Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.03.2011, Az. II ZR 16/10

2. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 9015

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Gegenstand

Beitritt zu einer Publikumskommanditgesellschaft: Auslegung der Annahmeerklärung des persönlich haftenden Gesellschafters


Leitsatz

Wird die Beitrittserklärung eines Kommanditisten zu einer Publikumskommanditgesellschaft von der persönlich haftenden Gesellschafterin zwar im Namen der Gesellschaft angenommen, ist die persönlich haftende Gesellschafterin in dem im Prospekt abgedruckten Gesellschaftsvertrag aber nur bevollmächtigt worden, Aufnahmeverträge im Namen der Mitgesellschafter abzuschließen, spricht das für eine Auslegung der Annahmeerklärung dahin, dass sie im Namen der Mitgesellschafter abgegeben wird .

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger zu 1, 3, 4, 13, 25, 27, 30, 37, 39, 46, 51, 53, 55, 61, 68, 70, 73, 79, 82, 83, 88, 92, 94, 95, 96, 104, 108, 111, 115, 118, 122, 123, 130, 137, 138 und 155 wird das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 16. Dezember 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht hinsichtlich der gegen den Beklagten zu 2 gerichteten Anträge Ziffer 1, 2, 3 und 5 zum Nachteil dieser Kläger erkannt hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte zu 1 war Initiatorin, der Beklagte zu 2 Gründungskommanditist der [X.] und [X.] und Geschäftsführer ihrer Komplementärin. Die Beklagten zu 3 und 4 waren mit der Werbung von Anlegern beauftragt. Die Kläger sind der [X.] als Kommanditisten beigetreten. Sie verlangen die Rückabwicklung ihrer Kapitalanlagen mit der Begründung, der Prospekt weise verschiedene Fehler auf. Im September 2007 wurde der Windpark veräußert. Der Veräußerungserlös in Höhe von 44 % der [X.] wurde den Klägern nach Anhängigkeit der Klage ausbezahlt. Daraufhin haben sie den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.

2

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufungen der Kläger zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Nach der zunächst uneingeschränkt eingelegten Revision greifen die Kläger das Urteil zuletzt nur noch insoweit an, als ihren Ansprüchen gegen den Beklagten zu 2 auf Zahlung in unterschiedlicher Höhe gegen Rückübertragung der Beteiligung (Anträge Ziffer 1 und 2), Feststellung künftigen Schadensersatzes (Antrag Ziffer 3) und Feststellung der teilweisen Hauptsacheerledigung (Antrag Ziffer 5) der Erfolg versagt geblieben ist. Im Übrigen haben sie die Revisionen zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

3

Die Revisionen haben Erfolg und führen unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]erufungsgericht.

4

I. Das [X.]erufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

5

Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinne seien verjährt. Solche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne schieden aus, weil kein Vertrag zwischen dem [X.]eklagten zu 2 als Gründungsgesellschafter und den Klägern als neu eintretenden Kommanditisten zustande gekommen sei. Der [X.]svertrag bestimme in § 5 Abs. 3, dass die persönlich haftende [X.]erin der Kommanditgesellschaft die [X.]eitrittserklärung annehme. Im [X.] habe die Komplementärin die [X.]eitrittserklärung ausdrücklich als Vertreterin der Kommanditgesellschaft angenommen. Der [X.]eklagte zu 2 sei demnach nicht Vertragspartner der Kläger geworden.

6

II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des [X.]erufungsgerichts kommt ein Anspruch der Kläger gegen den [X.]eklagten zu 2 als Gründungsgesellschafter aus Prospekthaftung im weiteren Sinne in [X.]etracht.

