Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2010, Az. VI ZB 87/09

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 718

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS [X.]/09 vom 7. Dezember 2010 in dem Rechtsbeschwerdeverfahren Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 511 Ist eine [X.] zusammen mit einer anderen [X.] als Gesamtschuldner verurteilt worden, entfällt ihre Beschwer nicht schon dadurch, dass die andere [X.] den Ur-teilsbetrag zahlt. [X.], Beschluss vom 7. Dezember 2010 - [X.]/09 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 7. Dezember 2010 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] und [X.], die Richterin [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der [X.] zu 3 und 4 wird der [X.] der 3. Zivilkammer des [X.] vom 24. No-vember 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen. Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 1.365,41 •. Gründe: [X.] Die [X.] zu 3 und 4 wenden sich dagegen, dass das [X.] ihre Berufung als unzulässig verworfen hat. 1 In dem Ausgangsverfahren hat der Kläger gegen die früheren [X.] zu 1 und 2 sowie die [X.] zu 3 und 4 Schadensersatzansprüche aus ei-nem Verkehrsunfall geltend gemacht. Bei dem Unfallereignis fuhr der bei der früheren [X.] zu 2 haftpflichtversicherte frühere Beklagte zu 1 in die [X.] - 3 - spur des [X.] und kollidierte mit diesem. Neben dem klägerischen Fahrzeug befand sich das Fahrzeug des [X.] zu 3, das bei der [X.] zu 4 haft-pflichtversichert war. Der Kläger hat behauptet, Anlass für das verkehrswidrige Verhalten des früheren [X.] zu 1 sei das Verhalten des [X.] zu 3 gewesen. Das Amtsgericht hat die früheren [X.] zu 1 und 2 und die [X.] zu 3 und 4 als Gesamtschuldner zur Zahlung von 796,82 • an den Kläger verurteilt und festgestellt, dass die [X.] gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger allen weiteren materiellen Schaden aus dem Verkehrsunfall zu ersetzen. Gegen dieses Urteil haben die [X.] zu 3 und 4 (künftig: [X.]) Berufung eingelegt und beantragt, die Klage gegen sie abzuweisen. Der Kläger hat zunächst beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Nachdem beide [X.]en schriftsätzlich zur Sache Stellung genommen hatten und sich dabei ergeben hatte, dass die [X.] zu 1 und 2 unstreitig vor Einlegung der Berufung die Klageforderung ausgeglichen hatten, hat der Kläger den [X.] für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten des Berufungsverfahrens den Berufungsführern aufzuerlegen. Diese haben der Erledigungserklärung wider-sprochen und ihren Klageabweisungsantrag weiter verfolgt. 3 Das [X.] hat dann mit dem angefochtenen Beschluss die Beru-fung der [X.] als unzulässig verworfen. Diese seien durch das [X.] nicht (mehr) beschwert, weil die [X.] zu 1 und 2 die gegen die [X.] als Gesamtschuldner titulierte Hauptforderung in Höhe von 796,82 • nebst Zinsen vollständig ausgeglichen hätten und die Erfüllung dieser [X.] gemäß § 422 Abs. 1 BGB auch gegen die [X.] und [X.] wirke. Der Rechtsstreit sei daher nach Erlass des erstinstanzlichen Ur-teils, aber bereits vor Einlegung der Berufung erledigt gewesen. Da die [X.] der Erledigungserklärung der Klägerin widersprochen und sich damit die 4 - 4 - Möglichkeit einer Entscheidung auf Grundlage des § 91a ZPO genommen [X.], führe die Erledigung zwischen den Instanzen unter Anwendung des [X.] aus § 99 Abs. 1 ZPO dazu, dass das Rechtsmittel infolge der weggefallenen Beschwer nicht statthaft sei. Mit der Rechtsbeschwerde verfol-gen die [X.] ihren Klageabweisungsantrag weiter. I[X.] 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch zulässig, weil die Sicherung einer [X.] Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprin-zip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gebieten es, den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Juli 2002 - [X.], [X.] 151, 221, 227 m.w.N.). Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil das Berufungsge-richt gegen diesen Grundsatz verstoßen hat. 5 2. Das Berufungsgericht durfte die Berufung der [X.] nicht als [X.] verwerfen. 6 a) Die Berufung ist gemäß § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO grundsätzlich statthaft und zulässig, weil das Berufungsgericht selbst einen Gegenstandswert von 1.365,41 • angenommen hat. Dies ist nicht zu beanstanden. Für die Zuläs-sigkeit eines Rechtsmittels ist grundsätzlich der Zeitpunkt seiner Einlegung maßgebend (§ 4 Abs. 1 ZPO; [X.], Urteil vom 19. Dezember 1950 - [X.], 7 - 5 - [X.] 1, 29 ff.). Spätere Verminderungen des [X.] außer Betracht, soweit sie nicht auf willkürlicher Beschränkung des Rechtsmittels durch den Rechtsmittelkläger beruhen (vgl. [X.], Urteil vom 19. Dezember 1950 - [X.], aaO, 31; Beschluss vom 8. Oktober 1982 - [X.], NJW 1983, 1063) oder der Rechtsmittelkläger durch freiwillige Be-friedigung des Gegners die Verminderung des [X.] hat und dadurch zu einer entsprechenden