfrei angenommen, dass die auch im Vertragsverhältnis mit den Klägern verwendete [X.] in § 7 des [X.] wegen Verstoßes gegen das Gebot der Kostenorientierung gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 [X.] beziehungsweise § 24 Abs. 4 Satz 1 [X.] in Verbindung mit § 134 BGB nichtig ist und den Klägern deshalb für die Jahre 2011 bis 2013 aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ein Anspruch auf Rückerstattung überzahlter Lieferentgelte - entgegen der Auffassung des [X.] indes nicht als Gesamtgläubiger, sondern als Mitgläubiger - zusteht.

Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht einen Rückforderungsanspruch der Kläger für das [X.] verneint und überdies die Rückforderungsansprüche für die Jahre 2011 bis 2013 zu niedrig bemessen. Entgegen der Auffassung des [X.] führt allein die Erhebung eines Widerspruchs gegen den Preis - ohne Rücksicht auf die dafür angegebene Begründung - zur Anwendung der Dreijahresfrist im Rahmen der nach der Rechtsprechung des [X.]s vorzunehmenden ergänzenden Vertragsauslegung. Aufgrund des Widerspruchs des [X.] zu 2 vom 15. Juni 2013 umfassten deshalb die Rückforderungsansprüche der Kläger auch das [X.] und war für den gesamten Rückforderungszeitraum der mit der Jahresabrechnung für das [X.] zuletzt geforderte Arbeitspreis von 56,19 €/MWh netto (66,87 €/MWh brutto) zugrunde zu legen. Denn der Zugang aller späteren Jahresabrechnungen lag innerhalb eines [X.] vor dem genannten Widerspruch des [X.] zu 2. Unter Berücksichtigung dessen beläuft sich der Rückzahlungsanspruch der Kläger aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf den von ihnen begehrten Betrag von insgesamt 1.345,59 € nebst Zinsen.

I. Zur Revision der [X.]:

Die Revision der [X.] ist nur insoweit begründet, als das Berufungsgericht die Kläger zu Unrecht als Gesamtgläubiger und nicht als Mitgläubiger angesehen hat. Ansonsten ist die Revision unbegründet. Den Klägern steht der ihnen vom Berufungsgericht zuerkannte Anspruch auf Rückerstattung der auf die Anpassung des [X.] entfallenden Lieferentgelte für die Jahre 2011 bis 2013 aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu, denn sie haben für die Belieferung mit Fernwärme einen höheren als den nach dem Vertrag geschuldeten Preis entrichtet.

1. Die [X.] für den Arbeitspreis in § 7 Abs. 2 des - konkludent nach § 2 Abs. 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme ([X.]) vom 20. Juni 1980 ([X.]) geschlossenen - [X.]s der Parteien ist gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 [X.] beziehungsweise § 24 Abs. 4 Satz 1 [X.] in Verbindung mit § 134 BGB nichtig. Sie verstößt gegen das in den vorgenannten Normen verankerte Gebot der Kostenorientierung, da der gewählte Preisänderungsparameter die tatsächlichen Brennstoffbezugskosten der [X.] nicht ausreichend abbildet. Zur Begründung im Einzelnen wird auf das auf der Grundlage derselben [X.] der [X.] ergangene [X.]surteil vom 18. Dezember 2019 ([X.], NJW 2020, 1205 Rn. 19 ff.) Bezug genommen.

