Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.03.2021, Az. VIII ZR 207/18

8. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 7538

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Energielieferungsvertrag: Rückzahlungsanspruch auf überzahlte Entgelte bei unwirksamer Preisanpassungsklausel; Schließung einer unwirksamen Preisanpassungsklausel im Wege ergänzender Vertragsauslegung


Tenor

Auf die Revisionen der Kläger und der Beklagten wird das Urteil der 14. Zivilkammer des [X.] vom 23. Mai 2018 - unter deren Zurückweisung im Übrigen - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Kläger entschieden worden ist und die zuerkannte Zahlung an die Kläger als Gesamtgläubiger erfolgt ist.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 2. September 2016 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte den zuerkannten Betrag in Höhe von 2.345,42 € nebst Zinsen an die Kläger als Mitgläubiger zu zahlen hat.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte, Rechtsnachfolgerin der [X.], ist ein Energieversorgungsunternehmen, das in [X.]      Kunden mit Fernwärme beliefert. Die Fernwärme wird in einem Blockheizkraftwerk erzeugt, das ausschließlich mit Erdgas betrieben wird, welches die Beklagte von einem Lieferanten bezieht. Die Rechtsvorgängerin der [X.] schloss mit den Klägern im Juni 2005 einen Vertrag über die Lieferung von Fernwärme, der in § 7 dieselben vorformulierten Preisbestimmungen für Arbeits-, Mess- und Grundpreise enthält, deren Wirksamkeit der Senat in einem Rechtsstreit zwischen der hiesigen [X.] und einem anderen Fernwärmekunden zu beurteilen hatte (Senatsurteil vom 18. Dezember 2019 - [X.], NJW 2020, 1205; zum Wortlaut der Preisbestimmungen in § 7 des Vertrags dort Seite 1206). Die Kläger nahmen in der Folgezeit Fernwärme von der [X.] ab.

2

Die Abrechnungen hierfür erstellte die Beklagte für den hier streitgegenständlichen Zeitraum von 2010 bis 2013 auf Grundlage der in § 7 vorformulierten Preisbestimmungen für Arbeits-, Grund- und Messpreise. Diese Preisbestimmungen hat der Senat in der oben zitierten Entscheidung vom 18. Dezember 2019 für unwirksam erachtet (Senatsurteil vom 18. Dezember 2019 - [X.], aaO Rn. 16, 19 ff., 28 ff.).

3

Die Kläger zahlten für die von ihnen abgenommene Fernwärme die ihnen von der [X.] in Rechnung gestellten Entgelte, welche die Beklagte nach Maßgabe der [X.] gemäß der (unwirksamen) Regelung in § 7 des [X.] alle sechs Monate angepasst hatte. Den mit der - den Klägern am 25. Februar 2010 zugegangenen - Jahresabrechnung für das [X.] zuletzt verlangten Arbeitspreis von 56,19 € netto/MWh erhöhte die Beklagte im [X.] schrittweise auf zuletzt 73,05 € netto/MWh. Diese Preiserhöhungen berücksichtigte die Beklagte in der Jahresabrechnung für das [X.], die den Klägern am 7. Januar 2011 zuging. In den Jahresabrechnungen für die Jahre 2011 bis 2013 berücksichtigte die Beklagte weitere Erhöhungen des [X.].

4

Mit Schreiben vom 15. Juni 2013 erklärten die Kläger erstmals, der Festsetzung des "aktuellen" [X.] der [X.] zu widersprechen und leisteten bis auf weiteres die geforderten Abschläge unter Vorbehalt und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Mit weiterem Schreiben vom 14. Februar 2014 widersprachen die Kläger allen weiteren Preisanpassungen, die in den Jahresabrechnungen für 2011 (vom 13. Januar 2012, zugegangen am 16. Januar 2012), für 2012 (vom 14. Januar 2013, zugegangen am 17. Januar 2013) und für das [X.] (vom 17. Januar 2014, zugegangen am 20. Januar 2014) seit dem [X.] von der [X.] beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin vorgenommen worden waren.

