Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.10.2015, Az. 9 C 11/14

9. Senat | REWIS RS 2015, 3948

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Gegenstand

Gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter einer aufgelösten GbR für Gewerbesteuerschulden; Neubeginn der Verjährung


Leitsatz

1. Für Gewerbesteuerschulden haften die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts persönlich und gesamtschuldnerisch. Die Haftung ergibt sich im Hinblick auf die nach außen bestehende beschränkte Rechtssubjektivität der Gesellschaft aus § 128 HGB in analoger Anwendung (im Anschluss an BGHZ 146, 341 <358 f.>; BFHE 213, 194 <197> ).

2. Der Neubeginn der Verjährung nach § 159 Abs. 4 HGB bestimmt sich nach dem dem Anspruch zu Grunde liegenden Fachrecht, bei der Gewerbesteuer nach den steuerrechtlichen Verjährungsvorschriften gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 AO (juris: AO 1977). § 159 Abs. 4 HGB regelt nicht den Neubeginn der Verjährung, sondern setzt diesen voraus und überträgt lediglich dessen Wirkung auf die ehemaligen Gesellschafter (Anschluss an BFH, Urteil vom 26. August 1997 - VII R 63/97 - BFHE 183, 307 <312 f.>).

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Haftungsbescheid, mit dem die Beklagte sie für Steuerschulden einer [X.] bürgerlichen Rechts für das [X.] in Anspruch nimmt.

2

Die Klägerin betrieb ab Februar 1998 zusammen mit einem Mitgesellschafter eine Gemeinschaftspraxis für Physiotherapie in Form einer [X.] bürgerlichen Rechts im Stadtgebiet der Beklagten (künftig: [X.]). Im Oktober 2001 kündigte der Mitgesellschafter den [X.]ervertrag fristlos. Mit einem an die Klägerin adressierten Bescheid vom 21. Juli 2003 setzte die Beklagte u.a. die Gewerbesteuer 2001 in Höhe von 168 820,00 [X.] 316,30 €) zuzüglich Verspätungszuschlag und Nachzahlungszinsen fest. Am 25. Juli 2003 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass die [X.] seit dem 23. Oktober 2001 nicht mehr bestehe. Sie beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 10. September 2003 die Stundung der Gewerbesteuer 2001. Mit Bescheid vom 19. Januar 2004 setzte die Beklagte die Steuerforderungen herab, nachdem das Finanzamt den zu Grunde liegenden [X.] verringert hatte. Nachdem die Klägerin gegen den [X.] Klage erhoben und das Finanzamt die Vollziehung des [X.] 2001 ausgesetzt hatte, setzte die Beklagte, die bereits mit Schreiben vom 10. März und 21. Oktober 2004 Stundungen bewilligt hatte, mit Schreiben vom 2. Mai 2006 die Vollziehung ihres Steuerbescheides widerruflich bis zur Erledigung des Rechtsstreits aus. Mit einem an die Klägerin adressierten Bescheid vom 6. Oktober 2009 setzte die Beklagte die Gewerbesteuer 2001 auf 13 363,00 [X.] 832,39 €) fest und erhob einen Verspätungszuschlag, nachdem der [X.] für 2001 auf 2 905,00 [X.] 485,30 €) reduziert worden war. Durch ein an die [X.] adressiertes Schreiben vom 7. Oktober 2009 hob die Beklagte die Aussetzung der Vollziehung für den Erhebungszeitraum 2001 auf.

3

Mit Haftungsbescheid vom 6. November 2009 verlangte die Beklagte von der Klägerin als Gesamtschuldnerin die Zahlung von 10 713,77 € für die Steuerverbindlichkeiten der [X.] bürgerlichen Rechts. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus Gewerbesteuern 2001 in Höhe von 6 832,39 €, Nachzahlungs- sowie Aussetzungszinsen in Höhe von 571,11 € und 3 162,00 € sowie einem Verspätungszuschlag in Höhe von 148,27 €. Die Beklagte führte aus, sie sei aufgrund der Subsidiarität des [X.] zunächst gehalten gewesen, sich an die Steuerschuldnerin zu wenden. Eine Vollstreckung gegen die Steuerschuldnerin (GbR) erscheine aussichtslos, weil diese nicht mehr existiere. Da der [X.] keine Beschränkung der Haftungsschuld der Höhe nach vorsehe, sei es grundsätzlich ermessensgerecht, den Haftungsanspruch in voller Höhe geltend zu machen. Sie habe sich entschieden, sämtliche [X.]er als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen, weil sie nicht davon ausgehe, dass ein [X.]er allein für die Steuerforderungen aufkommen könne.

