Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2013, Az. XII ZB 569/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 980

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 569/12

vom

20.
November
2013

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 162; [X.] § 85
Zur Bestimmung des zur Mitwirkung in einem die Personensorge betreffenden Verfahren
sachlich zuständigen [X.].

[X.], Beschluss vom 20. November 2013 -
XII ZB 569/12 -
KG [X.]

AG [X.]-Schöneberg

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 20.
November
2013
durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose und die Richter
Dr.
[X.], Schilling, Dr.
Nedden-Boeger und [X.]
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 16. Zivilsenats als [X.] in [X.] vom 23. August 2012 wird auf Kosten der Rechtsbeschwerdeführerin zurückgewiesen.
Wert:
3.000

Gründe:
I.
Die nach ihren Angaben 1996 in [X.] geborene Betroffene meldete sich im Februar 2012 in der örtlichen [X.]nahme-
und Clearingstelle in [X.] Steglitz-Zehlendorf und bat, als minderjähriger unbegleitet eingereister Flücht-ling in Obhut genommen zu werden. Die [X.] (Beteiligte zu 3) entsprach der Bitte und hat im vorliegenden Verfahren beantragt, hinsichtlich der nach ihrer Einschätzung noch minderjährigen Betroffenen das Ruhen der elterlichen Sorge der im Ausland lebenden Eltern festzustellen
sowie [X.] anzuordnen.
Das Amtsgericht
(Rechtspfleger) hat das Ruhen der elterlichen Sorge festgestellt. Dagegen hat das Jugendamt
(Beteiligter
zu 4), das im Verfahren vor dem Amtsgericht nicht angehört worden ist, Beschwerde eingelegt. Das Be-1
2
-
3
-
schwerdegericht hat den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und das [X.] zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht
zurück-verwiesen.
Dagegen wendet sich die [X.] mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.
1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts (ebenso KG [X.] ZKJ 2012, 450) ist das örtliche Jugendamt
beschwerdeberechtigt und vom Amtsge-richt
zu Unrecht am Verfahren nicht beteiligt worden. Der
Beteiligung des Ju-gendamts werde nicht dadurch genügt, dass die [X.], die auch den Antrag auf Anordnung einer [X.] gestellt habe, am Verfahren beteiligt worden sei. Denn eine die Zustän-digkeit des [X.] verdrängende eigene Zuständigkeit der [X.] nach den landesrechtlichen Ausführungsvorschriften über die Gewährung von Jugendhilfe für alleinstehende minderjährige Ausländer greife
nicht ein, weil es sich nicht um die Gewährung der Jugendhilfe, sondern um die Beteiligung am gerichtlichen Verfahren handele, welche von den landesrechtlichen Ausfüh-rungsvorschriften nicht berührt werde.
Ferner habe das Amtsgericht keine weiteren Ermittlungen hinsichtlich des behaupteten Alters der Betroffenen angestellt. Die Einschätzungen der Se-natsverwaltung und der Ausländerbehörde wichen voneinander ab. Das Famili-engericht habe auch die Erreichbarkeit der Sorgeberechtigten
nicht von Amts wegen geklärt. Insbesondere habe es die Wohnanschrift des [X.] nicht ermit-telt sowie die Angaben der Betroffenen zum Tod ihrer Mutter nicht verifiziert.

3
4
5
-
4
-
2. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung durch das Be-schwerdegericht, an die der Senat gebunden ist, nach § 70 Abs. 1 FamFG
statthaft
und auch sonst zulässig.
Die [X.] ist als Behörde im Rechtsbeschwerdeverfahren beschwerdeberechtigt. Unabhängig von der im vorliegenden Verfahren zu [X.] Frage, welche Behörde für die Mitwirkung am gerichtlichen Verfahren zuständig ist, ist für die [X.] zu unterstellen, dass die Se-natsverwaltung als zuständige Behörde nach §§ 59 Abs. 3, 162 Abs. 3 Satz
2 FamFG beschwerdeberechtigt ist (vgl. Senatsbeschluss vom
25. August 1999
-
XII [X.]/98 -
FamRZ 2000, 219 mwN sowie [X.]/[X.] FamFG 17.
Aufl. § 74 Rn. 6 f.).