5

Mit der vorliegenden Klage haben die Kläger die Beklagte als Gesamtgläubiger auf Rückzahlung für die Jahre 2010 bis 2013 geleisteter Fernwärmeentgelte in Höhe von 2.906,66 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Kläger für die streitgegenständlichen Jahre als Gesamtgläubiger 2.345,42 € nebst Zinsen zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] den Zahlbetrag - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils auf 1.202,34 € nebst Zinsen verringert.

6

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr auf vollständige Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter. Die Kläger erstreben mit ihrer Revision die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der [X.] ist überwiegend unbegründet, die Revision der Kläger hat Erfolg.

A.

8

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

9

Den Klägern stehe nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Anspruch auf Rückzahlung der auf die [X.] entfallenden Entgeltanteile zu, da die [X.] in § 7 Abs. 2 des zwischen den Parteien bestehenden [X.], auf die sich die Beklagte zur Begründung ihrer [X.] stütze, unwirksam sei; die Klausel verstoße gegen das Gebot der Kostenorientierung des § 24 Abs. 3 Satz 1 [X.] 24 Abs. 4 Satz 1 [X.] nF.

Der Höhe nach bestimme sich der den Klägern zustehende Rückzahlungsanspruch unter Zugrundelegung des mit der Jahresabrechnung für das [X.] zuletzt geforderten [X.] von 73,05 €/MWh netto (86,93 €/MWh brutto). Denn hierbei handele es sich um die letzte Preiserhöhung, der die Kläger nicht binnen drei Jahren ab Zugang der maßgeblichen Jahresabrechnung widersprochen hätten.

Wie der [X.] wiederholt zu unwirksamen [X.]n in Gas- beziehungsweise Fernwärmelieferungsverträgen entschieden habe, sei die in [X.] durch die Unwirksamkeit einer [X.] eingetretene Lücke im Regelungsplan der Parteien im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB zu schließen, wenn es sich um ein langjähriges Versorgungsverhältnis handele, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen habe und er nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend mache. In diesen Fällen führe eine ergänzende Vertragsauslegung dazu, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen könne, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden sei, beanstandet habe.

Demgemäß scheiterten Erstattungsansprüche der Kläger für das [X.] schon daran, dass es für den Lieferzeitraum 2010 mangels rechtzeitigen Widerspruchs gegen die Preiserhöhungen in der [X.] an einer Überzahlung fehle. Denn die Kläger hätten erstmals mit Schreiben vom 14. Februar 2014 allen in den Abrechnungen für die Jahre 2011 bis 2013 eingeflossenen Arbeitspreiserhöhungen widersprochen. Dieser Widerspruch sei jedoch über drei Jahre nach der am 7. Januar 2011 zugegangenen Jahresabrechnung für das [X.] erfolgt. Den in der am 16. Januar 2012 zugegangenen Jahresabrechnung für das [X.] berücksichtigten - sowie allen nachfolgenden - Arbeitspreiserhöhungen hätten die Kläger jedoch mit ihrem Schreiben vom 14. Februar 2014 rechtzeitig widersprochen.

In dem Schreiben der Kläger vom 15. Juni 2013 sei ein wirksamer Widerspruch der Kläger gegen die in der Jahresabrechnung für das [X.] berücksichtigten Preiserhöhungen - mit der Folge, dass der mit der Jahresabrechnung für das [X.] zuletzt geforderte Arbeitspreis von 56,19 €/MWh netto (66,87 €/MWh brutto) maßgeblich wäre - nicht zu sehen. Zwar sei dieses Schreiben der [X.] binnen drei Jahren ab dem Zugang der [X.] (7. Januar 2011) bei den Klägern eingegangen. Es könne jedoch deshalb nicht als Widerspruch gegen die im [X.] erfolgten Preiserhöhungen gewertet werden, da in dem Schreiben nur dem "aktuellen" Arbeitspreis, nicht aber den lange zurückliegenden Erhöhungen des Jahres 2010 widersprochen worden sei.

Damit stünden den Klägern als Gesamtgläubiger lediglich Rückerstattungsansprüche für die Jahre 2011 bis 2013 in einer Gesamthöhe von 1.202,34 € nebst Zinsen zu.