2. Entgegen der Auffassung des [X.] stehen die Rückforderungsansprüche den Klägern jedoch nicht als Gesamtgläubiger (§ 428 BGB), sondern nur als Mitgläubiger (§ 432 BGB) zu. Zwar haften die Kläger für die aus § 433 Abs. 2 BGB begründeten Kaufpreisforderungen der [X.] aus dem [X.] gemäß §§ 421, 427 BGB als Gesamtschuldner (vgl. [X.]surteil vom 22. Juli 2014 - [X.], NJW 2014, 3150 Rn. 10 f.). Daraus folgt aber nicht, dass im Falle der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung überzahlter Entgelte die Kunden nun Gesamtgläubiger im Sinne von § 428 BGB würden. Denn das Gesetz ordnet zwar für die Zahlungspflichten des Kunden im Zweifel eine Gesamtschuld an (§ 427 BGB); es besteht aber im Falle einer Rückforderung keine entsprechende Regelung dahin, dass die früheren Gesamtschuldner im Zweifel nun Gesamtgläubiger nach § 428 BGB werden. Vielmehr ist die Mitgläubigerschaft nach § 432 BGB die Regel, während die Gesamtgläubigerschaft die Ausnahme bildet ([X.], Urteile vom 27. Mai 2020 - [X.], [X.], 551 Rn. 39, zur Veröffentlichung in [X.]Z bestimmt; vom 10. Oktober 2017 - [X.], NJW 2018, 225 Rn. 20 mwN). Umstände, die im Streitfall für eine solche Ausnahme sprächen, hat das Berufungsgericht weder festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich.

II. Zur Revision der Kläger:

1. Die Revision der Kläger ist zulässig. Das Berufungsgericht hat die Revision zugunsten beider Parteien zugelassen. Im [X.] ist die Revision unbeschränkt zugelassen; eine Eingrenzung der Revisionszulassung auf die Beklagte lässt sich der Begründung in den Entscheidungsgründen nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen (vgl. zur [X.] auf eine Partei: [X.], Urteile vom 5. November 2003 - [X.], NJW-RR 2004, 426 unter II; vom 11. Dezember 2019 - [X.], [X.], 208 Rn. 33; [X.]sbeschluss vom 10. April 2018 - [X.], NJW 2018, 1880 Rn. 11; jeweils mwN). Denn dort heißt es nur, es bestehe Anlass zu klären, ob die teilweise der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Gasgrundversorgung entnommenen Grundsätze auch auf Fernwärmelieferungsverträge zu übertragen seien. Diese Grundsätze betreffen sowohl die zum Nachteil der [X.] entschiedene Frage des [X.] als auch die zum Nachteil der Kläger entschiedene Frage der Anspruchshöhe.

2. Die Revision der Kläger hat auch in der Sache Erfolg.

Der den Klägern zustehende Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB bemisst sich - in Anwendung der vom [X.] für derartige Konstellationen entwickelten ergänzenden Vertragsauslegung - nach dem mit der am 11. Februar 2010 zugegangenen Jahresabrechnung für das [X.] zuletzt geltend gemachten Arbeitspreis von 56,19 €/MWh netto (66,87 €/MWh brutto). Allen nachfolgenden [X.] haben die Kläger binnen drei Jahren ab Zugang der Jahresrechnung, in der die jeweilige [X.] erstmals berücksichtigt worden ist, widersprochen. Denn maßgeblich ist insoweit entgegen der Auffassung des [X.] nicht erst das Schreiben der Kläger vom 15. Februar 2014, sondern auch bereits das zeitlich frühere Schreiben des [X.] zu 2 vom 15. Juni 2013. Insbesondere steht die dort von dem Kläger zu 2 verwendete Formulierung, er beanstande den "aktuellen" Arbeitspreis, einer Bestimmung des für die Rückforderung maßgeblichen Preises nach Maßgabe einer von diesem Zeitpunkt aus rückwirkend berechneten Dreijahresfrist nicht entgegen.

a) Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt hat, führt eine unwirksame [X.] in einem [X.] zu einer Lücke im Regelungsplan der Parteien, die nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.]s im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB zu schließen ist, wenn es sich - wie im Streitfall - um ein langjähriges Vertragsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und er nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht.