7

1. Die Prospekthaftung im weiteren Sinne knüpft als Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 [X.]G[X.] an die(vor-)vertraglichen [X.]eziehungen zu dem Anleger an. In einer Kommanditgesellschaft - auch in der [X.] - wird die Kommanditistenstellung grundsätzlich durch den Abschluss eines Aufnahmevertrages mit den übrigen der [X.] bereits angehörenden [X.]ern erlangt (vgl. [X.], Urteil vom 1. Oktober 1984 - II ZR 158/84, [X.], 1473, 1474; Urteil vom 3. Februar 2003 - [X.], [X.], 1494, 1495; Urteil vom 14. Juli 2003 - [X.], [X.], 1651, 1652). Im Rahmen der [X.]eitrittsverhandlungen haftet der Gründungsgesellschafter für die schuldhafte Verletzung von Aufklärungspflichten. Dabei kommt auch die Haftung für [X.] in [X.]etracht, [X.]n der Prospekt bei den [X.]eitrittsverhandlungen ver[X.]det wurde ([X.], Urteil vom 14. Januar 1985 - [X.], [X.], 533, 534; Urteil vom 3. Februar 2003 - [X.], [X.], 1494, 1495; Urteil vom 7. Juli 2003 - [X.], [X.], 1536, 1537; Urteil vom 14. Juli 2003 - [X.], [X.], 1651, 1652 f.; Urteil vom 20. März 2006 - [X.], [X.], 849, 850). Der Gründungsgesellschafter haftet über § 278 [X.]G[X.] auch für das Fehlverhalten von Personen, die er zum Abschluss des [X.]eitrittsvertrages bevollmächtigt hat ([X.], Urteil vom 1. Oktober 1984 - II ZR 158/84, [X.], 1473, 1474; Urteil vom 14. Januar 1985 - [X.], [X.], 533, 534; Urteil vom 3. Februar 2003 - [X.], [X.], 1494, 1495; Urteil vom 14. Juli 2003 - [X.], [X.], 1651, 1652).

8

2. Es kann dahinstehen, ob entgegen der Auffassung des [X.]erufungsgerichts die Prospekthaftung im weiteren Sinne den Gründungskommanditisten auch dann trifft, [X.]n der Vertreter den Aufnahmevertrag nicht im Namen aller bisherigen [X.]er abschließt, sondern im Namen der Kommanditgesellschaft. Denn die Auslegung der Willenserklärungen ergibt hier, dass die Komplementärin die Vertragserklärungen der [X.]eitrittswilligen im Namen aller [X.]er und somit auch im Namen des [X.]eklagten zu 2 als Gründungskommanditisten angenommen hat. Das kann der Senat selbst feststellen, da es sich bei dem Fonds um eine Publikumsgesellschaft handelt (vgl. [X.], Urteil vom 11. Januar 2011 - [X.], [X.], 322 Rn. 12).

9

a) Der Eintritt in eine Personengesellschaft bedarf grundsätzlich eines Vertragsschlusses mit allen bisherigen [X.]ern. Der [X.]svertrag kann jedoch die Aufnahme neuer [X.]er erleichtern. [X.]ei [X.] wird regelmäßig die persönlich haftende [X.]erin bevollmächtigt, nach ihrer Wahl mit weiteren Kommanditisten deren [X.]eitritt zur [X.] zu vereinbaren. Das erforderliche Einverständnis der übrigen [X.]er mit dem Eintritt neuer [X.]er kann in einem solchen Fall im Voraus in dem [X.]svertrag erteilt werden. Der Abschluss des Aufnahmevertrags mit den übrigen [X.]ern kommt dann im Regelfall dadurch zustande, dass sich die persönlich haftende [X.]erin im Rahmen der gesellschaftsvertraglichen [X.]estimmungen mit dem neu eintretenden [X.]er auch im Namen der übrigen [X.]er über die Aufnahme einigt ([X.], Urteil vom 17. November 1975 - [X.], [X.], 15, 16; Urteil vom 14. November 1977 - [X.], [X.], 136, 137).

b) So war es auch hier. Die Annahme der [X.]eitrittserklärungen der Kläger durch die Komplementärin erfolgte im [X.] zwar durch Leistung der Unterschrift räumlich über der Firma der [X.] nebst dem Zusatz "vertreten durch die [X.]". Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass der unterzeichnende Vertreter die [X.]eitrittserklärung im Namen der Kommanditgesellschaft angenommen hat. Das [X.]erufungsgericht haftet mit seiner gegenteiligen Auffassung an dem buchstäblichen Sinn der Erklärung und verletzt damit die §§ 133, 164 Abs. 1 Satz 2 [X.]G[X.]. Die zuletzt genannte Norm ist nicht nur bei der [X.]eurteilung der Frage heranzuziehen, ob im Namen eines anderen gehandelt wurde, sondern auch bei der [X.]eantwortung der Frage, für [X.] gehandelt worden ist.

