Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.09.2012, Az. IV R 36/10

4. Senat | REWIS RS 2012, 2972

VERFASSUNG STEUERRECHT BUNDESFINANZHOF (BFH) GEWERBESTEUER

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Gegenstand

Gewerbesteuerliche Mindestbesteuerung verfassungsgemäß - Zuordnung des Gewinns aus der Veräußerung eines zum Anlagevermögen zählenden Flugzeugs zum gewerbesteuerbaren (laufenden) Gewinn


Leitsatz

Die Beschränkung der Verrechnung von vortragsfähigen Gewerbeverlusten durch Einführung einer jährlichen Höchstgrenze mit Wirkung ab 2004 ist mit dem GG vereinbar. Das gilt auch, soweit es wegen der Begrenzung zu einem endgültig nicht mehr verrechenbaren Verlust kommt .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, die 1993 errichtet wurde. Sie erwarb mit Vertrag vom 24. Oktober 1994 als einzige wesentliche Betriebsgrundlage ein Flugzeug, das sie für den Zeitraum vom 9. Dezember 1994 bis 8. Dezember 2004 an eine [X.] vermietete. Gleichzeitig räumte eine ... [X.] ([X.]. 1) der Klägerin das Recht ein, das Flugzeug mit einer sechsmonatigen Andienungsfrist zum 9. Dezember 2004 zu einem Verkaufspreis von ... US-Dollar an sie zu veräußern. Außerdem verpflichtete sich die [X.]. 1, der Klägerin die aus dem Verkauf entstehenden Steuerbelastungen einschließlich der Gewerbesteuer zu erstatten.

2

Die Verkaufsoption übte die Klägerin mit Schreiben vom 5. April 2004 aus. Am 30. September 2004 fassten die Gesellschafter der Klägerin den Beschluss, mit Ablauf des 8. Dezember 2004 die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft aufzugeben, diese gleichzeitig aufzulösen und das Flugzeug am 9. Dezember 2004 an eine weitere [X.] ([X.]. 2) zu veräußern. In der Folge schlossen die Klägerin, die [X.], die [X.]. 1 und die [X.]. 2 am 4. Oktober 2004 einen Vertrag, in dem u.a. vereinbart wurde, dass die Rechte und Pflichten aus dem mit Ausübung des Andienungsrechts der Klägerin zu Stande gekommenen Kaufvertrag über das Flugzeug von der [X.]. 2 übernommen würden. Außerdem sah der Vertrag vor, dass die [X.] das Flugzeug von der [X.]. 2 weiter anmieten und der Klägerin die aus dem Verkauf entstehenden Steuerbelastungen, einschließlich der Gewerbesteuer, erstatten werde.

3

Für das Streitjahr (2004) ermittelte die Klägerin laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... € und einen Veräußerungsgewinn in Höhe von ... €. In ihrer Gewerbesteuererklärung erklärte sie einen Gewerbeertrag in Höhe von ... € und beantragte, den zum 31. Dezember 2003 gesondert festgestellten vortragsfähigen [X.] in voller Höhe abzuziehen.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte den zum 31. Dezember 2003 festgestellten vortragsfähigen [X.] gemäß § 10a Sätze 1 und 2 des [X.] ([X.]) in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 23. Dezember 2003 ([X.], 2922, [X.], 20) --[X.]uaÄndG-- nur beschränkt in Höhe von ... € und setzte mit Bescheid vom 21. Dezember 2005 einen [X.] von ... € fest.

5

Dagegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage. Sie machte geltend, die --sowohl nach dem Wortlaut der Vorschrift als auch rechnerisch zutreffende-- Anwendung der Mindestbesteuerung sei im Streitfall aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig. Denn durch die beschränkte Berücksichtigung des vortragsfähigen [X.]s werde ihr der Verlustausgleich in Höhe von ... € endgültig versagt, weil sie ihre Geschäftstätigkeit zum 8. Dezember 2004 aufgegeben habe. Dadurch werde sie in ihren Grundrechten aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) und auf Gewährleistung des Eigentums (Art. 14 GG) verletzt.

6

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Anwendung der Mindestbesteuerung nach § 10a [X.] führe zu keiner Verletzung der Besteuerungsgleichheit oder des objektiven Nettoprinzips in [X.]. Zwar stelle der endgültige Verlust eines Teils des zum 31. Dezember 2003 festgestellten [X.]vortrags eine Abweichung vom objektiven Nettoprinzip dar. Dies sei jedenfalls dann durch die Ziele des Gesetzgebers --die Stärkung und Verstetigung der steuerlichen [X.] (BTDrucks 15/1517, S. 12, S. 19)-- gerechtfertigt, wenn es wie im Streitfall auf der vom Steuerpflichtigen selbst herbeigeführten Abkürzung des zur Verlustverrechnung nutzbaren Zeitraums beruhe. Eine Verletzung des Art. 14 GG durch den [X.] sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil sich die tatsächliche Steuerbelastung erst aus dem Gewerbesteuerbescheid ergebe. Anhaltspunkte dafür, dass der volle Verlustabzug aus Gründen des Vertrauensschutzes geboten sein könnte, ergäben sich weder aus dem Klagevorbringen noch aus dem sonstigen Akteninhalt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2010, 1914 veröffentlicht.

7

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von Verfahrensrecht sowie der Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 14 GG, des grundrechtlich und rechtsstaatlich gewährleisteten Vertrauensschutzes und des im Wege teleologischer Reduktion verfassungskonform auszulegenden § 10a Satz 2 [X.].