Die ergänzende Vertragsauslegung führt dazu, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat ([X.]surteile vom 24. September 2014 - [X.], NJW 2014, 3639 Rn. 16 und vom 18. Dezember 2019 - [X.], NJW 2020, 1205 Rn. 40 [jeweils zu Fernwärme]; vom 14. März 2012 - [X.], [X.]Z 192, 372 Rn. 21 ff. und vom 15. April 2015 - [X.], [X.]Z 205, 43 Rn. 12 [jeweils zu Gas]; vom 15. Januar 2014 - [X.], NJW 2014, 1877 Rn. 20, 23 [Strom]; vom 3. Dezember 2014 - [X.], NJW 2015, 1167 Rn. 28 ff. [zur fehlenden Einbeziehung einer [X.]]).

b) Dabei kommt es auf die tatsächlichen oder von dem Energieversorger vermuteten Gründe für den Widerspruch nicht an. Gründe müssen vom Kunden weder mitgeteilt werden, noch führte deren Nennung dazu, dass sich der Widerspruch auf diese beschränken würde (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 7. September 2011 - [X.], juris Rn. 7; vom 27. September 2011 - [X.] und [X.], juris Rn. 6; vom 6. Dezember 2011 - [X.], juris Rn. 6; [X.]surteile vom 22. Februar 2012 - [X.], NJW-RR 2012, Rn. 31; vom 15. Januar 2014 - [X.], aaO Rn. 22).

Danach bedarf es auch keiner Angaben, ob und inwieweit der Kunde mit dem Widerspruch (auch) frühere Preiserhöhungen beanstanden will. Die ergänzende Vertragsauslegung des [X.]s in den Fällen langjähriger Versorgungsverhältnisse, in denen der Kunde den Preiserhöhungen über lange Zeit nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen geltend macht, setzt für die Anknüpfung an die Dreijahresfrist lediglich voraus, dass der Kunde dem Energieversorger gegenüber zum Ausdruck bringt, er beanstande den derzeit geforderten (aktuellen) Preis der Höhe nach. Die Rückforderungsansprüche des Kunden werden sodann durch die ergänzende Vertragsauslegung (zugunsten des Versorgers) auf einen Preis begrenzt, der ausgehend von dem Zeitpunkt eines (wie auch immer bezeichneten oder begründeten) Widerspruchs des Kunden gegen den Preis rückwirkend nach der genannten Dreijahresfrist zu ermitteln ist.

c) Aufgrund des Widerspruchsschreibens vom 15. Juni 2013 ist deshalb, wie die Kläger bereits mit der Berufung zu Recht geltend gemacht haben, für den Rückforderungsanspruch der Kläger der Arbeitspreis von 56,19 €/MWh netto (66,87 €/MWh brutto) maßgeblich, den die Beklagte mit der den Klägern am 11. Februar 2010 zugegangenen Jahresabrechnung für 2009 (ab dem 1. Oktober 2009) verlangte. Denn bereits die nachfolgende, auf mehreren schrittweisen Preiserhöhungen basierende Jahresabrechnung für 2010 war den Klägern am 24. Januar 2011 und somit innerhalb eines vom Widerspruch rückgerechneten [X.] zugegangen; an der Geltendmachung der Unwirksamkeit der in dieser und den späteren Jahresabrechnungen enthaltenen Preiserhöhungen sind die Kläger somit nicht gehindert.

d) Mit Schreiben des [X.] zu 2 vom 15. Juni 2013, dessen Inhalt der [X.] eine Zuordnung zu dem streitbefangenen Vertragsverhältnis ermöglichte, ist Widerspruch auch für die Klägerin zu 1 erhoben worden. Denn bei einem einheitlichen [X.] muss der Widerspruch nicht von allen oder für alle Kunden erklärt werden, um für alle zu wirken (vgl. [X.]surteil vom 27. Mai 2020 - [X.], aaO Rn. 95). Eine gegenteilige Sichtweise führte zu unterschiedlichen (gespaltenen) Rückforderungsansprüchen der Kunden, je nachdem, wer zu welchem Zeitpunkt Widerspruch erhoben hat. Dies entspräche weder dem Interesse des Kunden noch demjenigen des Energieversorgers.

e) Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen (teilweise) als richtig dar (§ 561 ZPO).