4

Die Klage gegen den Haftungsbescheid vom 6. November 2009 hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 26. Oktober 2010 abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat auf die von ihm zugelassene Berufung das Urteil des [X.] geändert und den Bescheid der Beklagten vom 6. November 2009 aufgehoben. Der Haftungsbescheid habe gemäß § 191 Abs. 4 [X.] nicht erlassen werden dürfen, da der Haftungsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides in entsprechender Anwendung des § 159 Abs. 1 HGB verjährt gewesen sei.

5

Der Beklagte trägt zur Begründung der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision im Wesentlichen vor, der Anspruch sei nicht verjährt, denn die Verjährung sei nach § 231 [X.] unterbrochen gewesen. Der entsprechend anwendbare § 159 Abs. 4 HGB erfasse auch den steuerrechtlichen Tatbestand der Verjährungsunterbrechung nach § 231 [X.].

6

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des [X.] vom 24. März 2014 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] Hannover vom 26. Oktober 2010 zurückzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1, § 141 Satz 1 VwGO), ist zulässig und begründet.

Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Entgegen der Auffassung des [X.] durfte die Beklagte einen Haftungsbescheid nach § 191 Abs. 1, 4 [X.] erlassen, weil der zu Grunde liegende Haftungsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides noch nicht verjährt war und auch die übrigen Voraussetzungen eines Haftungsbescheides vorlagen.

1. Zwar ist das Oberverwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die aufgelöste [X.] von 1. Januar bis 23. Oktober 2001 gewerbesteuerpflichtig (§§ 2, 5, 14 Satz 3 GewStG) war. Die Gewerbesteuer ist mit Ablauf des Erhebungszeitraums (§ 18 GewStG) entstanden. Der Gewerbesteuerbescheid vom 21. Juli 2003 wahrte die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.]. Die Steuerforderung war im Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides auch noch nicht durch Zahlungsverjährung erloschen (§ 47 i.V.m. § 228 [X.]). Denn die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 228 Satz 2 [X.]), die mit Ablauf des Jahres 2003, in dem die Gewerbesteuer nach § 20 Abs. 2 GewStG fällig geworden war, erstmals zu laufen begonnen hatte (§ 229 Abs. 1 Satz 1 [X.]), war durch die Stundungen vom 10. März und 21. Oktober 2004 und sodann durch die am 2. Mai 2006 ausgesprochene Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheides unterbrochen worden (§ 231 Abs. 1 Satz 1 [X.]) und hatte nach Ende der Aussetzung im Oktober 2009 erst mit Ablauf dieses Kalenderjahres neu begonnen (§ 231 Abs. 3 [X.]).

Das Oberverwaltungsgericht hat weiter zutreffend angenommen, dass für die bestehende Steuerschuld der [X.] die Klägerin als [X.]erin persönlich und gesamtschuldnerisch haftet. Dabei schließt sich der Senat abweichend von der früheren Rechtsprechung des [X.] (Urteile vom 13. August 1993 - 8 C 64.90 - [X.] 401.0 § 191 [X.] Nr. 6 S. 22 f. und vom 8. Mai 2002 - 9 C 7.01 - [X.] 401.0 § 191 [X.] Nr. 9 S. 2 f.) der Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 9. Mai 2006 - [X.]/05 - [X.], 194 <197>) und des [X.] (Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00 - [X.], 341 <358 f.>) an, nach der sich die Haftung für die [X.]er einer [X.] im Hinblick auf ihre nach außen bestehende beschränkte Rechtssubjektivität aus § 128 HGB in analoger Anwendung ergibt.

