Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2013, Az. XII ZB 576/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1001

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 576/12

vom

20.
November
2013

in der Familiensache

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am
20.
November
2013
durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose und [X.] Klinkhammer, Schilling, Dr.
Nedden-Boeger und [X.]
beschlossen:
[X.] gegen den Beschluss des 16. Zivilsenats als [X.] in [X.] vom 4.
September 2012
wird auf Kosten der Rechtsbeschwerdeführe-rin zurückgewiesen.
Wert:
3.000

Gründe:
I.
Der
nach seinen Angaben 1996 in [X.] geborene Betroffene meldete sich im März
2012 in der örtlichen Erstaufnahme-
und Clearingstelle in [X.] Steglitz-Zehlendorf und bat, als minderjähriger unbegleitet eingereister Flüchtling in Obhut genommen zu werden. Die [X.] (Beteiligte zu 3) entsprach der Bitte und hat im Hinblick auf den behaupteten Tod der Eltern
beantragt, Vormundschaft anzuordnen, sowie empfohlen, das Jugendamt
Steglitz-Zehlendorf (Beteiligter
zu 4, im Folgenden: Jugendamt) zum Vormund zu bestellen.
Das Amtsgericht
hat Vormundschaft angeordnet und das Jugendamt
zum Vormund bestellt. Das Jugendamt, das im Verfahren zur Anordnung der Vormundschaft vor dem Amtsgericht nicht angehört worden ist, hat Beschwerde 1
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eingelegt. Das Beschwerdegericht hat den zur Anordnung der Vormundschaft ergangenen Beschluss aufgehoben und das Verfahren zur erneuten [X.] und Entscheidung an das Amtsgericht
zurückverwiesen.
Dagegen wendet sich die [X.] mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.
1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts (ebenso KG [X.] ZKJ 2012, 450) ist das örtliche Jugendamt
beschwerdeberechtigt und vom Amtsge-richt
zu Unrecht am Verfahren nicht beteiligt worden. Der
Beteiligung des Ju-gendamts werde nicht dadurch genügt, dass die [X.], die den Antrag auf Anordnung einer Vormundschaft gestellt habe, am Verfahren beteiligt worden sei. Denn eine die Zuständigkeit des [X.] verdrängende eigene Zuständigkeit der [X.] nach den landesrechtlichen Ausführungsvorschriften über die Gewährung von Jugendhilfe für alleinstehende minderjährige Ausländer greife nicht ein, weil es sich nicht um die Gewährung der Jugendhilfe, sondern um die Beteiligung am gerichtlichen Verfahren handele, die von den landesrechtlichen [X.] nicht berührt werde.
Ferner habe das Amtsgericht keine weiteren Ermittlungen hinsichtlich des behaupteten Alters der Betroffenen angestellt. Die Einschätzungen der Se-natsverwaltung und der Ausländerbehörde wichen voneinander ab. Das Famili-engericht habe auch den behaupteten Tod der Eltern des Betroffenen nicht veri-fiziert.

2. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.
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a) [X.] ist aufgrund der Zulassung durch das Be-schwerdegericht, an die der Senat gebunden ist, nach §
70 Abs. 1 FamFG
statthaft und auch sonst zulässig.
Die [X.] ist als Behörde im Rechtsbeschwerdeverfahren beschwerdeberechtigt. Unabhängig von der im vorliegenden Verfahren zu [X.] Frage, welche Behörde für die Mitwirkung am gerichtlichen Verfahren zuständig ist, ist für die [X.] zu unterstellen, dass die Se-natsverwaltung als zuständige Behörde nach §§
59 Abs.
3, 162 Abs.
3 Satz
2 FamFG beschwerdeberechtigt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 25. August 1999
-
XII [X.]/98 -
FamRZ 2000, 219 mwN sowie [X.]/[X.] FamFG 17.
Aufl. § 74 Rn. 6 f.).
b) In der Sache bleibt die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
aa) Die Frage
der Zuständigkeit des [X.] für die
Mitwirkung
im Verfahren stellt sich bereits im Rahmen der Zulässigkeit der Erstbeschwerde, weil nur das zuständige Jugendamt nach §§ 59 Abs. 3, 162 Abs.
3 Satz
2 FamFG
beschwerdeberechtigt ist.
Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass in der vorliegenden [X.] nach § 151 Nr.
1 FamFG das Jugendamt zur Mitwirkung am Verfahren berufen ist. Die Mitwirkung des [X.] muss allerdings nicht in der (formellen) Beteiligung am Verfahren
bestehen. Nach §
162 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist das Jugendamt in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, vom Gericht zunächst lediglich anzuhören. Das Jugendamt wird allein durch die Anhörung noch nicht zum Verfahrensbeteiligten. Erst auf seinen entsprechenden Antrag ist es vom Gericht nach §§ 7 Abs. 2 Nr.
2, 162 Abs.
2 Satz 2 FamFG am Verfahren auch formell zu beteiligen.
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Das Beschwerderecht nach §
162 Abs. 3 Satz 2 FamFG
steht nur dem nach § 162 Abs. 1 Satz 1 FamFG anzuhörenden zuständigen Jugendamt zu
([X.]/[X.] FamFG 17. Aufl. § 162 Rn.
6). Im vorliegenden Fall ist in-dessen
nicht die örtliche Zuständigkeit nach §§
87 b Abs.
1, 86 [X.]
frag-lich, sondern die sachliche Zuständigkeit (§ 85 [X.]).
Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 [X.] unterstützt das Jugendamt das [X.], die die Sorge für die Person von Kindern und Jugendlichen betreffen. Dazu gehört gemäß § 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] die Mitwirkung in [X.]n nach § 162 FamFG. Nach § 85 Abs.
1 [X.] ist für die Gewährung von Leistungen und die Erfüllung anderer [X.] nach dem [X.] der örtliche Träger sachlich zuständig, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist. Örtlicher und überörtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Sinne des § 69 Abs. 1 [X.] ist nach § 33 Abs. 1 Satz 1 des [X.]er Gesetzes zur Ausführung des Kin-der-
und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG [X.]) das Land [X.]. Nach § 33 Abs. 1 Satz 2 AG KJHG [X.]
nehmen die Jugendämter der Bezirke die [X.] des örtlichen Trägers nach § 85 Abs. 1 [X.] wahr und die für Jugend und Familie zuständige [X.] ([X.]) die Aufgaben des überörtlichen Trägers nach § 85 Abs. 2 [X.].
Demnach ist hier das Ju-gendamt zuständig.
Eine ausnahmsweise Zuständigkeit des überörtlichen Trägers nach §
85 Abs. 2 Nr. 3 [X.] (Anregung und Förderung von Einrichtungen, Diensten und Veranstaltungen sowie deren Schaffung und Betrieb, soweit sie den [X.] Bedarf übersteigen) ist nicht gegeben. Die Zuweisung der Inobhutnahme bei unerlaubt eingereisten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländern und von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern nach Nr. 6 Abs. 1 bis 3 des [X.] zu § 2 Abs. 4 Allgemeines
Sicherheits-
und 12