8

Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den [X.] für 2004 unter Änderung des [X.]s vom 21. Dezember 2005 und der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2007 unter Berücksichtigung des zum 31. Dezember 2003 gesondert festgestellten vortragsfähigen [X.]s in Höhe von ... € auf ... € herabzusetzen.

9

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das [X.] ([X.]) ist dem Verfahren beigetreten.

Entscheidungsgründe

I[X.] Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einem Verfahrensmangel und das [X.] hat § 10a Sätze 1 und 2 [X.], Art. 3 Abs. 1 [X.] und Art. 14 [X.] zutreffend angewandt.

1. Die Verfahrensrüge, mit der die Klägerin geltend macht, das [X.] habe die Sachaufklärungspflicht verletzt (§ 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) und den Sachverhalt widersprüchlich gewürdigt, greift nicht durch. Der Senat sieht insoweit von einer Begründung ab (§ 126 Abs. 6 [X.]O).  

2. Der Gewinn aus der Veräußerung des Flugzeugs gehörte zum gewerbesteuerbaren laufenden Gewinn der Klägerin. Davon sind auch die Beteiligten und das [X.] ausgegangen.

a) Die Klägerin unterliegt der Gewerbesteuer selbst dann, wenn ihre Tätigkeit --was der Senat deshalb dahinstehen lassen [X.] nicht alle Merkmale eines Gewerbebetriebs i.S. des § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllen sollte.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende, im Inland betriebene Gewerbebetrieb. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des EStG zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Neben originär gewerblich tätigen Unternehmen gehören dazu auch gewerblich geprägte Personengesellschaften, deren Tätigkeit infolge der einkommensteuerlichen Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als Gewerbebetrieb gilt, obwohl sie keine originär gewerblichen Einkünfte erzielen. Diese Fiktion gilt auch für Zwecke der Gewerbesteuer (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 20. November 2003 IV R 5/02, [X.], 471, [X.], 464).

Sofern die Klägerin nicht originär gewerblich tätig gewesen sein sollte, erfüllt sie zumindest die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG. Ihr einziger persönlich haftender Gesellschafter ist eine Kapitalgesellschaft, und nur diese Gesellschafterin sowie Personen, die nicht Gesellschafter sind, sind zur Geschäftsführung befugt.

b) Einzelunternehmen und Mitunternehmerschaften sind sachlich gewerbesteuerpflichtig nur, wenn und solange sie einen Gewerbebetrieb im Sinne des [X.] unterhalten. Die sachliche Gewerbesteuerpflicht endet deshalb mit der dauerhaften Einstellung der werbenden Tätigkeit (ständige Rechtsprechung, u.a. [X.]-Urteile vom 24. April 1980 IV R 68/77, [X.], 70, [X.] 1980, 658, unter 1. der Gründe; vom 20. März 1990 VIII R 47/86, [X.] 1990, 799, unter 1.a der Gründe; vom 26. Juni 2007 IV R 49/04, [X.], 150, [X.] 2009, 289, unter [X.] der Gründe). Auch bei einer gewerblich geprägten Gesellschaft endet die sachliche Gewerbesteuerpflicht mit dem Ende der werbenden Tätigkeit ([X.]-Urteil in [X.], 471, [X.], 464, unter [X.] der Gründe). Die Rechtsform der beteiligten Mitunternehmer ist ohne Bedeutung ([X.]-Urteil vom 5. März 1998 IV R 23/97, [X.], 142, [X.] 1998, 745, unter 1.b der Gründe). Entgegen der Ansicht des [X.] hat die Einfügung des § 7 Satz 2 [X.] zu keiner Änderung dieser rechtlichen Beurteilung geführt ([X.]-Urteil vom 30. August 2012 IV R 54/10, [X.], 2180, [X.], 198, unter [X.] und I[X.]3. der Gründe).

c) Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Anlage- wie auch des Umlaufvermögens können zum gewerbesteuerbaren (laufenden) Gewinn oder zum nicht gewerbesteuerbaren Aufgabegewinn gehören. Maßgeblich ist, ob mit der Veräußerung die bisherige normale Geschäftstätigkeit fortgesetzt wird oder ob die Veräußerung im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Aufgabe des Betriebs erfolgt ([X.]-Urteil in [X.], 150, [X.] 2009, 289, unter [X.]). Der Gewinn aus der Veräußerung eines zum Anlagevermögen zählenden Flugzeugs gehört danach zum gewerbesteuerbaren (laufenden) Gewinn, wenn die Veräußerung Bestandteil eines einheitlichen Geschäftskonzepts der unternehmerischen Tätigkeit ist. Hiervon ist im Streitfall auszugehen, wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist.

3. Das [X.] hat den Gewerbeertrag unter Berücksichtigung des § 10a Sätze 1 und 2 [X.] zutreffend ermittelt. Nach dieser Vorschrift wird der maßgebende Gewerbeertrag bis zu einem Betrag in Höhe von 1 Mio. € um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden [X.] für die vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 [X.] ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des [X.] für die vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind. Der 1 Mio. € übersteigende maßgebende Gewerbeertrag ist bis zu 60 % um die verbleibenden Fehlbeträge der vorangegangenen Erhebungszeiträume zu kürzen. Die Anwendung der Regelung führt dazu, dass anstelle der gesamten Fehlbeträge aus früheren Erhebungszeiträumen von ... € nur ... € vom maßgebenden Gewerbeertrag des Streitjahres abgezogen werden können. Der angefochtene Bescheid entspricht dieser Rechtslage, worüber zwischen den Beteiligten ebenfalls kein Streit besteht.