b) In der Sache bleibt die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
aa) Die Frage der Zuständigkeit des [X.] für die Mitwirkung
im Verfahren stellt sich bereits im Rahmen der Zulässigkeit der Erstbeschwerde, weil nur das zuständige Jugendamt nach §§ 59 Abs. 3, 162 Abs.
3 Satz
2 FamFG
beschwerdeberechtigt ist.
Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass in der vorliegenden [X.] gemäß §
151 Nr.
1 FamFG das Jugendamt zur Mitwirkung am Verfahren berufen ist. Die Mitwirkung des [X.] muss allerdings nicht in der (formellen) Beteiligung am Verfahren
bestehen. Nach §
162 Abs.
1 Satz
1 FamFG ist das Jugendamt in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, vom Gericht zunächst lediglich anzuhören. Das Jugendamt wird allein durch die Anhörung noch nicht zum Verfahrensbeteiligten. Erst
auf 6
7
8
9
10
11
-
5
-
seinen entsprechenden Antrag ist es
vom Gericht nach §§
7 Abs.
2 Nr.
2,
162 Abs.
2 Satz
2 FamFG am Verfahren auch formell zu beteiligen.
Das Beschwerderecht nach § 162 Abs. 3 Satz 2 FamFG
steht nur dem nach § 162 Abs. 1 Satz 1 FamFG anzuhörenden zuständigen Jugendamt zu
([X.]/[X.] FamFG 17. Aufl. § 162 Rn.
6). Im vorliegenden Fall ist
in-dessen nicht die örtliche Zuständigkeit nach
§§
87 b Abs. 1
Satz 1, 86 [X.]
fraglich, sondern die sachliche Zuständigkeit (§ 85 [X.]).
Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 [X.] unterstützt das Jugendamt das [X.], die die Sorge für die Person von Kindern und Jugendlichen betreffen. Dazu gehört gemäß § 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] die Mitwirkung in [X.]n nach § 162 FamFG. Nach § 85 Abs.
1 [X.] ist für die Gewährung von Leistungen und die Erfüllung anderer [X.] nach dem [X.] der örtliche Träger sachlich zuständig, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist. Örtlicher und überörtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Sinne des § 69 Abs. 1 [X.] ist nach § 33 Abs. 1 Satz 1 des [X.]er Gesetzes zur Ausführung des Kin-der-
und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG [X.]) das Land [X.]. Nach §
33 Abs. 1 Satz 2 AG KJHG [X.]
nehmen die Jugendämter der Bezirke die [X.] des örtlichen Trägers nach § 85 Abs. 1 [X.] wahr und die für Jugend und Familie zuständige [X.] ([X.]) die Aufgaben des überörtlichen Trägers nach § 85 Abs. 2 [X.].
Demnach ist hier das Ju-gendamt zuständig.
Eine ausnahmsweise Zuständigkeit des überörtlichen Trägers nach §
85 Abs. 2 Nr. 3 [X.] (Anregung und Förderung von Einrichtungen, Diensten und Veranstaltungen sowie deren Schaffung und Betrieb, soweit sie den [X.] Bedarf übersteigen) ist nicht gegeben. Die Zuweisung der Inobhutnahme 12
13
14
-
6
-
bei unerlaubt eingereisten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländern und von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern nach Nr. 6 Abs. 1 bis 3 des [X.] zu § 2 Abs. 4 Allgemeines
Sicherheits-
und Ordnungsgesetz des Landes [X.] ([X.]) begründet eine sachliche [X.] der [X.] nur für die Inobhutnahme, nicht aber auch für die Mitwirkung am familiengerichtlichen Verfahren. Im Hinblick auf die Mitwir-kung am gerichtlichen Verfahren fehlt es an einer gesetzlichen Aufgabenzuwei-sung. Eine solche ergibt sich auch nicht aus der Natur der Sache, zumal die Inobhutnahme und die Mitwirkung am gerichtlichen Verfahren verschiedene Tätigkeiten darstellen, die nicht notwendig miteinander verknüpft sein müssen. Das zeigt sich auch
an der zeitlichen Beschränkung der Aufgabenzuweisung an die [X.] auf eine Höchstdauer von drei Monaten (Nr. 6 Abs. 1 bis 3 [X.]), die somit bereits nicht notwendig die gesamte Dauer des [X.] abdeckt. Die vom 3. Zivilsenat des Kammergerichts (Beschluss vom 10.
Juli
2012

