Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.08.2022, Az. VII R 46/20

7. Senat | REWIS RS 2022, 6816

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Gegenstand

Unterbrechung der Verjährung - Pfändung im Arrestverfahren - schriftliche Geltendmachung des Haftungsanspruchs


Leitsatz

Die Verjährung eines Anspruchs kann nur dann nach § 231 AO unterbrochen werden, wenn die Verjährungsfrist bereits in Gang gesetzt worden ist und noch läuft. Daher unterbricht eine Pfändung, die vor Beginn der Verjährung (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO) vorgenommen worden ist, die Verjährung nicht.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom [X.] aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die [X.]eteiligten streiten über die Frage, ob die Verjährung einer Haftungsschuld auch dann durch eine Sachpfändung unterbrochen werden kann, wenn diese im Rahmen eines [X.] bereits vor Fälligkeit der Haftungsschuld vorgenommen worden ist.

2

Am 28.08.1996 ordnete das Finanzamt [X.] den dinglichen Arrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des [X.] und Revisionsklägers (Kläger) an, und zwar wegen der von der [X.] (GmbH) hinterzogenen Umsatzsteuern für 1995 in Höhe von … DM und für 1996 in Höhe von … DM. In der [X.]egründung der Arrestanordnung wurde ausgeführt, der Kläger hafte als faktischer Geschäftsführer für die Umsatzsteuer der GmbH gemäß § 71 der Abgabenordnung ([X.]), hilfsweise gemäß § 69 i.V.m. § 34 [X.].

3

Am 30.08.1996 pfändete das Finanzamt [X.] in Vollziehung der Arrestanordnung in der Wohnung des [X.] eine Armbanduhr der Marke [X.] (Schätzwert: … DM) und ein mit Steinen besetztes [X.] (Schätzwert: … DM). Der Kläger war bei der Pfändung anwesend und wurde anschließend von der Polizei verhaftet.

4

Das [X.] wurde am 12.09.1998 zum [X.] von … DM versteigert.

5

Am 24.06.1998 erließ das Finanzamt [X.] gegen den Kläger einen auf § 71 [X.] gestützten Haftungsbescheid wegen Umsatzsteuer der [X.] in Höhe von … DM.

6

Die Pfändung der Armbanduhr wurde auf die Klage der Sicherungseigentümerin hin durch Urteil des [X.] ([X.]) vom 04.06.1999 für unzulässig erklärt und am 06.07.1999 aufgehoben.

7

Jeweils am 14.07.2004, am 15.10.2009 und am 14.02.2014 erfolgten weitere [X.]e.

8

Am 20.04.2017 erließ der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) einen Abrechnungsbescheid, demzufolge der Kläger aufgrund des Haftungsbescheids vom 24.06.1998 aus der Umsatzsteuer für 1996 noch einen verbleibenden [X.]etrag von … € schuldete (entsprechend … DM).

9

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) urteilte, der angefochtene Abrechnungsbescheid sei rechtmäßig; insbesondere sei die streitige Haftungsschuld nicht verjährt. Der Anspruch aus dem Haftungsbescheid vom 24.06.1998 sei nach § 229 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 220 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 [X.] erstmals am 27.07.1998 fällig geworden. Eine Unterbrechung der Zahlungsverjährung sei aber bereits am 30.08.1996 durch die Sachpfändung in der Wohnung des [X.] in Höhe der [X.] von … DM eingetreten und habe bis zur Freigabe der gepfändeten Armbanduhr durch das [X.] am 04.06.1999 fortgedauert. [X.] sei, dass die Sachpfändung bereits im Rahmen des [X.] und damit vor Fälligkeit der Haftungsschuld erfolgt sei; denn da das [X.] als vorläufiges Sicherungsverfahren in das [X.]eitreibungsverfahren übergeleitet werde, unterbreche die auf der Grundlage der Arrestanordnung durchgeführte Vollstreckungsmaßnahme die Verjährung in derselben Weise wie eine auf der Grundlage eines später erlassenen, die nämliche Steuerschuld betreffenden Steuerbescheids durchgeführte Vollstreckungsmaßnahme. Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 228 [X.] habe demnach mit Ablauf des Jahres 1999 begonnen und hätte mit Ablauf des Jahres 2004 geendet, sei aber durch den [X.] am 14.07.2004 erneut unterbrochen worden.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Er trägt vor, anders als das [X.] habe der [X.] ([X.]) entschieden, dass die Verjährung eines Anspruchs nur durch ein Ereignis unterbrochen werden könne, das nach [X.]eginn der Verjährungsfrist eingetreten sei (Hinweis auf Senatsurteil vom 08.01.1980 - VII R 81/77, [X.]E 129, 534, [X.] 1980, 306). Die mit Ablauf des Jahres 1998 angelaufene fünfjährige Frist zur Zahlungsverjährung sei daher mangels Unterbrechungshandlung am 31.12.2003 abgelaufen.