4. [X.] nach § 10a Sätze 1 und 2 [X.] verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 [X.] (ebenso [X.]-Urteil vom 22. August 2012 I R 9/11, juris, [X.], 419).

a) Der Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen.

aa) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und [X.] unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an [X.] reichen. Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (ständige Rechtsprechung des [X.]; vgl. z.B. [X.] vom 6. Juli 2010  2 BvL 13/09, [X.] 126, 268, Rz 35, m.w.N.).

[X.]) Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des [X.] und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird hier, insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast an der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen angemessen sein muss. Bei der Ausgestaltung des [X.] muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.] in [X.] 126, 268, Rz 36, m.w.N.).

cc) Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen hat das [X.] in seiner bisherigen Rechtsprechung vor allem außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke sowie [X.] und Vereinfachungserfordernisse anerkannt, nicht jedoch den rein fiskalischen Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 9. Dezember 2008  2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, [X.] 122, 210, Rz 58 ff.). Der Finanzbedarf des Staates oder eine knappe Haushaltslage reichen für sich allein nicht aus, um ungleiche Belastungen durch konkretisierende Ausgestaltung der steuerrechtlichen Grundentscheidungen zu rechtfertigen. Auch wenn der Staat auf Einsparungsmaßnahmen angewiesen ist, muss er auf eine gleichheitsgerechte Verteilung der Lasten achten ([X.]-Urteil in [X.] 122, 210, Rz 61). Besondere ("qualifizierte") Fiskalzwecke können aber als Rechtfertigungsgrund in Betracht kommen (anerkannt z.B. für unerwartete staatliche Mehrausgaben im Zusammenhang mit der [X.], [X.] vom 5. Februar 2002  2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93, [X.] 105, 17, Rz 89).

dd) Als Rechtfertigungsgrund ist insbesondere die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten: Jede gesetzliche Regelung muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen.

Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen. Insbesondere darf der Gesetzgeber für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss [X.] den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.] in [X.] 126, 268, Rz 38, m.w.N.).

Folge einer Typisierung ist notwendigerweise, dass die Verhältnisse des Einzelfalls unberücksichtigt bleiben. Darin liegende Ungleichbehandlungen sind durch die Typisierungsbefugnis grundsätzlich gerechtfertigt. Ist vorhersehbar, dass in Ausnahmefällen besondere Härten auftreten können, die nicht in zumutbarer Weise durch gesetzliche Sonderregelungen vermeidbar sind, steht dies der [X.] nicht entgegen, wenn für deren Behebung im Einzelfall [X.] zur Verfügung stehen. Bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von generalisierenden und typisierenden Normen des Steuerrechts fällt insbesondere die Möglichkeit des Steuererlasses zur Milderung unbilliger Härten ins Gewicht ([X.] vom 5. April 1978  1 BvR 117/73, [X.] 48, 102; [X.]-Urteile vom 6. Februar 1976 III R 24/71, [X.], 151; vom 23. März 1998 II R 41/96, [X.], 270, [X.] 1998, 396; vom 27. Mai 2004 IV R 55/02, [X.] 2004, 1555).

ee) Die für die Lastengleichheit im Gewerbesteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit ist grundsätzlich nach dem objektiven Nettoprinzip zu bemessen.

(1) Das objektive Nettoprinzip gilt auch für die Gewerbesteuer, weil die Gewerbesteuer im Hinblick auf die Bemessung des [X.] nach den Vorschriften des EStG und des Körperschaftsteuergesetzes --[X.]-- (§ 7 Satz 1 [X.]) ebenso wie die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer an die Ertragskraft des Unternehmens anknüpft ([X.] vom 15. Januar 2008  1 BvL 2/04, [X.] 120, 1, Rz 112 ff.). Danach unterliegt im Bereich der Unternehmensbesteuerung grundsätzlich nur das Nettoeinkommen der Besteuerung. Betriebsausgaben müssen folglich grundsätzlich steuerlich abziehbar sein ([X.] vom 12. Oktober 2010  1 BvL 12/07, [X.] 127, 224, Rz 57).

(2) Allerdings bedingt der Charakter der Gewerbesteuer als [X.] Einschränkungen des objektiven Nettoprinzips.

(a) Das [X.]prinzip liegt verschiedenen Regelungen des geltenden [X.] zugrunde. Hierzu gehören etwa die Hinzurechnung von Betriebsausgaben nach § 8 [X.] und die Kürzung von Betriebseinnahmen nach § 9 [X.]. Auch das Erfordernis der Unternehmensidentität für den Verlustausgleich nach § 10a [X.] ist eine Ausprägung des [X.] der Gewerbesteuer. Unternehmensidentität bedeutet, dass der im [X.] bestehende Gewerbebetrieb identisch sein muss mit dem Gewerbebetrieb, in dem der Verlust entstanden ist (u.a. [X.]-Urteile vom 12. Januar 1978 IV R 26/73, [X.], 348, [X.] 1978, 348; vom 14. September 1993 VIII R 84/90, [X.], 233, [X.] 1994, 764; R 10a.2 Satz 1 der Gewerbesteuer-Richtlinien 2009).