2. Mit Bundesrecht nicht vereinbar ist jedoch die Rechtsauffassung des [X.], der angefochtene Haftungsbescheid habe gemäß § 191 Abs. [X.] nicht ergehen dürfen, da der Haftungsanspruch in diesem Zeitpunkt bereits verjährt gewesen sei.

a) Für die Verjährung des Steuerhaftungsanspruchs gegen die [X.]er einer aufgelösten [X.] gilt in analoger Anwendung von § 159 Abs. 1 HGB eine Frist von fünf Jahren, sofern nicht der Anspruch gegen die [X.] einer kürzeren Verjährung unterliegt ([X.], Urteil vom 26. August 1997 - [X.]/97 - [X.], 307 <309> m.w.N.). Die kürzere Verjährung kommt hier nicht in Betracht, weil die Zahlungsverjährung hinsichtlich der gegenüber der [X.] festgesetzten Gewerbesteuer, wie erwähnt, gemäß § 228 Satz 2 [X.] ebenfalls fünf Jahre beträgt. Die Verjährung des [X.] beginnt mit dem Ende des Tages, an welchem die Auflösung der [X.] in das Handelsregister des für den Sitz der [X.] eingetragen wird (§ 159 Abs. 2 HGB). Da die Auflösung einer [X.] nicht in das Handelsregister eingetragen wird, ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem der Gläubiger von der Auflösung der [X.] Kenntnis erlangt hat, bzw., falls die Fälligkeit erst später eingetreten ist, deren Zeitpunkt ([X.], Urteil vom 10. Februar 1992 - [X.] - [X.]Z 117, 168 <178 f.>; [X.], Urteil vom 26. August 1997 - [X.]/97 - [X.], 307 <311>). Die [X.] wurde im Oktober 2001 aufgelöst, was die Beklagte jedoch erst mit am 25. Juli 2003 [X.] erfuhr. Die Steuerforderung war einen Monat nach Bekanntgabe des Steuerbescheides, mithin am 26. August 2003 fällig geworden (§ 20 Abs. 2 GewStG), so dass die Verjährung des [X.] erstmals mit dem Ende dieses Tages begann.

b) Bei Erlass des Haftungsbescheides vom 6. November 2009 war die fünfjährige Verjährungsfrist gleichwohl nicht abgelaufen, weil die Beklagte mittlerweile den Neubeginn der Frist bewirkt hatte. Gemäß § 159 Abs. 4 HGB wirkt der Neubeginn der gegenüber der aufgelösten [X.] laufenden Verjährung - die dort gleichfalls genannte Hemmung der Verjährung nach § 204 [X.] kommt hier nicht in Betracht - auch gegenüber den [X.]ern, die der [X.] zur Zeit der Auflösung angehört haben. Wie oben dargelegt, wurde die Verjährung der Steuerforderung gegenüber der [X.] gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 [X.] dadurch unterbrochen, dass die Beklagte, die die Steuerforderung bereits im Jahr 2004 gestundet hatte, mit Schreiben vom 2. Mai 2006 die Vollziehung des Steuerbescheides aussetzte, so dass nach § 231 Abs. 3 [X.] erst mit Ablauf des Jahres 2009 eine neue Verjährungsfrist begann. Soweit das Berufungsgericht meint, ein [X.]er müsse sich im Rahmen des § 159 Abs. 4 HGB nur den Neubeginn der Verjährung nach § 212 [X.] (bzw. ihre Hemmung nach § 204 [X.]), nicht aber die abgabenrechtliche Verjährungsunterbrechung entgegenhalten lassen, kann der Senat dem nicht folgen.

aa) Der Gesetzeswortlaut ermöglicht jedenfalls eine Auslegung dahin, dass der in § 159 Abs. 4 HGB erwähnte Neubeginn der Verjährung über den Anwendungsbereich des § 212 [X.] hinaus auch die Unterbrechungstatbestände des § 231 Abs. 1 [X.] einschließt; denn Rechtsfolge der Unterbrechung ist gemäß § 231 Abs. 3 [X.] ebenfalls der Beginn einer neuen Verjährungsfrist (so auch [X.], Urteil vom 20. Januar 2011 - 9 K 9217/08 - EFG 2011, 1682 <1685>).