Schließt der Komplementär den Aufnahmevertrag „namens der [X.]“ ab, kann das nach dem objektiven Erklärungswert als ein Handeln sowohl im Namen der Kommanditgesellschaft als auch im Namen der Altgesellschafter verstanden werden ([X.] in [X.]/[X.]oujong/ [X.]/Strohn, HG[X.], 2. Aufl., § 177 a Anh. [X.] Rn. 11 f.). [X.]ei der [X.]eurteilung der Frage, in welchem Namen der Vertreter einen Vertrag abschließt, kommt es - wie stets im Rechtsverkehr bei der Auslegung von Willenserklärungen - auf den objektiven Inhalt der Erklärung des Vertreters an, also darauf, wie sich die Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte für einen objektiven [X.]etrachter in der Lage des [X.] darstellt (§§ 133, 157 [X.]G[X.]). Hierbei sind die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere auch die dem Rechtsverhältnis zugrunde liegenden Lebensverhältnisse, die Interessenlage, der Geschäftsbereich, dem der Erklärungsgegenstand zugehört, und die typischen Verhaltensweisen. Der Inhalt des vorliegenden [X.]eitrittsvertrages ([X.]s), vor allem die ausdrückliche [X.]ezugnahme auf den [X.]svertrag und der zum Ausdruck kommende übereinstimmende Wille der Vertragschließenden, auf dieser Grundlage die Kommanditistenstellung begründen zu wollen, lassen erkennen, dass der jeweilige [X.]eitrittsantrag der Kläger nach seinem objektiven Erklärungsinhalt gegenüber den [X.]ern der [X.] als den richtigen Adressaten abgegeben werden sollte und der Vertreter den Antrag im Namen der [X.]er für diese angenommen hat (vgl. [X.], Urteil vom 17. November 1975 - [X.], [X.], 15, 16). Hierfür spricht vor allem, dass nur diese Vorgehensweise durch die der persönlich haftenden [X.]erin im [X.]svertrag erteilte [X.] gedeckt ist. Der in dem Prospekt abgedruckte [X.]svertrag bestimmt in dem vom [X.]erufungsgericht nur unvollständig wiedergegebenen § 5 Abs. 3 Satz 2: "Die persönlich haftende [X.]erin ist zur Annahme der [X.]eitrittserklärungen namens aller [X.]er unter [X.]efreiung von den [X.]eschränkungen des § 181 [X.]G[X.] bevollmächtigt." Zu einer Annahme der [X.]eitrittserklärungen im Namen der [X.] war die Komplementärin gerade nicht befugt.

3. Die Entscheidung des [X.]erufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

Ob die gerügten [X.] vorliegen, hat das [X.]erufungsgericht nicht festgestellt, so dass sie für das Revisionsverfahren zu unterstellen sind. Auf dieser Grundlage lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob ein Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss - wie das [X.] angenommen hat - verjährt ist. Die Ausführungen des [X.]s zur Kenntnis der [X.] und damit zum [X.]eginn der Verjährung nach §§ 195, 199 Abs. 1 [X.]G[X.] beruhen auf einer Verkennung der Rechtsprechung des [X.]undesgerichtshofs. Wenn mehrere voneinander abgrenzbare [X.] vorliegen, führt dies zu einer Differenzierung hinsichtlich des Verjährungsbeginns. Die kenntnisabhängige Verjährungsfrist berechnet sich für jeden Fehler und für jeden Anleger gesondert ([X.], Urteil vom 9. November 2007 - [X.], [X.], 89; Urteil vom 23. Juni 2009 - [X.], [X.]KR 2009, 372, 373).

III. [X.] ist an das [X.]erufungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.

Strohn     

        

Reichart     

        

Drescher

        

[X.]orn     

        

Nedden-[X.]oeger     

        

Meta

II ZR 16/10

01.03.2011

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 16. Dezember 2009, Az: 9 U 29/09, Urteil

§ 133 BGB, § 157 BGB, § 161 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.03.2011, Az. II ZR 16/10 (REWIS RS 2011, 9015)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9015

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