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] folgt aus dem [X.] der Gewerbesteuer für solche Gewerbebetriebe, deren Tätigkeit nicht nach § 2 Abs. 2 [X.] stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt, dass nur der auf den laufenden Betrieb entfallende, durch eigene gewerbliche Leistungen entstandene Gewinn der Gewerbesteuer unterliegt (s. oben unter [X.]). Nicht zu berücksichtigen sind daher Verluste, die vor Aufnahme der werbenden Tätigkeit entstanden sind, oder die nicht dem laufenden Betrieb, sondern dessen Aufgabe oder Veräußerung zuzuordnen sind (u.a. [X.]-Urteil in [X.], 150, [X.] 2009, 289, unter I[X.]2. der Gründe), auch wenn sie die Leistungsfähigkeit des Gewerbetreibenden vermindern. Ebenso wenig sind entsprechende Gewinne in die Ermittlung des [X.] einzubeziehen, obschon sie die Leistungsfähigkeit des Gewerbetreibenden vergrößern.

(b) Das der [X.]besteuerung zugrunde liegende gesetzgeberische Konzept hat von Beginn an die Möglichkeit einer Definitivbelastung mit Gewerbesteuer auch bei [X.] überwiegenden Verlusten nicht ausgeschlossen.

(aa) Die vor Inkrafttreten des reichseinheitlichen [X.] bestehenden [X.] der Länder erlaubten einen gewerbesteuerlichen Verlustvor- oder -rücktrag nicht (vgl. Übersicht über die [X.] der Länder, [X.] 1937, 699). Der [X.] ([X.]) verneinte die Anwendbarkeit der im [X.] bzw. EStG vorgesehenen Möglichkeit zur Berücksichtigung einer Unterbilanz bzw. eines Verlustvortrags bei der Ermittlung des [X.] unter Hinweis auf den [X.] der Gewerbesteuer, die als eine Art von Beitrag aufgefasst werden könne ([X.]-Urteil vom 10. Juli 1935 IV A 33/35, [X.]E 38, 120, zum [X.] [X.]). Zur Begründung hat er ausgeführt, bereits das [X.] Oberverwaltungsgericht habe in ständiger Rechtsprechung als (gewerbesteuerlichen) Ertrag den Inbegriff dessen angesehen, was innerhalb einer gewissen Periode an Geldwerten, Gütern und Nutzungen durch objektiven Gewerbebetrieb hervorgebracht werde und damit in ständiger Rechtsprechung die Anrechnung von Verlusten aus Vorjahren auf spätere Gewinnjahre für unvereinbar gehalten. Durch die Anrechnung von Verlusten aus früheren Geschäftsjahren auf spätere Ertragsjahre würde ein Merkmal in die Gewerbesteuer hineingetragen, das dem [X.] offensichtlich widerspreche und überdies mit dem der Gewerbesteuer zugrunde liegenden steuerpolitischen Zweckgedanken nicht in Einklang zu bringen sei, wonach diese eine Art Gegenleistung für die den Gemeinden durch die Gewerbebetriebe verursachten Lasten darstellen solle. Die Berücksichtigung von Vorjahresverlusten in späteren Ertragsjahren könne dazu führen, dass es in diesen Jahren an der entsprechenden Gegenleistung für die durch den Gewerbebetrieb verursachten Lasten fehle, trotzdem in diesen Jahren Ertrag vorhanden sei; dieser Ausfall im [X.] müsse dann auf andere Steuerpflichtige umgelegt werden.

([X.]) [X.] (GewStRG) vom 1. Dezember 1930 ([X.] 1930, 537) räumte in § 12 Nr. 3 die Möglichkeit eines zweijährigen Verlustvortrags für buchführende Unternehmungen ein (vgl. [X.], [X.] im Gewerbesteuerrecht, Studien zum Finanz- und Steuerrecht, Bd. 4, 1980, S. 24, S. 82). Allerdings hat es sich nicht durchsetzen können und wurde nur von den Ländern [X.] und [X.] übernommen ([X.] 1937, 693). Die Neufassung des GewStRG vom 30. Juni 1935 ([X.] 1935, 830) sah keinerlei Möglichkeit zur Verrechnung von [X.]n vor.

(cc) Auch unter Geltung des [X.] vom 1. Dezember 1936 ([X.] 1936, 979) bestand zunächst keine Möglichkeit, [X.] auszugleichen. Mit Runderlass vom 14. Juli 1939 L 1460-1/39 III ([X.] 1939, 849) ließ das [X.] nach Einführung eines entsprechenden Verlustvortrags bei der Einkommensteuer auch für die Gewerbesteuer einen zweijährigen Verlustvortrag zu, der --möglicherweise gedanklich an die Berücksichtigung einer Unterbilanz anknüpfend-- nur für buchführende Gewerbebetriebe galt. Für andere Gewerbebetriebe bestand weiterhin keine Möglichkeit zum Verlustausgleich. Als Rechtsgrundlage der Regelung wurden zunächst nachträglich § 19 der [X.] zur Durchführung des Gewerbesteuergesetzes vom 31. Januar 1940 ([X.] 1940, 284) und später § 10a [X.] eingeführt (durch Gesetz zur Änderung des [X.] vom 27. Dezember 1951, [X.] 1951, 996). Dabei wurde der Verlustvortrag von einer ordnungsgemäßen Buchführung abhängig gemacht und zunächst auf drei Jahre, später auf fünf Jahre ausgedehnt ([X.] vom 16. Dezember 1954, [X.] 1954, 373). Ab 1975 entfielen die Erforderlichkeit einer ordnungsmäßigen Buchführung (Einführungsgesetz zum [X.] vom 21. Dezember 1974, [X.] 1974, 3656) sowie die Beschränkung auf buchführende Betriebe (rückwirkend durch das [X.] 1986 vom 19. Dezember 1985, [X.] 1985, 2436). Ab 1985 entfiel auch die zeitliche Begrenzung des Verlustvortrags (Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988, [X.] 1988, 1093).