B.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

Das Berufungsgericht hat allerdings rechtsfehlerfrei angenommen, dass die auch im Vertragsverhältnis mit den Klägern verwendete [X.] in § 7 des [X.] wegen Verstoßes gegen das Gebot der Kostenorientierung gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 [X.] beziehungsweise § 24 Abs. 4 Satz 1 [X.] in Verbindung mit § 134 BGB nichtig ist und den Klägern deshalb für die Jahre 2011 bis 2013 aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ein Anspruch auf Rückerstattung überzahlter Lieferentgelte - entgegen der Auffassung des [X.] indes nicht als Gesamtgläubiger, sondern als Mitgläubiger - zusteht.

Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht einen Rückforderungsanspruch der Kläger für das [X.] verneint und überdies die Rückforderungsansprüche für die Jahre 2011 bis 2013 zu niedrig bemessen. Entgegen der Auffassung des [X.] führt allein die Erhebung eines Widerspruchs gegen den Preis - ohne Rücksicht auf die dafür angegebene Begründung - zur Anwendung der Dreijahresfrist im Rahmen der nach der Rechtsprechung des [X.]s vorzunehmenden ergänzenden Vertragsauslegung. Aufgrund des Widerspruchs vom 15. Juni 2013 umfassten deshalb die Rückforderungsansprüche der Kläger auch das [X.] und war für den gesamten Rückforderungszeitraum der mit der Jahresabrechnung für das [X.] zuletzt geforderte Arbeitspreis von 56,19 €/MWh netto (66,87 €/MWh brutto) zugrunde zu legen. Denn der Zugang aller späteren Jahresabrechnungen lag innerhalb eines [X.] vor dem genannten Widerspruch der Kläger. Unter Berücksichtigung dessen beläuft sich der Rückzahlungsanspruch der Kläger aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf den bereits vom Amtsgericht zuerkannten Betrag von insgesamt 2.345,42 € nebst Zinsen.

I. Zur Revision der [X.]

Die Revision der [X.] ist nur insoweit begründet, als das Berufungsgericht die Kläger zu Unrecht als Gesamtgläubiger und nicht als Mitgläubiger angesehen hat. Ansonsten ist die Revision unbegründet. Den Klägern steht der ihnen vom Berufungsgericht zuerkannte Anspruch auf Rückerstattung der auf die Anpassung des [X.] entfallenden Lieferentgelte für die Jahre 2011 bis 2013 aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu, denn sie haben für die Belieferung mit Fernwärme einen höheren als den nach dem Vertrag geschuldeten Preis entrichtet.

1. Die [X.] für den Arbeitspreis in § 7 Abs. 2 des - konkludent nach § 2 Abs. 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme ([X.]) vom 20. Juni 1980 ([X.]) geschlossenen - [X.]s der Parteien ist gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 [X.] beziehungsweise § 24 Abs. 4 Satz 1[X.] in Verbindung mit § 134 BGB nichtig. Sie verstößt gegen das in den vorgenannten Normen verankerte Gebot der Kostenorientierung, da der gewählte Preisänderungsparameter die tatsächlichen Brennstoffbezugskosten der [X.] nicht ausreichend abbildet. Zur Begründung im Einzelnen wird auf das auf der Grundlage derselben [X.] der [X.] ergangene [X.]surteil vom 18. Dezember 2019 ([X.], NJW 2020, 1205 Rn. 19 ff.) Bezug genommen.

2. Entgegen der Auffassung des [X.] stehen die Rückforderungsansprüche den Klägern jedoch nicht als Gesamtgläubiger (§ 428 BGB), sondern nur als Mitgläubiger (§ 432 BGB) zu. Zwar haften die Kläger für die aus § 433 Abs. 2 BGB begründeten Kaufpreisforderungen der [X.] aus dem [X.] gemäß §§ 421, 427 BGB als Gesamtschuldner (vgl. [X.]surteil vom 22. Juli 2014 - [X.], NJW 2014, 3150 Rn. 10 f.). Daraus folgt aber nicht, dass im Falle der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung überzahlter Entgelte die Kunden nun Gesamtgläubiger im Sinne von § 428 BGB würden. Denn das Gesetz ordnet zwar für die Zahlungspflichten des Kunden im Zweifel eine Gesamtschuld an (§ 427 BGB); es besteht aber im Falle einer Rückforderung keine entsprechende Regelung dahin, dass die früheren Gesamtschuldner im Zweifel nun Gesamtgläubiger nach § 428 BGB werden. Vielmehr ist die Mitgläubigerschaft nach § 432 BGB die Regel, während die Gesamtgläubigerschaft die Ausnahme bildet ([X.], Urteile vom 27. Mai 2020 - [X.], [X.]Z 225, 352 Rn. 39; vom 10. Oktober 2017 - [X.], NJW 2018, 225 Rn. 20 mwN). Umstände, die im Streitfall für eine solche Ausnahme sprächen, hat das Berufungsgericht weder festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich.

