Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.09.2015, Az. 2 B 56/14

2. Senat | REWIS RS 2015, 5802

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BEAMTE POLIZEI BUNDESVERWALTUNGSGERICHT (BVERWG) RECHTSEXTREMISMUS BEAMTENRECHT

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Gegenstand

Unterstützung von Aktivitäten gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung; Erkundigungsobliegenheit des Beamten


Gründe

1

1. Der Kläger steht als Kriminalkommissar im Dienst des beklagten [X.]. Er nahm am 12. November 2005 an der unter dem Motto "Ruhm und Ehre dem [X.] Frontsoldaten und den [X.] Freiwilligen" stattfindenden "[X.]" in [X.] sowie einer entsprechenden Veranstaltung zum "[X.] 2006" am 18. November 2006 in [X.] teil. Mit Disziplinarverfügung vom 26. Juli 2007 sprach der [X.]eklagte einen Verweis gegen ihn aus. Die Teilnahme an den Veranstaltungen sei in besonderem Maße geeignet, die Achtung und das Vertrauen in einer für das Ansehen des [X.]erufsbeamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Denn damit entstehe der Eindruck, Polizeibeamte suchten eine Nähe zur rechtsextremen Szene oder sympathisierten mit ihr.

2

Die nach erfolglosem Vorverfahren hiergegen erhobene Klage hat das [X.] abgewiesen. Mit der Teilnahme an den von dem bekannten Rechtsextremisten [X.] geleiteten Veranstaltungen habe der Kläger seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt. Ein Polizeibeamter dürfe im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine dem freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat verpflichtete [X.]eamtenschaft nicht den Anschein setzen, sich mit dem Nationalsozialismus oder rechtsextremistischen Strömungen zu identifizieren oder zu sympathisieren. [X.]ereits der zurechenbare Schein einer Identifikation mit Vereinigungen, deren Gedankengut dem freiheitlichen Rechtsstaat des Grundgesetzes diametral entgegengesetzt sei, stelle für einen Polizeibeamten, der in der Öffentlichkeit als Garant für die freiheitlich demokratische Grundordnung wahrgenommen werde, ein Dienstvergehen dar.

3

2. Die [X.]egründung der Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Prüfung das Revisionsgericht beschränkt ist (§ 70 [X.]. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), legt keine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache dar.

4

Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender [X.]edeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 9. April 2014 - 2 [X.] 107.13 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

5

a) Die von der [X.]eschwerde bezeichnete Frage,

"ob allein die körperliche Anwesenheit eines außer Dienst befindlichen Polizeibeamten auf einer rechtspolitischen Veranstaltung widerlegbar oder gar unwiderlegbar den Anschein einer ansehensschädigenden Sympathiebekundung indiziert",

ist bereits nicht entscheidungserheblich. Das [X.] ist nicht von der körperlichen Anwesenheit auf einer "rechtspolitischen Veranstaltung" ausgegangen, sondern davon, dass der Kläger "den Schein erweckt hat, mit Strömungen zu sympathisieren, die die [X.]eseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zum Ziel haben". Gegenstand des [X.] ist demnach das "öffentlich wahrnehmbare Auftreten zusammen mit Personen der bundesweiten rechten und rechtsextremen Szene auf Veranstaltungen, bei denen Parolen wie '[X.] stolz auf die [X.] und ehret sie!' verwendet, die erste Strophe der [X.] Nationalhymne abgespielt und Plakate und Aufkleber mit [X.]ezug zu [X.] sichergestellt wurden". Diese Tatsachenfeststellung ist von der [X.]eschwerde nicht mit durchgreifenden [X.] in Frage gestellt worden und wäre daher auch bei Durchführung eines Revisionsverfahrens bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO).

6

Dass aber von einem Polizeibeamten verlangt werden kann, von der Unterstützung jeglicher Aktivitäten abzusehen, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind, ist in der Rechtsprechung des [X.] geklärt ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 17. Mai 2001 - 1 D[X.] 15.01 - [X.] 232 § 52 [X.] Nr. 13 Rn. 18 und 36; vgl. auch [X.]eschluss vom 21. Dezember 2010 - 2 [X.] 29.10 - [X.] 232 § 77 [X.] Nr. 32 Rn. 18 zur öffentlichen Darbietung des Hitlergrußes). Ob diese Anforderungen erfüllt sind, ist Teil der Würdigung der konkreten Tatumstände und betrifft damit die Rechtsanwendung im Einzelfall, die einer Grundsatzrüge nicht zugänglich ist.

7

b) Auch die weiterhin bezeichnete Frage,

"ob sich ein Polizeibeamter durch eine Nachfrage bei der Dienststelle prinzipiell vor dem Vorwurf einer ansehensschädigenden [X.] schützen kann bzw. schützen muss",

ist in der Rechtsprechung des [X.] geklärt, nämlich dahingehend, dass von einem [X.]eamten im Zweifelsfall - schon im eigenen Interesse - erwartet wird, dass er sich bei seiner Dienststelle rechtzeitig über Umfang und Inhalt seiner Dienstpflichten erkundigt ([X.]VerwG, Urteil vom 22. Juni 2006 - 2 C 11.05 - [X.] 235.1 § 34 [X.]DG Nr. 2 Rn. 30). Es liegt auf der Hand und bedarf nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass dem nicht bereits dadurch Genüge getan ist, dass der [X.]eamte über die Frage der Dienstpflichtwidrigkeit eines Verhaltens im Kollegenkreis (bloß) unverbindlich diskutiert, sondern dass er gehalten ist, sich bei seinem zuständigen (Dienst-) Vorgesetzten über die dienstrechtliche Zulässigkeit des beabsichtigten Verhaltens zu erkundigen.