(c) Die Möglichkeit eines Verlustrücktrags bestand bei der Gewerbesteuer zu keinem Zeitpunkt. Der Gesetzgeber hat dabei dem Interesse der Gemeinden an einer funktionierenden Haushaltspolitik Vorrang vor dem wirtschaftlichen Interesse der betroffenen Gewerbebetriebe eingeräumt.

(aa) Im Zusammenhang mit der Einführung eines Verlustrücktrags bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer wurde eine solche Maßnahme auch für die Gewerbesteuer geprüft, jedoch abgelehnt, weil "die Gemeinden hierdurch in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten kommen könnten. Denn --anders als beim [X.] könnte ein Verlustrücktrag dazu führen, dass insbesondere kleinere Gemeinden bei einer Rückzahlung vereinnahmter und bereits im Haushalt verplanter Gewerbesteuern in größte Schwierigkeiten kommen würden" (BTDrucks 7/4604, S. 3; BTDrucks 7/4705, S. 3; ähnlich [X.] 828/1/74, zu I 2; kritisch [X.], [X.] im Gewerbesteuerrecht, a.a.[X.], S. 230 ff.).

([X.]) Der [X.] hat das Fehlen eines Verlustrücktrags verfassungsrechtlich nicht beanstandet (Urteil vom 31. Juli 1990 I R 62/86, [X.]E 161, 570, [X.] 1990, 1083). Die Regelung sei [X.] innerhalb der Rechtsordnung. Als zusätzliche Rechtfertigung könne der Gesichtspunkt des kommunalen Selbstverwaltungsrechts herangezogen werden ([X.]-Urteil in [X.]E 161, 570, [X.] 1990, 1083, unter I[X.]A.1.d [X.] der Gründe). Einer Substanzgefährdung der betroffenen Unternehmen könne durch die angemessene Entrichtung von Vorauszahlungen oder die Bildung einer angemessenen Rückstellung für die Gewerbesteuerschuld aus dem Gewinnjahr hinreichend begegnet werden; dennoch eintretende Gefährdungen hätten ihre Ursache nicht in der Gewerbesteuer für den vorangegangenen Erhebungszeitraum, sondern in den zwischenzeitlich im Betrieb erwirtschafteten Verlusten ([X.]-Urteil in [X.]E 161, 570, [X.] 1990, 1083, unter [X.] der Gründe).

(3) Das [X.] hat bisher offengelassen, ob das objektive Nettoprinzip Verfassungsrang hat (aus neuerer Zeit etwa [X.] in [X.] 126, 268, Rz 40). Jedenfalls kann der Gesetzgeber dieses Prinzip beim Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen und sich dabei generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen. Hiernach entfaltet schon das einfach-rechtliche objektive Nettoprinzip Bedeutung vor allem im Zusammenhang mit den Anforderungen an hinreichende Folgerichtigkeit bei der näheren Ausgestaltung der gesetzgeberischen Grundentscheidungen. Die Beschränkung des steuerlichen Zugriffs nach Maßgabe des objektiven Nettoprinzips gehört zu diesen Grundentscheidungen, so dass Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes bedürfen (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.] in [X.] 126, 268, Rz 40, m.w.N.).

b) Nach den vorstehenden Maßstäben ist ein von § 10a Sätze 1 und 2 [X.] ggf. ausgehender Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Überzeugung des erkennenden Senats zumindest gerechtfertigt. Damit schließt sich der Senat der Auffassung des [X.] Senats des [X.] in dessen Urteil vom 22. August 2012 I R 9/11 zur Mindestbesteuerung nach § 10d EStG und § 10a Sätze 1 und 2 [X.] an. Er nimmt ergänzend zu den nachfolgenden Ausführungen auf das Urteil des [X.] Senats mit seiner umfassenden Darstellung der in Schrifttum und Rechtsprechung vertretenen Auffassungen Bezug.

aa) Die Einführung der Mindestbesteuerung bedeutet zunächst insoweit eine Änderung der Konzeption des [X.], als bisher Verluste bis zur Höhe späterer Gewinne desselben Betriebs immer vollständig abgezogen werden konnten. Die Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrags war ausgeschlossen, soweit nach dem Verlust insgesamt kein den Verlust übersteigender Gewerbeertrag erzielt wurde. Nach § 10a Sätze 1 und 2 [X.] ist die Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrags nicht mehr in jedem Fall ausgeschlossen.

Zu dieser Änderung des Besteuerungskonzepts und damit der [X.] war der Gesetzgeber befugt. Sie beruht auf einem sachlichen Grund, der in der Verstetigung des Aufkommens öffentlicher Haushalte, insbesondere kommunaler Haushalte zu sehen ist. Zur Erreichung dieses Ziels ist das gewählte System der Mindestbesteuerung geeignet, denn die Verhinderung einer sofortigen Verrechnung hoher Verluste mit hohen Gewerbeerträgen kann eine Aufkommensglättung bewirken. Von der Änderung der [X.] sind alle Steuersubjekte der Gewerbesteuer in gleicher Weise betroffen. Der Gleichheitssatz ist insoweit nicht verletzt, so dass es in diesem Zusammenhang keines besonderen Rechtfertigungsgrunds (etwa in Gestalt eines qualifizierten [X.], vgl. Desens, [X.] 2011, 745, 749) bedürfte.