3 WF 76/12) für die gegenteilige Auffassung angeführten (inzwischen geänderten) Ausführungsvorschriften über die Gewährung von Ju-gendhilfe für alleinstehende minderjährige Ausländer (AV-JAMA)
in der [X.] vom 10. Juni 2008
enthielten in § 4 Abs. 2 Satz 2
die Regelung, dass die [X.] nach Ablauf von drei Monaten seit der Aufnahme in die Erst-aufnahme-
und Clearingstelle die sachliche und örtliche Zuständigkeit eines [X.] nach einem Quotenschlüssel bestimmt. Spätestens mit Ablauf von drei Monaten ist demnach das zuständige örtliche Jugendamt zur Mitwirkung am Verfahren berufen (zum Wechsel der behördlichen Zuständigkeit während des Gerichtsverfahrens vgl. auch Senatsbeschluss vom 27. Juni 2012

XII ZR 89/10

FamRZ 2012, 1489 Rn. 11).
Dass die Zuständigkeit der [X.] bis zur Bestellung eines Vormunds fortbesteht, ergibt sich aus dieser [X.] nicht. Überdies handelt es sich bei ihr lediglich um eine Verwaltungsvor-schrift, welche die gesetzliche Zuständigkeitsregelung in § 85 Abs. 1, 2 SGB -
7
-
VIII
nicht abändern kann, weil sie sich insoweit nicht auf eine gesetzliche Grundlage stützen lässt. Die vom 3. Zivilsenat des Kammergerichts (Beschluss vom 10.
Juli
2012 -
3 WF 76/12) angeführte Vorschrift des §
33 Abs.
2 AG KJHG [X.] ist nicht einschlägig, weil diese
nur die örtliche Zuständigkeit
be-trifft. Die sachliche Zuständigkeit ist -
wie ausgeführt -
in § 33 Abs. 1 AG KJHG [X.] geregelt, woraus sich die Zuständigkeit des [X.] ergibt. Dass vor der Bestimmung des örtlich zuständigen [X.]
aufgrund allgemeiner
[X.]svorschriften möglicherweise ein anderes als das später von der Se-natsverwaltung bestimmte Jugendamt am Gerichtsverfahren mitzuwirken hat, kann
schließlich als bloße Praktikabilitätserwägung nicht ausschlaggebend sein.
bb) Das Beschwerdegericht hat die Ermittlungen des Amtsgerichts zu den Voraussetzungen des Ruhens der elterlichen Sorge als nicht ausreichend angesehen. Es hat vor allem eine nähere Aufklärung des Alters der Betroffenen vermisst. Außerdem hat es für nicht
hinreichend festgestellt erachtet, dass die Eltern die elterliche Sorge auf längere Zeit nicht ausüben können,
und den von der Betroffenen angegebenen Tod ihrer Mutter nicht für genügend verifiziert
gehalten.
Die Beurteilung des Beschwerdegerichts
hält sich im Rahmen tatrichterli-cher Würdigung und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Angriffe der Rechtsbeschwerde vermögen einen in der [X.] allein beachtlichen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze nicht aufzuzei-gen.
Schließlich hat das Beschwerdegericht auf Antrag des beschwerdefüh-renden [X.] auch zu Recht gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2, 3 FamFG eine Zurückverweisung an das Amtsgericht ausgesprochen, weil eine aufwändige 15
16
17
-
8
-
Beweisaufnahme notwendig wäre.
Dass es inzwischen wegen des auch nach den Angaben der Betroffenen bevorstehenden Eintritts der Volljährigkeit einer Beweisaufnahme voraussichtlich nicht mehr bedarf, steht dem nicht entgegen.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abge-sehen.
Dose [X.] Schilling

Nedden-Boeger [X.]
Vorinstanzen:
AG [X.]-Schöneberg, Entscheidung vom 20.03.2012 -
88 FH 5/12 -

KG [X.], Entscheidung vom 23.08.2012 -
16 WF 94/12 -

18

Meta

XII ZB 569/12

20.11.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2013, Az. XII ZB 569/12 (REWIS RS 2013, 980)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 980

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 576/12 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 576/12 (Bundesgerichtshof)

Personensorgeverfahren in Berlin: Vormundschaft über minderjährigen unbegleiteten Flüchtling; Beteiligung des Jugendamts; Beschwerdeberechtigung des zuständigen Jugendamtes


XII ZB 569/12 (Bundesgerichtshof)

Sorgerechtsverfahren: Sachliche Zuständigkeit des mitwirkenden Jugendamtes in Berlin


XII ZB 30/15 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 30/15 (Bundesgerichtshof)

Vormundsbestellungsverfahren für einen minderjährigen, ausländischen Flüchtling: Bestimmung des zur Mitwirkung sachlich zuständigen Berliner Jugendamts


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XII ZB 569/12

XII ZR 89/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.