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Ordnungsgesetz des Landes [X.] ([X.]) begründet eine sachliche [X.] der [X.] nur für die Inobhutnahme, nicht aber auch für die Mitwirkung am familiengerichtlichen Verfahren. Im Hinblick auf die Mitwir-kung am gerichtlichen Verfahren fehlt es an einer gesetzlichen Aufgabenzuwei-sung. Eine solche ergibt sich auch nicht aus der Natur der Sache, zumal die Inobhutnahme und die Mitwirkung am gerichtlichen Verfahren verschiedene Tätigkeiten darstellen, die nicht notwendig miteinander verknüpft sein müssen. Das zeigt sich auch
an der zeitlichen Beschränkung der Aufgabenzuweisung an die [X.] auf eine Höchstdauer von drei Monaten (Nr. 6 Abs. 1 bis 3 [X.]), die somit bereits nicht notwendig die gesamte Dauer des [X.] abdeckt. Die vom 3. Zivilsenat des Kammergerichts (Beschluss vom 10.
Juli
2012 -
3 WF 76/12) für die gegenteilige Auffassung angeführten (inzwischen geänderten) Ausführungsvorschriften über die Gewährung von Ju-gendhilfe für alleinstehende minderjährige Ausländer (AV-JAMA)
in der [X.] vom 10. Juni 2008
enthielten in § 4 Abs. 2 Satz 2
die Regelung, dass die [X.] nach Ablauf von drei Monaten seit der Aufnahme in die Erst-aufnahme-
und Clearingstelle die sachliche und örtliche Zuständigkeit eines [X.] nach einem Quotenschlüssel bestimmt. Spätestens mit Ablauf von drei Monaten ist demnach das zuständige örtliche Jugendamt zur Mitwirkung am Verfahren berufen (zum Wechsel der behördlichen Zuständigkeit während des Gerichtsverfahrens vgl. auch Senatsbeschluss vom 27. Juni 2012 -
XII ZR 89/10 -
FamRZ 2012, 1489 Rn. 11).
Dass die Zuständigkeit der [X.] bis zur Bestellung eines Vormunds fortbesteht, ergibt sich aus dieser [X.] nicht. Überdies handelt es sich bei ihr lediglich um eine Verwaltungsvor-schrift, welche die gesetzliche Zuständigkeitsregelung in § 85 Abs. 1, 2 [X.] nicht abändern kann, weil sie sich insoweit nicht auf eine gesetzliche Grundlage stützen lässt. Die vom 3. Zivilsenat des Kammergerichts (Beschluss vom 10.
Juli
2012 -
3 WF 76/12) angeführte Vorschrift des §
33 Abs. 2 AG -
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KJHG [X.] ist nicht einschlägig, weil diese
nur die örtliche Zuständigkeit
be-trifft. Die sachliche Zuständigkeit ist -
wie ausgeführt -
in § 33 Abs. 1 AG KJHG [X.] geregelt, woraus
sich die Zuständigkeit des [X.]
ergibt. Dass vor der Bestimmung des örtlich zuständigen [X.] aufgrund allgemeiner
[X.]svorschriften möglicherweise ein anderes als das später von der Se-natsverwaltung bestimmte Jugendamt am Gerichtsverfahren mitzuwirken hat, kann
schließlich
als bloße Praktikabilitätserwägung nicht ausschlaggebend sein.
bb) Das Beschwerdegericht hat eine nähere Aufklärung des Alters der Betroffenen vermisst. Außerdem hat es den vom
Betroffenen angegebenen Tod seiner Eltern
für nicht genügend verifiziert
erachtet. Das hält sich im Rahmen tatrichterlicher Würdigung und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Angriffe der Rechtsbeschwerde vermögen einen in der Rechtsbeschwer-deinstanz allein beachtlichen Verstoß gegen Denkgesetze oder [X.] nicht aufzuzeigen.
Schließlich hat das Beschwerdegericht auf Antrag des beschwerdefüh-renden [X.] auch zu Recht nach § 69 Abs. 1 Satz 2, 3 FamFG eine Zu-rückverweisung an das Amtsgericht ausgesprochen, weil eine aufwändige Be-weisaufnahme notwendig wäre.

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Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abge-sehen.
[X.]Schilling

Nedden-Boeger [X.]
Vorinstanzen:
AG [X.]-Schöneberg, Entscheidung vom 24.04.2012 -
85 [X.]/12 und
25.04.2012 -
85 [X.]/12 -

KG [X.], Entscheidung vom 04.09.2012 -
16 UF 124/12 und 13 [X.]/12 -

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Meta

XII ZB 576/12

20.11.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2013, Az. XII ZB 576/12 (REWIS RS 2013, 1001)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1001

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