Hilfsweise, wenn man der Auffassung des [X.] folgte, sei zu berücksichtigen, dass eine Sicherheitsleistung die Verjährung nur in Höhe der geleisteten Sicherheit unterbreche (Hinweis auf [X.]-Urteil vom 09.10.2002 - V R 29/01, [X.]/NV 2003, 143). Dadurch solle vermieden werden, dass durch die Pfändung geringfügiger Werte der Anlauf der Verjährungsfrist in [X.]ezug auf die gesamte Steuerschuld für die Dauer der Pfändung gehemmt werde. Daher werde auch bei Überleitung des [X.] in das Vollstreckungsverfahren, also nach [X.]eginn der Verjährung, die Verjährung nur in Höhe der Sicherheit unterbrochen. Zu [X.]eginn der Verjährungsfrist Ende 1998 habe sich nur noch die Uhr im Wert von … € (entsprechend … DM) im Gewahrsam des Finanzamts [X.] befunden. Nur in dieser Höhe sei daher die Verjährungsfrist gegebenenfalls noch bis zum 31.12.2004 gelaufen.

Der Kläger beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und den Abrechnungsbescheid vom 20.04.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.05.2018 dahingehend zu ändern, dass eine verbleibende Haftungsschuld von 0 € ausgewiesen wird,
hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und den Abrechnungsbescheid vom 20.04.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.05.2018 dahingehend zu ändern, dass eine verbleibende Haftungsschuld von … € ausgewiesen wird.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Zur [X.]egründung trägt das [X.] im Wesentlichen vor, das von dem Kläger zitierte Senatsurteil (in [X.]E 129, 534, [X.] 1980, 306) sei noch zur Reichsabgabenordnung (R[X.]) ergangen und könne nicht ohne weiteres auf die Regelungen der [X.] übertragen werden. Der Unterbrechungstatbestand einer erlangten Sicherheit im [X.] wirke gemäß § 231 Abs. 2 Satz 1 [X.] nicht punktuell, sondern sei auf Dauer angelegt. Er bewirke, solange er andauere, die Unterbrechung jeder in dieser [X.] laufenden Verjährungsfrist auch dann, wenn diese erst in dieser [X.], für eine logische Sekunde bis zum Eintritt der Unterbrechung, zu laufen beginne (Hinweis auf [X.]eschluss des [X.] für das [X.] vom 06.01.2015 - 14 [X.] 198/14, Kommunale Steuer-[X.]schrift --KStZ-- 2015, 90, Rz 49).

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung haben beide [X.]eteiligte übereinstimmend vorgetragen, dass am [X.] ein weiterer [X.] unternommen wurde.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des [X.] ist begründet. Die Vorentscheidung beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) und ist daher aufzuheben. Das [X.] hat seiner Entscheidung eine unzutreffende Auslegung von § 231 [X.] zugrunde gelegt.

Der erkennende Senat kann allerdings mangels ausreichender Feststellungen nicht selbst abschließend darüber entscheiden, ob die streitige Haftungsschuld tatsächlich verjährt ist. Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O).

1. Der Haftungsanspruch gehört gemäß § 37 Abs. 1 [X.] zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis und verjährt gemäß § 228 Satz 2 [X.] nach fünf Jahren.

a) Die Zahlungsverjährung beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist (§ 229 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Ist ein Haftungsbescheid ohne Zahlungsaufforderung ergangen, so beginnt die Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Haftungsbescheid wirksam geworden ist (§ 229 Abs. 2 [X.]).