8

3. Die [X.]eschwerde hat auch keine Abweichung von einer Entscheidung des [X.] aufgezeigt.

9

Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des [X.]erufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das [X.]undesverwaltungsgericht - oder in Klagen aus dem [X.]eamtenverhältnis auch ein anderes [X.] (vgl. § 127 Nr. 1 [X.]RRG) - in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den [X.]edeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Die [X.]ehauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer [X.] dagegen nicht (stRspr, vgl. etwa [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 9. April 2014 - 2 [X.] 107.13 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3).

Diese Voraussetzungen zeigt die [X.]eschwerde bereits nicht auf, weil sie in der Sache nur eine fehlerhafte Anwendung der Maßstäbe aus dem [X.]eschluss des [X.] vom 17. Mai 2001 - 1 D[X.] 15.01 - ([X.] 232 § 52 [X.] Nr. 13) rügt.

Unabhängig hiervon verkennt die [X.]eschwerde den Gehalt der zitierten Entscheidung des [X.]. Dort ist zwar für den konkreten Einzelfall entschieden worden, dass der Teilnahme an einzelnen Feiern und Konzerten der [X.] mangels entsprechender Zielrichtung der Veranstaltungen keine ausreichenden Hinweise auf ein die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnendes Verhalten zu entnehmen war. Einen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass die bloße Teilnahme an einer Veranstaltung nicht [X.] sein könne, enthält der [X.]eschluss dagegen nicht.

Im Übrigen ist die Entscheidung des [X.] noch auf Grundlage der [X.]undesdisziplinarordnung ergangen, sodass die Gerichte auch nicht von denselben Rechtsvorschriften ausgegangen sind.

4. Schließlich liegen die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Soweit die [X.]eschwerde die Feststellungen des [X.] zur Teilnahme des [X.] an den genannten Veranstaltungen rügt, ist bereits nicht klar, welcher Verfahrensfehler damit geltend gemacht werden soll. Unabhängig hiervon liegt eine mängelbehaftete Tatsachenfeststellung nicht vor. Nachdem der Kläger von im Einsatz befindlichen Kollegen auf der Veranstaltung erkannt worden war und er den [X.]esuch der Veranstaltungen sowohl im Rahmen der Ermittlungen als auch in seiner Klageschrift (und schließlich auch in der [X.]eschwerdebegründung) eingeräumt hat, ist nicht ersichtlich, warum das [X.] hierzu weitere Aufklärungsmaßnahmen hätte vornehmen sollen. Auch die [X.]eschwerdeschrift trägt hierzu nichts vor. Ein Verstoß gegen [X.] ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Die Angriffe gegen die vom [X.] angenommene Möglichkeit der Ansehensschädigung gehen bereits im Ansatz fehl. Die für die Annahme einer Disziplinarwürdigkeit außerdienstlichen Verhaltens erforderliche Eignung zur [X.] ist danach zu beurteilen, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem [X.]eamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsübung entgegenbringen könnte, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der be- und entlastenden Umstände bekannt würde. Demnach ist unerheblich, inwieweit das Dienstvergehen im konkreten Einzelfall tatsächlich bekannt geworden ist ([X.]VerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 62.11 - [X.] 235.1 § 13 [X.]DG Nr. 19 Rn. 56). Anlass für die vom Kläger vermisste weitere Sachaufklärung zur Frage, ob und wer den Kläger als Polizeibeamten erkannt habe, bestand mithin nicht.

Auch hinsichtlich der beanstandeten Feststellungen zu Vorsatz und Schuld begnügt sich die [X.]eschwerde damit, ihre Einschätzung an die Stelle derjenigen des [X.] zu setzen. Dies genügt den Anforderungen an die Darlegung eines [X.] nicht. Es ist weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich, auf welchem Fehler die gerügte Feststellung beruhen soll. Soweit weitere Aufklärungsmaßnahmen hinsichtlich der im Kollegenkreis geführten Gespräche angemahnt werden, die der Kläger in den Tatsacheninstanzen im Übrigen nicht beantragt hat, kann die Entscheidung hierauf nicht beruhen. Nach der - zutreffenden - Einschätzung des [X.] wäre der Kläger zu seiner Entlastung vielmehr gehalten gewesen, sich mit Zweifelsfragen an seinen Dienstherrn zu wenden.

Schließlich betrifft auch die Rüge, dass das [X.]erufungsgericht zu Unrecht angenommen habe, die Disziplinarverfügung sei auch nach sechs Jahren weiterhin nötig, materielles Recht. Der Kläger wendet sich alleine gegen die vom [X.] im Einzelfall vorgenommene Rechtsanwendung, ohne einen Verstoß gegen bestimmte Verfahrensvorschriften auch nur zu behaupten.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 [X.]. § 154 Abs. 2 VwGO.

Ein Streitwert für das [X.]eschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil sich die Höhe der Gerichtskosten streitwertunabhängig aus dem Gesetz ergibt (vgl. § 79 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Nr. 16 und 62 der Anlage zu § 78 [X.]DG).

Meta

2 B 56/14

07.09.2015

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 1. April 2014, Az: OVG 81 D 2.12, Urteil

§ 60 Abs 1 BBG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.09.2015, Az. 2 B 56/14 (REWIS RS 2015, 5802)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5802

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