II. Zur Revision der Kläger

1. Die Revision der Kläger ist zulässig. Das Berufungsgericht hat die Revision zugunsten beider Parteien zugelassen. Im [X.] ist die Revision unbeschränkt zugelassen; eine Eingrenzung der Revisionszulassung auf die Beklagte lässt sich der Begründung in den Entscheidungsgründen nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen (vgl. zur [X.] auf eine Partei: [X.], Urteile vom 5. November 2003 - [X.], NJW-RR 2004, 426 unter II; vom 11. Dezember 2019 - [X.], [X.], 208 Rn. 33; [X.]sbeschluss vom 10. April 2018 - [X.], NJW 2018, 1880 Rn. 11; jeweils mwN). Denn dort heißt es nur, es bestehe Anlass zu klären, ob die teilweise der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Gasgrundversorgung entnommenen Grundsätze auch auf Fernwärmelieferungsverträge zu übertragen seien. Diese Grundsätze betreffen sowohl die zum Nachteil der [X.] entschiedene Frage des [X.] als auch die zum Nachteil der Kläger entschiedene der Anspruchshöhe.

2. Die Revision der Kläger hat auch in der Sache Erfolg.

Der den Klägern zustehende Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB bemisst sich - in Anwendung der vom [X.] für derartige Konstellationen entwickelten ergänzenden Vertragsauslegung - nach dem mit der am 25. Februar 2010 zugegangenen Jahresabrechnung für das [X.] zuletzt geltend gemachten Arbeitspreis von 56,19 €/MWh netto (66,87 €/MWh brutto). Allen nachfolgenden Arbeitspreiserhöhungen haben die Kläger binnen drei Jahren ab Zugang der Jahresabrechnung, in der die jeweilige [X.] erstmals berücksichtigt worden ist, widersprochen. Denn maßgeblich ist insoweit entgegen der Auffassung des [X.] nicht erst das Schreiben der Kläger vom 14. Februar 2014, sondern bereits das zeitlich frühere Schreiben der Kläger vom 15. Juni 2013. Insbesondere steht die dort von den Klägern verwendete Formulierung, sie beanstandeten den "aktuellen" Arbeitspreis, einer Bestimmung des für die Rückforderung maßgeblichen Preises nach Maßgabe einer von diesem Zeitpunkt aus rückwirkend berechneten Dreijahresfrist nicht entgegen.

a) Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt hat, führt eine unwirksame [X.] in einem [X.] zu einer Lücke im Regelungsplan der Parteien, die nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.]s im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB zu schließen ist, wenn es sich - wie im Streitfall - um ein langjähriges Vertragsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und er nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht.

Die ergänzende Vertragsauslegung führt dazu, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat ([X.]surteile vom 24. September 2014 - [X.], NJW 2014, 3639 Rn. 16 und vom 18. Dezember 2019 - [X.], NJW 2020, 1205 Rn. 40 [jeweils zu Fernwärme]; vom 14. März 2012 - [X.], [X.]Z 192, 372 Rn. 21 ff. und vom 15. April 2015 - [X.], [X.]Z 205, 43 Rn. 43 [jeweils zu Gas]; vom 15. Januar 2014 - [X.], NJW 2014, 1877 Rn. 20, 23 [Strom]; vom 3. Dezember 2014 - [X.], NJW 2015, 1167 Rn. 28 ff. [zur fehlenden Einbeziehung einer [X.]]).

b) Dabei kommt es auf die tatsächlichen oder von dem Energieversorger vermuteten Gründe für den Widerspruch nicht an. Gründe müssen vom Kunden weder mitgeteilt werden, noch führte deren Nennung dazu, dass sich der Widerspruch auf diese beschränken würde (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 7. September 2011 - [X.], juris Rn. 7; vom 27. September 2011 - [X.] und [X.], juris Rn. 6; vom 6. Dezember 2011 - [X.], juris Rn. 6; [X.]surteile vom 22. Februar 2012 - [X.], NJW-RR 2012, 690 Rn. 31; vom 15. Januar 2014 - [X.], NJW 2014, 1877 Rn. 22).