Durch die Verjährung erlöschen der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis und die von ihm abhängenden Zinsen (§ 232 [X.]).

b) Die Verjährung eines Anspruchs wird gemäß § 231 Abs. 1 [X.] durch die dort genannten Maßnahmen unterbrochen, entweder punktuell oder aber gemäß § 231 Abs. 2 [X.] für die dort bestimmte Dauer.

aa) "Unterbrochen" i.S. von § 231 Abs. 1 [X.] bedeutet, dass der nach § 229 Abs. 1 Satz 1 [X.] in Gang gesetzte Fristenlauf abgebrochen wird und mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Unterbrechung endet, eine neue Verjährungsfrist beginnt (§ 231 Abs. 3 [X.], Prinzip der Kalenderverjährung). Die bereits verstrichene [X.] bleibt somit unberücksichtigt (vgl. auch [X.] in Tipke/[X.], § 231 [X.] Tz 1; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 231 [X.] Rz 2).

bb) Zu unterscheiden ist die Unterbrechung einer Frist von ihrer Hemmung. Letztere bewirkt nur ein Ruhen oder einen Stillstand des Fristlaufs. Im Fall der Anlaufhemmung wird der Beginn der Verjährungsfrist auf einen späteren [X.]punkt hinausgeschoben; im Fall der Ablaufhemmung wird der planmäßige Eintritt der Verjährung hinausgeschoben (s. Banniza in [X.], Vorbemerkung zu §§ 169 bis 171 [X.] Rz 31; [X.] in Tipke/[X.], § 231 [X.] Tz 1).

Für die Zahlungsverjährung ist eine Anlaufhemmung in § 229 Abs. 1 Satz 2 [X.] geregelt, demzufolge der Beginn der Verjährungsfrist in den dort genannten Fällen hinausgeschoben wird (vgl. [X.] in Tipke/[X.], § 229 [X.] Tz 6; [X.] in [X.], [X.] § 229 Rz 9).

Eine Ablaufhemmung enthält § 230 [X.], nach dem die Zahlungsverjährung gehemmt ist, solange der Anspruch wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist nicht verfolgt werden kann. Hemmung bedeutet hier, dass der [X.]raum, währenddessen die Hemmung besteht, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird, dass aber nach dem Wegfall der Hemmung die bereits begonnene "alte" Verjährungsfrist weiterläuft (vgl. [X.] in Tipke/[X.], § 230 [X.] Tz 1; [X.] in [X.], § 230 [X.] Rz 3; [X.] in [X.], [X.] § 230 Rz 2).

cc) Schon aus dem Begriff der Unterbrechung und der Systematik der §§ 228 ff. [X.] folgt somit, dass eine Verjährungsfrist nur dann unterbrochen werden kann, wenn sie bereits in Gang gesetzt worden ist und noch läuft. Mithin kann die Verjährung eines Anspruchs auch nur durch ein Ereignis unterbrochen werden, das nach dem Beginn der Verjährungsfrist eingetreten ist.

Dies hat der Senat in Bezug auf § 147 R[X.] bereits entschieden (Senatsurteil in [X.], 534, [X.] 1980, 306). Das gilt aber aufgrund der dargelegten Systematik der §§ 228 ff. [X.] und der rechtssystematischen Unterscheidung zwischen der Unterbrechung und der Hemmung einer Frist ebenso für § 231 [X.] (gleicher Ansicht: [X.] Hamburg, Urteil vom 24.10.1989 - II 117/86, Entscheidungen der Finanzgerichte 1990, 458, unter [X.] der Entscheidungsgründe; [X.] in [X.], § 231 [X.] Rz 3; [X.] in Tipke/[X.], § 231 [X.] Tz 2 und 21; [X.], Abgabenordnung, 4. Aufl., § 231 Rz 2; [X.] in [X.], [X.] § 231 Rz 1 und 19; [X.] in [X.]/[X.], [X.]/[X.]O, § 231 [X.] Rz 43; [X.] [X.]/[X.], 21. [X.] 01.07.2022, [X.] § 231 Rz 1 und 15; Baum in [X.] Ab 29.12.2020, § 231 [X.], Rz 1 und 18 (Aktualisierung v. 06.04.2022); offengelassen im BFH-Urteil in [X.], 143, unter [X.]; anderer Ansicht: [X.]/Rüsken, [X.], 15. Aufl., § 231 Rz 15).