[X.]) Nach dem gesetzgeberischen Plan soll § 10a Sätze 1 und 2 [X.] nicht zu einem endgültigen Wegfall von ausgleichsfähigen Fehlbeträgen aus vorangegangenen Erhebungszeiträumen führen. Die Regelung beinhaltet danach keine Beschränkung des Abzugs der während der Dauer der unternehmerischen Tätigkeit entstandenen Betriebsausgaben. Insoweit verstößt § 10a Sätze 1 und 2 [X.] nicht gegen das objektive Nettoprinzip. Zu einer Verletzung des objektiven Nettoprinzips kann es nur mittelbar dann kommen, wenn die zeitliche Hinauszögerung des [X.] im Ergebnis zur Folge hat, dass der ansonsten abziehbare Verlust überhaupt nicht mehr abgezogen werden kann. Verluste setzen sich aus verschiedenen Bestandteilen zusammen, die zu einem geminderten Betriebsvermögen führen. Sie ergeben sich aus einem Überschuss der Betriebsausgaben über die Betriebseinnahmen und beinhalten auch vom objektiven Nettoprinzip geschützte Betriebsausgaben.

Zins- und Liquiditätsnachteile, die durch einen zeitlich hinausgeschobenen Abzug von Betriebsausgaben eintreten, verletzen das objektive Nettoprinzip grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme wird davon allenfalls dann zu machen sein, wenn die zeitliche Verzögerung den Betriebsausgabenabzug für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich wertlos macht, weil der [X.] die durch den Abzug ausgelöste [X.] nahezu aufwiegt. Von einer derartigen Entwertung des Abzugs kann nach der Ausgestaltung des § 10a Sätze 1 und 2 [X.] nicht die Rede sein, denn Sockelbetrag und prozentualer Zusatzabzug sichern in jedem Erhebungszeitraum erhebliche Abzugsbeträge, die einerseits zu einer sofortigen [X.] führen und andererseits den A[X.]au auch größerer Verlustvorträge in einem überschaubaren Zeitraum regelmäßig ermöglichen sollten.

cc) Die mittelbar durch eine steuergesetzliche Regelung eintretende Verletzung des objektiven Nettoprinzips bedarf in ähnlicher Weise einer Rechtfertigung wie eine vom Gesetz gezielt vorgenommene Verletzung. [X.] wie beabsichtigte Eingriffe in das objektive Nettoprinzip können aber durch die [X.] gerechtfertigt sein.

Den Anforderungen, die an die [X.] zu stellen sind, genügt die gewerbesteuerliche Mindestbesteuerung nach § 10a Sätze 1 und 2 [X.].

(1) Für die Streckung des [X.] konnte generalisierend an die Höhe des im Erhebungszeitraum erzielten [X.] angeknüpft werden. Dabei ist durch die Verknüpfung eines statischen (Sockelbetrag) und eines dynamischen (prozentualer Abzug) Elements sichergestellt, dass kein Steuerpflichtiger in einem Erhebungszeitraum mit positivem Gewerbeertrag vollständig vom Verlustabzug ausgeschlossen ist und der Verlustabzug zugleich unter Beachtung des Erfordernisses vertikaler Gleichheit vorgenommen werden kann. Soweit es durch die Streckung nicht zu einem endgültigen Wegfall von [X.] kommt, musste der Gesetzgeber im Rahmen der Typisierung keine weiteren Kriterien berücksichtigen.

(2) Anders verhält es sich allerdings mit den vorhersehbaren Fällen, in denen die Streckung zugleich zu einem endgültigen Untergang des Verlustvortrags führt.

(a) Es war abzusehen, dass es unter zwei Voraussetzungen zu einer durch die Streckung veranlassten definitiven Belastung mit Gewerbesteuer kommen kann. Einerseits kann die Verrechnung des gestreckten Verlustbetrags unmöglich werden, wenn in den auf den beschränkten Abzug eines Verlustvortrags folgenden Erhebungszeiträumen keine weiteren positiven Gewerbeerträge erzielt werden. Andererseits kann der Ergebnisverlauf eines Unternehmens so strukturiert sein, dass ein positiver Gewerbeertrag nur im letzten Jahr der werbenden Tätigkeit erzielt wird und die in den Vorjahren aufgelaufenen Verlustvorträge wegen der [X.] nicht vollständig von dem positiven Gewerbeertrag des letzten Jahres abgezogen werden können. Diese Fälle der unbeabsichtigten Verletzung des objektiven Nettoprinzips durften bei einer Typisierung nicht außer [X.] gelassen werden.

(b) Die Gesetzesmaterialien lassen erkennen, dass die an der Gesetzgebung beteiligten Organe Fälle der Definitivbesteuerung infolge der Mindeststeuer erkannt und bei der Ausgestaltung des Gesetzes berücksichtigt haben.

Am 26. September 2003 führte der Finanzausschuss des [X.] eine öffentliche Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsa[X.]augesetz ([X.]) durch, deren Gegenstand auch die Mindeststeuer war (im Einzelnen Wortprotokoll des Finanzausschusses, Nr. 15/30). Dabei legten Sachverständige dar, dass die Gesetzesbegründung, wonach es nur um eine Streckung und nicht um endgültige Verluste gehe, "klar nicht richtig" sei. In zyklischen Branchen müsste in [X.] der Gewinn immer doppelt so hoch sein wie die vorhergehenden Verluste, was unrealistisch sei (Wortprotokoll, Nr. 15/30, S. 3). [X.] führe letztendlich zu einer Substanzbesteuerung (Wortprotokoll, Nr. 15/30, S. 4). Insbesondere bei "Start-ups", die immaterielle Wirtschaftsgüter produzierten, bei [X.] in der Bauwirtschaft und bei der Errichtung großer Anlagen (z.B. Stahlwerk) könne es zu einer dauerhaften Substanzbesteuerung kommen (Wortprotokoll, Nr. 15/30, S. 16 f. sowie S. 39 bis 41). Das führe zu einer extremen Gefährdung des Mittelstandes und der "Start-ups"; zu deren Schutz müsse der Sockelbetrag mindestens verzehnfacht werden (Wortprotokoll, Nr. 15/30, S. 39).