Danach bedarf es auch keiner Angaben, ob und inwieweit der Kunde mit dem Widerspruch (auch) frühere Preiserhöhungen beanstanden will. Die ergänzende Vertragsauslegung des [X.]s in den Fällen langjähriger Versorgungsverhältnisse, in denen der Kunde den Preiserhöhungen über lange Zeit nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen geltend macht, setzt für die Anknüpfung an die Dreijahresfrist lediglich voraus, dass der Kunde dem Energieversorger gegenüber zum Ausdruck bringt, er beanstande den derzeit geforderten (aktuellen) Preis der Höhe nach. Die Rückforderungsansprüche des Kunden werden sodann durch die ergänzende Vertragsauslegung (zugunsten des Versorgers) auf einen Preis begrenzt, der ausgehend von dem Zeitpunkt eines (wie auch immer bezeichneten oder begründeten) Widerspruchs des Kunden gegen den Preis rückwirkend nach der genannten Dreijahresfrist zu ermitteln ist.

c) Aufgrund des Widerspruchsschreibens vom 15. Juni 2013 ist deshalb - wie bereits das Amtsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat - für den Rückforderungsanspruch der Kläger der Arbeitspreis von 56,19 €/MWh netto (66,87 €/MWh brutto) maßgeblich, den die Beklagte mit der Jahresabrechnung für 2009 (ab dem 1. Oktober 2009) verlangte. Denn bereits die nachfolgende, auf mehreren schrittweisen Preiserhöhungen basierende Jahresabrechnung für 2010 war den Klägern am 7. Januar 2011 und somit innerhalb eines vom Widerspruch rückgerechneten [X.] zugegangen; an der Geltendmachung der Unwirksamkeit der in dieser und den späteren Jahresabrechnungen enthaltenen Preiserhöhungen sind die Kläger somit nicht gehindert.

C.

Nach alledem kann das Urteil des [X.] in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] entscheidet in der Sache selbst, da es weiterer Feststellungen nicht bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Dies führt zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils mit der Maßgabe, dass der zuerkannte Betrag an die Kläger als Mitgläubiger zu zahlen ist.

Dr. Milger     

        

Dr. Schneider     

        

Dr. Bünger

        

Dr. Schmidt     

        

Wiegand     

        

Meta

VIII ZR 207/18

24.03.2021

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Lübeck, 23. Mai 2018, Az: 14 S 202/16

§ 133 BGB, § 134 BGB, § 157 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB, § 24 Abs 4 AVBFernwärmeV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.03.2021, Az. VIII ZR 207/18 (REWIS RS 2021, 7538)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7538

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII ZR 205/18 (Bundesgerichtshof)

Fernwärmelieferungsvertrag: Rückzahlung überzahlter Entgelte aufgrund unwirksamer Preisanpassungsklausel; Gesamt- und Mitgläubigerschaft der Energiekunden; ergänzende Vertragsauslegung


VIII ZR 200/18 (Bundesgerichtshof)

Langjähriger Energielieferungsvertrag: Ergänzende Vertragsauslegung bei Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel; Berücksichtigung von Widerspruchsgründen des Kunden gegen die …


VIII ZR 350/13 (Bundesgerichtshof)

Fernwärmelieferungsvertrag: Ergänzende Vertragsauslegung bei Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel; Ausschluss bereicherungsrechtlicher Rückforderung überzahlter Preise bei unterbliebener Beanstandung


VIII ZR 287/20 (Bundesgerichtshof)

Preisänderungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen: Erforderlichkeit der Erläuterung der Zusammensetzung der Bezugspreise des Fernwärmeversorgungsunternehmens; Berücksichtigung der Verhältnisse …


VIII ZR 358/21 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.