Dies entspricht im Übrigen auch der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) zum Begriff der Unterbrechung der Verjährung im § 217 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in der Fassung vom 01.01.1964 bzw. dem diesen ersetzenden Begriff des Neubeginns der Verjährung in § 212 BGB. Danach setzt ein Neubeginn der Verjährung "denknotwendig voraus, dass die Verjährung schon in Gang gesetzt worden ist, und kann damit frühestens ab dem eigentlichen Verjährungsbeginn einsetzen" (s. [X.]-Beschluss vom 08.01.2013 - VIII ZR 344/12, Neue Juristische Wochenschrift 2013, 1430, Rz 6, m.w.[X.]; ebenso: [X.]/[X.] (2019) BGB § 212 Rz 32; [X.]/[X.], 9. Aufl., § 212 Rz 1; [X.] BGB/[X.], 63. [X.] 01.08.2022, BGB § 212 Rz 15).

dd) Eine Ausdehnung der Verjährungsunterbrechung auf den Fall einer Pfändung im [X.] (§ 324 [X.]), die noch vor Beginn der Verjährungsfrist vorgenommen worden ist, ist vom Sinn und Zweck des § 231 [X.] nicht gedeckt.

(1) Der Sinn und Zweck der Regelungen zur Hemmung und zur Unterbrechung der Verjährung erschließen sich aus dem allgemeinen Sinn und Zweck der Regelungen über die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche (s. dazu [X.], Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. 1, 1991, § 9 V 1., m.w.[X.]). Diese dient dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit. Sie ist eine "durch die Zweckmäßigkeit gebotene Einrichtung" (so bereits [X.], [X.] Verwaltungsrecht, Bd. 1, 3. Aufl. 1924, S. 331); denn sie zwingt den Gläubiger, seine Ansprüche zügig geltend zu machen.

Damit berücksichtigen die Verjährungsvorschriften einerseits, dass die Erweisbarkeit von Ansprüchen oder auch ihre Abweisung umso schwieriger wird, je älter die Ansprüche werden (vgl. etwa Senatsurteil vom 31.01.1989 - VII R 77/86, [X.], 30, [X.] 1989, 442; s.a. [X.] in Tipke/[X.], Vorbemerkungen zu §§ 169 bis 171 [X.] Tz 5, und Banniza in [X.], Vorbemerkung zu §§ 169 bis 171 [X.] Rz 6, jeweils m.w.[X.]). Sie haben zudem die Aufgabe, einen gegenwärtigen zeitnahen [X.] zu gewährleisten (s. [X.], [X.], Dissertation 2012, S. 46 ff., 78 ff., m.w.[X.]).

Für den Steuerpflichtigen bedeuten sie andererseits, dass er nach Eintritt der Verjährung nicht mehr damit zu rechnen braucht, für die betreffenden Steuern in Anspruch genommen zu werden (s. [X.] in [X.]/[X.], a.a.[X.], § 169 [X.] Rz 1; Banniza in [X.], Vorbemerkung zu §§ 169 bis 171 [X.] Rz 6). In diesem Sinne soll das [X.] dafür sorgen, dass nach Ablauf einer angemessenen Frist endgültig Rechtssicherheit darüber einkehrt, was der Steuerpflichtige aufgrund der Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung anzurechnender Vorauszahlungen und Abzugssteuern noch zu zahlen hat bzw. was ihm zu erstatten ist (Senatsurteile vom 27.10.2009 - VII R 51/08, [X.], 327, [X.] 2010, 382, Rz 34, und vom 12.02.2008 - VII R 33/06, [X.], 225, [X.] 2008, 504; [X.] in [X.], § 228 [X.] Rz 17; [X.] in [X.], [X.] § 228 Rz 5).

Die Verjährungsvorschriften schaffen somit einen Ausgleich zwischen [X.] und Rechtssicherheit (s. [X.] in Tipke/[X.], Vorbemerkungen zu §§ 169 bis 171 [X.] Tz 6).

(2) Vor diesem Hintergrund sind die Bestimmungen zur Hemmung und zur Unterbrechung der Zahlungsverjährung in den §§ 229 ff. [X.] als Ausnahmeregelungen zu verstehen. Sie eröffnen dem Fiskus die Möglichkeit, über die Frist der fünfjährigen [X.] hinaus den staatlichen Steueranspruch durchzusetzen. Das Bedürfnis des Steuerpflichtigen nach Rechtssicherheit muss in dem gesetzlich geregelten Umfang hinter dem [X.] zurücktreten (kritisch zur Reichweite, insbesondere der Regelungen in § 231 [X.]: [X.] in Tipke/[X.], Vorbemerkungen zu §§ 169 bis 171 [X.] Tz 5).