Die von der [X.] erhobene Verjährungseinrede greift nicht durch. Die von den Klägern für das [X.] geltend gemachte Forderung ist nicht verjährt. Denn die Verjährung ist durch die am 12. Dezember 2014 bei Gericht eingegangene und am 5. Januar 2015 zugestellte Klage rechtzeitig gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO).

aa) Der von den Klägern geltend gemachte Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Diese beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Fordert der Kunde in einem Energielieferungsverhältnis aufgrund einer unwirksamen Preisänderungsklausel geleistete Zahlungen zurück, entsteht der Rückforderungsanspruch nicht bereits mit der Leistung einzelner Abschlagszahlungen, sondern erst mit Erteilung der (Jahres-)Abrechnung ([X.]surteile vom 23. Mai 2012 - [X.], [X.], 2647 Rn. 9 ff.; vom 26. September 2012 - [X.], [X.], 1077 Rn. 44; vom 23. Januar 2013 - [X.], [X.], 991 Rn. 46; vom 25. März 2015 - [X.], [X.]Z 204, 325 Rn. 60).

bb) Nach den - von den Parteien unbeanstandeten - Feststellungen des [X.] hat die Beklagte ihre Fernwärmelieferungen für das [X.] mit der am 24. Januar 2011 zugegangenen Jahresabrechnung abgerechnet. Die damit hinsichtlich der im [X.] abgerechneten Gaslieferungen an sich zum 31. Dezember 2014 endende Verjährungsfrist für die geltend gemachten Rückzahlungsansprüche ist allerdings durch die am 12. Dezember 2014 beim Amtsgericht eingegangene und am 5. Januar 2015 zugestellten Klage rechtzeitig gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO).

C.

Nach alledem kann das Urteil des [X.] in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] entscheidet in der Sache selbst, da es weiterer Feststellungen nicht bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Dies führt auf die Berufung der [X.] - als ein Weniger gegenüber einer Verurteilung zur Zahlung an die Kläger als Gesamtgläubiger (vgl. [X.], Urteile vom 7. Mai 1991 - [X.], NJW 1991, 2629 unter 1; vom 7. Juni 2005 - [X.], NJW 2005, 2779 unter III; vom 27. Mai 2020 - [X.], aaO Rn. 25 mwN) - zu ihrer Verurteilung zur Zahlung an die Kläger als Mitgläubiger unter Abweisung der weitergehenden Klage, im Übrigen auf die Berufung der Kläger zur Abänderung und Neufassung des erstinstanzlichen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Denn der den Klägern zustehende Anspruch in Höhe der Differenz zwischen dem für die Jahre 2010 bis 2013 von der [X.] in den Jahresabrechnungen berechneten und dem auf der Grundlage eines lediglich in Höhe von 56,19 €/MWh netto (66,87 €/MWh brutto) geschuldeten Arbeitspreis beläuft sich auf den von den Klägern in den [X.] noch geltend gemachten Betrag von insgesamt 1.345,59 €.

Dr. Milger     

      

[X.]     

      

Dr. Bünger

      

Dr. Schmidt     

      

Wiegand     

      

Meta

VIII ZR 200/18

10.03.2021

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Lübeck, 23. Mai 2018, Az: 14 S 28/17

§ 133 BGB, § 134 BGB, § 157 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB, § 24 Abs 3 AVBFernwärmeV vom 20.06.1980, § 24 Abs 4 S 1 AVBFernwärmeV vom 04.11.2010

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.03.2021, Az. VIII ZR 200/18 (REWIS RS 2021, 8016)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 603-604 REWIS RS 2021, 8016 WM 2022, 1381 REWIS RS 2021, 8016

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