bb) Die Systematik des Gesetzes stützt dieses Auslegungsergebnis. Die Regelung in § 159 Abs. 4 HGB ordnet nicht selbst den Neubeginn der Verjährung an. Vielmehr setzt sie den Neubeginn der Verjährung gegenüber der [X.] voraus und überträgt lediglich seine Wirkung auf die ehemaligen [X.]er (vgl. [X.], Urteil vom 26. August 1997 - [X.]/97 - [X.], 307 <312 f.>). § 159 Abs. 4 HGB nimmt Bezug auf § 159 Abs. 1 HGB, der von den Verbindlichkeiten der [X.] ausgeht und die Verjährung daraus herrührender Ansprüche gegen die [X.]er regelt. Umfasst sind alle Verbindlichkeiten, für die die [X.]er nach § 128 HGB persönlich haften. Für eine Beschränkung auf zivilrechtliche Verbindlichkeiten gibt es keine Anhaltspunkte; vielmehr sind auch Steuerschulden erfasst (vgl. nur [X.], in: [X.]/[X.], HGB, 36. Aufl. 2014, § 128 Rn. 2, § 159 Rn. 4; [X.], in: [X.]/Boujong/[X.]/Strohn, HGB, 3. Aufl. 2014, § 128 Rn. 9, § 159 Rn. 7).

Die Frage, ob ein steuerrechtlicher Anspruch gegenüber der [X.] verjährt oder ob die Verjährungsfrist wirksam unterbrochen ist, kann sich dabei nur nach dem zu Grunde liegenden Fachrecht, also nach der Abgabenordnung, richten ([X.], Urteil vom 26. August 1997 - [X.]/97 - [X.], 307 <312 f.> und Beschluss vom 21. April 1999 - [X.] 347/98 - juris Rn. 10). Wäre § 159 Abs. 4 HGB auf die Verjährungsregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs begrenzt (so [X.], in: [X.] Kommentar zum HGB, 3. Aufl. 2011, § 159 Rn. 34; [X.], in: [X.], [X.]srecht, 2. Aufl. 2014, § 159 HGB Rn. 16), ließe sich für steuerliche Ansprüche kein sach- und systemgerechter Anwendungsbereich der Norm erschließen. Denn ein Neubeginn nach zivilrechtlichen Vorschriften käme allenfalls dann in Betracht, wenn das Steuerrecht deren entsprechende Anwendung vorsähe. Das ist indes nicht der Fall; § 231 [X.] listet die Unterbrechungstatbestände selbstständig ohne Verweis auf zivilrechtliche Vorschriften auf. Eine entsprechende Anwendung der zivilrechtlichen Verjährungstatbestände auf das Steuerschuldverhältnis scheidet damit aus ([X.], in: [X.]/[X.]/Spittaler, [X.], § 231 [X.] Rn. 12 m.w.N., Stand Juni 2009). Die Beschränkung des § 159 Abs. 4 HGB auf zivilrechtliche Verjährungsvorschriften würde mithin zu einer Ungleichbehandlung zivilrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Forderungen führen, für die kein sachlicher Grund erkennbar ist.

cc) Auch der aus der Entstehungsgeschichte ersichtliche Normzweck des § 159 Abs. 4 HGB bestätigt das beschriebene Normverständnis. Die Vorschrift geht zurück auf das Gesetz zur zeitlichen Begrenzung der Nachhaftung von [X.]ern (Nachhaftungsbegrenzungsgesetz) vom 18. März 1994 ([X.] [X.]). Dieses Gesetz sollte einen Ausgleich schaffen zwischen den Interessen der [X.]er, nur noch für eine begrenzte Zeit für die Schulden der [X.] haften zu müssen, und dem Interesse der Gläubiger der [X.] an einer Haftung der [X.]er für bereits früher begründete Verbindlichkeiten (s. [X.]. 446/91 S. 9). Durch das Nachhaftungsbegrenzungsgesetz ist § 159 Abs. 4 HGB - allerdings beschränkt auf den Fall der Auflösung einer [X.] - aus dem davor geltenden § 160 HGB übernommen worden. Demgegenüber soll die in § 160 HGB neu eingeführte selbstständige Enthaftungsregelung bei Ausscheiden eines [X.]ers nicht für den Fall der Auflösung der [X.] gelten, weil den Gläubigern in diesem Fall nicht die [X.] als Schuldner verbleibt ([X.]. 446/91 S. 11). Die ehemaligen [X.]er einer aufgelösten [X.] sollen von daher keinesfalls besser gestellt sein als ein [X.]er, der aus einer fortbestehenden [X.] ausscheidet. In diesem systematischen Zusammenhang erschließt sich der spezifische Normzweck des § 159 Abs. 4 HGB aus der Zusammenschau mit § 129 Abs. 1 HGB. Schon aus der zuletzt genannten Vorschrift folgt, dass sich der [X.]er auf Verjährung einer gegen die [X.] gerichteten Forderung, für die er nach § 128 HGB haftet, nicht berufen kann, wenn die Verjährung gegenüber der [X.] vor deren Auflösung unterbrochen wurde bzw. neu zu laufen begonnen hat; § 159 Abs. 4 HGB stellt dieser Konstellation den Fall gleich, dass die Unterbrechung bzw. der Neubeginn der Verjährung nach Auflösung der [X.] eingetreten ist (vgl. [X.], in: [X.] Kommentar zum HGB, 3. Aufl. 2011, § 159 Rn. 32; [X.], Beschluss vom 21. April 1999 - [X.] 347/98 - juris Rn. 6 f.). Mit diesem Normzweck wäre es nicht vereinbar, wenn ein durch eine Unterbrechungshandlung nach § 231 Abs. 1 [X.] bewirkter [X.] aus dem Anwendungsbereich des § 159 Abs. 4 HGB ausgeklammert würde.