(3) Die gegenüber dem Gesetzentwurf geäußerten Bedenken haben offensichtlich zur Folge gehabt, dass der Sockelbetrag von 100.000 € auf 1 Mio. € verzehnfacht und der Prozentsatz für den Restbetrag von 50 auf 60 % angehoben worden ist. Der erkennende Senat kann anhand des ihm zugänglichen [X.] nicht sicher erkennen, ob der Gesetzgeber davon ausgehen durfte, mit den vorgenommenen Anpassungen bezogen auf die Zahl der betroffenen Fälle und die Höhe der definitiv anfallenden Steuer im typischen Anwendungsfall der Mindeststeuer keine besonders belastende Definitivbesteuerung zu bewirken.

Einer genaueren Prüfung dieser Frage bedarf es jedoch nicht.

(a) Bereits der Umfang der Anpassung spricht dafür, dass eine große Zahl kritischer Fälle nun von einer Definitivbesteuerung verschont bleibt. Dies wird auch dadurch gestützt, dass die Anpassung im Umfang dem entspricht, was im Rahmen der Anhörung sachverständig geäußert wurde. Zu berücksichtigen ist dabei zudem, dass wegen der besonderen Ausgestaltung der Gewerbesteuer als [X.] Verlustvorträge häufiger als bei der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer bereits ungeachtet der Wirkungen von § 10a Sätze 1 und 2 [X.] untergehen.

(b) Es ist nicht zu erkennen, dass durch eine gesetzliche Regelung eine Definitivbelastung in allen verbleibenden denkbaren Einzelfällen hätte ausgeschlossen werden können, ohne das System der Mindestbesteuerung insgesamt aufzugeben und ohne zugleich weitere Verletzungen des Gleichheitssatzes zu bewirken. Kommt es zur Definitivbelastung, weil einem beschränkten Verlustabzug keine weiteren positiven Gewerbeerträge folgen, lässt sich im [X.] nicht erkennen, ob und aus welchen Gründen kein weiteres Potenzial für die Verrechnung des gestreckten Verlusts entstehen wird. Würde sich rückwirkend die beschränkte Verlustverrechnung als Ursache für die Definitivbelastung erweisen, könnte die Belastung nur durch eine Korrektur der seinerzeitigen Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags beseitigt werden. Dies käme aber einem Verlustrücktrag nahe, der in dem System der Gewerbesteuer bewusst nicht vorgesehen ist. Wäre Ursache für die Definitivbelastung der Umstand, dass ein positiver Gewerbeertrag nur im letzten Jahr der werbenden Tätigkeit entsteht, würde eine Ausnahme von der [X.] für derartige Fälle zu einer Ungleichbehandlung mit solchen Unternehmen führen, in denen es trotz gleichförmiger Ergebnisentwicklung zu einer Definitivbelastung kommt.

(c) Unter diesen Umständen durfte der Gesetzgeber sich darauf verlassen, dass in den nach Anhebung des Sockelbetrags und des Prozentsatzes für den zusätzlich abziehbaren Betrag nun zahlenmäßig deutlich reduzierten Fällen besondere Härten, die allein von der durch die Verluststreckung ausgelösten Definitivbelastung herrühren, durch [X.] vermieden werden können. Die Möglichkeit von [X.] in besonderen Einzelfällen flankiert die [X.] und gestattet ihm, eine typisierende Regelung zu treffen, bei der Unsicherheiten über Zahl und Intensität der von der typisierenden Regelung nachteilig betroffenen Fälle mit zumutbarem Aufwand nicht beseitigt werden können.

5. [X.] nach § 10a Sätze 1 und 2 [X.] verletzt auch keine verfassungsrechtlich geschützten Freiheitsrechte.

Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 [X.] ist allerdings betroffen, weil die Gewährleistung des Art. 14 Abs. 1 [X.] den Grundrechtsträger auch dann schützt, wenn Steuerpflichten --wie im Einkommen- und Gewerbesteuerrecht-- an den Hinzuerwerb von Eigentum anknüpfen ([X.] vom 18. Januar 2006  2 BvR 2194/99, [X.] 115, 97, Rz 33 ff.). Der Eingriff in das Grundrecht ist aber als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 [X.] gerechtfertigt (ebenso [X.] Hamburg, Urteil vom 2. November 2011  1 K 208/10, E[X.] 2012, 434, unter [X.]2.b der Gründe).

Die sich aus den Grundsätzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips ergebenden Obergrenzen für die Steuerbelastung werden nicht überschritten. Maßgeblich für die Frage der Übermaßbesteuerung ist der im betroffenen Erhebungszeitraum erzielte Gewerbeertrag. § 10a Sätze 1 und 2 [X.] beschränkt zwar die Berücksichtigung der vortragsfähigen Fehlbeträge und kann sich damit auf die Höhe der Gewerbesteuer auswirken. Eine Übermaßbelastung scheidet jedoch aus. Selbst wenn im Erhebungszeitraum ein den Sockelbetrag von 1 Mio. € übersteigender positiver Gewerbeertrag erwirtschaftet wurde, werden lediglich 40 % des übersteigenden, im Erhebungszeitraum erwirtschafteten [X.] zur Gewerbesteuer herangezogen.

6. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass die Einführung der Mindestbesteuerung nicht mit einer Übergangsregelung versehen ist.

a) Die Einfügung der Sätze 1 und 2 in § 10a [X.] durch das [X.]uaÄndG wurde nicht mit einer besonderen Anwendungsregelung in § 36 [X.] verbunden. Die Neuregelung trat am 1. Januar 2004 in [X.] (Art. 4 [X.]uaÄndG). Nach der Generalklausel des § 36 Abs. 1 [X.] in seiner damaligen, durch das [X.] vom 22. Dezember 2003 ([X.] 2003, 2840) geschaffenen Fassung galt die Mindestbesteuerung gemäß § 10a Sätze 1 und 2 [X.] erstmals für den gesamten Erhebungszeitraum 2004.

Die Anwendung des § 10a Sätze 1 und 2 [X.] im Erhebungszeitraum 2004 bedeutet, dass vortragsfähige Verluste aus vorhergehenden Erhebungszeiträumen erstmals im Jahr 2004 nur noch in den neu gezogenen Grenzen abgezogen werden konnten. Im Hinblick auf die bei Inkrafttreten der Neuregelung bestehenden Verlustvorträge ist dies als eine tatbestandliche Rückanknüpfung anzusehen. Diese ist nicht grundsätzlich unzulässig. Nach der jüngsten Rechtsprechung des [X.] muss der Gesetzgeber aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen ([X.]-Beschlüsse vom 7. Juli 2010  2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, [X.] 127, 31; 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, [X.] 127, 1; 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, [X.] 127, 61).

b) Die Erstreckung der Mindestbesteuerung auf bereits aufgelaufene Verlustvorträge war hier erklärtes Ziel des Gesetzgebers, denn die Streckung der Verlustvorträge sollte sofort haushaltswirksam werden (s. BTDrucks 15/1517, S. 15). Eine Übergangsregelung kam aus der Sicht des Gesetzgebers deshalb nicht in Frage.

Schutzwürdiges Vertrauen der Steuerpflichtigen wurde dadurch nicht enttäuscht. Denn der Verlustvortrag beinhaltet noch keine geschützte [X.], weil ein vorgetragener Verlust erst dann und nur in dem Umfang für den Steuerpflichtigen günstige Wirkungen entfalten kann, wenn und soweit später Gewinne erzielt werden, die mit den Verlusten ausgeglichen werden können und zudem über ggf. zu gewährende Freibeträge hinausgehen. Danach genießen weder die Erwartung, den Verlust in einem bestimmten Zeitraum abziehen zu können, noch die Hoffnung darauf, bis zum Ende der Steuerpflicht alle Verlustvorträge verrechnen zu können, einen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Sie stehen dem Interesse des Gesetzgebers an einer sofortigen Streckung der Verrechnung bereits aufgelaufener Verluste nicht entgegen, und zwar auch nicht unter dem Aspekt, dass die Verluststreckung zugleich das Risiko einer endgültig ausfallenden Verlustverrechnung erhöht (ebenso [X.]-Urteil vom 22. August 2012 I R 9/11, m.w.N.).

7. Ist § 10a Sätze 1 und 2 [X.] danach bereits in seiner allgemeinen Grundsätzen folgenden Auslegung als mit der Verfassung vereinbar zu beurteilen, bleibt kein Raum für eine von der Klägerin begehrte verfassungskonforme Auslegung.

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist ein Gesetz nicht verfassungswidrig, wenn eine Auslegung möglich ist, die im Einklang mit dem [X.] steht, und das Gesetz bei dieser Auslegung sinnvoll bleibt (erstmals [X.] vom 7. Mai 1953  1 BvL 104/52, [X.] 2, 266, Leitsatz 4). Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so ist diese geboten (z.B. [X.] vom 9. August 1978  2 BvR 831/76, [X.] 49, 148, unter B.[X.]2.b der Gründe). Art. 20 Abs. 3 [X.] verpflichtet die Gerichte, "nach Gesetz und Recht" zu entscheiden. Eine bestimmte Auslegungsmethode (oder gar eine reine Wortinterpretation) schreibt die Verfassung nicht vor. Eine Rechtsfortbildung "praeter legem" bedarf zwar sorgfältiger Begründung, ist jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen ([X.] vom 30. März 1993  1 BvR 1045/89, 1 BvR 1381/90, 1 BvL 11/90, [X.] 88, 145, unter C.I[X.]1. der Gründe).  

Eine verfassungskonforme Auslegung kommt danach nur in Betracht, wenn von mehreren Auslegungsmöglichkeiten eine zur Verfassungswidrigkeit führen würde. In seiner vom Senat vertretenen Auslegung ist § 10a Sätze 1 und 2 [X.] indessen nach den vorstehenden Erwägungen mit der Verfassung vereinbar (ebenso [X.]-Urteil vom 22. August 2012 I R 9/11). Für eine verfassungskonforme Auslegung besteht demgemäß insoweit kein Anlass.

8. Das angefochtene Urteil entspricht den vorstehend erläuterten Grundsätzen. Die Revision der Klägerin hat daher keinen Erfolg.

Meta

IV R 36/10

20.09.2012

Bundesfinanzhof 4. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 4. August 2010, Az: 1 K 608/07, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 10a S 1 GewStG 2002 vom 23.12.2003, § 10a S 2 GewStG 2002 vom 23.12.2003, Art 4 GewStGuaÄndG, Art 14 Abs 1 S 1 GG, Art 14 Abs 1 S 2 GG, § 15 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.09.2012, Az. IV R 36/10 (REWIS RS 2012, 2972)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2972

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9 C 10/14

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