Einschränkung seiner [X.] genötigt ist (vgl. [X.], Urteil vom 16. Januar 1951 - [X.], NJW 1951, 274, 275). Die Voraussetzungen für eine Ausnahme liegen hier nicht vor, weil die [X.] als Rechtsmittelkläger den Kläger nicht durch eine freiwillige Zahlung befriedigt haben und auch nichts dafür ersichtlich ist, dass die Zahlung durch die [X.] zu 1 und 2 im Einverständnis mit den [X.] erfolgt ist. b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die [X.] auch dadurch weiterhin beschwert, dass sie als Gesamtschuldner mit den [X.] [X.] zu 1 und 2 verurteilt worden sind. 8 Nach der Rechtsprechung des [X.] entfällt die Beschwer einer zur Zahlung verurteilten [X.], wenn sie nach Schluss der letzten mündli-chen Verhandlung und vor Einlegung eines Rechtsmittels den [X.] vorbehaltlos zahlt (vgl. [X.], Urteil vom 16. November 1993 - [X.], NJW 1994, 942, 943; Beschlüsse vom 25. Mai 1976 - [X.], [X.] § 511 ZPO Nr. 31; vom 13. Januar 2000 - [X.]I ZB 16/99, [X.], 1120). Dem steht gleich, wenn ein berechtigter Dritter mit Billigung der verurteilten [X.] den Ur-teilsbetrag zahlt und damit das Schuldverhältnis der [X.]en zum Erlöschen bringt (vgl. [X.], Urteil vom 24. Juni 1953 - [X.], [X.] § 91a ZPO Nr. 4; Beschluss vom 13. Januar 2000 - [X.]I ZB 16/99, aaO). In diesen Fällen geht die Rechtsprechung von einer materiellen Erledigung der Hauptsache zwischen 9 - 6 - den Instanzen aus, so dass ein rechtsschutzwürdiges Interesse der verurteilten [X.] an der Beseitigung des [X.] nicht mehr besteht. Diese Vor-aussetzungen liegen hinsichtlich der [X.] nicht vor. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann diesen auch nicht die Befriedigung der Klägerin durch Zahlung der [X.] zu 1 und 2 zuge-rechnet werden, durch die der Anspruch der Klägerin gemäß § 362 BGB erfüllt worden ist. Auch wenn die Klägerin aufgrund der von den [X.] zu 1 und 2 unstreitig erbrachten Leistung keinen Zahlungsanspruch mehr gegen die [X.] hat, hätte die Zahlung der [X.] zu 1 und 2 nur zu einer Erfüllung der von der Klägerin behaupteten Forderung gegenüber den [X.] führen können, wenn diese ebenfalls Schuldner des [X.]s waren (§ 422 Abs. 1 BGB). Dies haben die [X.] aber nicht nur im ersten Rechtszug, sondern auch im Berufungsverfahren in Abrede gestellt und demgemäß dem zuletzt im Berufungsverfahren angekündigten Antrag der Klägerin, den [X.] in der Hauptsache für erledigt zu erklären, widersprochen und die [X.] beantragt. Bei dieser Sachlage steht nicht fest, dass die Zahlung der [X.] zu 1 und 2 geeignet war, den Rechtsstreit zwischen der Klägerin und den [X.] in der Hauptsache zu erledigen. Vielmehr ist es gerade Gegens-tand des Berufungsverfahrens zu klären, ob die gesamtschuldnerische [X.] der [X.] zu Recht erfolgt ist. Im Hinblick darauf ist ein rechtsschutz-würdiges Interesse der [X.] an der Beseitigung des gegen sie ergange-nen Urteils im Rechtsmittelverfahren nicht auszuschließen (vgl. [X.], [X.] vom 13. Januar 2000 - [X.]I ZB 16/99, aaO). Eine Beschwer der [X.] ergibt sich unter diesen Umständen bereits daraus, dass die ergangene Entscheidung des Amtsgerichts ihrem Inhalt nach für sie nachteilig ist und für sie die Möglichkeit besteht, im höheren Rechtszug eine abweichende Entschei-dung zu ihren Gunsten zu erlangen (vgl. [X.], Urteile vom 5. Januar 1955 - [X.], NJW 1955, 545, 546; vom 7. November 1974 - [X.], [X.] - 7 - 1975, 539 f.; Beschluss vom 25. Mai 1976 - [X.], [X.] § 511 ZPO Nr. 31). Eine solche abweichende Entscheidung ist zugunsten der [X.] möglich, weil nach den in der Rechtsprechung des [X.] entwickelten Grundsätzen die Erledigung der Hauptsache auf den einseitigen Antrag der klagenden [X.] hin nur festgestellt werden kann, wenn die eingereichte Klage zulässig und begründet war, aber durch ein nach Anhängigkeit eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden ist (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 2003 - [X.], [X.] 155, 392, 395 m.w.N.). Dies ist nach dem Vortrag der [X.] nicht der Fall. 3. Obgleich es nicht mehr darauf ankommt, weist der Senat darauf hin, dass der Beschluss des Berufungsgerichts auch deswegen fehlerhaft ist, weil es vor seiner Entscheidung nicht der richterlichen Hinweispflicht entsprochen hat und deswegen eine unzulässige Überraschungsentscheidung vorliegt. Vor der Entscheidung, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, ist nämlich den 11 - 8 - [X.]en insoweit rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl., § 522 Rn. 6, 13 m.w.N.). [X.] [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 16.10.2008 - 110 C 5197/07 - [X.], Entscheidung vom 24.11.2009 - 3 S 549/08 -

Meta

VI ZB 87/09

07.12.2010

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2010, Az. VI ZB 87/09 (REWIS RS 2010, 718)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 718

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VI ZB 87/09

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