Auch die jüngste Änderung des § 159 Abs. 4 HGB aufgrund der Neuregelung der Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26. November 2001 ([X.] I S. 3138) hat den vorerwähnten Normzweck unberührt gelassen. Bei der Änderung der Wortwahl von "Unterbrechung" in "Neubeginn" der Verjährung (bzw. Hemmung nach § 204 [X.]) handelt es sich lediglich um eine redaktionelle Folgeänderung ([X.]. 14/1640 S. 280) aus der Neugestaltung der Verjährungsvorschriften in §§ 194 ff. [X.]; diese zielen ihrerseits auf die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche und sind nicht auf die besonderen Verhältnisse des Steuerverfahrens zugeschnitten (so zutreffend [X.], Urteil vom 20. Januar 2011 - 9 K 9217/08 - EFG 2011, 1682 <1685>). Die o.g. Rechtsprechung des [X.], derzufolge hinsichtlich der Verjährungsunterbrechung für steuerrechtliche Ansprüche auf die Verjährungsvorschriften des Steuerrechts abzustellen ist, war bei der Neufassung des § 159 Abs. 4 HGB bekannt. Der Gesetzgeber hat nicht zu erkennen gegeben, dass er diese Rechtsprechung korrigieren wollte.

3. Ermessensfehler sind der Beklagten bei Erlass des Haftungsbescheides nicht unterlaufen. Sie durfte sich darauf stützen, im öffentlichen Interesse verpflichtet zu sein, geschuldete Abgaben einzutreiben, und hat eine Möglichkeit, den Steueranspruch anderweitig zu realisieren, nicht gesehen. Sie hat auch beide [X.]er mit Haftungsbescheid in Anspruch genommen.

4. Gemäß § 219 Satz 1 [X.] durfte die Klägerin auch mit einer Zahlungsaufforderung, die mit dem Haftungsbescheid verbunden werden konnte ([X.], Beschluss vom 8. Februar 2008 - [X.] 156/07 - juris Rn. 11 m.w.N.), subsidiär in Anspruch genommen werden. Die Beklagte ist zum Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides begründet davon ausgegangen, dass die Vollstreckung gegen die [X.] aussichtslos sein würde, weil sie - unstreitig - durch das Ausscheiden des Mitgesellschafters im Oktober 2001 gemäß § 736 Abs. 1 [X.] aufgelöst worden war und die Klägerin selbst im Februar 2005 mitgeteilt hatte, dass der Mitgesellschafter die [X.] in die Zahlungsunfähigkeit gebracht und ihr Vermögen ihrem, der Klägerin, Zugriff entzogen habe. Eines erfolglosen [X.] bedurfte es unter diesen Umständen nicht (vgl. [X.], Beschluss vom 24. April 2008 - [X.] 262/07 - [X.]/NV 2008,1448 <1449>).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Meta

9 C 11/14

14.10.2015

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend OVG Lüneburg, 24. März 2014, Az: 9 LB 114/12, Urteil

§ 128 HGB, § 159 Abs 4 HGB, § 159 Abs 1 HGB, § 231 Abs 1 S 1 AO 1977, § 191 Abs 4 AO 1977, § 169 Abs 2 S 1 Nr 2 AO 1977, § 228 S 2 AO 1977, § 212 BGB, § 14 GewStG, § 18 GewStG, § 20 GewStG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.10.2015, Az. 9 C 11/14 (REWIS RS 2015, 3948)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3948

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IX ZR 81/21

B 12 KR 5/20 R

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