Daraus folgt, dass die [X.] nur in den Fällen gehemmt oder unterbrochen wird, die ausdrücklich im Gesetz geregelt sind. Das Gesetz enthält insbesondere in § 231 [X.] eine abschließende Aufzählung der Unterbrechungstatbestände (Senatsurteile vom 21.12.2021 - VII R 21/19, [X.], 409, [X.] 2022, 295, Rz 30, und vom 24.09.1996 - VII R 31/96, [X.], 259, [X.] 1997, 8, unter 2.a; Senatsbeschlüsse vom 17.09.2014 - VII R 8/13, [X.], 4, Rz 9, und vom 10.11.2003 - VII B 342/02, [X.], 315; BFH-Urteil vom 26.04.1990 - V R 90/87, [X.], 348, [X.] 1990, 802, unter II.2.; [X.] in Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl., Rz 21.345; [X.] in Tipke/[X.], § 231 [X.] Tz 8; [X.]/Rüsken, a.a.[X.], § 231 Rz 8; [X.] in [X.], § 231 [X.] Rz 12; [X.] in [X.], [X.] § 228 Rz 13).

Das schließt eine extensive Auslegung des § 231 [X.] zur Erfassung einer Sachpfändung, die im Rahmen eines [X.]s bereits vor Fälligkeit der Haftungsschuld vorgenommen worden ist, aus; denn eine solche Erweiterung des Anwendungsbereichs der Regelungen zur Verjährungsunterbrechung würde den gesetzlich vorgesehenen Ausgleich zwischen [X.] und Rechtssicherheit durchbrechen.

(3) Dass das [X.] mit dem Ergehen des [X.] in das Vollstreckungsverfahren übergeleitet und als solches fortgesetzt wird, rechtfertigt kein anderes Ergebnis.

Sobald über den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, zu dessen Sicherung der Arrest angeordnet worden ist, ein Steuerbescheid oder --wie im [X.] ein Haftungsbescheid ergangen ist, der die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen des § 254 [X.] erfüllt, bedarf es der Arrestanordnung nicht mehr. Das [X.] wird in das normale Vollstreckungsverfahren übergeleitet und als solches fortgesetzt; die durch den [X.] erlangten Sicherheiten bleiben bestehen und behalten ihren Rang (vgl. Senatsurteil vom 07.07.1987 - VII R 167/84, [X.] 1987, 702, unter 2.a, m.w.[X.]; Senatsbeschluss vom 20.09.2000 - VII B 33/00, [X.] 2001, 458, unter 1.; s.a. [X.] in Tipke/[X.], § 324 [X.] Tz 85, und Hohrmann in [X.], § 324 [X.] Rz 83f.). Damit stellt aber die Überleitung des [X.]s in das Vollstreckungsverfahren keine eigenständige Vollstreckungsmaßnahme dar, die den Tatbestand des § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] erfüllen würde.

(4) Die Ausführungen des [X.] in dem vom [X.] zur Begründung seiner Rechtsauffassung in Bezug genommenen Beschluss in [X.] 2015, 90, Rz 51, nach denen ein auf Dauer angelegter Unterbrechungstatbestand, solange er andauere, die Unterbrechung jeder in dieser [X.] laufenden Verjährungsfrist bewirke, auch einer solchen, die erst in dieser [X.] "für eine logische Sekunde bis zum Eintritt der Unterbrechungswirkung" zu laufen beginne, widersprechen nicht nur dem Begriff des Unterbrechens, sondern heben auch die systematische Unterscheidung zwischen der Unterbrechung und der Hemmung einer Verjährungsfrist auf und stehen damit im Widerspruch zur teleologischen Bedeutung der Verjährungsunterbrechung. Denn im Ergebnis liefe dies darauf hinaus, dass man entweder den auf Dauer angelegten Unterbrechungstatbeständen --auch-- die Wirkung einer Anlaufhemmung zusprechen oder aber für den Fall einer Überleitung des [X.]s in das Vollstreckungsverfahren § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 [X.] analog anwenden würde. Aus den dargelegten Gründen kommt eine solche Rechtsanwendung nicht in Betracht.

Auch auf § 231 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 [X.] lässt sich ein solches Ergebnis nicht stützen. Das [X.] legt hierzu dar (Beschluss in [X.] 2015, 90, Rz 49), aus § 231 Abs. 2 Satz 1 [X.] ergebe sich, dass die Unterbrechung bis zu einem bestimmten [X.]punkt fortdauere, etwa bis zum Ablauf der Aussetzung der Vollziehung oder Stundung oder bis zum Erlöschen der Sicherheit. Diese Argumentation verkennt, dass § 231 Abs. 2 [X.] die Dauer der Unterbrechung regelt und nur dann von Bedeutung ist, wenn bereits einer der in § 231 Abs. 1 [X.] genannten Unterbrechungstatbestände verwirklicht worden ist.

2. Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen wäre die gegen den Kläger mit Bescheid vom 24.06.1998 festgesetzte Haftungsschuld nach den bisherigen Feststellungen des [X.] verjährt.

Die Zahlungsverjährung begann mit Ablauf des Jahres 1998 zu laufen und endete demzufolge mit Ablauf des Jahres 2003. Die Pfändung der Armbanduhr am 30.08.1996 konnte die Verjährung nicht nach § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] unterbrechen, weil die Pfändung erfolgt war, bevor die Zahlungsverjährung begonnen hatte. Der Umstand, dass die Pfändung erst am 06.07.1999 aufgehoben wurde, ist insoweit ohne Bedeutung. Die weiteren, in den Jahren 2004, 2009 und 2014 --sowie gegebenenfalls [X.] vorgenommenen [X.] hätten die bereits abgelaufene Verjährungsfrist nicht erneut in Gang setzen können.

3. Allerdings geht aus den dem erkennenden Senat vorliegenden Vollstreckungsakten hervor, dass im [X.] zunächst ein weiterer Termin zur Versteigerung der gepfändeten Uhr für den 20.03.1999 angesetzt wurde, der dann aber nicht --oder jedenfalls nicht zur Versteigerung der gepfändeten Uhr-- durchgeführt wurde (s. Schriftsatz des Rechtsanwalts der Sicherungsgläubigerin vom 27.02.1999, [X.]. 69 der Vollstreckungsakten des Finanzamts [X.], [X.], und Schriftsatz des Finanzamts [X.] vom 02.03.1999, [X.]. 70 der Vollstreckungsakten des Finanzamts [X.], [X.]).

Abschnitt 51 Abs. 4 Satz 1 der [X.] der Finanzverwaltung (Vollziehungsanweisung) vom 29.04.1980 (BSt[X.] I 1980, 194) sieht für diesen Fall eine Benachrichtigung des Vollstreckungsschuldners vor.

Im Fall des für den 12.09.1998 angesetzten --ersten-- [X.] ist der Kläger auch entsprechend durch das Finanzamt [X.] benachrichtigt worden (s. [X.]. 32 der Vollstreckungsakten des Finanzamts [X.], [X.]). Dem dabei verwendeten Vordruck "Bekanntgabe des [X.]" zufolge enthielt die Benachrichtigung zudem den Hinweis, dass der Kläger die Versteigerung abwenden könne, wenn er "bis zum obigen Versteigerungstermin dem Finanzamt die Zahlung der folgenden, noch offenen Beträge, für die gepfändet worden" sei, nachweisen würde. Dem Hinweis folgte der Zusatz "s. Anlage Haftungsbescheid" und die Benennung des damals noch offenen Betrags von … DM.

Sollte sich feststellen lassen, dass im Zusammenhang mit dem für den 20.03.1999 vorgesehenen Versteigerungstermin ein entsprechendes Schreiben des Finanzamts [X.] an den Kläger gerichtet wurde --was sich aus den dem erkennenden Senat vorliegenden Vollstreckungsakten des [X.] und des Finanzamts [X.] nicht ersehen lässt--, so hätte die damit verbundene schriftliche Geltendmachung des [X.] gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 [X.] eine Unterbrechung der mit Ablauf des Jahres 1998 angelaufenen Verjährungsfrist bewirkt. Mit Ablauf des Jahres 1999 hätte demzufolge gemäß § 231 Abs. 3 [X.] eine neue Verjährungsfrist begonnen, die durch die weiteren [X.] in den Jahren 2004, 2009 und 2014 --sowie gegebenenfalls im Jahr [X.] erneut unterbrochen worden wäre.

Ob dies der Fall ist, wird das [X.] im zweiten Rechtsgang aufzuklären und zu prüfen haben.

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 46/20

23.08.2022

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 18. März 2019, Az: 5 K 907/18, Urteil

§ 37 Abs 1 AO, § 228 S 2 AO, § 229 Abs 1 S 1 AO, § 230 AO, § 231 Abs 1 S 1 Nr 3 AO, § 232 AO, § 324 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.08.2022, Az. VII R 46/20 (REWIS RS 2022, 6816)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6816

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VIII ZR 344/12

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